Hier beginnt die Erzählung eines Zeitzeugen aus Hamburg
Unser Zeitzeuge Heinz Schleusner ist durch die ganze Welt gereist und hat viel gesehen und erlebt. Ich durfte ihn im Sept. 2022 bei seinem Familien-Besuch in Hamburg ebenfalls besuchen und ausgiebig erzählen lassen, wie das war vor über 60, 70 und 80 Jahren, als ich noch gar nicht da war oder gerade mal 10 Jahre alt war. Als er im Okt. 2022 wieder zurück nach Guatemala geflogen war, hat er mir zusätzlich zu den 7 Stunden Sprachaufzeichnungen seine bereits aufgeschriebenen Notitzen gemailt. Der Anfang beginnt hier.
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1954 - Der erste Wendepunkt in meinem Leben
Inzwischen hatte ich auch das Haus von Käthi Pierre wieder verlassen müssen, da sie es verkaufen und die Möbel nach Köln bringen wollte. Ich zog wieder zurück zum Steindamm.
Zunächst fuhr ich aber nach Glienitz in den Weihnachtsurlaub. Im Januar fing ich dann an Bewerbungen zu schreiben und wurde auch sofort zu Vorstellungen eingeladen.
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Die Firma PAUL ALFONS REHBEIN
So landete ich auch bei der Firma PAUL ALFONS REHBEIN, die in der Gröninger Strasse saß und Konserven-Import und allgemeinen Export betrieb. Heinrich Nickel, der Junior Geschäftsführer, empfing mich.
Er fragte mich nach meinen Vorstellungen und ich musste ihn wohl so beeindruckt haben, dass er mich einstellte. Ich hatte kühn 280 DM verlangt, und wir einigten uns auf 250 DM während der Probezeit und danach entweder raus oder weiter mit 280 DM. - So hatte ich jetzt ein Gehalt, was ich mir bei August Harms nicht einmal erträumt hätte.
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Wenn Kolleginnen sich nicht mehr verstehen
Rehbein hatte damals 2 Damen in der Exportabteilung, die sich nicht verstanden. Herr Nickel stand auf Seiten der jüngeren Ursula Heitmann und Frau Meyer, die ältere, die diese Situation auch richtig deutete, kündigte einige Monate nach meinem Eintritt in die Exportabteilung.
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Mein technischer Bereich ohne einen roten Faden
Ich bearbeitete den technischen Bereich, elektrische Geräte, Rundfunk und Phono, sowie Werkzeuge und Maschinen. Das jeweilige Programm richtete sich nach den Anfragen der Kunden oder Vertreter. Einen roten Faden gab es nicht.
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Ein erster Blick auf Mittel- und Südamerika
Die Verbindungen von Rehbein waren vornehmlich in Mittel- und Südamerika, Cuba, Mexico, Guatemala, San Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Venezuela. Hinzu kam der IRAK, der jedoch von einem ex Lehrling, Kai Berlage bearbeitet wurde.
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Helga Ebeling, ein kluges Mädchen mit einer Stupsnase
Wir waren ein junges Team, das auch nach Feierabend gemeinsame Aktivitäten entwickelte. Bei gutem Wetter wurde In „Planten un Blomen“ Minigolf gespielt, oder wir gingen ins CAFE HAUS VATERLAND, wo es live Musik und auch Auftritte von Künstlern, unter anderem von Heinz Erhard gab. Romantisch war auch das Servieren des Weins in einem „Weinheber“. Leider fiel das Café bald dem Wirtschaftswunder zum Opfer.
So entwickelten sich auch die ersten Liebschaften, denn schliesslich waren wir ja jung. Meine Sekretärin war Helga Ebeling, ein kluges Mädchen mit einer Stupsnase und dem wohlgeformtesten Busen, an den ich mich erinnere. Das einzige, was mich störte, war ihr Gang. Sie trug Stöckelschuhe und ging wohl deshalb vornüber geneigt.
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Ein erster "indirekter" Heiratsantrag - an mich .....
Wir hatten eine schöne, aber kurze Zeit zusammen, die dadurch zu Ende ging, dass ich nicht reif war für die von ihr gewünschte festere Verbindung.
Sie kündigte daher, und ging nach Lausanne, um ihre „französisch Kenntnisse zu verbessern.“ Jahre später besuchte sie mich noch einmal am Biedermannplatz, um mir zu erzählen, dass sie einen Heiratsantrag bekommen hätte, den aber nicht annehmen würde, wenn ich jetzt „bereit“ sei. Ich war es aber immer noch nicht.
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Renate kam ins Spiel - .... sie verstand mich besser
Dadurch bekam meine spätere Frau Renate Schacht ihre Chance. Sie trug flache Schuhe und hatte wohl deswegen einen geraden Gang. Sie hatte eine einfachere Natur und wollte mir wohl gefallen und beweisen, dass es ihre Absicht war, vor allem für mich da zu sein und mich glücklich und zufrieden zu machen. Das schmeichelte natürlich meinem Ego. Doch zunächst passierte nichts Weltbewegendes.
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Die Arbeit machte Spass und unser Chef war über 80
Ich gab die Abendschule auf und machte jede Menge Überstunden und das Gechäft entwickelte sich gut. Ich hatte ja schon bei meiner Einstellung betont, dass ein zielbewußtes Geschäft nur aufgebaut werden könnte, wenn man die Absatzgebiete bereiste und persönlichen Kontakt zu den Kunden herstellte, um ihren Bedarf richtig einzuschätzen und zu decken. Das hatte auch dem alten Herrn Rehbein gefallen, der schon die 80 überschritten hatte und nur noch halbtags ins Büro kam.
Er erzählte oft und gern von seiner Zeit als Sekretär von Albert Ballin und seinen Übersee-Reisen, während Nickel sich nur mit dem Import befasste und dem Export reservierter gegenüberstand.
