Was hat es mit der "Dynamik" bei der Musik auf sich ?
Zuerst mal ein Beispiel von anderen "Extrema", was man unter "Dynamik" verstehen könnte :
.
- (1) Es gibt zuhause im trauten Heim Köche oder Köchinnen, die kochen (mit Liebe) 3 Stunden lang ein 5-Gang Menu und diese edlen Speisen geniessen (oder essen oder futtern oder fressen) die geladenen Gäste dann in 15 Minuten weg. Beachten Sie nur den "Zeitunterschied".
- (2) Alternativ gibt es die (Kreuzfahrtschiff-) Köche oder Köchinen, die "zaubern" (im wahrsten Sinne des Wortes "zaubern") in 15 Minuten ein 7-Gang Menü über den Tresen bis an den Tisch und das geniessen die dortigen Gäste dann 2 bis 3 Stunden lang.
.
Das ist der (zwar etwas weit hergeholte) Unterschied der (Kocht/Ess-) Dynamik mit der Audio-Dynamik.
.
Bei der Musik ist es ähnlich. Es gibt Popmusiken, die sind einfach nur laut und es gibt Musiken, bei denen man die Lautstärke zuhause weiter aufdrehen müsste, um die leisen Passagen noch genussvoll zu hören.
Und um dieses Thema kreisen nun die lustigsten und auch die merkwürdigsten Auffassungen. So wird zum Beispiel sehr oft bemängelt, daß so gut wie alle James Last Platten und CDs beim Erstellen der Master-Bänder über einen Dynamik-Kompressor "gefahren" werden oder wurden.
Doch das stimmt nicht, es war ja sowieso keiner dabei. Ich hatte mehrfach die Live-Darbietungen des James Last Orchesters samt Chef geniessen dürfen. Der dirigierte und spielte die Musik fast so, wie sie auf den Platten und CDs drauf ist. Das war eben sein Dauer-Power- "Party"-Stil.
.
Genussvolle Dynamik von Musik
Hören Sie hingegen die Aufnahmen von "Milva & James Last" - "Aranjuez" oder "Vado-Via" oder "Nur einen Augenblick" oder auch Celine Dion "At Last" oder Barbara Streisand "Yentl in Concert live"- dann kommen Ihnen Zweifel an diesen voreiligen oder sehr oft dummen Pauschal-Aussagen auf.
Nur, diese Gesangsstücke sind weder für den VW-Polo oder den Porsche noch für die Teeny-Party geeignet. Dort soll und muß das Grundgeräusch übertönt werden, oft mit dem 99.- DM DUAL- Party 430 oder dem Blaupunkt Kassettenlaufwerk im Sport-Auto.
.
Ein Bick auf die Speicher-Technik
Angefangen hatte es mit der Schellackplatte, die (nach heutigen Maßstäben) mit gewaltigem Plattenrauschen alles "Leise" an Tönen übertönt hatte.
Die ersten Stahlbandgeräte und Drahtrecorder waren nicht viel besser. Als endlich ein technischer Durchbruch entdeckt wurde, das war 1941 bei der RRG in Berlin, da fingen Tonmeister an, zu strahlen. Das AEG-Magnteophon konnte mit dieser neuen Technik auf einmal etwas über 50 Dezibel an Lautstärkeunterschieden auf das Magnetband speichern.
Als 1948 bei Columbia Records die 33er Vinyl-LP in Mono geboren wurde, waren auch dort diese 50 dB Dynamik das Maß der Dinge. In der Zeit bis etwa 1960 konnten dann die Techniker und die Tonstudio-Profis die Qualität der Magnetophone bis knapp an 60dB heranbringen, also etwas besser als die Stereo-LP von 1958.
Aber auch bei der 33er Langspielplatte in Stereo setzte das Plattenmaterial Vinyl und das Abtastsystem eine physikalische Grenze, die nur schwer zu übertreffen war. Die maximale Auslenkung der Schlenker der Rille (als "Schnelle" gemessen) und das Material-Rauschen erlauben eine absolute maximale Dynamik von maximal/etwa 60 dB.
.
Dann begannen die elektronischen Tricks
Wir sind immer noch in der analogen Zeit und die klugen Köpfe wie zum Beispiel der Engländer Ray Dolby ließen sich schon etwas einfallen, das mit der damaligen Technik gerade noch zu bewältigen war. Dolby stauchte die Musik gezielt zusammen, packte sie auf den Schallträger und beim Abspielen wurde diese Musik wieder expandiert.
