Schallplattentechnik 1965 - gestern und heute (Teil 2)
Aus der Philips Händlerzeitschrift Kontakte vom Januar 1965. - Der Siegeszug der schwarzen Scheibe - teilweise aus einem Artikel von Dr. Lichthorn.
Das Herstellungsverfahren - Wie eine Schallplatte entsteht
Das Herstellungsverfahren der Schallplatte ist seit den Anfängen im Prinzip das gleiche geblieben. Nur die Methoden sind verfeinert, die Materialien geändert worden.
Die Schallplatte wird gepreßt: Ein weicher Masseklumpen verwandelt sich unter hohem Druck in eine flache Scheibe und erhält dabei die doppelseitige Schallrillenprägung. Das geschieht in einer Presse, die wie ein Waffeleisen auf- und zu- klappt. Auf den Innenseiten des festen und des beweglichen Teils ist je eine Preßmatrize befestigt. Das, das später die Schallrille werden soll, ragt als kleiner Steg über die eigentliche Oberfläche hinaus; die Matrize ist ein „Negativ".
Die Preßmatrize entsteht auf galvanischem Wege als Endprodukt eines komplizierten Fertigungsgan-ges, der mit der schon erwähnten Überspielung beginnt. Statt der früher gebräuchlichen, mehrere Zentimeter dicken Wachsplatte verwendet man dafür seit etwa 1950 eine Lackfolie, eine dünne Aluminiumplatte mit einer relativ weichen Lackschicht. Der Schneidstichel, ein besonders geschliffener Diamant, wird während des Überspielvorganges elektrisch geheizt; dadurch entstehen glatte Rillenflä-chen, und das Grundgeräusch wird reduziert. Der gesamte Ablauf der Überspielung ist heute automatisiert; nicht nur die Abstände der modulierten Schallrillen, sondern auch die der Windungen am Anfang und Schluß werden elektronisch gesteuert.
Die Qualität des Schnittes wird durch ein an der Schneiddose angebrachtes Mikroskop ständig kontrolliert. Die fertige Lackplatte muß zur weiteren Verarbeitung elektrisch leitend gemacht werden. Dies geschieht durch Besprühen mit einer Silberlösung. In einem galvanischen Bad erhält die versilberte Lackfolie dann eine etwa 1mm dicke Nickelschicht. Diese stellt — nach Ablösen der nunmehr unbrauchbaren Lackfolie — einen negativen Abdruck der Schallrillen dar. Sie dient im allgemeinen jedoch nicht als Preßwerkzeug; denn die Anzahl der Platten, die von einer einzigen Matrize hergestellt werden können, ist begrenzt.
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Vater, Mutter und Söhne
Vielmehr bildet der „Vater", wie dieses erste Negativ im Fachjargon heißt, den Ausgangspunkt weiterer galvanischer Vervielfältigungen: zunächst einiger Positive, der sogenannten „Mütter", von denen dann die eigentlichen Preßmatrizen oder „Söhne" abgenommen werden. Im Rahmen dieses galvanischen Fertigungsablaufs liegen mehrere Zwischenbehandlungen. So wird die Mutter, die als Positiv ja der späteren Platte entspricht, mikroskopisch auf Fehler untersucht, die sich u. U. durch Ausgravieren noch beseitigen lassen. Auch eine Qualitätskontrolle durch Abspielen ist ggf. möglich. Außerdem wird jedes Werkzeug, auch „Shell" genannt, an den Rändern und auf der Rück-seite mechanisch bearbeitet.
Während früher zur Herstellung der Schellackplatten - Preßmasse umfangreiche Mahl- und Walzeinrichtungen erforderlich waren, ist die Aufbereitung des Kunststoffmaterials wesentlich einfacher. Die Ausgangsbasis bildet im allgemeinen das Polyvenylchlorid, kurz PVC genannt, ein weißes Pulver, das durch Erhitzen eine zähflüssige Konsistenz und eine weinrote Färbung bekommt. Es wird unter Zusatz von schwarzem Farbstoff und einigen weiteren Chemikalien in einem sogenannten Extruder zu dünnen Strängen ausgepreßt, abgekühlt und dann in etwa erbsengroße Stücke zerkleinert. In dieser Form gelangt das Material an die Presse, in der es in kleine Meßbecher abgefüllt und in einem Wärmeschrank bereitgestellt wird. Jeder Becher enthält die zum Pressen einer Platte benötigte Menge.