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1955 - meine erste große Lateinamerika Reise wurde geplant
So wurde gegen Ende 1955 beschlossen, dass ich im Frühjahr 1956 eine Lateinamerika Reise machen und mit den notwendigen Vorbereitungen beginnen sollte. Wie bereits gesagt, praktische Erfahrungen hatte nur unser 80jähriger Chef und zu seiner Zeit fuhr man mit dem Schiff und einer grossen Musterkollektion los.
Also wurde entsprechend geplant. Da unsere Vertreter in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Produkt-Schwerpunkte hatten, musste zum einen dem Rechnung getragen werden und zum anderen wollte auch meine Kollegin Ursula Heitmann, dass ich ihr Programm verkaufte.
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8 Kisten und ein Überseekoffer "und mehr" nach El Salvador
So ergab sich die stattliche Anzahl von 8 Kisten und einem Überseekoffer, die nach El Salvador verschifft wurden, weil dort unser damals aktivster Vertreter war. Aus heutiger Sicht war das natürlich ein absoluter Wahnsinn, aber schliesslich lernt man am besten aus den gemachten Fehlern.
Unser Seniorchef bestand auch darauf, dass ich entsprechend eingekleidet wurde und setzte dafür einen Betrag von 500 DM an.
Natürlich mussten die Sachen im „Tropenhaus“ gekauft werde, wo es am teuersten war. Ich bekam also unter anderem einen hellgraün Tropenanzug aus reiner Schurwolle, sehr leicht und angenehm zu tragen, aber nicht für den Arbeitsalltag geeignet und im Nu völlig zerknittert.
Nachdem auch das nach meiner Meinung erledigt war, stellte mein Chef auf einmal fest, dass ich ja noch keinen Hut hätte. Bis dahin war meine einzige Kopfbedeckung eine Baskenmütze gewesen und ich war damit auch ganz zufrieden.
Also nochmals zum Tropenhaus. Ein hellbeiger super leichter Hut einer italienischen Nobelmarke, ich weiss nicht mehr, welcher, wurde für rund 40 DM erstanden und nun sah ich wirklich fesch aus.
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Noch ein Wort zur vollständigen Wahrheit
Der lieben Wahrheit wegen sei auch noch erwähnt, dass dieser Hut mich noch viel Geld und Nerven kosten sollte. Da ich ihn los werden wollte, weil ich es einfach nicht gewohnt war, ihn zu tragen, und er bis heute der einzige ist, den ich je gehabt habe, versuchte ich, ihn einfach im Hotel liegen zu lassen.
Leider x mal vergeblich. Immer im letzten Augenblick kam der Bellboy oder die Hausdame mit meinem Hut und „Señor, señor, Ud. olvidó su sombrero“ und das kostete mich jedesmal ausser dem “perdone y gracias” noch ein extra Trinkgeld.
Der Hut hat also die ganze Reise überstanden, den grössten Teil zerknautscht in meinem Koffer, aber die Qualität war ja so gut, dass er sich nach kurzer Behandlung wieder in den Originalzustand verwandelte. Ich habe ihn dann meinem Onkel Heinrich geschenkt, der ihn wohl bis zu seinem Tode getragen hat.
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Mein Flugticket kostete rund 4.900 DM (West)
Mein Flugticket war wie eine Girlande zusammengeheftet und so über 2 Meter lang. Es kostete rund 4900 DM. Bei der Verabschiedung machte der Chef mir noch einmal ausdrücklich und eindringlich klar „Sie haben ja gar keine Ahnung, welches Vertrauen wir in sie haben, denn nur das Flugticket allein kostet mehr, als sie in einem Jahr verdienen.“ Das stimmte, denn ich bekam damals 380 DM im Monat.
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Und ich bekam ich auch noch die „Prokura“
Damit ich - auch nach Meinung des alten Chefs – die Firma auch würdig und mit den notwendigen Vollmachten verteten könne – bekam ich auch noch die „Prokura“ verliehen.
Am Freitag, dem 13. April 1956 mit der KLM von Hamburg nach New York
So innerlich und äusserlich ausgestattet, flog ich am Freitag, dem 13. April 1956 mit der KLM von Hamburg über Amsterdam, Shannon, Gander und Boston nach New York.
Dort sollte ich eine Geschäftsverbindung der Firma auf dem Importsektor besuchen. Man hatte mich auch angemeldet. Nur hatte keiner bedacht, dass in New York sonnabends nicht gearbeitet wird und weniger noch am Ostersonnabend.
Ich wohnte im COMODORE Hotel, weil es dem Central Bus Terminal am nächsten war. Am Sonntag untersuchte ich dann per pedes die nähere Umgebung.
Damals (es war Ostern 1956) war das Centrum noch ziemlich ausgestorben, vielleicht wegen des Ostersonntags. Ich bin die Park- und Madison- und Fifths Avenue ein paar Blocks abgelaufen, kann mich aber an nichts weiter erinnern als die kleine St. Patrickskirche zwischen den Wolkenkratzern.
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Danach Havanna - bei "Marx, Aponte & Cia."
Mein Weiterflug nach Havanna war für Montag gebucht und so ging es dann auch dorthin. Herr Marx von unserer Vertretung Marx, Aponte & Cia. holte mich ab und brachte mich im Hotel Biltmore unter.
Dort holte er mich am nächsten Morgen ab und wir fuhren ins Büro. Seine Sekretärin war ein hübsche junge „mulata“ mit braunen Kulleraugen und strahlendem Lächeln „Co te va?“ lächelte sie mich an, und sprudelte weiter Worte wie ein Maschinengewehr herunter.
Ein Schock - wie der Ochs vorm Berge
Ich verstand gar nichts, stand wohl da wie der Ochs vorm Berge und stotterte endlich “mas lento, por favor“
Das war mein erster realer Kontakt mit der realen spanischen Sprache in Cuba. Es war ein Schock für mich. Dachte ich doch bis dahin, ich könnte spanisch – und nun dies.
- Anmerkung : Da erging es Herrn Schleusner genau wie mir etwa 1972, als ich mit meinem Schulenglisch auf 5 junge (US Air Force) Amerikaner und eine Amerikanerin traf, die mich nicht verstanden und die ich nicht verstand. Denn es gab da den Miami-Slang und den Brooklyn-Slang, und selbst die waren für mich völlig abnormal unterschiedlich. Es dauerte trotz Englisch im Gymnasium über 6 Monate, bis ich es gelernt hatte.
