Zum 70. Geburtstag der Deutschen Grammophon Gesellschaft
Die Sprache des Grammophones . . .
»Die Sprache des Grammophones richtig zu verstehen, muß sich auch das Ohr hieran gewissermaßen erst gewöhnt haben...«, hieß es in der Gebrauchsanweisung des ersten,1889 hergestellten Sprechapparates, dessen Wiedergabe nach einem zeitgenössischen Bericht eher »dem Wiehern eines wildgewordenen Esels ähnelte«.
Emil Berliner war von Anfang an davon überzeugt, daß nicht der ein Jahrzehnt früher erfundenen Edisonschen Phonographen-Walze, sondern seiner »Grammophon«-Platte die Zukunft beschieden sein würde.
Aber es gelang ihm erst nach Jahren, seine Erfindung so zu verbessern, daß sie Anklang fand.
1898 Gründung der Deutschen Grammophon Gesellschaft
1898 gründete die Familie des Erfinders in Hannover die Deutsche Grammophon Gesellschaft, die erste Schallplatten-Presserei der Welt. Zunächst konnte man nur Blasmusik sowie Gesangstimmen mit recht dürftiger Klavierbegleitung aufnehmen, bei einer Spieldauer bis zu zwei Minuten! Trotz aller technischen Schwierigkeiten entstand schon damals ein umfangreiches Repertoire besonders aus dem Bereich der Oper. Erstmals wurde damit einem breiten Publikum die Bekanntschaft mit der Oper vermittelt.
Zu den bemerkenswertesten Dokumentationen zählen Aufnahmen aus Wagners »Ring des Nibelungen«, die bereits 1904 von Interpreten der Bayreuther Festspiele in Bayreuth selbst gemacht wurden. Am Klavier war Bruno Seidler-Winkler.
Unter seiner Leitung entstanden Aufnahmen aus allen bekannten Opern, gesungen von Künstlern der Hofopern in Berlin, Dresden, München und Wien. Namen wie Emmy Destinn, Geraldine Farrar, Minnie Nast, Selma Kurz, Ernestine Schumann-Heink, Paul Knüpfer, Karl Jörn, Leo Slezak sowie die Stimmen eines Caruso oder Battistini, eines Schaljapin, einer Nelly Melba oder Frieda Hempel sind durch die »Grammophon«-Platten noch der heutigen Generation ein Begriff.
Sogar ganze Opern, Bizets »Carmen«, Gounods »Margarethe« wurden bereits 1908 aufgenommen; noch mit Blasmusik! Bald gelangen die ersten Aufnahmen von kleinen Streichorchestern, und im September 1913 brachte der »Berliner Lokal-Anzeiger« die aufsehenerregende Meldung, Alfred Hertz, der bekannte Dirigent der New Yorker Metropolitan Oper, nehme mit dem Berliner Philharmonischen Orchester Partien aus dem »Parsifal« auf.
1914 - die erste vollständige Beethoven-Symphonie
Als im Jahre 1914 erstmals auch eine vollständige Beethoven-Symphonie, die Fünfte von diesem Orchester unter seinem gefeierten Dirigenten Arthur Nikisch erschien, wurde klar, daß eine neue Ära in der Geschichte der Schallplatte angebrochen war.
Nach Ende des ersten Weltkrieges sah sich die Deutsche Grammophon Gesellschaft gezwungen, große Teile ihres Repertoires zu erneuern; sie wandte sich bevorzugt dem bisher nur wenig erschlossenen Gebiet der symphonischen Musik zu. Zugute kam ihr, daß es wohl zu keiner Zeit in unserem Jahrhundert in Deutschland eine so große Zahl junger, aufgeschlossener und avantgardistischer Talente unter den Dirigenten gab wie zu Beginn der zwanziger Jahre.
Fritz Busch, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Bruno Walter errangen sehr bald Weltruhm. Sie alle stellten sich neben den großen älteren Meistern des Taktstocks, Leo Blech, Hans Pfitzner, Richard Strauss zur Verfügung, mit so hervorragenden Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, der Kapelle der Berliner Staatsoper, der Sächsischen Staatskapelle Dresden und anderen.
Diese Aufnahmen förderten das Interesse an der symphonischen Musik besonders in der Neuen Welt. Auch Pianisten wie Wilhelm Kempff, Geiger wie Vasa Prihoda sowie viele Sänger jener Zeit, Maria Ivogün, Lotte Lehmann, Erna Berger, Alfred Piccaver, Heinrich Schlusnus, stärkten den internationalen Ruf der »Grammophon«-Platten.
Vom Rundfunk bis zum Kriegsende 1945
Kaum waren die neuen, alle Bereiche der Musik umfassenden Kataloge aufgebaut, neigte sich um die Mitte der zwanziger Jahre das mechanisch- akustische Zeitalter der damals aktuellen (78er) Schallplatte seinem Ende zu.
