aus Hifi Stereo Praxis vom Janaur 1962 - Heft 1
Es war die allererste Ausgabe einer ganz neuen Zeitschrift, die sich mehr um die Hifi-Technik als um die Musik und deren Urheber und Interpreten kümmern wollte.
Es war die erste ernsthafte Konkurrenz zu der jetzt über 5 Jahre alten Musikzeitschrift "fonoforum". Von der noch älteren Zeitschrift PHONO aus Wien wußte der Autor gr bis Juni 2013 noch nichts. Ein paar Monate später wurde die Hifi-Stereopraxis in Hifi-Stereophonie umbenannt.
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Der K+H Telewatt VS-70 (Januar 1962)
Ein neuer 60 Watt HiFi-Stereo-Verstärker - Von Walter Hummel
In der Übertragungskette Tonabnehmer - Verstärker - Lautsprecher ist der Verstärker ein Glied, welches in neuerer Zeit einen hohen Qualitäts-Standard erreichte. Daraus könnte man ableiten, weitere Verfeinerungen des Verstärkers seien bedeutungslos, solange die übrigen Glieder der Übertragungskette noch nicht dem theoretischen Ideal entsprechen.
Ausgiebige Hörtests und praktische Erfahrungen beweisen aber überraschenderweise, daß beispielsweise die Erhöhung der Endleistung, die Verbesserung des Rechteck-Durchgangs und die Reduzierung des Klirrgrads wie auch die weitere Herabsetzung des Intermodulationsfaktors von einem breit gestreuten Zuhörerkreis durchaus als Wiedergabe-Verbesserung quittiert werden, obgleich die verschiedenen Verstärker-Eigenschaften nicht mit gleicher Punktzahl und nach subjektivem Empfinden vom Zuhörer bewertet werden.
Auf Grund dieser Tatsachen hat man sich bei Klein & Hummel entschlossen, unter der Bezeichnung Telewatt VS-70 einen Verstärker herauszubringen, um dem Perfektionisten nach dem heutigen Stand der Technik ein Höchstmaß an Wiedergabequalität zu ermöglichen.
Hierbei ist es gelungen, in einem Gehäuse mit den Abmessungen 450 X 290 x 120 mm, welches Vor- und Endverstärker enthält, eine Endleistung von 60 Watt (2 X 30 W) bei minimalem Klirrgrad unterzubringen (Bild 1 und 2).
Jeder Kanal verfügt über eine Nennleistung von 30 Watt. Diese Leistungsangabe bezieht sich auf Aussteuerung mit sinusförmigem Dauerton. Bei Aussteuerung mit kurzzeitigen Tönen, entsprechend der amerikanischen Music-Power-Definition nach IHFM (Institute of High Fidelity Manufacturers), steht sogar eine Endleistung von 90 Watt (2 X 45 W) zur Verfügung.
Bemerkenswert ist der geringe Klirrgrad des VS-70. Da das Gehör Klirrverzerrungen bei den hohen Tönen besonders leicht wahrnimmt, wurde viel Mühe darauf angewandt, den sonst üblichen Anstieg des Klirrgrads bei höheren Frequenzen zu verhüten. Tatsächlich ist es gelungen, bei Nennleistung und bei einer Frequenz von 10 kHz den Klirrgrad auf nur 0,22% herabzudrücken. Von dem Verstärker VS-70 darf daher mit Recht gesagt werden, daß er zu den verzerrungsfreiesten Verstärkern gehört, welche in Europa oder den USA je herausgekommen sind.
Um den erzielten Fortschritt deutlich zu machen, sei die DIN-Vorschrift für ELA-Verstärker erwähnt, welche bereits für die niedrigere Frequenz von 5000 Hz einen Klirrgrad bis 3% zuließ (DIN 45 567 Entwurf vom November 1957).