Zu Beginn des Preßvorgangs werden die Plattenetiketten auf die aus der oberen und unteren Matrize herausragenden Zentrierdorne aufgesteckt und die auf 120° vorgewärmte Masse eingefüllt. Sodann schließt sich die Presse und treibt das Material unter einem Druck von mehreren Tonnen auseinander. Dabei werden die ober- und unterhalb der Matrizen ausgesparten Kanäle mit heißem Dampf und dann mit Kühlwasser beschickt. Wenn sich die Presse wieder öffnet, ist die Platte bereits erkaltet und kann sofort herausgenommen werden; die an ihrem äußeren Umfang überstehende Masse wird mit einem Messer abgetrennt. Der gesamte Prozeß dauert etwa 30 Sekunden.
17-cm-Schallplatten werden seit einiger Zeit auch im Spritzverfahren hergestellt. Diese Methode lohnt sich jedoch nur bei sehr hohen Auflagen, da das Einrichten der Spritzgußmaschine relativ zeitraubend ist. Der Spritzvorgang selbst läuft dafür dreimal so schnell ab wie das Pressen. Als Plattenmasse finden in diesem Fall spezielle thermoplastische Kunststoffe Verwendung.
Die Stereo-Schallplatte
Die Stereophonie ist die notwendige und einzig sinnvolle Weiterentwicklung der HiFi-Technik (soso ??). Zu der hochqualifizierten einkanaligen Schallübertragung (praktisch den gesamten Bereich hörbarer Luftschwingungen umfassend) tritt nun das Erlebnis räumlichen Hörens: Die am Aufnahmeort herrschenden geometrischen Verhältnisse sind am Wiedergabeort reproduzierbar, so daß die an der Übertragung beteiligten Schallquellen „lokalisiert" werden können.
Stereophonie bedeutet räumliches Hören. Das menschliche Gehör ist imstande, schon aus zwei unterschiedlichen Schallsignalen eine räumliche Hörwahrnehmung zu bilden, sofern diese beiden Signale dem linken bzw. rechten Ohr annähernd getrennt als Links- und Rechtsinformation zugeführt werden. Die Qualität des resultierenden Raumeindrucks hängt dabei allerdings wesentlich von der Zusammensetzung der beiden Teil-Klangbilder ab.
Grundlagen der Stereo-Schallplatte bereits 1931
Die Grundlagen für die heutige Stereo-Schallplatte wurden bereits vor über dreißig Jahren erarbeitet. 1931 ließ sich der Engländer A. D. Blümlein ein Verfahren patentieren, das es ermöglichte, die beiden Stereo-Informationen in einer einzigen Schallrille aufzuzeichnen. Er kombinierte dabei die Tiefenschrift des alten Edison-Phonographen mit der Seitenschrift der Schallplatte. Beide Modulationen wurden in einem Arbeitsgang durch einen sowohl vertikal als auch horizontal beweglichen, von zwei senkrecht zueinander stehenden Spulen angetriebenen Stichel geschnitten.
Daß die Entwicklung der Stereo-Schallplatte nicht schon damals, sondern erst um 1955 einsetzte, lag an den zunächst noch allzu deutlichen prinzipiellen Mängeln der Schallplattentechnik. Erst mit der Einführung der Langspielplatte waren die allgemeinen technischen Voraussetzungen geschaffen, und während die monophone HiFi-Technik immer weiter vervollkommnet wurde, ging man, vornehmlich in England und in den USA, auch das Problem der Stereo-Langspielplatte mit allem Nachdruck an.