Das hat sich auch in den nächsten Tagen nicht wesentlich gebessert. Zum Glück sprach Marx ja deutsch und auf spanisch ausdrücken konnte ich mich ja einigermaßen, nur mit dem Verstehen klappte das nicht so richtig.
Das lag natürlich an dem caribischen Slang, der dort gesprochen wurde, wie ich bald feststellte.
Eines abends nahm mich Marx mit zu einem Baseballspiel. Baseball ist in Cuba Volkssport und hat sich wohl aus unserem Schlagballspiel entwickelt. Die Begeisterung und Teilnahme der Cubaner war enorm, aber ich konnte dem ganzen trotz aller Erklärungsversuche – auch heute noch - keinen Reiz abgewinnen. Fussball ist eben doch dramatischer.
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Es ging weiter von Cuba nach Mexico
Von Cuba flog ich nach Mexico. Unser Vertreter in Mexico war Don Salvador Obregón, seine Firma hiess INTERCOMEX. Don Salvador holte mich am Flughafen ab und brachte mich im HOTEL DEL VALLE unter, das einfach und preiswert, aber sehr zentral gelegen war. Zu meiner grossen Erleichterung war das in Mexico gesprochene spanisch erheblich besser zu verstehen, als ich das in Cuba "erlitten" hatte.
Völlig neu - jede Branche hatte ihre eigene Strasse
Intercomex war für Rehbein vornehmlich auf dem Werkzeugsektor tätig. In Mexico – wie auch den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern – war es damal noch üblich, daß jede Branche ihre eigene Strasse hatte und so die gesamte Konkurrenz leicht erreichbar war.
Die “Ferreteros“ saßen in der CORREGIDORA. Die Mehrzahl von Ihnen waren polnische Juden und Jiddisch sozusagen die Umgangssprache, jedenfalls für mich, dessen spanisch doch noch recht dürftig war.
Das hat man wohl gemerkt und mir ist die Anpassung ans jiddische auch recht leicht gefallen, zumal ich merkte, dass viele Ausdrücke auch bei uns zu Hause – mehr noch bei meinen Grosseltern - üblich waren. Wir sind also alle gut zurecht gekommen und haben eine Anzahl schöner Aufträge buchen können.
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Die Colonia Roma etwas abseits des Zentrums
Don Salvador wohnte in der Colonia Roma, einem neuen Stadtteil, schon etwas entfernt vom Zentrum. Er kam mit dem Bus in die Stadt und holte mich im Hotel ab. Mittags aßen wir eines der typischen mexikanischen Schnellgerichte wie Fajitas, Nachos oder Burritos mit einem guten "DOS XX" Bier in einer der vielen Bodegas der Innenstadt. Diese waren nur Männern zugänglich, denn offen in einer Ecke befand sich das „Pissoir“, das nach reichlichem Biergenuss der Gäste wohl auch sehr nützlich war.
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Don Salvador's Tochter will heiraten - und ich war eingeladen
Eines Tages eröffnete Don Salvador mir, dass seine jüngste Tochter am Sonnabend heiraten würde, und dass ich herzlich eingeladen sei. Das war natürlich interessant und ich sagte zu.
Die Obregons waren natürlich eine kinderreiche Familie und da alle bis auf die jüngste Tochter schon verheiratet waren, ergab sich ein ansehnliches Familienfest. Die beiden einzigen „Fremden“ waren der Pfarrer und ich, so dass es ganz natürlich war, daß wir uns miteinander unterhielten.
Neben und zum Festessen gab es Tequila, der mir nicht besonders behagte, auch weil ich keine Übung in der Trinkgewohnheit hatte, Bier und „CUBA LIBRE“ also Rum mit Cola. Das war mein Favorit während der Padre Luis, er war Spanier, den Rum pur trank, was auch seinen Redefluss beflügelte und als ich meinte, ob das wohl gut sei, so ausdauernd Rum zu trinken, meine er nur, dass er als Vertreter der PURISIMA gerade zu verpflichtet sei, den RUM pur zu trinken.
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Auf einmal ein ganz neues Thema - die Akustik in der Kirche
Die Kirche der Colonia Roma war ein war ein moderner parabolartiger Stahlbetonbau mit sehr halliger Akustik und der Padre lud mich ein, ihn doch in den nächsten Tagen einmal zu besuchen, um Vorschläge für die noch zu beschaffende Verstärkeranlage mit ihm zu diskutieren.
Manchmal machten wir früher mit den Kundenbesuchen Schluss, um bei Don Salvador zu Hause die Aufträge zu schreiben. Dann fuhr ich mit dem Bus zurück ins Hotel.
Ich besuchte also die Kirche, die leer war. Während ich dem Altar zustrebte, öffnete sich rechts die Tür eines der Beichtstühle, Padre Luis kam heraus, segnete noch schnell das Indio Mädchen, das wohl gerade gebeichtet hatte, begrüsste mich und lud mich in die Sakristei ein.
Dort langte er als erstes hinter seinen Sessel und brachte eine Flasche Rum zum Vorschein. „A la Purisima“ sagte er und nahm einen guten Schluck. Dann war ich dran. Ich glaube, wir haben auch über die Akustik gesprochen, jedenfalls kam ich gut nach Hause und hatte das Abendessen gespart.
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Eine Zufallsbekanntschaft - ein Deutscher mit einem VW
In Mexico lernte ich auch einen jungen Deutschen kennen, der sich dort überhaupt nicht wohlfühlte und glücklich war, wieder einmal deutsch zu sprechen. Er hatte einen Volkswagen und wir fuhren zusammen zu den Pyramiden von Teotihuacan, die mich sehr beeindruckt haben.