Da der Käufer eines Verstärkers nur in Ausnahmefällen die Werksangaben für Endleistung, Klirrgrad usw. nachprüfen kann, muß er vom Hersteller die Propagierung reeller Leistungsdaten und Klirrgrade erwarten. Wie bei dem 40-Watt Mono-verstärker Telewatt VM-40 hat man sich bei Klein & Hummel zu einer freiwilligen Selbstkontrolle entschlossen und einen Verstärker VS-70 der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Prüfung vorgelegt. Der von der PTB am 15. 6. 61 ausgestellte Prüfbericht 14499.61 ist im Bild 3 wiedergegeben.
Der Klirrgrad
Der besseren Übersichtlichkeit wegen ist der Verlauf des Klirrgrads in Bild 4 in Kurvenform dargestellt. Eine so hohe Verzerrungsfreiheit ist nur dann möglich, wenn der Verstärker einschließlich Ausgangsübertrager phasenrein ist.
Infolge physikalischer Verkettungen, die an dieser Stelle nicht näher behandelt werden sollen, gewinnt man mit der Verzerrungsfreiheit gleichzeitig eine sehr hohe Leistungs-Bandbreite, so daß der Verstärker im Ultraschall-Bereich bei 100 kHz noch 18 Watt je Kanal abgeben kann und außerdem eine sehr gute Sprungcharakteristik.
Unter dem Begriff „Sprungcharakteristik" versteht man das Verhalten des Verstärkers bei der Wiedergabe von Impulsen und rechteckförmigen Signalen. Von einem echten High-Fidelity-Verstärker ist nämlich zu fordern, daß nicht nur sinusförmige Signale, sondern die aus dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Musikinstrumenten entstehenden komplizierten Wellenzüge formgetreu sowie ohne Ein-Ausschwingvorgänge verstärkt und dem Lautsprecher als NF-Leistung zugeführt werden.
Das Rechteckverhalten
Im Bild 5 ist der Rechteckdurchlaß des Verstärkers VS-70 bei verschiedenen Frequenzen fotografisch festgehalten. Der erzielte Fortschritt kommt bei den Frequenzen 10 kHz und 20 kHz gut zum Ausdruck. Selbst diese hohen Rechteckfrequenzen werden mit steilem Anstieg und ohne Einschwingen wiedergegeben. Das Durchsteuern mit diesen Rechteckfrequenzen ist nur dann möglich, wenn der Verstärker etwa eine um das 10 fache höhere Grenzfrequenz aufweist. Dies ist die Erklärung dafür, daß der VS-70, wie bereits erwähnt, bei 100 kHz mehr als die Hälfte der Nennleistung abgeben kann.
Beim VS-70, der aus praktischen Gründen als Kompaktverstärker gebaut ist und daher Vorverstärker, Steuerverstärker und Endverstärker auf gemeinsamem Chassis enthält, wurden alle Messungen „über Alles" bezogen, wobei sich die Klangregler stets in der eindeutig markierten Linearstellung befanden.
Die Endstufen-Konzeption
Diese Eigenschaften des VS-70, welche eine nach dem heutigen Stand der Technik bestmögliche Wiedergabequalität ermöglichen, sind das Resultat einer neuen Endstufen-Konzeption. Das Hauptmerkmal dieser Endstufe ist die Ultralinear-Gegentaktschaltung mit 2 Endröhren EL36 je Kanal. Damit wurde es möglich, spezielle Ausgangsübertrager mit relativ niedriger Impedanz zu verwenden. Diese Ausgangsübertrager kommen mit einer geringeren Kupferwindungszahl aus und ergeben verringerte Streuwerte. Gleichzeitig wurden zwei verschiedene Gegenkopplungswege, deren Phasenfehler sich annähernd kompensieren, vorgesehen.
