Der Deutsche Rundfunk bis zum Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans (1950)
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Von Gerhart Goebel (Darmstadt / Eberstadt)
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B. Die Entwicklung der Rundfunk-Technik in Deutschland
I. Sendertechnik
b) Modulationsverfahren - der Schlüssel zur Hifi-Qualität
Zur Modulation des ersten Berliner Rundfunksenders benutzte F. Weichart 1923 noch die 1918 von W. Heising angegebene Parallelrohr-Anoden-Modulation. Dieselbe Schaltung wurde auch von L. Kühn [66] beim Huth-Sender Berlin II angewandt. Sie ermöglichte - allerdings auf Kosten der Übertragungsqualität - einen Modulationsgrad von etwa 80%.
Dadurch erklärt sich die damals oft betonte scheinbar größere Reichweite dieses Senders gegenüber gittermodulierten Sendern gleicher Leistung. Die Heising-Kühn-Modulation wurde zuletzt 1924 beim Sender Königsberg angewandt. (Anläßlich der 9. Berliner Funkausstellung wurde noch einmal ein fahrbarer 30W-Kurzwellensender mit Heising-Modulation eingesetzt).
Das mit dem Klirrfaktor war bereits 1923 bekannt
Telefunken benutzte bereits beim ersten für Berlin gebauten 0,25kW-Sender (1923/24) die von W. Schäffer [94] angegebene Gittergleichstrom-Beeinflussung, die allerdings nur eine geradlinige Modulation von etwa 50% gestattete, dafür aber einen außerordentlich geringen Aufwand erforderte. Die Schaltung wurde bei allen Telefunken-Sendern bis 1930 angewandt, nachdem sie zuletzt durch das Verfahren des „zusätzlichen Gittergleichstroms" verbessert worden war, das eine geradlinige Modulation bis zu 70% bei einem Klirrfaktor von etwa 4% zuließ.
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Die Gittergleichstrom-Modulation mit „zusätzlichem Gitterstrom" entsprach im Prinzip einer Gitterspannungs-Modulation mit Widerstandskopplung [95]. Obwohl man bereits 1915 die Gitterspannung der Senderöhre durch die Sprechströme beeinflußt hatte [96], wurde von Telefunken erst ab 1932 die heute noch bei Sendern bis zu 5kW übliche Gitterspannungs-Modulation [97] für die Großsender eingeführt.
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Der Frequenzbereich und der Klirrfaktor
Für diese Modulationsart war vom RPZ gemäß den CCIR-Bestimmungen bei einer Modulationsfrequenz von 800Hz und einem Modulationsgrad von 80% ein Klirrfaktor von höchstens 4%, bei voller (100%) Modulation ein Klirrgrad von 10% noch zugelassen. Der Abfall der Frequenzkurve zwischen 100 und 8.000Hz durfte ±10%, jenseits dieser Grenzen ±20% des Wertes bei 800 Hz nicht überschreiten.
Über die Leistungsersparnis bestimmter Modulationsarten
Die C. Lorenz AG. verwandte während der ersten Entwicklungsstufe im Senderbau den magnetischen Modulator (Steuerdrossel) nach Pungs/Gerth unmittelbar in der Antenne, schaltete ihn dann aber später während der 2. Senderbauphase in Reihe mit den Abstimmitteln des Gitterkreises der Leistungsstufe und erzielte dadurch eine wesentliche Verringerung der benötigten Steuerleistung. Die ursprünglich mit Steuerdrossel in der Antenne ausgerüsteten älteren Lorenzsender wurden ab 1927 auf Gittergleichstrom-, z.T. auch auf Gitterspannungs-Modulation umgebaut. Während der 3. Entwicklungsstufe benutzte Lorenz von vornherein die Gitterspannungsmodulation. 1933 wurde in Deutschland erstmalig beim Telephoniesender des Dampfers „Bremen" die im Ausland bereits verbreitete Anodenspannungs-Modulation eingeführt, die bei Verwendung einer Modulationsstufe in B-Verstärkerschaltung eine Gesamt-Leistungsersparnis von etwa 25% ermöglichte.