Durch einen genialen Kunstgriff gelang es, das von Blümlein gezeigte Verfahren noch wesentlich zu verbessern. Man schneidet die Stereo-Schallrille nämlich nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in einer Kombination aus Seiten- und Tiefenschrift, sondern so, daß beide Bewegungsrichtungen um 45° zur Plattenoberfläche geneigt sind. Sie stehen somit senkrecht zur inneren bzw. äußeren Flanke der Schallrille (bei annähernd rechtwinkligem Rillenquerschnitt). Auf diese Weise sind linke und rechte Aufzeichnung qualitativ gleich; beide Rillenmodulationen enthalten sowohl Seiten- als auch Tiefenschrift- Anteile. Nur so ist es auch zu erklären, daß eine Mono-Schallplatte, auf einem Stereo-Gerät abgespielt, über beide Lautsprecher wiedergegeben wird; denn sie stellt praktisch eine Stereo-Schallplatte dar, bei der beide Kanäle gleich moduliert sind, und zwar nur mit Seitenschrift- Anteil.
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Mono kompatibel
Eine wichtige Voraussetzung für die Einführung der Stereophonischen Schallplatte ist, daß man sie auch auf den üblichen einkanaligen Geräten abspielen kann. Sie soll „kompatibel" („verträglich") sein. Die Wiedergabe von Stereo-Schallplatten auf einem Mono-Plattenspieler ist grundsätzlich möglich, sofern dieser mit einem modernen Leicht-Tonarm ausgerüstet ist. Da der Abtastsaphir eines solchen Gerätes wohl in horizontaler, nicht aber in vertikaler Richtung anspricht, kann er allerdings nur die Seitenschrift-Anteile der beiden Modulationen reproduzieren. Ob diese zusammen ein befriedigendes Klangbild ergeben, hängt weitgehend vom Aufnahmeverfahren ab.
Wir können auf Einzelheiten hier nicht eingehen; grundsätzlich gibt es jedoch zwei Verfahren, nämlich die Laufzeit- und die Intensitäts- Stereophonie. Mit Hilfe der Laufzeit-Stereophonie läßt sich ein flächenhaftes Klangbild mit starken Rechts-Links-Effekten erzielen; allerdings entsteht dabei leicht das berüchtigte „Loch" in der Mitte.
Die Intensitäts-Stereophonie ermöglicht uns dagegen eine einwandfreie Mittenlokalisation und außerdem die Ortung einzelner Schallquellen an beliebiger Stelle zwischen linkem und rechtem Wiedergabelautsprecher. Sie vermittelt ein dreidimensionales, transparentes Klangbild. Den modernen kompatiblen Stereo-Schallplatten liegt durchweg das Intensitätsverfahren zugrunde.
Eine Stereo-Rille ist ein äußerst kompliziertes Gebilde, und dem-entsprechend kompliziert sind die Bewegungsvorgänge im Abtastsy-stem. Problematisch ist vor allem die Auflösung der komplexen Bewegung des Abtaststiftes in die beiden ursprünglichen Grundrichtungen. Ist nur eine Rillenflanke moduliert, so soll auch nur das dazugehörige System erregt werden.
Die „Übersprechdämpfung" zwischen den beiden Systemen muß genügend groß sein. Die beste Wiedergabequalität erzielt man mit magnet-dynamischen Tonabnehmern. Hier ist der Abtaststift direkt mit einem kleinen Magneten verbunden, der zwischen den Polen zweier senkrecht zueinander angeordneten Spulen frei beweglich ist. Das Erscheinen der ersten stereophonischen Schallplatten auf dem deutschen Markt im Oktober 1958 war vielleicht das bedeutendste Ereignis in der langen Entwicklungsgeschichte der Schallplatte.
Und wieder leben wir in einer „Zeit des Übergangs", wie damals vor zehn Jahren, als die Schellackplatte von der Kunststoffplatte abgelöst wurde. Innerhalb des gesamten Schallplattengeschäftes hat der Umsatz an Stereo-Platten gerade im letzten Jahr sprunghaft zugenommen. Schon seit geraumer Zeit erscheinen fast alle Langspielplatten in Mono- und Stereoversion, und der Zeitpunkt, an dem ausschließlich kompatible Stereo-Platten angeboten werden, ist bereits abzusehen.