Ein weiteres Kennzeichen dieser neuen Endstufe ist der „harte" Netzteil, welcher anstelle einer Gleichrichterröhre mit Silizium-Leistungsdioden ausgerüstet ist. Bei der relativ niedrigen Primärimpedanz der Ausgangsübertrager werden zur Erzielung der Nennleistung bei kleinerer Anodenspannung wesentlich höhere Anodenströme als sonst üblich benötigt, zu deren Erzeugung Silizium-Leistungsdioden hervorragend geeignet sind. Der Übergang zu höheren Strömen bei gleichzeitiger Herabsetzung der Anodenspannung kommt der Betriebssicherheit des VS-70 zugute. Obgleich alle Kondensatoren für eine Betriebsspannung von 350 bis 400 Volt ausgelegt sind, werden diese nur mit einer Anodenspannung von etwa 275 Volt beansprucht, was sich auf die Lebensdauer dieser Bauteile günstig auswirkt.
Sind 2 x 30 Watt Sinus zuviel ? (Wissensstand von 1961)
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte der Einwand vorgebracht werden, die vorerwähnte Leistung des VS-70 sei überdimensioniert und könne nicht ausgenutzt werden. Diese Annahme beruht jedoch auf Trugschlüssen. Nimmt man als Vergleich den "Standard-Verstärker" (Anmerkung: die spätere DIN 45.500) mit einer Leistung von 2 X 15 Watt an, so ergibt sich gegenüber dem VS-70 ein Leistungsunterschied von 1:2, d. h. eine Verdopplung der Leistung. Bekanntlich ergibt aber eine Leistungsverdopplung eine Erhöhung der Lautstärke um nur das rund 1,4 fache. Diese 1,4 fache Lautstärke-Reserve kann aber dadurch leicht aufgezehrt werden, daß neueste High-Fidelity-Lautsprecherboxen aus Qualitätsgründen eine höhere Leistung gegenüber älteren Konstruktionen benötigen. Außerdem bietet die gegenüber dem Standard-Verstärker höhere Endleistung eine bessere Sicherheit für eine verzerrungsfreie Übertragung des gesamten Spektrums z. B. eines Sinfonieorchesters.
Die dadurch erreichte Qualitätsverbesserung gegenüber dem Verstärker mit geringerer Endleistung ist vom kritischen Zuhörer nicht nur bei Vollaussteuerung, sondern auch bei mittlerer Lautstärkeeinstellung wahrzunehmen. Die Wahl eines Verstärkers mit höherer Endleistung wirkt sich daher in erster Linie als Qualitäts-Steigerung aus.
Ein Mittenausgang
Der Verstärkerausgang des VS-70 enthält nicht nur die internationalen Anschlußwerte von 4 Ohm, 8 Ohm und 16 Ohm je Kanal, sondern zusätzliche Ausgänge für einen dritten Lautsprecher (Phantom-Kanal) und einen Mono-Lautsprecher. Der dritte Lautsprecher, welcher nicht so hochwertig zu sein braucht wie die beiden Seitenlautsprecher, wird mit der Differenz des rechten und linken Kanals gespeist und dient zum „Ausfüllen" bei zu breiter Stereo-Basis.
Da es nur bei Stereo-Darbietungen zu einer Differenzbildung zwischen rechtem und linkem Kanal kommen kann, spricht dieser dritte Lautsprecher nur auf solche an. Bei der Wiedergabe einkanaliger Programmquellen (monaurale Schallplatte, Rundfunk, monaurales Band) bleibt er daher automatisch stumm. Der Mono-Ausgang summiert die Endleistung beider Kanäle, falls der VS-70 in besonderen Fällen mit nur einem einzigen Lautsprecher betrieben werden soll. Dabei geschieht die Summierung unabhängig davon, ob eine Stereo- oder Mono-Darbietung wiedergegeben wird.
Bei der Übertragung eines Mono-Programms erfolgt die Summierung durch Reihenschaltung beider Ausgangsübertrager, bei einem Stereo-Programm fügen sich die linke und rechte Information dergestalt zusammen, daß ein vollständiges Mono-Signal entsteht. Dieser Mono-Ausgang erweitert die Anwendungsmöglichkeiten des Verstärkers. So können mit dem Verstärker VS-70 die verschiedensten Räume sowohl in Stereo- als auch in Mono-Technik bespielt werden, je nachdem ob der betreffende Raum mit einem oder zwei Lautsprechern versehen ist. Beispielsweise können der Hauptwohnraum stereofon, die Nebenräume jedoch monaural versorgt werden.
