Das Jahr 1979 war für Grundig-Hifi ein gewaltiger Umbruch
Blicken wir zurück auf die Hifi-Produkte von 1976 bis 1979 und Anfang 1980, so hatte sich an der Produktpalette nicht so viel verändert. Hier mal ein Schalter, dort ein Knöpfchen, doch eigentich sahen alle Geräte gleich aus.
Und die Japaner holten sich Prozent für Prozent an Marktaneil - auch in Deutschland. Max Grundig ging sogar so weit, auf wichtigen Audio- und Hifi-Messen nicht mehr mit Japanern zusammen ausstellen zu wollen und kollidierte so mit Chefredakteur Karl Breh - Chef vom DHFI, der den deutschen, europäischen und weltweiten Hifi-Markt ganz anders sah als Max Grundig. Zu der Zeit 1976 bis 1980 war Breh's Hifi-Magazin unangefochten eine neutrale Institution, obwohl auch hier die Hifi-Populisten bereits am Knabbern waren.
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In diesem Rückblick auf 1979 muß ich nochmal darauf hinweisen, daß wir Hifi-Fans gar nicht gemerkt hatten - oder gar nicht merken sollten - daß die Japaner (schon wieder mal) üms wirtschaftliche Überleben kämpften.
Jeder auch nur ansatzweise Markteinbruch in den USA, dem größten Export-Ziel der japanischen Wirtschaft, führte in Japan zu einem wirtschaftlichen Blackout und damit ins Chaos. Die voll gepackten Übersee-Container stapelten sich in den Exporthäfen, weil sich auch die immer noch vollen Container in den Importhäfen sowohl an den US-West- wie Ostküsten wie auch bei uns in Rotterdam und Bremen stauten.
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Natürlich bekam auch Max Grundig solche warnenden Infos, er müsse da etwas machen
Aber vermutlich wurden diese Warnungen oder Anzeichen eines Wandels erstmal ignoriert. Er war hier in Europa der Größte und darauf baute er. Doch die Grundig Hifi-Produkte kamen in die Jahre, wie der Chef selbst auch.
Das Fernsehgeschäft bei Grundig lief bombig und Hifi, ja das haben wir auch - bis es nicht mehr lief. Neue Ideen mussten her und da kam dieser bärtige Jungspund gerade recht. Ganz sicher hatte der Chef erkannt, dieser junge Mann sah mit seinem Vollbart zwar komisch oder gar lustig aus, jedenfalls für damalige Zeiten und seriöse Unternehmergeschmäcker, doch er war intelligent.
In seinem Artikel über diese Zeit beschreibt Dr. Schwäbe Jahre später, als Max Grundig die Unternehmens-Führung bereits abgegeben hatte, wie er bei Gundig angefangen hatte und daß er die wirklich einmalige Chance bekam, etwas zu bewegen.
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Schaun wir auf die Grundig Hifi-Produkte bis Sommer 1980
Die Grundig Hifi-Prospekte von 1976 bis Frühjahr 1980 sind im nachhinein sehr aufschlußreich, was die Marketing- Spezialisten an Gedanken rüber bringen wollten. Der deutsche Kunde braucht doch sowieso nur Receiver, die lassen sich auch noch billiger herstellen und verkaufen und dann vielleicht noch diese Konsolen mit einem Plattenspieler neben dran.
Und ganz wichtig, aber völlig destruktiv und überflüssig, bei jedem Gerät wurde nochmal betont, das hier sei "Hifi nach DIN 45 500". Etwa ab 1975 wußten fast alle Hifi-Fans, daß diese deutsche DIN 45.500 der schmächtigste Kompromiß deutscher Hifi-Kunst war, die unterste Qualitätsstufe mit den 2 x 7 (oder 15) Watt Mindestleistung als Beispiel - und die Japaner lächelten.
Der Werbespruch "Hifi nach DIN 45 500" war damit im Prinzip suggestiv abwertend "erfolgreich". Die Japaner feierten mit den getrennten Komponenten einen Erfolg nach dem anderen und den großen "Deutschen" liefen die Kunden weg.
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Die nordischen Hersteller wie Tandberg und Rank Arena und auch die Finnen bekamen es noch viel drastischer zu spüren, wenn die eigentlich dicht nebenan liegenden Märkte wegbrachen.
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Angefangen im Herbst 1977 - erste Produkte ab Herbst 1979/80
Auch ein junger Doktor mußte dazulernen. Von den ersten Ideen und dem Kennenlernen der Kette von der Idee zur Entwicklung bis zu den ersten Prototypen und dann den Produktionsplänen hatte es fast 2 ganze Jahre gedauert.
