Ein Firmenprospekt von Ernst Roederstein 1979 (und 1966)
aufgearbeitet im Mai 2017 von Gert Redlich - Im Nachlass von Wolfgang Hasselbach gab es jede Menge an Heften und Broschüren mit dem Wissen der 1960er Jahre. So habe ich auch zwei 120 seitige Broschüren von der Firma Roederstein (Spezialfabrik für Kondensatoren GmbH Landshut/Bay.) gefunden. Dort schreibt der Chef über die Zukunft seiner Industrie aus seiner Sicht. Selbstverständlich wissen wir das jetzt im Jahr 2017 alles "viel besser".
Doch aus historischer Sicht finde ich es extrem wichtig, die "Denke" und "Vorstellungen" der Firmenchefs von damals zu verstehen und damit auch den (Abwärts-) Weg unserer einst weltweit führenden Industrie nachzuverfolgen. In den Jahren vor und nach dem 2. Weltkrieg waren wir hier in Deutschland in so vielen Branchen weltweit führend, bis uns "die Anderen" gezeigt haben, daß sich das "Schlafen oder Ausruhen" bitter rächt.
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Ernst Roederstein schreibt 1979 über
"Tendenz und Zukunft der elektronischen Bauelemente"
Einführung - April 1979
Die vor zwei Jahren im Heft 21 ausgesprochene Erwartung über die vermutliche Entwicklung hat sich im wesentlichen bestätigt.
- Anmerkung : Leider haben wir diese Hefte nicht, aber es war abzusehen, daß der Markt am Überkochen war und daß diese Entwicklung gnadenlos über die Preise ausgetragen wurde und wird.
Sowohl das Jahr 1977 als auch 1978 haben eine im großen ganzen befriedigende Entwicklung für die Unternehmen unserer Gruppe gezeigt, zumindest was die mengenmäßige Auslastung der verschiedenen Fertigungen angeht.
- Anmerkung : Das ist eine ganz klare Aussage, daß es zwei extrem schwierige Jahre waren. Wie immer, wird das erst im Nachhinein publiziert. In den Jahren 1977 und 1978 sind bereits eine Menge kleiner Elektronik-Firmen auf der (Durst-) Strecke geblieben.
Nicht nur der Bedarf der Unterhaltungselektronik ist kräftig gestiegen, auch auf dem professionellen Gebiet ist eine Belebung der Nachfrage eingetreten. Die Bedeutung der Exportmärkte blieb im wesentlichen erhalten.
- Anmerkung : Das war ein Wunschdenken und stimmte nicht, denn selbst der Großkunde Max Grundig mußte die Stückzahlen reduzieren.
Die Preise haben jedoch unter einem unverkennbaren Druck gestanden, der in dieser Zeit nicht nachgelassen hat. Sowohl der überseeische Wettbewerb als auch die europäische Konkurrenz ist zu Preissenkungen übergegangen, die sich nur durch Überkapazitäten, verbunden mit dem Drang, zusätzliche Marktanteile zu erobern, erklären lassen.
- Anmerkung : Die Japaner drängten jetzt mit noch mehr Macht auf de europäischenMarkt, also nicht nur mit Fertiggeräten, sonder auch bei Bauelementen aller Art. Und die deutschen Hersteller hatten es immer noch nicht kapiert.
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Erkenntnisse und versteckte Wahrheiten
Dem stehen nicht allein die jährlichen Steigerungen der Arbeitskosten, sondern ebenso auch die vermehrt zu beobachtenden Preiserhöhungen für Rohmaterialien entgegen. Zweifellos wird sich dieser Trend durch die in allerjüngster Zeit erneut drohende Ölkrise noch weiter verstärken. Damit sieht die gegenwärtige Lage alles andere als rosig aus: den stetig steigenden Material- und Personalkosten steht der ständige Druck auf die Preise für die Fertigerzeugnisse gegenüber.
- Anmerkung: Der Chef sieht also schon die dunken Wolken am Himmel, die nicht mehr wegzuwischen gehen.
Kein Wunder, daß nicht nur eine, sondern schon mehrere Wettbewerbsfirmen Fertigungen von passiven Bauelementen aufgegeben haben.
- Anmerkung: Bis zum bitteren Ende überlebten erst mal die Großen mit einem umfangreichen Produkt-.Portfolio, doch es war um 1980 bereits abzusehen.
Der Ausleseprozeß hat damit bereits eingesetzt, weitere Einstellungen dürften in den kommenden Jahren folgen. Doch ist eine solche Entwicklung keineswegs ein Grund zur „Freude für die Überlebenden", im Gegenteil, notwendigerweise muß sie auch auf alle übrigen schmerzhafte Auswirkungen haben.