Der Vorverstärker
ist mit den bewährten Doppeltrioden ECC 83 bestückt, die zur Herabsetzung des Heizungsbrumms mit Gleichstrom beheizt werden. Bei der Wiedergabe von Schallplatten arbeitet der Vorverstärker gleichzeitig als Schneidkennlinien-Entzerrer. Der Entzerrer ist auf die RIAA (USA) und CCIR (Europa) Schneidkennlinie umschaltbar. Keine Mühe wurde gescheut, um den Entzerrer-Frequenzgang ohne Kompromisse den Sollkurven RIAA und CCIR anzupassen. Eine Kontrolle mit dem Tongenerator ergibt, daß in keinem Fall die Abweichung von der Sollkurve größer als 1 dB ist. Um den Verstärker voll aussteuern zu können, genügt eine Eingangsspannung von 4,5 mV am Phonoeingang.
Magnet-Tonabnehmer
Die magnetdynamischen Tonabnehmer von Dual, Elac, Shure Pickering und Philips können daher an den VS-70 direkt ohne irgendwelche Zusatzteile (wie Vorverstärker, Übertrager) angeschlossen werden. Die sehr niederohmigen Tonabnehmer von Neumann und Ortofon erfordern den von diesen Firmen vorgeschriebenen Miniatur-Übertrager je Kanal, wobei zu bemerken ist, daß der Ortofon-Tonabnehmer seit kurzem mit im Kopf eingebauten Miniatur-Übertragern erhältlich ist. Der Entzerrer-Frequenzgang ist im Bild 6 dargestellt.
Kristall-Tonabnehmer
Um Kristall-Tonabnehmer anschließen zu können, wurde dafür ein besonderer Eingang vorgesehen. Ein Widerstands-Netzwerk wandelt die Charakteristik des Kristalls derart um, daß in Verbindung mit dem Entzerrer ein linearer Frequenzgang des Kristalls entsteht, wobei durch dessen Bedämpfung seine Intermodulationsverzerrungen verkleinert werden.
4 weitere Eingänge
In den Stellungen des Eingangs-Wahlschalters für Mikro, Band, Radio I und Radio II arbeitet der Vorverstärker mit geradlinigem Frequenzgang. Der Eingangspegel für die beiden Radio-Eingänge kann durch rückwärtige Pegelregler dem allgemeinen Signal-Niveau angepaßt werden. Um sowohl einen High-Fidelity-FM-Empfangsvorsatz (Tuner) als auch ein normales Weitempfangs-Rundfunkgerät gleichzeitig anschließen zu können, wurden zwei Radio-Eingänge und die Schalterstellungen Radio I und Radio II vorgesehen.
Um die durch die neue Endstufe ermöglichte Qualitäts-Steigerung ausnutzen zu können, wurden die Verzerrungsfreiheit und Übersteuerungsfestigkeit des Vorverstärkers sehr weit getrieben. Die Verzerrungen des neuen Vorverstärkers sind so gering, daß diese mit normalen Meßeinrichtungen kaum gemessen werden können. Die Übersteuerungsfestigkeit beträgt 210 mV für den magnetischen Phono-Eingang, 5,5 V für den Kristall-Eingang, 250 mV für den Mikrofon-Eingang und 1,8 V für den Tonband- und Radio-Eingang. Damit ist sichergestellt, daß auch sehr lautstarke Schallplatten- oder Bandaufnahmen verzerrungsfrei den Vorverstärker passieren können.
