Wenn bei den Käufern die Psychologie versagte . . .
von Gert Redlich in 2013. Es gibt zwei Seiten, die Sie vielleicht vorerst lesen sollten. Das ist die Seite über den Klang bzw. den Wohlklang und die Seite über die Studio Monitoren.
Denn mit diesen Informationen im Hinterkopf kommt sofort viel mehr Verständnis auf - für die Psyche der Käufer von Edel-Hifi.
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Wer kaufte Edel-Hifi, auch High-End genannt ?
Mit ganz dicken großen und schweren Hifi-Geräten läßt sich vortrefflich protzen und angeben. Das habe ich selbst mit den eigenen Accuphase Geräten ausprobiert, und das klappte öfter ganz hervorragend.
Bei mir ist es meist jedoch so, daß meine Gäste vor irgendwelchen Kommentaren doch mal hören wollen, wie das ganze wirklich klingt. Und da habe ich natürlich vorgesorgt, denn in meinem großen Studio klingt es schon ganz beachtlich. Weiterhin steht die dicke Accuphase Endstufe fast immer etwas versteckt und damit fast unsichtbar hinter anderen Lautsprechern.
Doch das mit dem Superklang muß überhaupt nicht so sein. In unserem eigentlichen 4 x 8m Wohnzimmer haben die gewaltigen JBL 250Ti überhaupt nicht geklungen, die Tannoy Arden auch nicht und mehrere andere Boxen auch nicht, auch wenn noch so viel beeindruckende Hardware da rumgestanden hatte, inklusive einem Thorens TD125 mit SME 3012 und Clear Audio Gamma MC Abtastsystem.
Doch das war ja alles bereits Ende der 1980er Jahre, das mit dem Edel-Hifi fing ja schon viel früher an.
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Beginnen wir in den Jahren 1963/64, als die ersten BRAUN Hifi Geräte heraus kamen.
Auf den BRAUN Seiten in der BRAUN Historie sind inzwischen auch die Preise der damaligen super progressiven weißen BRAUN Geräte aufgeführt. Wer konnte sich das damals bereits leisten ?
Es waren die Aufsteiger, die vor allem das nötige Kleingeld hatten. Bei den allermeisten war es eine Imagefrage, eine weiße BRAUN Anlage zu besitzen und seinem (männlich!) Nachbarn und/oder Gästen stolz den musikalischen Himmel vorzuführen. Ahnung von dem, das sie da hatten, hatten die wenigsten.
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Woran erkennt man das ? Man betrachtet einfach die jeweiligen Hersteller- Anzeigen in der Funkschau oder Funk-Technik, mit denen damals schon sehr oft die Radiogeschäfte bzw. Händler angeprochen wurden.
Dort wurde vor allem mit den satten Erträgen - sprich Rabatten - und dem leichten Verkauf durch geübte Überredung über die tollen Eigenschaften irgend eines Produktes geworben. Es wurde den "Verkäufern" ganz gezielt nahegelegt, das Ego des Mannes (des "Käufers") anzusprechen.
Im frühen Fonoforum und in der späteren Hifi-Stereophonie waren die Anzeigen auf die Endkunden, die "Käufer" (immer männlich) bezogen. Frauen kamen damals als Zielgruppe "sowieso !! " nicht in Frage.
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Alte "Zöpfe" und neue Werbe-Strategien ab etwa 1963/65
Es war endlich an der Zeit, damit aufzuhören, mit diesen dämlichen "Kreisen" (z.B. ein 7-Kreiser oder 12-Kreiser) und der besonders hohen "Anzahl der Röhren" zu werben, als wenn das irgend einem Qualitäts- anspruch genügt hätte.
Dafür waren es jetzt die Microvolt der UKW Empfindlichkeit und der Rauschspannungsabstand in dB des Phono-Vorverstärkers. Doch das hatte mit dem Image und dem Klang immer noch nichts zu tun. Die Optik stand im Vordergrund und der Preis natürlich auch.
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Zwischen den Zeilen der Anzeigen fand ich immer wieder den suggerierten Gedanken: "Zeig Deinen (Deinem) Nachbarn, daß Du es geschafft hast."
Also je größer, desto besser. Das war übrigens bei fast allen deutschen Herstellern so. Die aufkommenden Importeure hatten da schon andere (bessere?) Strategien.
Sie warben mit Qualität und mit dem Klang. Doch wer wollte das damals beurteilen ?
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Und so kaufte "der Deutsche" die Marke "seines Vertrauens".
Eigentlich kaufte er die Marke seines Geldbeutels. Das galt für angehende Doktoren und fertige Professoren gleichermaßen. Und komischerweise entwickelte der Deutsche Käufer eine völlig irre Herstellerbindung. Wer bei Grundig in 1962 die ersten Röhren Hifi-Bausteine gekauft hatte, blieb lange bei Grundig, bis die Japaner kamen. Eventuell gab es einen Abstecher zu Dual, weil die Dual-Plattenspieler bei Grundig etwas mehr kosteten.
Und wer einmal BRAUN hatte, der war das oft seinem Standes- dünkel schuldig, den nächstgrößeren BRAUN Receiver/Verstärker zu kaufen. Ab den 1970er Jahren wurde dann schon recht sorgfältig nach preiswerteren Einkaufsquellen Ausschau gehalten und die ersten sogenannten Boxenschieber (sie "schoben" fabrikneu verschlossene Boxen=Kisten einfach nur unter dem Ladentisch durch und benannten sich selbst einfach nur "Hifi-Lager") kamen zu ihrem Bekanntheitsgrad. Die Markenbindung blieb, außer man gehörte zu den Aufsteigern und hatte das nötige Kleingeld.
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In Österreich gab es einen völlig anderen Käufermarkt . . .
Nach einem langen Gespräch mit einem alten Hifi-Verkäufer aus Wien stellte sich das in Österreich ganz anders da. Hifi hatte es dort schon schwer und Stereo sowieso.
Der Wiener konterte auf jedes Ansinnen nach Stereo, "dös brauch mer neet". Und bei der Bewerbung für Hifi-Qualität kam die Antwort, "dös, was mir habn, reicht doch." Leider kann ich den Dialekt nicht so gut nachmachen, vielleicht kommt ja mal Hilfe.
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Die Angeber im damaligen Wien protzten mit dem (ihrem) Hifi-Laden
Wer in Wien und Umkreis angeben wollte oder mußte, (in Östereich sei das viel viel ausgeprägter gewesen als in Deutschland, sagte mein Gesprächspartner), der profilierte sich damit, in welchem "Laden" er "dies oder jenes" gekauft hatte (gleichbedeutend mit "kaufen durfte").
Die Hifi-Läden waren in Österreich vor der EU bzw. dem Euro erheblich teurer als in Deutschland. Und da war es schon ein bezeichnendes Merkmal, in welchem Geschäft (Laden) man es sich leisten konnte, einzukaufen - also ob man dazugehört und zu welcher (Kaufkraft-) Klasse. Die Marke spielte eine völlig untergeordnete Rolle. Auch die absolute Qualität spielte ein geringe Rolle.
Ich jedenfalls hatte bei diesen Schilderungen am Telefon (Flatrate) eine heruntergeklappte Kinnlade, so anders soll es dort in Wien gewesen sein.
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