Guatemala war theoretisch noch mit Deutschland im Kriegszustand
Von Mexico sollte es nach Guatemala gehen. Obwohl wir nach Guatemala verkauften, war Guatemala theoretisch noch mit Deutschland im Kriegszustand und es gab kein Konsulat, das ein Visum ausstellen konnte.
Das sollte in Mexico möglich sein. Aber auch dort fehlte mir irgendein Dokument, so dass ich von Mexico – mit Zwischenlandung in Guatemala – direkt nach San Salvador fliegen musste.
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Peter Hegel, ein Klassenkamerad – kam aus Guatemala
Einer meiner Klassenkameraden im Johanneum – Peter Hegel – war nämlich aus Guatemala, wo seine Eltern eine Kaffeeplantage hatten. Sie hatten ihn 1939 zu seinen Grosseltern nach Lüneburg geschickt, damit er in Deutschland die Schule besuchen sollte.
Peter hat dann auch später in Hamburg im Kaffeehandel gelernt. Danach haben wir uns jedoch aus den Augen verloren und ich hoffte, dass er wieder in Guatemala sei. Im Telefonbuch gab es verschiedene Hegel.
Ich nahm die erste Nummer und mir antwortete eine Dame. Sie sagte, dass Peter Ihr Neffe sei, dass die Eltern enteignet worden seien und jetzt in Brasilien als Verwalter auf eine Kaffeeplantage seien. Von Peter wusste sie nichts genaues.
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Peter war bei LAUMAYER in Medellin und später bei CAFE HAG in Hamburg
Einige Jahre später habe ich ihn dann zufällig im HOTEL INTERNACIONAL in Panama getroffen. Er war beim Auschecken, während ich gerade ankam. Es war ein Sonntag und so habe ich ihn zum Flughafen begleitet und wir haben unterwegs zusammen geklönt.
Er hatte eine Stelle bei der Firma LAUMAYER in Medellin bekommen, einem der bedeutendsten Kaffee-Exporteure, mit der ich später auch einige Geschäfte gemacht habe.
Peter ist dann wieder nach Deutschland gegangen und hat wohl bis zu seiner Pensionierung in Bremen bei CAFE HAG als Einkäufer gearbeitet.
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Es ging weiter nach El Salvador
Unser Vertreter in El Salvador war Mario Peccorini, dessen Eltern aus Italien eingewandert waren. Er wohnte nicht in der Hauptstadt, sondern in Santa Ana und sein Arbeitsgebiet war vor allem der Norden mit Santa Ana, Sonsonate, Ahuachapan und Chalchuapa. Er holte mich vom Flughafen ILOPANGO ab und brachte mich im Hotel ROOSEVELT unter.
Meine riesige Mustersendung hatten wir ja von Hamburg nach Acajutla verschifft und wir mussten sie nun aus dem Zoll holen. Das war nicht einfach, denn während wir dachten, alles schnell als „Muster“ herauszubekommen, wollten die Zöllner jedes einzelne Muster klassifizieren und verzollen.
Nach 2 Tagen – wir hatten gerade 2 von den 8 Kisten verzollt – und mit Hilfe einer gewissen „coima“ waren sie aber doch erschöpft und bereit, eine Pauschalregelung zu akzeptieren.
In Acajutla habe ich auch die Wichtigkeit und Brauchbarkeit des „Kopier- oder Tintenstiftes“ kennengelernt. Die Zollpolizen, grösser als ein DIN A 3 Bogen, wurden nämlich per Hand mit einem Tintenstift ausgefüllt, dann befeuchtet und so die Kopien abgezogen.
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Kein Warenhaus für meine Muster und ganz andere Methoden
Nachdem alle Formalitäten endlich erledigt waren, brachten wir die Kisten nach San Salvador. Dort hatte Mario einen Ausstellungsraum gemietet und dort organisierte er die Ausstellung.
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Die Akzeptanz seitens der Kunden war dürftig, denn für die gesamte Musterkollektion hätte sich sowieso nur ein Warenhaus im Stile KARSTADT interessieren können, und das gab es damals in ganz El Salvador nicht und die normalen Kunden, die Ferreterias, Quincallerías usw. zogen es vor, dass wir Ihnen die interessanten Muster ins Haus brachten.
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Gestaltung und Aufbau der Verkaufsreise entsprach nicht mehr den Realitäten
Jetzt stellte sich erst wirklich heraus, dass die Gestaltung und der Aufbau der Verkaufsreise nicht mehr den Realitäten der Zeit entsprach. Schliesslich hatte ja auch der Flugverkehr bereits die früheren Schiffs- und Landreisen weitgehend ersetzt.
Da ja auch allein die Vielfalt der mitgenommenen Artikel eine entsprechende Promotion schon aus Zeitgründen unmöglich machte, begann ich schon in San Salvador mit einer Verkleinerung der Kollektion, die ihren Endpunkt in Lima hatte, da ich dort (später) mit nur noch einer Kiste ankam.
Zunächst hatte ich aber noch einen „Laden“ mit hunderten von Mustern, wie wohl schon erwähnt von der Axt und Machete bis hin zu Damenunterwäsche, insbesondere Pettycoats, die damals in Deutschland gerade grosse Mode waren und von denen sich Ursula Heitmann gute Umsätze versprach.
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Eine junge Dame wollte unbedingt die Dessous kaufen
Unsere Ausstellung war zur Strasse hin offen und das führte natürlich dazu, daß viele Leute uns für ein Ladengeschäft hielten. Das glaubte auch eine junge Dame, die von den Dessous sehr angetan war und überhaupt nicht begreifen wollte, dass diese nur als Importware in entsprechenden Mengen bei uns erworben werden konnten.
Einmal war ich gerade allein da, als sie wieder einmal ihren ganzen Charm aufbot, um das Ersehnte zu erhalten, einschliesslich dem Hinweis „se lo puedo pagar con mi cuerpo“. (Ich kann dich mit meinem Körper bezahlen)
Zu meiner Erleichterung tauchte Mario rechtzeitig auf. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht doch - mit Mario - noch zu einem „Geschäft“ gekommen ist, weil sie auch weiterhin kam und ich alle diese Sachen dann auch Mario überlassen habe.