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Erkenntnis : Bei Marktsättiung Ausweichmärkte erobern
Hatten sich schon in der Vergangenheit die Verlagerung von Geräteproduktionen aus Europa nach Billiglohnländern und die Aufwertung der DM absatzerschwerend ausgewirkt, so ist seit dem letzten Viertel des vergangenen Jahres eine Verschlechterung im Absatz bei der Unterhaltungselektronik aufgetreten.
- Anmerkung: Hier steht es, es ging ab Ende 1978 wieder abwärts und man könne es sehen bzw. fühlen oder sogar riechen. Das stimmte aber nur für wenige Sparten oder Industriezweige.
Dieser Zustand hat sich bis jetzt nicht geändert. Vergleicht man aber die Marktsättigungsrate bei Farbfernsehern von gegenwärtig knapp 60% in der BRD mit 85% in den US und 97%, in Japan, so ist die Annahme gerechtfertigt, daß eine Neubelebung schon bald wieder einsetzen wird.
- Anmerkung: Neubelebung der Märkte heißt das Prinzip Hoffnung. Doch daß die Japaner mit ihren riesigen Produktionskapazitäten einen hundert Mal größeren Leidensdruck hatten, schien hier bei uns niemand zu realisieren.
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Ein kleiner Profi-Markt ist keine Alternative
Beunruhigend ist weiter eine sich abzeichnende Einengung im Export. Sie bezieht sich besonders auf Länder des Nahen und Mittleren Ostens, in denen durch politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten die zunächst recht ermutigende Entwicklungsphase plötzlich zu einem Stillstand gekommen ist. Hier ist, zumindest für die nächsten Monate, keinerlei Änderung zum Besseren abzusehen.
- Anmerkung: Der nahe Osten oder der mittlere Osten wurden nie mit solch brachialer (Vertriebs-) Gewalt wie der von den Japanern angegangen. Die Europäer verloren so gut wie alle Exportmärkte im Bereich Elektronik.
Erfreulicherweise ist dagegen eine allgemeine Belebung auf dem professionellen Markt eingetreten. Diese dürfte anhalten und sich vielleicht noch vergrößern. Alle hierfür in Frage kommenden Artikel unserer Unternehmen zeigen hier eine gute Entwicklung.
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Zwang zu Rationalisierung bedeutet doch Mitarbeiter abbauen
Der Zwang zu einer weiteren allgemeinen Rationalisierung steht weiterhin im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Hierzu gehören nicht allein die verschiedenen Fertigungen sowie die Verwaltung, sondern ebenso die Verbesserung der Vertriebsstruktur. Die Schaffung von Verkaufsstellen, besonders im europäischen Ausland, die mit der Firmengruppe finanziell verbunden sind, hat sich dabei sehr bewährt.
Der Weg geht hin zu neuen Produkten
Die verschiedenen Sonderfertigungen, insbesondere die der Hochspannungs-Kaskade, sind inzwischen zu einer tragenden Säule der Stammfirma geworden. Bei den Kaskaden nähern wir uns bereits der 30 Mill.-Stückgrenze.
Breiteren Raum als früher nehmen die Dickschicht-Hybrid-Technik und - bei den diskreten Bauelementen - allgemein Miniatur-Ausführungen ein. Die Anpassung unserer Typen-Palette an die Kundenwünsche für eine automatische Bestückung ist im vollen Gange. Weitere Entwicklungen auf diesen Gebieten stehen an und sollen die Überleitung auf die 80er Jahre vorbereiten.
Sooft auch schon den passiven Bauelementen in der Vergangenheit der Tod angesagt wurde, so hat sich gerade hier immer wieder gezeigt, daß eine ausschließlich auf diesen Bereich spezialisierte Gruppe von Unternehmen mittlerer Größe sich zu behaupten vermag.
Hierzu gehört nicht allein die Entscheidung, das gesamte Konzept von Anfang an, also beispielsweise bei Kondensatoren von der Wickelmaschine über das Fertigungsband bis zur Prüf-, Meß- und Verpackungs-Vorrichtung, selber zu entwickeln und herzustellen, sondern außerdem auch die Augen ständig für Fortentwicklung und für Innovationen offen zu halten.
Dies gilt sowohl für das Gebiet der elektronischen Bauelemente wie auch im gleichen Umfang für das Programm der ERO-STARK-STROM KONDENSATOREN GMBH, das von Jahr zu Jahr weiter ausgebaut werden konnte.
Sofern nicht gravierende Eingriffe von außen erfolgen, werden diese Vorhaben sich auch in der Zukunft als richtig erweisen.
Ernst Roederstein im April 1979
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