Ein Kommentar zum Wandel der Magazine
von Gert Redlich im Herbst 2015 - Wie Sie sicher schon bemerkt haben, habe ich an vielen Stellen auf vielen Museumsseiten unisono den Inhalt und die Qualität der Hifi-Magazine teilweise gelobt - teilweise aber auch heftig bemängelt. Da ich in der 1968er Zeit - das war die angebliche "Revoluzzer"-Zeit - groß geworden bin, hatte ich als Hifi-Fan den Aufstieg der Hifi-Stereophonie und den Beginn der dann aufkommenden Wettbewerber sehr genau beäugt.
Zumindest die Hifi-Stereophonie war - nach unserem Denken - ganz offensichtlich gegen alle Gerüchte einer Befangenheit oder gar Käuflichkeit gefeit. Lesen wollten und konnten wir deren Hefte etwa ab 1967/68. Wir lebten nämlich damals im Glauben an das Gute.
Etwa ab 1978 kamen erste Zweifel an den Inhalten der neu hinzu gekommenen Hifi-Hochglanz-Magazine auf und wir fingen an, manche Artikel und diese "Tests" zu vergleichen. Viele Ungereimtheiten und teilweise militante Leserbriefe über eklatante Fehlentscheidungen der Tester (nach der jeweiligen Meinung des verärgerten Schreibers) verunsicherten unseren "Glauben". Das Interesse an den Hifi-Magazinen erlahmte dadurch erheblich.
Erst sehr viel später bei der Analyse des Niederganges der Hifi-Stereophonie um 1982 bis zum Ende 1983 fiel mein Blick auf die drastisch gesunkenen Anzeigenaufträge - also die Anzahl der Inserenten. Doch diese Erkenntnis kam erst in 2012 und 2013 zum Tragen, und auch erst, nachdem ich den ehemaligen Chefredakteur Karl Breh in Karlsruhe mehrfach besucht hatte.
Also unser gutes Gefühl damals, "diese eine Zeitschrift" schreibt die Wahrheit, war doch überwiegend richtig, denn sie ist im Prinzip an der Standhaftigkeit (und an der Resistenz gegen Beeinflussung - man hätte das auch Korruption nennen können) des Chefredakteurs Karl Breh gescheitert - so traurig das für Ihn im Nachhinein auch gewesen sein mag.
Andere Verlage sahen die schwindende Ertragslage schon weit vorher (oder etwas früher) und änderten flugs die globale Marschrichtung, bevor die Kostendeckungsgrenze unterschritten war. Sie haben damit teilweise zwar überlebt, müssen sich aber im Rückblick dieser bitteren Erkenntnis stellen, richtigen Unsinn verbreitet zu haben.
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Wenn "der Markt" (der Käufer) sich ändert .....
Es hatte ja 20 Jahre funktioniert - könnte man resumieren, also das mit der gnadenlosen Wahrheit. Aber nichts währt ewig. Und auf einmal hatten viele viele Hifi-Fans ihre Anlagen komplett - oder sogar "überkomplett". Und dann wurde auch noch die Qualität der Komponenten der Anlagen - aufgrund des weltweiten totalen Überangebotes asiatischer Hersteller - immer besser. Die Unterschiede in so gut wie jeder einzelnen Preisklasse näherten sich immer mehr an. Die Rezensenten kamen in schwierige Situationen. Und die Firmen und Hersteller saßen am längeren Hebel.
Den Anzeigenverkäufern - das sind ganz normale Verkäufer wie zum Beispiel in den Autohäusern - wurde gnadenlos zugeflüstert : "Wir müssen auch etwas verkaufen." Und eine Vierfarb-DIN A4 Anzeige konnte durchaus den Wert eines Kleinwagens erreichen.
Also - "Du Verkäufer Du" - sag deiner Redaktion, die sollen sich mal kräftig anstrengen, irgend etwas Gutes ist an jedem Produkt dran und wenn es das (also unser) 3m langes Netzkabel ist, das "Die da" ganz besonders lobend hervorheben müssen.
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Und seitdem verkaufen Sie "Träume" .... weit ab von der Realität
Was die meisten Hifi-Magazin-Käufer nur am Rande mitbekamen - aber vielleicht auch gar nicht wissen wollten - auch solch ein Verlag ist eine Firma zum Geldverdienen. Die Mitarbeiter bekommen monatlich Geld dafür, daß sie etwas schreiben - aber es ist eben nicht egal, was sie schreiben. Darum ein treffendes Beispiel :
Beispiel: Die diversen "Segler"-Zeitschriften
Als ehemaliger Besitzer einer kleinen Jolle und ex Mitglied eines solchen kleinen Vereins bekam ich öfter die Zeitschrift (also das Hochglanzmagazin) YACHT in die Finger.