Die Klangregelstufe
des VS-70 wurde so durchentwickelt, daß sich ein geradliniger Frequenzgang genau in der Mittelstellung des Baß- und Höhenreglers ergibt und der so wichtige Rechteck-Durchlaß in vollem Umfang erhalten bleibt. Aus der großen Zahl von Klangregel-Schaltungen wurde für den VS-70 eine Anordnung abgeleitet, die sich durch hohe Verzerrungsfreiheit auszeichnet. Auch in dieser Stufe wurde die bewährte Doppeltriode ECC 83 gewählt.
Die von der Anode des zweiten Systems auf die Kathode des ersten Systems führende Gegenkopplung sorgt sowohl für die Verzerrungsfreiheit dieser Stufe als auch für die Baß- und Höhenregelung über frequenzabhängige Netzwerke. Durch entsprechende Dimensionierung ist dafür gesorgt, daß bei maximaler Anhebung keine unzulässige Erhöhung des Klirrgrads erfolgt. Außerdem wird die Anhebung nicht unendlich weitergeführt, sondern ober- und unterhalb des normalen Hörbereichs ,,begradigt". Die sich ergebenden Klangregler-Kurven sind in Bild 7 wiedergegeben.
Die Rumpel- und Rauschunterdrückung
des VS-70 wurde mit großer Sorgfalt ausgebaut und durchentwickelt. Hierbei konnten die mit dem Studio-Aufnahmeentzerrer UE-100 gemachten Erfahrungen verwendet werden. Hieraus ist das Multifilter entstanden, wie es nunmehr beim VS-70 und in einkanaliger Ausführung seit über einem Jahr beim Mono-Verstärker VM-40 eingebaut wird. Wie aus Bild 8 zu erkennen ist, ermöglicht das Multifilter ein scharfes Abschneiden etwa im Programm oder Tonträger enthaltener Störsignale, ohne den Klangcharakter der Wiedergabe zu ändern. Bei den tiefen Frequenzen kann das Abschneiden bei 60 oder 120 Hz, bei den hohen Frequenzen bei 4 kHz oder 8 kHz erfolgen.
Die Wirkungsweise ist derart effektvoll, daß „historische" Aufnahmen und gestörte Rundfunksendungen eine merkliche Qualitätsverbesserung durch das Ausfiltern von Nebengeräuschen erfahren. Es ist verblüffend, was mit dem Multifilter aus ,,verbrummten" und ,,verklirrten" Aufnahmen herauszuholen ist. Es wird daher die Ansicht vertreten, daß bei einem Spitzenverstärker dieser Leistungsklasse der technische Mehraufwand für das Multifilter gerechtfertigt ist.
Der Betriebsarten-Schalter
entspricht der bereits seit Jahren im Standard-Verstärker VS-55 beliebten Ausführung, er wurde unverändert übernommen und braucht daher an dieser Stelle nicht besonders erläutert zu werden.
Die Fernregel-Schaltung
des VS-70 zeichnet sich durch ihre Einfachheit aus. Wird der Stecker der Fernregel-Leitung in die entsprechende Buchse des Verstärkers eingeführt, so übernimmt der Fernregler, ohne einen Eingriff am Verstärker vornehmen zu müssen, die Lautstärkeregulierung. Die Speisung des Fernreglers erfolgt aus einer Kathodenfolgerstufe, so daß Frequenzgang und Verzerrungsfreiheit auch beim Anschluß längerer Leitungen (20 m) nicht beeinträchtigt werden. Als Fernregler dient ein beliebiges Tandem-Potentiometer mit einem Widerstandswert von 2 x 50.000 Ohm logarithmisch.
Der Balance-Regler
dient in erster Linie zum Ausgleich etwaiger Lautsprecher-Unterschiede, welche durch den Aufstellort, die Raumakustik oder die Lautsprecher selbst, verursacht sein können. Da es erwünscht ist, stark unterschiedliche Lautsprecher „ausbalancieren" zu können, wurde der seitherige Regelbereich auf ±15 dB erweitert.
