Hifi-Stereo um 1962 - Röhrentechnik von Grundig
Eigentlich gehört dieser Funkschau-Artikel zu Grundig in den Herstellerbereich. Doch hier in der Historie ist er besser angesiedelt. 1962 war Hifi fast immer noch gleich = Stereo und ernsthafte Spitzen- Hifi-Geräte waren sündhaft teuer. Also war es erstmal nur für die "Oberen 10.000" erschwinglich.
Dem wollte Max Grundig wieder mal abhelfen, so, wie er es 1951 mit seinen ersten Reporter Tonbandgeräten erfolgreich vorexerziert hatte und dann 1954 mit den ersten Fernsehern unter DM 1000.- .
Darum lesen Sie mal, wie ein Tester der Funkschau im Heft 23/1962 ab Seite 603 die Grundig Hifi-Serie dargestellt hatte. Herr Diciol war zu der Zeit schon Herausgeber des "fonoforum".
aus der Funkschau Nr. 23/1962 (1. Dez. Heft)
von INGENIEUR OTTO DICIOL - 1962 - Niederfrequenzverstärker - kritisch betrachtet
Die Grundig Hi-Fi-Stereo-Verstärker NF1 und NF2
Im Interesse der Ausbreitung des Hi-Fi-Gedankens ist es erfreulich, daß seit über einem Jahr auch ein Großbetrieb wie Grundig entsprechende und gleichzeitig preisgünstige Geräte für komplette "Übertragungsanlagen" fertigt. Bei solchen Anlagen ist es vorteilhaft, wenn sie weitgehend individuell zusammengestellt werden können. Eine günstige Lösung hierfür bietet das Baukastenprinzip.
.
- Anmerkung : Inzwischen haben wir schon einige solcher Geräte geschenkt bekommen und beschreiben die auf diesen Grundig Röhren-Seiten.
.
Bild 1 zeigt derartige Geräte aus der Grundig-Bausteinserie. Da alle diese Geräte in vorhandene Möbel eingebaut werden können, bleibt der architektonische Charakter des Raumes gewahrt. Gleichzeitig können die Lautsprecher so aufgestellt werden, daß eine große Fläche guter stereofoner Hörsamkeit entsteht.
- Anmerkung: Zu der Zeit um 1962 waren Musiktruhen das Höchste der Gefühle. Eigenständige Boxen waren rar bzw. selten.
.
Das Äußere
Da die Verstärker NF 1 und NF 2 in Möbel (Tonmöbel = Musikschränke) eingebaut werden und somit unsichtbar bleiben, brauchte zu deren Gehäusegestaltung kein Stilist herangezogen zu werden. Das Aussehen der Verstärkergehäuse sowie ihr Volumen wird daher nur von den technischen und fertigungsmäßigen Notwendigkeiten bestimmt (Bild 2). Dies bedeutet gleichzeitig Kosteneinsparungen, die dem Verkaufspreis zugute kommen und der niedriger ist, als man ihn für so hochwertige Geräte erwartet.
- Anmerkung: Später wurde von Unwissenden immer wieder der primitve Lochblechkorb der Endstufen bis hin zum NF20 kritisiert. Doch diese neunmalklugen Kritiker hatten nie kapiert, daß es sich um geniale Einbaugeräte für Grundigs Konzert- und Musiktruhen einer ganz frühen Zeit um 1961 gehandelt hatte. Auch ist die Abschirmung dieser Lochblechgehäuse einfach nur super. Und die erzeugte Hitze der Röhren kann auch gemächlich abziehen.
.
Der Innenaufbau
Der Gedanke der Zweckmäßigkeit wurde auch beim Innenaufbau beachtet. Nach dem Lösen weniger Schrauben sind die Schutzhauben der Verstärker abzunehmen. Beim Verstärker NF 1 sind dann die Röhren und die meisten Einzelteile, beim Modell NF 2 die Röhren, Übertrager und die Netzsicherung zugänglich (Bild 3).