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Ein Abenteuer der weniger sympatischen Art
Ein Abenteuer der weniger sympatischen Art hatte ich eines Abends im Hotel Roosevelt. Mario und ich saßen im Restaurant beim Bier. Wir waren die einzigen Gäste, als ein ziemlich angeheiterter Finquero (illegale Grundbesitzer) mit 2 Freunden herein kam und sich unaufgefordert an unserem Tisch breit machte.
„Ola amigos“ rief er uns zu und „unos highballs para mi y mis amigos“ (ein paar Highballs für mich und meine Freunde) dem Barman. Die kamen natürlich prompt, anscheinend war der Mann wohlbekannt. Die Unterhaltung ging vom Hundertsten zum Tausendsten, so gut es bei seinem Zustand möglich war.
Und auf einmal begriff er „Vos sois un aleman caramba“ (Du bist ein deutscher Kerl) und zog seinen Revolver aus der Hosentasche und packte ihn vor sich auf den Tisch „en la guerra estaba con la CIA y siempre querría mater a un aleman“ (Im Krieg war er beim CIA und wollte immer einen Deutschen töten) so ging das hin und her und das Gefuchtele mit der Pistole bewirkte, dass mir der kalte Angstschweiss ausbrach.
„Dime, vos sois un aleman de alemania o un aleman de mierda“ (Sag mir, bist du ein Deutscher aus Deutschland oder ein verdammter Deutscher?) war eine andere seiner Tiraden. Schliesslich aber siegte doch der Whiskey und der CIA Finquero wurde von seinen 2 Begleitern halb bewusstlos abgeschleppt.
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El Salvador ist das am dichtesten bevölkerte Land Mittelamerikas
El Salvador ist das kleinste, aber bei weitem das am dichtesten bevölkerte Land Mittelamerikas. Es hatte schon 1956 über 200 Einwohner pro Quadratkilometer, während alle anderen Länder noch unter 100 lagen. Und es hat tropisches Klima. Damals waren die Hauptprodukte Kaffee, Zucker und Baumwolle.
Die mittelamerikanische Landbrücke ist die Spitze einer Bergkette, die versunken ist und entsprechend bergig sind alle Länder außer Nicaragua. Santa Ana liegt in der Nähe des Vulkans gleichen Namens, der schon Jahrtausende tot ist, aber zu seiner Zeit furchterregend gewesen sein muss, denn der heute bewohnte Krater hat mehrere Kilometer Durchmesser.
An der Krateraussenwand hat sich vor rund 200 Jahren ein neuer Vulkan gebildet, der IZALCO, mit regelmässigen Ausbrüchen etwa alle 30 Minuten, bis 1957 unter Aufbau eines Kegels von mehr als 1.600 Metern. Ich habe dieses Naturereignis genossen so oft es ging und auch schöne Fotos gemacht, besonders vom höher gelegenen Cerro Verde aus.
Wegen dieses Ereignisses, das Menschen aus aller Welt anzog, beschloss man 1956, dies touristisch auszunutzen und baute ein Hotel am besten Aussichtspunkt. Just als es eingeweiht werden sollte, stellte der Izalco 1957 seine Ausbrüche ein.
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Unser Vertreter in Tegucigalpa war die Firma ADAN BOZA
In Salvador sortierte ich weitere 4 Kisten aus und überliess die Muster Mario. Der Rest wurde mit TACA, schon damals eine gute Fluggesellschaft nach Tegucigalpa verladen. Unser Vertreter dort war die Firma ADAN BOZA.
Ich stieg im HOTEL PRADO ab. Es war gerade erst eröffnet worden und der Manager war Herr Seidel, ein deutscher Jude. So ergab sich, dass ich auch dem Hotel allerlei verkaufen konnte, z. B. Vorhangstoffe, Bestecke und Geschirr.
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Weiter geht es nach Managua in HONDURAS ..... SCHLUCHTEN
Den Namen HONDURAS könnte man wohl am Besten mit SCHLUCHTEN übersetzen und das trifft auch auf dieses sehr gebirgige Land zu. Es gehört zu den weniger entwickelten Ländern des Istmus, genau so wie Nicaragua.
Das war meine nächste Station. Unser Vertreter in Managua war Guillermo Tünnermann, zu dem ich noch heute guten Kontakt habe und den ich zusammen mit seiner Frau Gloria auch zu meinem 65. Geburtstag nach Guatemala eingeladen habe.
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Die Tünnermanns sprachen kein deutsch mehr
Die Tünnermanns waren damals schon in der 2. Generation in Nicaragua. Sie waren von Kalifornien dorthin gekommen und sprachen natürlich kein deutsch mehr.
Guillermo´s Vater war der Dirigent der „Orquestra Sinfónica de Nicaragua“ und somit ein „Caballero distinguido“. Für Guillermo und mich hatte das unter anderem den Vorteil, dass die Neuausrüstung mit (Musik-??) Instrumenten durch die Firma Rehbein erfolgte.
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Das nächste Ziel war Costa Rica
Der Verkauf in Nicaragua lief gut, aber dennoch war ich froh, als ich nach Costa Rica weiterreisen konnte, denn Ende Mai ist Managua verdammt heiss und eine Klimaanlage im Hotel gab es nicht. In Managua verabschiedete ich mich von einer weiteren Kiste, die ich samt der Muster Guillermo überliess.
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San José de Costa Rica liegt auf ungefähr 1000 Meter Höhe
San José de Costa Rica, wie sich die Hauptstadt gegen die vielen anderen San José ´s in Lateinamerika identifiziert, liegt auf ungefähr 1000 Meter Höhe und das Klima ist doch schon etwas angenehmer.
Costa Rica hat als einziges Land Lateinamerikas kein Militär. Es wurde 1945 abgeschafft und die frei gewordenen Mittel werden in die Erziehung investiert. So ist Costa Rica das am weitesten entwickelte Land Mittelamerikas.