Das brachte bis zu 18dB mehr an Dynamik, beim Bandgerät war das der Rauschabstand. So konnte ein Mutterband im Tonstudio oder auch Live im Konzertsaal mit fast 70dB auf 4 oder 8 oder 16 oder 24 analogen Kanälen (Tonspuren) aufgenommen werden.
.
Die amerikanischen Konkurrenten von "dbx" verzerrten die höheren Töne bei der Aufnahme und reduzierten sie bei der Wiedergabe wieder. Damit wären rein meßtechnisch fast 26dB mehr an Dynamik herauszuholen. Doch dieses System fing an zu "pumpen", der vom Ohr wahrgenommene akustische Eindruck war nicht überzeugend. - Das HighCom von Telefunken war besser, kam aber viel zu spät und verschwand dann wieder.
.
Auf jeden Fall war man auch beim mehrfachen Überspielen von Band auf Band mit jeweils 3dB Verlust immer noch deutlich über einem hörbaren Qualitätsunterschied und damit für Profis eigentlich völlig ausreichend.
Die klassischen Musiken mussten beim Erstellen der Schallplatten-Master von der Dynamik her von Hand (oder solch einem Kompressor) sowieso künstlich weiter reduziert werden.
.
Doch die Realität war anders.
Die Tonmeister, die ihren Job 3 Jahre lang von der Pike auf gelernt hatten, stellten nach vielen Tests und Hörproben fest, mehr als 50dB auf einen verkaufbaren Tonträger drauf zu spielen, macht überhaupt keinen Sinn, denn das kann der Hörer zuhause gar nicht abhören. - Die Grundlage für diese Tests war ein normaler Wohnraum in einem Mehrfamilenhaus, in dem es auch Nachbarn gibt.
Es geht also nicht um die "Heavy Metall"- oder "Hardrock"- Aufnahmen (für den Kopfhörer), bei denen allermeist "laut" das Kriterium war. Auch Songs von Udo Jürgens oder dem Teufelsgeiger mit ihren ab und zu sehr leisen Tönen von Klavier und Geige mußten wohnzimmertauglich gemacht (abgemischt) werden.
.
Die Digitaltechnik setzte 1976 ganz andere Maßstäbe
Als die allersten digitalen PCM-Aufnahmen (von klassischen Konzerten) der japanischen JVC Techniker auf einem Symposium in USA vorgestellt wurden, stand die Branche Kopf.
Das waren völlig neue klangliche Dimensionen, die da möglich waren - jedenfalls bei den "Muks Mäußchen stillen" Auditorien in den speziellen Sälen auf den AES- und Tonmeister-Kongressen. Es ging aber hier vornehmlich um die hochqualitativen Ur-Aufnahmen zur Weiter- verarbeitung auf andere Tonträger. Und 1976 war von der CD noch keine Rede.
Diese PCM-Digitaltechnik konnte auf Anhieb fast 90dB Rauschabstand bzw. Dynamik bieten und das auf 24 oder 48 Spuren bzw. Kanälen. Für die alten Bandgeräte- Hersteller war das ein Alptraum, für die visionären Neugründungen eine Goldgrube. Es war übrigens fast vergleichbar zu der innovativen Entwicklung auf dem PC-Computermarkt.
Also im absolut stillen Tonstudio konnte man jetzt erheblich mehr hören, als der Mensch überhaupt verträgt.
Ein sehr gutes Beispel aus dieser Zeit ist die CD mit der JVC-Auf- nahme der Sheherazade (Scheherazade-The-Sea-and-Sindbads-Ship von Rimsky Korsakov) aus 1980/81 im Moskauer Rundfunkstudio - und digital gespeichert. Die kleine Geige ist von der Lautstärke her kurz vor der Rauschgrenze der CD. Und wenn Sindbad mit dem Schiff akustisch gegen die Klippen brettert und donnert, dann powern alle 120 Mann, was die Boxen hergeben. Bei mir sind es über 2 x 400 Watt Sinus und das wird dann auch voll ausgefahren.
.
Und es wird immer "besser" - besser als ????
Die digitale Aufnahmetechnik schreitet ungeheuer schnell voran. Die brand neuen (2019) kleinen Digitalrecorder von TASCAM oder ZOOM oder anderen Herstellern spezifizieren nahezu 100 dB Rauschabstand und unglaubliche lineare Frequenzgänge mit einer unglaublichen Bit-Auflösung fast jenseits der Glaubwürdigkeit. Dazu auch noch nahezu 6 Stunden Stereo im Speicher zum sofortigen Kopieren auf den Studio-Server.