Vorne drauf war (fast) immer eine richtig große Yacht mitten auf dem Ozean bei strahlender Sonne und 3 Meter Wellen. Dazu strahlten hübsche blonde Jungfrauen mit extrem langen und schlanken Beinen in die Linse der Kamera. Nur die Zigarettenwerbung hatte schönere Bilder - (das waren die Anzeigen innen drinnen).
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Im redaktionellen Bereich wurden die Neuigkeiten der Hersteller vorgestellt und es wurden neue Yachten beschrieben, extrem ausführlich, oft bis zum teilvergoldeten Klodeckel. Und dann fällt auch dem unbedarften staunenden Laien-Leser auf, solch eine "Dehler 45" oder "Bavaria 45" kosten nun mal schlappe 145.000.- Euro.
Das war der Aha Effekt. Wer hat denn schon genügend "Bares" überflüssig - hier bei uns in Deutschland, also nicht in Monaco oder Lichtenstein oder Vaduz oder Nizza oder Cannes, sich solch "ein Teil" in die engere Wahl zu ziehen?
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Sie verkaufen also "Träume" - erfolgreich
"Die" verkaufen seit Jahrzehnten nur noch Träume - und die Leser kaufen diese Zeitschrift immer noch.
Und glauben Sie mir, die allermeisten dieser Leser wissen, daß sie sich solch einen 28m langen "Brocken" nie nie nie leisten können. Denn solch eine Yacht muß ja auch irgendwo stehen (also an einem Liegeplatz "liegen"). Und das sind in exponierten Lagen, die also mehr als 2m Tiefe haben, ganz schnell mal 350 bis 500 Euro "pro Monat" !! + Bewachung und Pflegekosten = 1000.- Euro pro Monat. Und das sind dann diese "Träume", von denen die vielen Leser "träumen" dürfen - und das sogar gegen Bezahlung.
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In vielen anderen Bereichen werden nur noch Täume verkauft.
Das ist also das Ergebnis des gesellschaftlichen Wandels, wenn so gut wie jeder ein Auto hat, aber leider keinen eigenen Parkplatz. Und eine 7+1 Stereoanlage und einen 1,60m Fernseher und einen DSL-Internet Anschluß. Wo bleibt das Besondere, der unerfüllte Wunsch, das virtuelle Ziel in der Ferne ? Und dazu braucht man Träume, also schmackhafte Anregungen, auch wenn sie (finanziell) noch so weit weg sind.
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Es gibt also einen großen Bedarf - jede Menge - für Träume
Anfang des Jahres 2015 hatte ich mit einem lang- jährigen erfolgreichen Psychologen der Werbewirt- schaft und der Markanalysen (deutlich über 80 Jahre alt) über die Inhalte der Hochglanzmagazine - aber aller Hobby-Bereiche - gesprochen .....
..... und er hatte es so formuliert :
"Diese Zeitschriften sind die modernen Märklin Spielzeug-Kataloge der alt gewordenen Männer, die damals so gerne (Märklin- oder Fleischmann-) Eisenbahn gespielt hatten oder hätten und nun neue "zeitgemäße" Spielzeuge suchen. Da darfs auch ruhig etwa mehr kosten und der Prozzoprozzo Effekt muß auch dabei sein." Ob das "Teil" dann auch wirklich seinen Zweck erfüllt, ist dabei völlig nebensächlich.
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Eine weitere Erkenntnis - Marketing
Als ich den Chefentwickler von BRAUN Hifi, Wolfgang Hasselbach, im Zeitzeugengespräch gefragt hatte, warum er denn auf den damals ganz neuen und designmäßig sensationellen BRAUN REGIE 500 Receiver überhaupt nicht stolz war, antwortete er mir :
Als ich meinen beiden Chefs (Artur und Erwin Braun) mehrfach sagte, "Vorsicht !", die Konstruktion sei noch gar nicht produktionsreif ausgegoren und reif für die Massenproduktion, antwortet unser Marketing:
"Machen Sie sich mal keine Sorgen, unser Kunden schalten die Anlagen doch sowieso nicht ein. "
Und er hatte sie fast alle wieder auf dem Labor-Tisch - zur Reparatur.
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