Jedenfalls kam erstmalig in der Grundig- Hifi-Revue Ausgabe 08/1980 zur Funkausstellung eine ganze volkommen neue Hifi-Produktpalette auf den Messestand. Und das Staunen war überall groß. Mindestens die wenigen Fachleute mußten neidlos anerkennen, die bei Grundig können es also doch.
Die Fronten der neuen Modelle bestanden wie bei den Japanern aus massiven eloxierten Alu-Profilen und das sah richtig gut aus. Doch im Gegensatz zu vielen Japanern war auch innen drinnen alles vom Feinsten. Das fing schon mal mit den Schnittbandkern- Transformatoren an, die nur ganz wenige Edel-Japaner vorzuweisen hatten.
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Diese Neukonstruktionen forderten das ganze Unternehmen
Bislang wurden die Front-Einheiten der Receiver in Kunststoff gespritzt und mit einem recht dünnen Alu-Blech überzogen. Jetzt waren es massive ALU-Profile, die auf Länge geschnitten werden mußten und dann ausgestanzt wurden. Dazu brauchte es neue Stanzen mit mehr Kraft. Die alten Stanzen für Stahlchassis waren nur bedingt geeignet. Außerdem mußten die Alu-Profile überhaupt erstmal beauftragt werden. Bei den neuen Mini-Komonenten mit den gewinkelten Front- und Deckelflächen zeigte sich, daß es bislang nichts Vergleichbares gab.
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Die in fast allen Geräten verbauten Schnittband-Kern-Trafos waren zwar nicht neu, Grundig hatte ein eigenes Trafo-Werk, nur die Menge dieses Type war jetzt neu. Max Grundig ließ, wenn es irgend ging, immer mindestens eine 10.000er Serie pro Gerät kalkulieren ud auch auflegen.
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Endlich hatte Grundg wieder Spitzenprodukte
Das hatte Grundig schon mal mit dem RT 40 und dem SV 80 sowie dem RT 100 und dem SV 140. Warum sie das aufgehört hatten, könnte nur der Max erklären. Auch der Spruch "Hif ist für alle da" war unglücklich, weil ein großer Teil der Kundschaft wenig Interesse an Hifi hatte. Gut klingen sollte es sicherlich, aber der Rest war dieser Kundschaft egal. Die anderen Kunden, die Spaß an Hifi hatten, wollten nicht in "die Masse der Masse" eingetaucht werden, teilweise wollten sie auch protzen. Und das ging seit vielen Jahren nicht mehr.
Burkhard Schwäbe hatte das erkannt. Grundig braucht wieder Spitzenprodukte und Aushängeschilder. Was er (vielleicht) nicht erkannt hatte, war der uralte Spruch (jedoch mit etwas sinngemäßer Abwandlung) :
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Grundig hatte sich den Ruf der preiswerten Consumer-Geräte - erschwinglich für die Allgemeinheit - erarbeitet. Das klappte ja auch mehrere Dekaden super gut. Fast jeder Deutsche hatte "einen Grundig" zuhause. Doch bei diesem grandiosen Erfolg kam der Wandel der Kundschaft und deren Denke unter die Räder. Die pfiffigen aber auch vom wirtschaftlichen Leidensdruck geplagten Japaner machten einem Teil der Kunden Appetit auf "mehr" und auf "anders" und auf "besser".
Und da hatte Grundig einige Jahre nichts mehr anzubieten. Das Flaggschiff fehlte, fast wie bei den Bandgeräten, bei denen erst das neue große TS 1000 wieder Referenzklasse wurde - nur war da dieser Markt gerade am Absterben.
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Ab 1978 war der Hifi-Markt wieder im Steilflug - aber abwärts
Das hatten alle Hersteller in Deutschland und in ganz Europa gemerkt, die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel. Wer zu dieser Zeit eine (erfolgreiche) Mono-Kultur errichtet hatte, wie etwa ELAC, PE und vor allem DUAL mit den wirklich edlen Plattenspielern, der hatte ein Zeitproblem, das Ruder jetzt noch schnell rum zu reißen.
Bei DUAL hatten wir den großen Knall mitbekommen, es war nämlich zu spät. BRAUN konnte sich noch etwas halten, weil die Rasierer einen irren Gewinn abwarfen. Doch in 1982 war die Hifi-Sparte von BRAUN schon nicht mehr bei BRAUN, sondern bei einer Firma "ADS". Der Chefentwickler Audio, Wolfgang Hasselbach, inzwischen sogar Prokurist, "durfte" im März 1982 gehen.
Der Max aus Fürth hatte seine Fernseher, mit denen er das miserable Betriebsergebnis etwas ausgleichen oder aufhübschen konnte. Doch der Elektro- und Elektronik- Markt sank und sank immer weiter in den scheinbar bodenlosen Keller.