Ein neues Medium, der Rundfunk, war 1923 entstanden und breitete sich mit Windeseile aus. Schon wurden Stimmen laut, die das letzte Stündlein der Schallplatte prophezeiten.
Doch das Gegenteil trat ein: die Errungenschaften der neuen Verstärker-Technik wurden auch für Schallaufnahmen genutzt, und es setzte eine noch glanzvollere Blütezeit der Schallplatte ein. Das elektro-akustische Verfahren verbesserte die Klangqualität der Aufnahmen ganz erheblich und ermöglichte auch den Mitschnitt von Aufführungen in großen Sälen und Theatern.
Wieder mußte die Deutsche Grammophon Gesellschaft ihr Repertoire nach dem letzten Stand der Technik erneuern. Jetzt ist auch Wilhelm Furtwängler dabei. Mit Beethovens Fünfter, gespielt von »seinen« Berliner Philharmonikern, eröffnet er die große Reihe seiner Aufnahmen, die heute längst als künstlerische Dokumentationen gewertet werden. Auch Victor de Sabata konnte gewonnen werden und noch ein junger Künstler, der überraschend schnell einen sensationellen Aufstieg erlebt: Herbert von Karajan.
Besonders aber ragt unter den in dieser Periode veröffentlichten Werken eine vollständige Aufnahme von Bachs »Matthäus-Passion« hervor. Trotz der erheblich verfeinerten Aufnahme-Technik blieb doch die immer noch kurze Spieldauer von nur 5 Minuten auf jeder Plattenseite recht lästig, ebenso das bei den Pianostellen störende Nadelgeräusch. Die Bemühungen der Techniker um die Beseitigung dieser Nachteile wurden durch den Beginn des zweiten Weltkrieges vorerst unterbunden.
Der Siegeszug der Vinyl-Platten
Als nach den totalen Zerstörungen des Krieges die Arbeit wiederaufgenommen werden konnte, war auch für die Schallplatte eine neue Zeit angebrochen. Der Kunststoff trat seinen Siegeszug an. Er besiegte auch die Schellackplatte. Die geschmeidige Kunststoffmasse ermöglichte bei geräuschfreier Wiedergabe einen viel engeren Rillenschnitt und damit eine dichtere Beschriftung der Schallplatte.
Eine zusätzliche Verringerung der Geschwindigkeit von 78 auf 45 und 33 Umdrehungen in der Minute sowie die erstmals von der Deutschen Grammophon Gesellschaft angewandte variable Anpassung des Rillenabstandes an die unterschiedliche Dynamik jeder Aufnahme ermöglichte eine Spieldauer bis zu 30 Minuten je Plattenseite.
Abermals mußte ein neues Repertoire geschaffen werden, das dann eine ochmalige Erneuerung erforderte, als in den späten fünfzigerJahren durch die Einführung der Stereophonie die Langspielplatte ihren Gipfelpunkt erreichte. Jetzt, da die zeitliche Beschränkung entfallen und die naturgetreue Wiedergabe Wirklichkeit geworden war, erweiterte die Deutsche Grammophon Gesellschaft nicht nur ihr traditionelles klassisches Repertoire unter Einbeziehung vollständiger Opern-Aufführungen, sondern suchte darüber hinaus auch neue Aufgaben. Werke der Literatur fanden Eingang in die Kataloge.
Eines der größten Verdienste ist die Wiedererweckung der alten Musik von der Gregorianik bis zur Bach-Ära. Die Musik dieser Epochen, früher die Domäne eines kleinen Kreises von Musikverständigen, hat durch die Aufnahmen der »Archiv-Produktion« der Deutschen Grammophon Gesellschaft in allen Teilen der Welt viele neue Anhänger gefunden.
In den 7 Jahrzehnten ihres Bestehens ist es der Deutschen Grammophon Gesellschaft gelungen, die Schallplatte zu einem bedeutenden Kulturgut zu entwickeln, ohne das unser heutiges Musikleben nicht vorstellbar ist.
1968 - Edwin Hein zum 70 jährgen Jubiläum der Schallplatte
Von den Allermeisten unbemerkt wurde die DGG in den 1960er Jahren eine Tochter der holländischen Philips in Eindhoven !! (Siemens hatte die Tochterfirma an Philips verkauft.)
Anmerkung der Redaktion:
Völlig mißachtet wurde in diesem Artikel der Siegeszug des ersten Magnetbandgerätes der AEG, dem Magnetophon K1, denn ohne das Magnetbandgerät wäre dieser Siegeszug der Schallplatte mit Sicherheit nicht möglich gewesen.
Auch nicht erwähnt wurde die Firma Neumann Berlin, die die richtig guten Schallplatten-Schneide- maschinen hergestellt hatte. Ohne die Neumann Schneidemaschienen hätte man bei der DGG nie diese hohe Qualität erreicht.