Der elektrische Gleichlauf
beider Kanäle wird hauptsächlich von der Qualität des als Lautstärkeregler verwendeten Tandem-Potentiometers bestimmt. Die Schaltung des VS-70 wurde daher so ausgelegt, daß ein relativ niederohmiges Potentiometer mit einem Widerstand von 2 X 50.000 Ohm gespeist werden kann. Ein solches Potentiometer erlaubt einen sehr guten Gleichlauf und eine befriedigende zeitliche Konstanz. Es gelangen nur solche Tandem-Potentiometer zum Einbau, die zuvor auf einem eigens entwickelten Gleichlauf-Prüfgerät kontrolliert worden sind. Im Hauptdrehbereich beträgt die Abweichung 1,5 dB, während beim Standard-Verstärker VS-55 eine Abweichung bis 3 dB zugelassen wird.
Die Brumm-Spannung
der Endstufe beträgt nur 0,5 mV an 16 Ohm, was einem Störgeräuschabstand von etwa 94 dB entspricht. Bei abgedrehtem Lautstärkeregler wird einschließlich der Klangregel- und Filterstufen eine Brummspannung von nur 0,8 mV, entsprechend einem Abstand von etwa 90 dB, gemessen. Diese Abstände sind auf die Nennleistung von 30 Watt je Kanal bezogen. Bezieht man die Abstände auf die Eingangs erwähnte „Music-Power"- Leistung, die etwa 2 X 45 Watt beträgt, so ergeben sich noch weit größere Störabstände. Dies sei erwähnt, weil in ausländischen Prospekten und Publikationen häufig die günstigeren Werte der „Music-Power"-Leistung ausgewiesen werden.
Wie der Standard-Verstärker VS-55 ist der VS-70 mit einem Laut-Leise-Schalter ausgerüstet, welcher in der Leise-Stellung eine Absenkung der mittleren Frequenzen entsprechend der Fletcher-Munson-Gehörkurve bewirkt. In der Laut-Stellung ist der Frequenzgang des Verstärkers zwischen 25 Hz und 20 kHz geradlinig bis auf ±0,2 dB, ab Eingang gemessen.
Subsonic-Filter
Um außerhalb des Hörbereichs liegende tieffrequente Störgeräusche von der Endstufe und vom Lautsprecher fernzuhalten, wurde vor die Endstufe ein sogenanntes „Subsonic-Filter" gelegt, welches unterhalb 20 Hz einen Verstärkungsabfall bewirkt.
Als weitere Besonderheit sei der Basis-Regler erwähnt, mit welchem eine Mischung beider Kanäle vorgenommen werden kann. Dieser Regler, welcher nur auf Phono wirksam ist, erlaubt eine Herabsetzung des Stereo-Effekts und kann daher bei Schallplatten mit übertriebenem Links-Rechts-Effekt von Vorteil sein.
Formgebung und Aufmachung
Die Formgebung und Aufmachung des Verstärkers entspricht der neuzeitlichen Stilrichtung. Das dunkle Gehäuse kontrastiert angenehm zu der in einem Silberton ausgeführten Frontplatte, welche bewußt auf Chrom und Gold verzichtet. Der VS-70 schließt eine Lücke auf dem europäischen Markt, da Kompaktverstärker dieser Qualitäts- und Leistungsklasse seither nur in den Vereinigten Staaten von Amerika serienmäßig hergestellt wurden.
Die finale Laudatio (von 1961/62)
Die Eingangs erwähnte gute „Sprungcharakteristik" wird meines Wissens zur Zeit von keinem anderen High-Fidelity-Stereo-Verstärker erreicht. Diese Eigenschaft zusammen mit dem ungewöhnlich niedrigen Klirrgrad von nur 0,22% bei 10 kHz (bei 30 Watt) ist für die saubere, transparente Wiedergabe maßgebend und stempelt den Telewatt VS-70 zu einem Verstärker der Welt-Spitzenklasse.
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Der VS71 - Nach 20 Jahren nochmal getestet
In der Hifi-Sterophonie wurde ein 20 Jahre alter VS-71 nochmal unter die Lupe genommen. Mehr dazu steht hier.
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