Die beiden eingebauten drehbaren Kondensatormikrofone übertreffen die gesamte normale Mikrofon-Technik von vor dem Jahr 2000. Den alten Tonmeistern stehen schon wieder mal die Tränen in den Augen, was es heute für 170.- bis 600.- Euro alles gibt und daß es auch funktioniert.
Da kommen noch die neuen Erfahrungen mit unserem neuen TASCAM DR40X Recorder vom Herbst 2019.
.
100dB Rauschabstand auf 24 oder 48 Kanälen sind enorm
Es gibt natürlich "kluge" Leute, die jetzt bei der Wiedergabe sogar hören "wollen", welches Blatt von der Partitur dem Dirigenten vom Pult geweht wurde. Jedenfalls die normalen Tonmeister, die ich kennengelernt hatte, waren wirklich begeistert. Was sie dann daraus machen, ist eine andere Baustelle, denn bei der Produktion einer Schallplatte oder einer CD sitzt der Auftraggeber auch mit vor dem Pult (neben dem Tonmeister).
Alleine die technische Möglichkeit, bei einem großen Orchester oder auch einer Pop-Gruppe 10 oder 16 dB sogenannten Headroom - also Aussteuerungsreserven immer parat zu haben, ist für Tonmeister und Produzenten sehr beruhigend.
Daß von diesen 100 oder mehr dB manches Mal wirklich nur 10 dB Dynamik übrig bleiben, liegt sehr oft an den privaten Radio- oder Internet-Sendern, die mit Power-Musik - es geht da um die gefühlte "Lautheit" - um die Gunst der Hörer buhlen - also es geht um die Werbeeinnahmen - nichts weiter.
.
Zur Vollständigkeit hier noch ein paar Details
Bleiben wir vorerst bei der Theorie (und absichtlich laienhaft) :
Was sind Phon und/oder Dezibel ?
Der normale Mensch hat zwei Hörschwellen. Die Erste ist, ab wann er überhaupt etwas wahrnimmt und die Zweite, ab wann er nur noch Schmerzen hört / empfindet.
Die Erste ist, wenn er im tiefen Wald des Nachts die Schnecken krabbeln hört und die Zeite, wenn er neben einem Lookhead Starfighter oder einem (uralten !!!) 747 Junbo-Jet neben der Startbahn stehen würde.
Das ist dann ein "Hör-Bereich", der theoretisch 140 Dezibel Dynamik hätte - wie gesagt rein theoretisch. Denn praktisch geht das gar nicht.
Neben einem Starfighter stand nie jemand ohne Kopfhörer bzw. Gehörschutz und im Wald hören Sie alles ander als Schnecken krabbeln, auch Nachts nicht. Irgend etwas raschelt immer. Unser Hörbereich ist deutlich eingeschränkt.
Und die Technik ? Die ersten (analogen) Studio- Tonbandgeräte nach 1950 konnten etwa 56 db Dynamik speichern und wiedergeben. Später wurde das dann mit großem Aufwand auf über 70db gesteigert. Doch beim Rundfunk und bei der 33er Schallplatte wurde dieser machbare Bereich wieder auf 50 db reduziert. Denn in normalen Wohnräumen mit Nachbarn war das so nicht abspielbar.
.
Dann nach 1980 kam die Digitaltechnik zu uns.
Der erste Digital-Standard für uns "Consumer", also für die Privatleute, wurde von Philips/Sony geschaffen (1979 bis 1983).
Und diese 44,1 kHz/ 16 bit der CD sind damit der 'Quasi-Standard' und man könnte das deutlich verbssern - mit Aufnahmen in 88,2 kHz / 24 bit machen.
Die 24bit Technik ermöglicht eine Dynamik (= 24bit x 6dB/bit = max. 144dB) mit "idealem" Aufnahmegerät abzüglich dem sogenannten Sicherheits-Abstand "head- und footroom").
Die 88,2kHz kann man sogar verlustärmer auf 44,1kHz herunterrechnen (da das dann ein ganzzahliges Verhältnis ist !).
Man könnte also für Testzwecke den theoretischen Dynamkbereich abbilden / speichern. Doch nutzen kann man davon nur einen vernünftigen Teilbereich und das oft auch nur über Kopfhörer.
So weit bisher die Theorie, es geht weiter .......
.