Ab 1938 war Stromsparen angesagt - per Erlaß
Sie wurde deshalb vom RPZ zunächst versuchsweise bei den von 1933 an gebauten fahrbaren 20kW-Sendern vorgeschrieben und seit 1938 grundsätzlich bei allen Sendern über 5kW-Leistung angewandt (Bild 36). Während bei den Sendern der Entwicklungsphasen 1 und 2 grundsätzlich in der Endstufe moduliert werden mußte, schloß man von 1927 an bei den mehrstufigen Sendern einen Kompromiß, indem man entweder mit geringem Aufwand (rd. 50W) in einer der Mittelstufen modulierte und dafür die durch Verstärkung der modulierten Hochfrequenz verursachten Verzerrungen in Kauf nahm (3. Bauphase) oder zur Vermeidung dieser Verzerrungen in der Endstufe modulierte, dafür allerdings eine zusätzliche Niederfrequenz-Leistung von rund 75% der Trägerleistung aufwenden mußte (4. Bauphase).
Der Modulations-Transformator wog 8 Tonnen
Die Modulation in der Endstufe erleichterte vor allem die Einstellung des Senders. Eine zusätzliche Dämpfung von Schwingkreisen erübrigte sich. Der ölgekühlte Modulations-Transformator eines 100kW-Rundfunksenders hatte ein Gewicht von 8.000kg und maß etwa 1,6 x 1,6 x 3,2 m3. Der Deutschlandsender III enthielt 3 wahlweise einschaltbare Modulations-B-Verstärker mit je 2 RS 301 in der Endstufe. Für einen anodenspannungs-modulierten Sender wurde bei 80% Modulation ein Klirrfaktor von höchstens 4%, bei 100% Modulation ein solcher von 8% zugelassen. Die Abweichungen der Frequenzkurve von der Geraden (lineare Verzerrung) zwischen 100 und 700 Hz durften ±10%, jenseits dieser Grenzen ±20% des Wertes für 800 Hz nicht überschreiten.
Diese Technik blieb lange im Einsatz
Versuchsweise wurde beim Sender Leipzig 1936 eine von Harbig, Pungs und Gerth [99] vorgeschlagene leistungssparende (HAPUG-) Modulationsschaltung verwendet, bei der die Trägeramplitude entsprechend der Amplitude der modulierenden Tonfrequenz etwa im Verhältnis 0,6:1 geändert wurde, wodurch 23% Leistung erspart werden konnten [100].
1946 wurde bei dem von der Western Electric Co. erbauten Sender Koblenz die ebenfalls leistungssparende Modulationsschaltung nach Doherty angewandt.*)
*) Auch der am 8. 4. 1950 in Betrieb genommene Rheinsender Wolfsheim des Südwest-Funk arbeitet mit Doherty-Motiulationsschaltung.
Der Rundfunksender Freiburg/Breisgau erhielt als einziger deutscher Sender 1948 eine Stufe für Bremsgittermodulation.
Die im Jahre 1948 und 1949 errichteten UKW-Sender arbeiteten durchweg mit Frequenzmodulation (Frequenzhub ± 75 kHz für ein zu übertragendes Tonfrequenzband von 30 ... 15 000 Hz. [294].
I. Sendertechnik
d) Netz-Ersatzanlagen
Die während des 1. Weltkrieges erbaute, ursprünglich militärischen Zwecken dienende Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen war mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines Ausfalles der Netzspannung von vornherein mit 2 Dieselmotoren von je 250 PS ausgerüstet worden. Zu diesen traten später 2 kompressorlose Dieselmotoren von je 240 PS (Humboldt-Deutz), so daß Königs Wusterhausen 1926 über eine eigene Gleichstrom-Zentrale von etwa 500 kW verfügte. Bei den Rundfunksendern verzichtete man zunächst angesichts ihrer noch ungewissen Rentabilität auf Netzstrom-Ersatzanlagen. Nur der erste Rundfunk-Sender der 2. Bauperiode, Berlin-Witzleben, erhielt einen 50 PS-Benzolmotor mit einem 35 kW-Gleichstromgenerator.