- Anmerkung: Bei beiden Endstufen wird die Netzspannung aus dem Tuner/Vorverstärker herüber geführt. Die Netzzuleitungen und die Schalter sind jeweils in den Empfangsteilen.
Bei beiden Ausführungen wird die Netzspannung durch einfaches Umstecken der Sicherung umgeschaltet. Zusätzlich ist beim Typ NF 1 die gedruckte Schaltung nach dem Umklappen eines Chassisteiles bequem zugänglich [Bild 5). Diese Konstruktion ist deshalb sehr servicegerecht. Der Verstärker NF 2 dagegen ist in konventioneller Art verdrahtet. Bild 4 zeigt das Chassis nach dem Abnehmen des Bodenbleches.
Um dieses Blech abzunehmen, sind nicht nur Schrauben zu lösen, sondern auch vier Gummipfropfen, die als Füße dienen, herauszudrücken bzw. später wieder „hineinzupfriemeln". Dies hat beim Testgerät nicht gefallen. Vielleicht findet sich hierfür noch eine bessere Lösung. Alle Einzelteile der beiden Verstärker sind so ausreichend dimensioniert, daß Geräteschäden durch Überlasten nicht zu erwarten sind. Das Zusammenschalten der Verstärker mit den Lautsprechern und den anderen Geräten der Bausteinserie erfolgt mit unverwechselbaren Steckverbindungen.
Außer den Eigenschaften wie geringe nichtlineare Verzerrungen, linearer Frequenzgang, großer Signal-Geräuschspannungsabstand ist von Hi-Fi-Verstärkern zu fordern, daß sie auch impulsartige Modulation, z. B. Pauken, Triangel, Gitarre usw., möglichst exakt übertragen. Hierfür ist der Durchlaß bzw. die Verformung eingespeister Rechteckimpulse der meßtechnische Qualitätsmaßstab.
Beim Verstärker NF 1 sind in Bild 9 trotz steiler Anstiegflanken Formverzerrungen des Rechteckimpulses, insbesondere bei 40 Hz und 10 kHz, deutlich sichtbar. Dagegen ist in Bild 10 der Rechteckdurchlaß beim Verstärker NF 2 als gut zu bezeichnen.
Die Schaltung (auch hier - Klicken zum Vergrößern)
Die Stromlaufpläne der Verstärker NF 1 (Bild 12) und NF 2 (Bild 13) lassen erkennen, daß beide keine sogenannten Vollverstärker sind, die den unmittelbaren Anschluß mittelpegeliger Quellen gestatten.
Endverstärker, zu denen auch der NF 1 und NF 2 zu zählen sind, benötigen - wie dies aus der Eingangsempfindlichkeit für Vollaussteuerung entnommen werden kann - einen Vorverstärker. Ein solcher ist im Rundfunkempfangsteil HF 1 mit Lautstärke-, Höhen-, Tiefen- und Balance-Einstellern enthalten. Anstelle des Empfangsteiles HF 1 können natürlich auch andere Stereo-Vorverstärker verwendet werden, ferner das Rundfunkempfangsteil HF 2 der Bausteinserie.
In diesem Zusammenhange sei hier die Frage gestellt, ob die häufig auch bei Verstärkern anzutreffende (Anmerkung: deutsche) Definition der Eingangsempfindlichkeit in Millivolt Eingangsspannung für 50 mW Ausgangsleistung in der Ela- und insbesondere in der Hi-Fi-Technik zweckmäßig ist. Der Mehrzahl der Benutzer oder Interessenten sagt diese Definition nicht allzuviel. Außerdem ist auf Grund akustischer Gesetze mit einer Ausgangsleistung von 50 mW nicht die Dynamik zu erzielen, die für Hi-Fi-Übertragungen benötigt wird. Hier wären Vereinbarungen über eine andere Definition angebracht.
Der Vergleich der Schaltungen beider Geräte zeigt den gleichen Grundaufbau. Das erste Triodensystem der Röhre ECC 83 arbeitet als Vorstufe. Die Phasendrehung zum Ansteuern der Gegentaktleistungsstufe erfolgt mit einer Katodynschaltung im zweiten System der gleichen Röhre.
