High End Forum - Editorial Ausgabe 3/1992
Sind die High-Ender Abweichler ?
Es ist schon auffällig: immer wieder wird, aus den Kreisen der scheinbar "Etablierten" in der Hi-Fi-Scene, auf den High-Endern herumgehackt. Da verschanzen sich einige hinter ihren Meßlabors und wollen nichts von denen wissen, die glauben Unterschiede hören zu können, welche mit den gängigen Mitteln der Meßtechnik nicht zu beweisen sind. Da werden den High-Endern pauschal Dinge unterstellt, die offensichtlich nicht richtig sind. Deswegen finde ich es hier wieder mal an der Zeit, dazu Stellung zu beziehen.
Wenn beispielsweise jemandem der ganze Testsiegerrummel bis über den Kragen geht, also der Entschluß fällt, die Anlage nach eigenen Hörgewohnheiten und Bedürfnissen im "Selbsthörverfahren" auszuwählen, erscheint sofort der mahnende Zeigefinger von seiten des Testsiegerblatts. Der 'Verirrte' wird eindrücklich gewarnt, er begebe sich auf einen Pfad, der Verfälschung und Verfärbung des Originals nicht ausschließe, das könne man nur durch fundierte Messungen vermeiden.
Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, ob man mit den Messungen die gröbsten Verfälschungen wirklich in den Griff bekommt, sondern nur fragen, was es mir als Musikhörer daheim nützt, wenn meine Kette zwar meßtechnisch gut abschneidet, aber keine Freude an der Musik aufkommen will!
Genauso wird immer wieder der sogenannte 'Frequenzgang' stark überbewertet. Daraus wird oft die Unterstellung abgeleitet: "High-Ender mögen verbogene Frequenzgänge", da sollen angeblich 'englische Frequenzgänge' mit Höhenabfall bevorzugt werden usw.
Als Techniker stellt sich für mich der FREQUENZGANG als Produkt aus dem Phasen-Frequenzgang und dem (fälschlich isoliert als 'Frequenzgang' bezeichneten) Amplituden-Frequenzgang dar. Daß im Phasen- und Zeitverhalten derzeit noch um Zehnerpotenzen größere Böcke geschossen werden scheint zweitrangig.
Wenn irgendeine Stufe zu träge anspringt, wird halt mit einem elektronischen Filterchen wieder etwas Kick in den Höhen zugemixt, daß der Sinus nachher wieder amplitudenmäßig gleich laut herauskommt. Ich möchte solche Handlungsweisen nicht generell unterstellen, aber behaupten daß solche Tendenzen gefördert werden, wenn nur Wert auf ein paar bestimmte, oberflächlich leicht abzuklappernde Parameter gelegt wird.
Die Sache mit dem 'verbogenen Frequenzgang' sehe ich im High-End-Einstiegsbereich so: Es ist halt nun mal so, daß die wichtigsten Musikinformationen im Mittenbereich liegen. Also wo soll man sparen, wenn Preiswertes verlangt wird? Ganz klar, es gibt allerhöchste Höhen und abgrundtiefste Bässe, aber 'mittigste' Mitten? Hier gibts mit keinem Superlativ Effekte und Punkte zu erhaschen.
Am Schluß möchte ich doch noch mal hinterfragen, warum die High-Ender auch heute immer noch als Außenseiter abgestempelt werden. High-Ender sind für mich Leute, die an möglichst unverfälschter, originalgetreuer und lebendiger Musikwiedergabe Interesse haben; die sich aber der Tatsache bewußt sind, daß (selbst die modernen) Meßmethoden nur einen winzigen Teil der wichtigsten 'Hörparameter' erfassen können.
- Anmerkung : Hier kommt ein typisches Argument der so bezeichneten "High-Ender" vor, dem ich überhaupt nicht zustimmen kann. Welcher Hörer kann auch nur im Geringsten beurteilen, ob diese Musikwiedergabe überhaupt "unverfälscht" und "originalgetreu" und "lebendig" sei, da er doch noch nie in seinem Leben das Original gehört hatte. Karajan ist gestorben und die Musiker bei den Berliner Philharmonikern sind aus Altersgründen schon lange ausgetauscht. Jetzt sind wir auch hier bei der Religion angekommen.
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Ein High-Ender ist also jemand, der allein nach dem Hörergebnis und Hörerlebnis urteilt und handelt; einer der noch selber hört und dann seine Entscheidung trifft, statt sich von Meßtests bevormunden zu lassen. Ist dann derjenige, der den direkten Weg zum Ziel (Ich will bei mir zuhause so gut wie möglich Musik hören) geht, ein Andersdenkender?
- Anmerkung : Schaun Sie mal in meine Erklärung von persönlichem Klangempfinden rein : Was ist Klang ?
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KS (KS = Klaus Staaden)
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