Langsam laufenden Dieselmotoren mit 800kVA
In der 3. und 4. Bauperiode wurden nur die Großrundfunksender, die von einem besonders störungsanfälligen Überlandnetz versorgt wurden, von vornherein mit Netzersatzanlagen ausgestattet. So erhielten u. a. Heilsberg, Osterloog und Berlin eigene Netzersatzanlagen von 625 ... 800kVA mit langsam laufenden Dieselmotoren. Andere Großsender wie Hamburg und Langenberg wurden erst nach dem Zusammenbruch angesichts der in den Jahren 1945 ... 47 ständig auftretenden Stromsperren mit 750kVA-Dieselanlagen aus ehemaligen Flak-Bunkern ausgestattet. Der Deutschlandsender III in Herzberg erhielt 1940 eine aus 3 Dieselgeneratoren von je 1.000kVA bestehende Betriebs- und Notstromanlage, die bei Vollastbetrieb des Senders teilweise parallel zum Netz arbeitete und einen Teil der durch die Leistungszusatz-Modulation hervorgerufenen Lastschwankungen aufnahm.
Die meisten Motorentypen waren der Belastung auf die Dauer nicht gewachsen.
Die 8 Kurzwellensender in Zeesen waren mit 2 Zweitakt-Dieselmaschinen von je 1.400kVA ausgerüstet. Sämtliche fahrbaren Sendeanlagen besaßen einen in ein Fahrzeug eingebauten hochtourigen stationären Dieselmotor (Bild 45) von 120 oder 140kVA, der an Aufstellungsorten ohne Netzanschlußmöglichkeit allein die Stromversorgung der Anlage übernehmen mußte. Die meisten Motorentypen - selbst die langsamlaufenden - waren dem während des Krieges und in den Nachkriegsjahren oft pausenlosen Sendebetrieb auf die Dauer nicht gewachsen.
I. Sendertechnik
f) Sendergebäude
Da sich zu Beginn der ersten Senderbauperiode noch nicht voraussehen ließ, wie sich der Unterhaltungsrundfunk in Deutschland entwickeln würde, errichtete die DRP zwecks Kostenersparnis die ersten 250W Sender vorwiegend in posteigenen Betriebsgebäuden, Fernsprech- oder Postscheckämtern.
Wo dies nicht möglich war, stellte man die Sender in geeigneten öffentlichen Gebäuden, Fabriken o. dgl. auf. Der Platzbedarf war gering: Außer dem eigentlichen, meist im Dachgeschoß gelegenen Senderraum und dem Besprechungsstudio war noch je ein Raum für den Mikrophon- und Modulationsverstärker, für die Abschlußorgane der ankommenden Besprechungsleitungen, für die beiden 2 kV-Anodenspannungs-Umformer und für die Heiz- und Gitterspannungs-Batterien erforderlich.
Wenn der Sender in einem posteigenen Betriebsgebäude aufgestellt war, wurden Umformer und Batterien meist in den entsprechenden Räumen des Amtes mit untergebracht. Der gesamte Raumbedarf der ersten Sender betrug etwa 75 ... 100m2 einschließlich des Besprechungsraumes [291].
Bereits spezielle Räume für die zweite Bauperiode
Für die 1,5kW-Sender der zweiten Bauperiode mußten z. T. bereits spezielle Räume erstellt werden. Der eigentliche Senderraum hatte eine Bodenfläche von etwa 50m2, der Maschinenraum maß etwa 65m2 und der Batterieraum 60m2. Der Berliner Sender erhielt seiner Bedeutung gemäß als einziger noch einen zweiten Maschinenraum von 50m2 für den benzolgetriebenen Netz-Ersatzgenerator [292].
Umfangreiche Spezial-Gebäude für die 3. Bauphase
Erst vom Beginn der 3. Bauphase ab errichtete man für die neuen 60/100kW-Sender umfangreiche Spezial-Gebäude. (Etwa zur selben Zeit wurden von den Sendegesellschaften auch die ersten Funkhäuser erbaut). Mit Rücksicht auf die hohen Betriebsspannungen (bis 15kV) und die geforderte hohe Betriebssicherheit der Sender mußten die Gebäude weitläufig und den Vorschriften des VDE entsprechend ausgeführt werden.