Der Grundig NF 1 (ca. 5 Watt)
Entsprechend der unterschiedlichen Ausgangsleistung werden beim Verstärker NF 1 schwächere Röhren und kleinere Ausgangsübertrager gegenüber dem Modell NF 2 verwendet. Jeder Kanal der Ausführung NF 1 besitzt als Leistungsröhre die Doppelpentode ELL 80. Die Ausgangsübertrager haben die Kerngröße EI 60. Die Katoden der beiden Doppelröhren ELL 80, die im AB-Betrieb arbeiten, sind parallel geschaltet und erhalten die Gittervorspannung durch einen gemeinsamen, kapazitiv überbrückten Katodenwiderstand.
Infolge des sehr niedrigen Verkaufspreises und der dadurch bedingten scharfen Kalkulation mußte vermutlich diese Lösung gewählt werden. Dies erfordert jedoch für eine optimale Arbeitsweise der Endstufe nur geringe Streuungen der Endröhrendaten.
Der Grundig NF 2 (ca. 16 Watt)
Der Verstärker NF 2 verwendet für die ebenfalls im AB-Betrieb arbeitenden Endstufen pro Kanal je zwei Röhren EL 84. Die Ausgangsübertrager haben die Kerngröße M 74. Im Gegensatz zum Typ NF 1 erhalten die vier Endröhren EL 84 über einen Gleichrichter mit nachfolgender guter Siebkette eine feste Grundgittervorspannung. Bei zunehmender Aussteuerung (Übergang zum B-Betrieb) wird diese Vorspannung durch den Spannungsabfall erhöht, der - infolge des hierbei ansteigenden Anoden- und Schirmgitterstromes - zusätzlich an dem jeder Endröhrenkatode zugeordneten 50 Ohm Widerstand entsteht.
Trotz der bei beiden Verstärkern sehr sorgfältig bemessenen Stufen könnten die guten Meßwerte für nichtlineare Verzerrungen und Frequenzgang nicht erreicht werden, wenn nicht gleichzeitig eine kräftige Gegenkopplung wirksam wäre. Da der Katodenwechselstrom der Eingangsröhre über die Sekundärwicklung des Ausgangsübertragers fließen muß und so mit der Endstufe verkoppelt ist, wirkt die Gegenkopplung bei beiden Ausführungen über den gesamten Verstärkerzug. Gleichzeitig ergibt der in diesem Stromkreis liegende und zur Höhenkorrektur mit einem kleinen Kondensator überbrückte Widerstand die erforderliche Gittervorspannung für die Vorröhre.
Die im gleichen Weg liegende Kleindrossel soll verhindern, daß Knackstörungen, die von einer langen Lautsprecherleitung aufgenommen werden können, über den Gegenkopplungsweg auf den Verstärkereingang gelangen.
Die im Gegenkopplungskanal des Verstärkers NF 2 angeordneten Elektrolytkondensatoren (C 3 bzw. C 4 zu je 50 piF) bedeuten für die Tonfrequenz einen Kurzschluß und haben die Aufgabe, den Weg des Katodengleichstromes festzulegen.
Der Kompromiss wegen des Preises
Da mit dem Verstärker NF 1 auch finanzschwächeren Interessenten die Möglichkeit gegeben werden soll, eine hochwertige Stereo-Anlage anzuschaffen, wurde bei diesem auch für die Lautsprechergruppe eine Einsparmöglichkeit geschaffen. Um den Stereo-Eindruck zu erzielen, brauchen die tiefen Frequenzen nicht unbedingt nach Kanälen getrennt zu werden. Somit ist für die Tiefenwiedergabe auch ein einziger Lautsprecher ausreichend. Daher hat der Verstärker- ausgang des NF 1 eine zusätzliche 3. Buchse für den Mittenlautsprecher (Bild 12), die auf die Hinter- einanderschaltung von zwei Wicklungen beider Ausgangsübertrager führt.