Es gibt praktisch keine Analphabeten mehr. 1956 hatte das Land knapp unter 1 Million Einwohner. Die „Ticos“ sind ein nettes, aufgeschlossenes und im Vergleich zu den Nachbarn sehr kultiviertes „Völkchen.“ Völkchen deswegen, weil sie eine Vorliebe zur Anwendung der Verkleinerungsform haben.
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Carlos Rodrigüz Monge und sein Vetter Francisco Monge
Ich wohnte im GRAN HOTEL DE COSTA RICA gegenüber dem TEATRO NACIONAL. Damals war ganz San José bequem zu Fuss bewanderbar. Es gab die AVENIDA CENTRAL, auf der Abends die ganze Stadt flanierte und dazu noch ein paar Seitenstrassen.
Das HOTEL BALMORAL war kurz vor seiner Fertigstellung und wir konnten dort unsere „Musterausstellung“ aufbauen. Unser eigentlicher Vertreter war Carlos Rodrigüz Monge, aber der war schon seit einiger Zeit „unauffindbar“, weil er meiner Firma Geld schuldete.
Sein Geschäft wurde von seinem Vetter Francisco Monge betreut, der mich auch abgeholt hatte. Nachdem man wohl den Eindruck gewonnen hatte, dass ich kein Scharfrichter oder Folterer sei, tauchte auf einmal auch Don Carlos auf und trug mit dazu bei, seinen Schuldsaldo durch neue Verkäufe abzubauen.
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Am Ende nur noch 2 Kisten und mein Überseekoffer
Am Sonntag machten wir alle 3 einen Ausflug durch die schöne costaricensische Berglandschaft zum Vulkan IRAZU und über Cartago zurück nach San José. Heute ist dieser Vulkan von Antennentürmen bedeckt und ein Ort totaler elektromagnetischer Verseuchung.
Auch Costa Rica wurde mit einer Musterkiste beschenkt und so ging es mit 2 Kisten und meinem grossen Überseekoffer weiter nach Panamá.
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Unser Vertreter in Panama - Leon Glattstein
Unser Vertreter dort war ein Wiener Jude, Leon Glattstein. Seine Firma hieß ESTADIO, weil – wie er mir erklärte – er zuerst seinen Lebensunterhalt mit einem Kiosk "bei Stadium" (???) verdient hatte.
Unser Hauptgeschäft in Panama war der Verkauf von Petroleumkochern der Marke TURM, deren Vertrieb von der Firma PEIKARD – Peiker & Kardonsky übernommen wurde, damals eine der grossen Firmen in Panama. Die Besitzer waren polnische Juden.
Leon Glattstein erklärte mir auch frei heraus, dass er deutsche Waren nicht aus Sympathie verkaufe, sondern nur, weil er keine bessere Alternative zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes habe.
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Oft eine Überwindung, deutsche Produkte zu verkaufen
Dies war damals übrigens eine verbreitete Einstellung (Situation) deutscher und österreichischer Juden, die noch rechtzeitig auswandern konnten. Viele von Ihnen hatten keine Spanischkenntnisse und kaum Englischkenntnisse und waren im mittleren Lebensalter, in welchem eine Anpassung an eine völlig neue Umgebung und Sprache ohnehin nicht mehr ganz so einfach ist. Hinzu kam, dass ja sehr bald der 2. Weltkrieg ausbrach und zunächst auch die deutschen Juden als Gegner angesehen wurden.
Für viele, die sich während des Krieges nur recht und schlecht über Wasser halten konnten, war nach dem Krieg die Kenntnis deutscher Produkte und der deutschen Sprache die Gelegenheit, sich nun endlich eine neue Existenz aufzubauen.
So hat letztendlich das Streben der Auswanderer nach einer Verbesserung ihrer Lage und das Streben der deutschen Industrie, die durch den Krieg verlorenen Märkte wiederzugewinnen, beiden Teilen genutzt.
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Juli 1956 - Von Panama ging es nach Quito und dann nach Lima
In Panama wurden meine beiden letzten Kisten nach Guayaquil verfrachtet, während ich zunächst nach Quito flog und dort nur kurz mit Katalogen arbeitete.
Inzwischen war es Juli 1956 geworden und das Klima in Guayaquil war erträglich. Ich wohnte im Hotel Continental, das neu und mit Klimaanlage ausgerüstet war. Nach einer Woche ging es dann zusammen mit den Kisten nach Lima.
Dort erwartete mich – noch am alten Flughafen CORPAC. - der fast mitten in der damals noch gemütlichen Stadt LIMA lag und mit der Strassenbahn erreichbar war, Charlie Rosenthal von der Firma TRANSMUNDOS, die unsere Vertretung war.
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Charlie Rosenthal von der Firma TRANSMUNDOS
Charlie hatte einen grossen CITROEN mit der damals revolutionären Luftfederung, aber ramponierten Sitzen, die der intensiven Sonneinstrahlung nicht stand gehalten hatten.
Er brachte mich im Hotel BOLIVAR unter, erklärte aber sofort, dass es besser für mich sei, gleich nach La Paz weiter zu fliegen, da am kommenden Wochenende, dem 28. Juli 1956 die FIESTAS PATRIAS, das nationale Unabhängigkeitsfest beginnen und praktisch eine Woche dauern würde.
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Vom Regen in die Traufe - am Freitag weiter nach La Paz
Das sah ich dann auch ein und flog am Freitag nach La Paz ohne zu ahnen, dass auch dort zur gleichen Zeit die Unabhängigkeit gefeiert wurde.
Das Stadtzentrum von La Paz liegt auf 3.850 Meter Höhe, der Flugplaz auf 4.070 Meter über dem Meeresspiegel. Die gute DC6 hatte Mühe, überhaupt so hoch zu fliegen und bei Ankunft standen die Indianer schon bereit, den um nach Sauerstoff ringenden Passagieren Geleitschutz zu geben.
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Für harte Dollars gabs auch ein Zimmer
Mir ging es ganz gut und per Zufall war mein Taxifahrer ein deutscher Jude namens Asch, mit dem ich noch einige Jahre Kontakt haben sollte.