Warum jetzt Max Grundig die "Puste" ausging, er hatte doch das Händchen und das Durchhaltevermögen, werden wir nicht mehr erfahren. Diese neuen herausragenden Produkte erfüllten nicht ganz die Umsatz-Erwartungen des Chefs. Dr Schwäbe verließ Grundig in 1981 und ein paar Jahre später war das "Strohfeuer" wieder vorbei und Plastik war wieder angesagt.
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Die Versäumnisse beim Grundig Hifi-Marketing .....
Später ist man immer schlauer als unter enormem Erfolgs-Druck in wirtschaftlich turbulenten Zeiten.
Betrachten wir die Prospekte während dieser Geräte- Generation, so fällt mir auf, die wesent- lichen Eigenschaften der Edelgeräte, die die interessierten Hifi-Fans begeistern konnten, wurden nur spärlich kommuniziert.
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Die Zielrichtung stimmte nicht mehr
Das Grundig-Marketing adressierte immer noch oder immer wieder Mama und Papa und Oma und Opa, alle im Alter des Chefs (Max Grundig war bereits über 70) und der fand es offensichtlich gut.
Es kam aber im Markt draußen nicht an. Der Markt und die Kunden hatten sich erheblich verändert. Das ganze Grundig Konzept war auf Masse ausgelegt und der Vertrieb über die alten Radio- und Fernseh-Läden stieß an seine Grenzen, nämlich die Altersgrenzen der Chefs dieser Läden.
In die jungen aber 1981 auch schon stöhnenden Hifi-Studios kam er nicht mehr rein, die Boxenschieber versauten den Test, die Margen, und Grundig konnte fast nichts mehr machen. Die politische Linksausrichtung der Gesellschaft mit Preisfreigaben und Wettbewerbs- Restriktionen für angebliche Marktführer (das waren die Neid-Debatten) taten ein Übriges, daß die Zielgruppe für diese Geräte nicht erreicht wurde.
Insbesondere die beiden Flaggschiffe, der Tuner ST 6000 und der Vorverstärker VSX 6000 waren für diese Qualität einfach zu billig, damals unglaubwürdig billig, für ein Kaufhaus oder einen Elektromarkt oder einen Hifi-Schrottler.
Ich muß es ja selbst zugestehen, erst als ich 30 Jahre später den (also meine beiden) SXV 6000 öffnen "durfte" und die Technik mal ganz ausführlich "durchleuchtet" hatte, fiel mir dessen überragende Qualität ins Auge.
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Auch da hatten es andere vorgemacht, z.B. Bang & Olufson
Abgekupfert von den BRAUN Studios, etablierten sie - fast zeitgleich zu BOSE, eigene Vorführstudios in Ballungsgebieten. Dort wurde nichts direkt verkauft, also alles absichtlich neutral vorgeführt - ohne die lokalen Händler -, sondern dort wurde überzeugt und beraten.
Ich hatte es erlebt, als auf den ersten BOSE Messeständen (etwa 1971 in Hannover) kleine angemeldete Pulks von vielleicht 20 Personen in das mit massiven Spanplatten umbaute BOSE-Musterstudio durften. Und ich hatte die Augen gesehen, als sie wieder raus kamen, an der langen Schlange der Wartenden vorbei. Sie waren begeistert, denn die Demo-Profis aus USA hatten voll zugeschlagen. Feinste Jazz- und Klassik-Schallplatten aus USA von Amerikanern professionell aufgelegt, ich durfte später auch rein, das war ein Genuß.
Auch in dem BRAUN.Studio in Frankfurt in der kaiserstraße waren die Vorführungen begeisterungsfähig. Mehr darüber lesen sie auf dieser Seite.
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Natürlich hätte man lernen können, von BOSE zum Beispiel
Dieses Lernen setze aber erst mit der 1989 FineArts Palette ein, weg von den technischen Daten, hin zum Design und zum "Eigentlichen" bei Hifi, dem Klang.
Auf unseren amerikanischen Seiten über BOSE und die BOSE 901 Boxen und deren Marketing- Konzept habe ich die vielen "Spinner" kritisiert, die BOSE schlecht reden wollten oder wollen. Sie hatten es nicht kapiert oder auch gar nicht verstehen wollen, daß der Professor Bose seinem Unternehmen ein geniales und vor allem unglaublich beeindruckend erfolgreiches Marketing Konzept vorgab.
Da wurde nie etwas von 400 Watt oder 21,5 bis 22.300 Hz geschwafelt, was ja sowieso nie stimmte. Ein simpler Spruch stand immer im Vordergrund :
Also weg von den technischen Daten. BOSE hatte weltweit (nach eigenen Angaben) etwa 250.000 Systeme (2 Boxen, ein Equalizer) abgesetzt. Und die BOSE 901 war für amerikanische Verhältnisse ein hochpreisiges Vergnügen.
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