Diese Kanalzusammenschaltung der Bässe wird bei Benutzung der hierfür vorgesehenen Lautsprecher- gruppe LS 30 automatisch wirksam.
Die Tiefenverkopplung am Ausgang erfordert zwangs- läufig auch eine solche am Verstärkereingang, wenn der untere Frequenzbereich bei allen Betriebsarten ohne Leistungsverlust übertragen werden soll. Die Verkopplung der Tiefen am Eingang erfolgt durch den frequenzabhängigen Spannungsteiler R9/R6 C3 bzw. R 10/R 7 C 3. Hieraus ergibt sich der Verlauf der Übersprechdämpfung in Abhängigkeit von der Frequenz nach Bild 11.
Der Stromversorgungsteil beider Verstärker ist reichlich dimensioniert und kann gleichzeitig den Rundfunkempfangsteil HF 1 oder einen anderen Vorverstärker speisen. Als Anschlußdosen für die Lautsprecher und die Stromversorgung des Rundfunkempfangsteiles werden gleiche Typen benutzt. Durch entsprechende Kontaktbelegung und Sperrung einer Buchse ist dafür Sorge getragen, daß die beiden Anschlußstecker nicht vertauscht werden können.
Da für die Stereoverstärker NF 1 und NF 2 hochwertige Lautsprecherkombinationen mit einer Impedanz von 5 Ohm angeboten werden, erscheint es verständlich, daß die Ausgänge dieser beiden Verstärker nur für diese Impedanz ausgelegt sind, zumal die hierdurch bedingte Kosteneinsparung dem Verkaufspreis wieder zugute kommt.
Der Gesamteindruck (nochmal: wir befinden uns im Jahr 1962!)
Die vorstehenden Ausführungen und Meßwerte lassen erkennen, daß die Gesamtkonstruktion der Stereo-Endverstärker NF 1 und NF 2 mit großer Sorgfalt ausgeführt wurde, wobei auch feine Details nicht vernachlässigt wurden.
Im Interesse einer möglichst genauen Berichterstattung erschien es bei der Darstellung der Klirrfaktordaten des Modells NF 1 als zweckmäßig, deren k2- und k3-Werte aufzuzeigen (Bild 6a). Die kg-Werte für die Frequenzen 40...10 000 Hz überschreiten nicht die 0,5- bzw. 1 %>-Grenze. Lediglich der k3-Anteil für 40 Hz und für eine Ausgangsleistung Na > 3,6 W liegt höher.
Die Ursache hierfür liegt nicht in einer mangelhaften Konstruktion des Ausgangsübertragers, sondern ist durch seine Kerngröße (EI 60) physikalisch bedingt. Infolge des äußerst niedrigen Verkaufspreises dürfte es bei diesem Gerät nicht möglich sein, größere Ausgangsübertrager zu verwenden.
Es muß jedoch als beachtlich konstruktive und fertigungsmäßige Leistung bezeichnet werden, zu dem vorgesehenen Preis einen betriebssicheren Stereo-Endverstärker zu liefern, der ab 60 Hz den wesentlichen Hi-Fi-Forderungen gerecht wird.
Der um über 100 DM höhere Verkaufspreis des Stereo-Endverstärkers NF 2 bietet dem Entwickler bedeutend bessere Möglichkeiten. Infolgedessen steht mit dem Typ NF 2 ein Gerät zur Verfügung, das nicht nur sehr preiswert ist und für die Beschallung auch größerer Räume verwendet werden kann, sondern auch auf Grund seiner Übertragungseigenschaften und Meßwerte mit großer Sicherheit alle an einen Hi-Fi-Stereo-verstärker zu stellenden Qualitätsansprüche erfüllt.
Die technischen Daten kommen noch.
.
Zum Vergleich : Der Macintosh 275
Lesen Sie im Gegenzug etwas über das (in dieser Röhren-Epoche) weltbeste Spitzengerät, den McIntosh Mc 275.
.