Er klärte mich dann auch sofort über die Situation auf und sagte, dass ich wohl kaum ein Hotel wegen der vielen ausländischen Delegationen zum Nationalfeiertag finden würde.
So war es dann auch, aber nach mehreren Fehlversuchen, hatte Freund Asch die rettende Idee. Bolivien hatte damals auch gerade wieder eine sozialistische Regierung und die Wirtschaft lag danieder. Der offizielle Wechselkurs lag bei rund 500 Bolivianos pro Dollar und der Schwarzmarktkurs bei rund 2000 Bolivianos.
Wir fuhren also zum neuesten Hotel, dem COPACABANA, und machten dem Manager klar, dass ich das Hotel in Dollars zum offiziellen Kurs bezahlen würde, und nur die Restaurantkosten in Landeswährung. So war natürlich ein Zimmer zu haben. Damals waren solche Geschäfte noch nicht so üblich, denn es gab kaum Tourismus.
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Auch andere Erfahrungen waren völlig neu für mich
Am Sonnabend nahm ich dann von meinem Balkon aus die Truppenparade ab. Deutsche Uniformen und deutsche Marschmusik beherrschten Bild und Ton.
Am nächsten Morgen versuchte ich, ein Taxi zu veranlassen, mit mir zum Titicaca See zu fahren. Zunächst erfolglos. „Se gastan las llantas Señor y no hay repuestos“ (Die Reifen sind abgenutzt, Herr, und es gibt keine Ersatzteile.) - so und ähnlich waren die Ausreden, bis ich auf die Idee kam, zu sagen “te pago en Dolares”. Damit war die Reifenfrage gelöst, denn bei 5 Dollar für den ganzen Tag, das waren rund 10.000 Bolivianos, während man für eine Stadtfahrt zwischen 50 und 100 Bolivianos bezahlte.
Die Hinfahrt klappte auch vorzüglich und ich lud den Fahrer zu einem gemeinsamen recht dürftigen Essen ein, bei dem wir uns auch ein Bier genehmigten. Damals hatten die Flaschen noch 0.7 Liter. Auf dem Rückweg wollte der Fahrer dann noch „verduras para la Familia“ kaufen, aber als er dann nach einer halben Stunde zurückkam, hatte er neben einem Arm voller Gemüse auch eine recht deutliche Fahne.
Entsprechend war dann auch die Fahrt zurück, vor allem bei der serpentinenreichen Abfahrt vom Altiplano in die Stadt. Einigermaßen blaß, aber sonst unverwundet landete ich wieder im Hotel.
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In La Paz waren die Deutschen mit Sicherheit die grösste ausländische Minderheit
La Paz war nicht nur wegen der Höhe und den daraus resultierenden Besonderheiten ein sehr interessanter Platz und ein Schmelztiegel der Rassen. Die Deutschen waren mit Sicherheit die grösste ausländische Minderheit.
Sie gliederten sich in 3 Gruuppen, die auch alle ihren eigenen „Club“ hatten. Der „Club Aleman“ war Zentrum der „alten“ Deutschen und der „Nazis“, dann gab es noch einen Verein der „Antifaschisten“ und schliesslich den der eingewanderten deutschen und österreichischen Juden. Ich habe mit allen zu tun gehabt.
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Charlie (Karlheinz) Rosenthal aus Leipzig
Geschäftlich war in La Paz nicht viel los und so ging es schnell wieder zurück nach Lima.
Charlie (Karlheinz) Rosenthal war eine schillernde Persönlichkeit, mit der ich noch einige Abenteuer erleben sollte. Seine Familie stammte aus Leipzig und war über Dänemark nach Peru gelangt.
Charlie hatte schon einige Abenteuer hinter sich und war ein unverbesserlicher Optimist. Nachdem er auch einige Zeit als Verkäufer bei einer jüdischen Firma in Lima gearbeitet hatte, entschied er sich, seine eigene Firma „TRANSMUNDOS“ zu gründen, deren Namen wohl mehr zu einem Reisebüro als zu einer Vertreterfirma passte, die auf Provisionsbasis arbeitete.
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Erfolgreich mit Bohnermaschinen und Staubsaugern
Wie der Kontakt zu Rehbein zustande kam, weiss ich nicht mehr, aber die ersten Jahre waren recht erfolgreich. Wir verkauften unter anderem Bohnermaschinen und Staubsauger von der Firma Baumgarten aus Berlin, der Marke MATADOR. Damals waren Mixgeräte gerade die grosse Mode, angeführt von der amerikanischen Marke OSTER und der deutschen BRAUN AG Frankfurt.
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Die lackierten Mixer in verschiedenen Farben
Ich überzeugte die Berliner Firma Baumgarten, doch ebenfalls einen Mixer auf den Markt zu bringen. Das machten sie dann auch, aber das dunkelbraune Bakelitgehäuse des Motors war nicht gerade attraktiv. Da Baumgarten jedoch nur Bakelit verarbeiten konnte, schlug ich vor, die Gehäuse in verschiedenen Pastellfarben zu lackieren. Dadurch waren wir die ersten, die Mixer in verschiedenen Farben anboten.
Wir verkauften dorthin auch Tonbandgeräte der Marken HARTING und „X“ (??). Dieses hatte eine grosse Bandcassette mit 12mm breitem Band, auf der man mehrere Spuren aufzeichnen und deren Wiedergabe anwählen konnte, wie viele andere „exotische“ Lösungen konnte auch diese sich nicht durchsetzen, obwohl dann Jahre später die amerikanische Firma „3M“ ein ähnliches Konzept als Musikberieselungsgerät erfolgreich auf den Markt brachte.
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Von Lima ging es nach Caracas.
Unser dortiger Vertreter war ebenfalls ein deutscher Jude - Herr Grünspan. Seine Firma hiess VIMPEX und das Büro war in der Gegend vom SILENCIO.
Grünspan war ein echter Bayer in einem Benehmen und Auftreten und passte in seiner burschikosen Art in die Branche der Werkzeug und Eisenwaren Händler.