Neue Senderbauten in Standard T-Form
Die neuen Senderbauten erhielten gewöhnlich einen T-förmigen Grundriß (Bild 57). Im Quergebäude, das stets mehrstöckig ausgeführt war, stand der Hochfrequenz- und Modulationsteil des Senders mit Schaltpult, Gleichwellengestell und Senderendverstärker (= Modulations-Leitungsverstärker) -Gestell. Dieser eigentliche Senderraum besaß einen Flächeninhalt von etwa 12 x 18 ... 15 x 22m2. Unmittelbar unter dem Senderraum lag die Rückkühlanlage (etwa 60m2) für die Leistungsröhren mit 2 Pumpenaggregaten, Rohwasser- und Reinwasserbehältern sowie den beiden Gegenstrom-Kühlern und die Wasseraufbereitungsanlage (Bild 58).
Auf demselben Geschoß waren in einem anderen Raum (etwa 150m2) die Siebmittel für die Stromversorgung und unmittelbar unter der Endstufe des Senders die Reinwasserwiderstände und die Heiztransformatoren für die Leistungsröhren angeordnet. Da die Sender gewöhnlich außerhalb der großen Städte lagen, enthielten sie neben Büroräumen (etwa 60m2) noch Dienstwohnungen für den Betriebsleiter, den Maschinisten und den Hauswart sowie Aufenthaltsräume für das diensttuende Personal. Diese Räume lagen meist über oder neben dem Senderraum im Quergebäude.
Jetzt richtige Industrie-Hallen
In dem an das Sender-Quergebäude angrenzenden, ein- oder zweistöckigen Längsbau lag zunächst der Maschinenraum (etwa 12 x 17 ... 14 x 19m2) mit den Heiz- und Anodenspannungs-Umformern sowie den beiden Hochspannungsgleichrichtern für die Senderendstufe und ein Werkstattraum von etwa 60m2. Eine Längswand des Maschinenraums wurde gewöhnlich von der Niederspannungs-Verteilerschalttafel eingenommen, hinter der - durch einen Längsgang abgetrennt - an der Außenwand des Längsbaues die Hochspannungs-Schaltanlage mit den Leistungsschaltern und die Umspanner-Zellen lagen. Der Boden dieser Zellen mündete in einer Rampe, die 1m über dem Sendergelände lag, so daß die Transformatoren mühelos durch Lastwagen ausgewechselt werden konnten. Auch im Maschinenraum war die Möglichkeit vorgesehen, die einzelnen Aggregate mittels eines Laufkatzenkrans auf Lastwagen aufzusetzen.
Gebäude für Großsender mit viel Platz
Die Gebäude für die Großsender waren von vornherein so weitläufig geplant, daß es 1939 nach geringen Erweiterungen (etwa 100 ... 150m2) möglich war, auch noch die Umbausender II darin unterzubringen. Unter den einzelnen Stufen des Senders II fanden die entsprechenden Anoden- und Heizspannungsgleichrichter sowie deren Siebmittel Platz, während die ursprünglich doppelt ausgelegte Rückkühlanlage für beide Sender gemeinsam benutzt wurde.
Die nach dem Kriege vorwiegend neu erbauten 20kW Sender benötigten für die technischen Anlagen zweigeschossige Bauten von etwa 100m2 Grundfläche, an die sich noch die Wohn- und Bürogebäude anschlossen [293].
Gedenken an Dr. Alfred Semm vom TRA
Am Schluß dieses Abschnittes sei noch eines Mannes gedacht, der einen maßgebenden Einfluß auf die gesamte deutsche Rundfunk-Sendertechnik gehabt hat: Dr. Alfred Semm wurde 1920 durch H. Harbig von der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt an das TRA (Telegraphentechnisches Reichsamt) berufen.
Bereits 1923 schlug er die Parallelschaltung von Sendern vor [298], die 1935/36 bei den Olympia-Kurzwellen-Anlagen in großem Maßstab verwirklicht werden konnte. Ende 1923 übernahm A. Semm das Senderbau-Referat beim TRA, dem späteren RPZ. Bis 1944 stellte er der deutschen Sender-Industrie immer neue, oft anfangs unlösbar erscheinende Aufgaben und gab den von ihm gebauten Sendern ihr charakteristisches Gesicht.
Daß diese Groß-Rundfunksender heute nach teilweise 20jähriger Betriebszeit immer noch ihren Dienst versehen und daß die Ausfallzeit 1 ... 2% der Gesamtbetriebsstundenzahl nicht überschreitet, ist nicht zuletzt das Verdienst der sorgfältigen und vorausschauenden Planung Semms. Er kam im April 1945 bei den Kämpfen in Berlin ums Leben.