.

Ende März dieses Jahres 1951 erlitt Herr Geheimrat Prof. Dr. Arnold Sommerfeld schwere Verletzungen bei einem Verkehrsunfall in München, denen er 4 Wochen später am 26. April 1951 im Alter von 83 Jahren erlag.

A. Sommerfeld war ein Gelehrter von größtem Ruf und gehörte zu der kleinen Korona der großen theoretischen Physiker aus der Zeit der klassischen Elektrodynamik wie E. Boltzmann, M. Planck, G. Mie, M. Abraham.

Jedoch hatte er in besonderem Maße den Übergang der theoretischen Physik auf Relativitätsprinzip, Quantendynamik und Materiewellen ins Herz geschlossen und selbst erhebliches darin geleistet.

Geboren 1868 in Königsberg in Ostpreußen, promovierte Sommerfeld in Mathematik bei F. Lindemann und erhielt nach einigen Assistenten- und Dozentenjahren bei Liebisch (Mineralogie) und Felix Klein in Göttingen seine 1. Professur an der Bergakademie Klausthal, auf die 1900 das Ordinariat für technische Mechanik an der Technischen Hochschule Aachen folgte.

Von dort wurde Sommerfeld bereits 1906 der Lehrstuhl für theoretische Physik an der Universität München angetragen, den er annahm und bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1935 inne hatte, und dessen Tätigkeit er noch einige Jahre darüber hinaus vertretungsweise ausübte.
.

In diesen 3 Jahrzehnten war sein Institut in München der Sammelpunkt jüngerer und älterer theoretischer Physiker, von denen viele heute berühmte Namen führen wie P. Debye, M. von Laue, A. Heisenberg, W. Pauli, A. H. Bethe u. a., und die Stätte erfolgreicher Tätigkeit.

Die Arbeitsgebiete von Sommerfeld zeigen außerordentliche Vielseitigkeit. Eine seiner ersten, auch in der Technik aufsehenerregenden Arbeiten war die „Theorie der Schmiermittelreibung".

Einen großen Teil seiner Zeit hat er Atommodellen, Spektrallinien und damit zusammenhängenden Erscheinungen wie Zeeman-Effekt, Stark-Effekt usw. gewidmet. Besonders berühmt gemacht hat ihn die Auffindung der relativistischen Spektrallinien-Aufspaltung (Dubletts bei Natrium usw.).

Noch öfter wird sein Name heute in Verbindung mit der Theorie der Leitung fester Körper genannt, und man kann in jedem Lehrbuch eingehende Ausführungen über die Fermi-Pauli-Sommerfeld-Theorie finden, die insbesondere heute bei der Wichtigkeit der Halbleiter oft diskutiert wird.

Sommerfelds Zusammenhang mit der drahtlosen Telegraphie ist durch zwei ebenso berühmte Arbeiten gekennzeichnet, nämlich 1. die Theorie der Ausbreitung elektro-magnetischer Wellen über die Erde (1909) und 2. (zusammen mit F. N. Brillouin) die Theorie der Gruppen- und Signalgeschwindigkeit, aus welcher heute wohl jeder Ingenieur, der sich mit Ausbreitungsfragen beschäftigt, die Formel im Kopfe hat: cp (Phasengeschwindigkeit) . cg (Gruppengeschwindigkeit) = c2.

A. Sommerfeld hat stets an den Phänomenen und den neuen Erscheinungen der drahtlosen Telegraphie und der damit zusammenhängenden Technik reges Interesse genommen.

Er ist mit unserer Firma besonders dadurch verbunden gewesen, daß er längere Zeit unser wissenschaftlicher Berater auf dem Gebiete von Wellen-Ausbreitung und Antennen war. Auch einer seiner Söhne, Dr. E. Sommerfeld, jetzt Patentanwalt in München, hat 15 Jahre zu unseren Mitarbeitern gehört.

Im Laufe seines über 80 Jahre zählenden Lebens, von denen er 60 Jahre mit größtem Eifer der Wissenschaft gewidmet hat, erfuhr Sommerfeld so zahlreiche Ehrungen in vielen Ländern der Erde, daß wir nicht alle aufzählen können.

Jedoch wollen wir folgende Ernennungen anführen:
Dr. Ing. e. h., Dr. med. h. c, Dr. of Science h. c. der Universität Kalkutta, Ehrendoktor der Universität Athen, Ehrenmitglied von etwa 12 wissenschaftlichen Gesellschaften, und folgende Verleihungen: Planck-Medaille, Lorentz-Medaille, Matteucci-Medaille.

A. Sommerfeld hat sich durch seine Originalarbeiten und sein 6-bändiges Lehrbuch der theoretischen Physik ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Sein Name wird als der eines der großen Gelehrten, die den ungeheuren Aufstieg der theoretischen Physik im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert aus der Taufe gehoben haben, unvergessen bleiben.

Ulm, den 22. Mai 1951   H. Rukop
.