Für Rehbein verkaufte er neben billigen Werkzeugen - sein Paradepferd war die Firma GEDORE Werkzeuge - hauptsächlich Radios der Marke KAISER (Anmerkung : aus Karlsruhe), eigentlich eine Uhrenfabrik, die dem Trend der Zeit gefolgt war.
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Von Caracas ging es dann zurück nach Hamburg
Von Caracas ging es dann mit der Superconstellation über Curacao, San Juan de Puerto Rico, Santa Maria auf den Azoren und Lissabon nach Genf. Dort blieb ich eine Nacht, um dann nach Hamburg zu fliegen.
Eine solche Interkontinentalreise dauerte damals über 30 Stunden, aber die Sitze waren breit und bequem. Die Economyklasse war noch nicht erfunden worden. In Hamburg wurde ich gebührend bewundert und ob meiner Welterfahrung gewürdigt.
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Aber das dicke Ende kam bald hinterher.
Für die Reisekosten hatten wir „Vertrauensspesen“ vereinbart, was bedeutete, dass ich hinsichtlich der Ausgaben freie Hand hatte, aber die Ausgaben mit Belegen abzurechnen hatte.
Ich hatte sogar noch einen „Kreditbrief“ im wahrsten Sinne des Wortes. Kreditkarten waren noch nicht erfunden worden. Das war ein auf Aktienpapier gedrucktes Dokument, auf dem die benutzbare Gesamtsumme verzeichnet und mit doppelter Unterschrift der Deutschen Bank bestätigt worden war mit der Angabe der Banken, bei denen ich Geld abheben konnte, das dann auf der Rückseite abgebucht und bestätigt wurde.
Dafür wurde mein Gehalt während der Reisezeit von der Firma einbehalten.
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Ausgaben ohne Beleg - gestrichen
Als ich nun meine Reiseabrechnung machte, wurden alle Posten nicht anerkannt, für die ich keinen Beleg hatte.
Dazu gehörten zum Beispiel die unvermeidbaren Trinkgelder, die Taxifahrten und viele andere Ausgaben, für die ein Beleg einfach nicht zu haben war, zum Teil auch deswegen, weil die Leute weder Lesen noch Schreiben konnten und für solches Verlangen auch kein Verständnis hatten.
Das Resultat war, dass ich, der gehofft hatte, wenigstens einen Teil des Gehaltes gespart zu haben, nun mit mehr als einem Monatsgehalt in der Kreide stand und dies langsam, auch unter Verwendung meines Weihnachtsgeldes, bis zum Jahresende abstottern musste.
Ich glaube, das hat auch etwas mit dem Ausdruck „Lehrgeld zahlen“ zu tun.
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Inzwischen gab es Veränderungen in der Firma Rehbein und ich kündigte zum Ende 1957
Während meiner Reise hatten sich Veränderungen in der Firma ergeben, der Firmengründer, Paul Alfons Rehbein, er war bereits in den Achtzigern, hatte keinen direkten Nachfolger und wollte aus der Firma ausscheiden.
Sein Juniorpartner Heinrich Nickel, der nur einen Minderheitsanteil hatte, musste sich also um einen neuen Partner bemühen, den er in einem Herrn Lehmann Bärenklau fand. Dieser brachte jedoch weniger Kapital ein, als Rehbein herausnahm.
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Da das Kerngeschäft von Rehbein der Import war, der von Herrn Nickel geführt wurde, konnte der geplante Ausbau des Exports, nämlich die Auswertung meiner Reise nicht stattfinden. Daher kündigte ich zum Ende 1957.
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1958 - neue Aufgaben bei HAROLD HARMSEN
Ich fand eine neue Stellung in einer kleinen technischen Aussenhandelsfirma, HAROLD HARMSEN, in Hamburg an der Alster. Mein Anfangsgehalt war 850 DM, also 250 DM mehr als ich zuletzt bei Rehbein verdient hatte. Meine Aufgabe war, das technische Exportgeschäft, das durch den Weggang des bisherigen Leiters vor einem Jahr und darauf folgende Personalwechsel fast auf die Hälfte eingebrochen war, wieder aufzubauen.
Es wurde vereinbart, dass ich nach einem Jahr eine nach meiner Meinung notwendige Verkaufsreise nach Mittel- und Südamerika machen sollte, unter der Voraussetzung, dass der 1957 eingebrochene Umsatz wieder mindestens auf den Stand von 1956 gebracht worden wäre.
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Endlich eine Wohnung im Süden von Barmbek
Inzwischen war auch meinem vor 8 Jahren !!! gestellten Antrag auf Familienzusammenführung stattgegeben worden und ich erhielt eine Sozialwohnung am Biedermannplatz 5 im Süden von Barmbek.
So kam meine Mutter nach Hamburg - die Familie hatte wieder einen gemeinsamen Wohnsitz. Später kam auch Onkel Heinrich zu uns, während Eberhard noch zur See fuhr, um der Einberufung zur Bundeswehr zu entgehen.
Leider kam meine Mutter bei einem Autounfall im Juni 1958 ums Leben, so dass der Biedermannplatz 5 zu einem Männerhaushalt wurde, nachdem auch Eberhard die Seefahrt aufgab und sich auf die Prüfung zum Elektromeister vorbereitete.
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Mein Ziel bei Harold Harmsen hatte ich erreicht - aber ....
Durch intensiven Einsatz und viele Überstunden schaffte ich es, den Umsatz der technischen Abteilung von Harold Harmsen über den Stand von 1956 zu bringen. Als ich meinen Chef jedoch an die getroffene Vereinbarung erinnerte, wollte er mich überzeugen, die Reise um ein Jahr zu verschieben.
Der eigentliche Grund war die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Firma als Resultat des Misserfolges bei der Übernahme der Vertretung der amerikanischen Flugzeugfirma AEROCOMMANDER, die sich gegen PIPER nicht durchsetzen konnte, aber hohe Kosten verursachte.
Da ich Vertröstungen satt hatte, kündigte ich und entschloss mich zu dem Versuch, selbständig zu werden.
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