Über die Revox B795 Tonarm Konstruktion von 1975
Tangential-Tonarme gab es natürlich schön früher. Der Name RABCO war sehr geläufig. (Beschreibungen kommen noch.)
Der Tangential-Tonarm der Revox Plattenspieler ist jedoch anders als die anderen Tonarme. Mit den technischen Möglichkeiten von 1975 haben die Entwickler bei Studer einen Mix aus Perfektion und Qualität und Preisleistung gezaubert bzw. entwickelt. Die Forderung nach der (für diese Klientel wichtigen) sogenannten "Idiotensicherheit" stand vermutlich ganz oben an erster Stelle. Und das haben sie bravourös hinbekommen.
Aber er sollte auch langzeitstabil sein und einen 8-Stunden Tag bewältigen können. Auch das haben sie super hinbekommen.
Einen Blick auf die (geöffnete) Grundkonzeption sehen Sie hier :
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Auf der rechten Seite ist die ganze Tonarm-Mechanik mitsamt Schlitten drehbar mit dem Chassis verbunden. Man sieht, daß da die ganzen Kabel in dem Loch des Alu-Blocks verschwinden und dann unten im Chassis wieder rauskommen (Bild rechts ).
Zum Verständnis wichtig ist, daß - im über die Platte (ein-) geschwenkten Zustand - diese ganzen Kabel nicht mehr bewegt werden.
Die überaus sensible Audio-Verbindung vom Tonarm-Schlitten zum eigentlichen Tonarm und damit zum Abtaster geschieht von der grünen Platine oben auf dem Schlitten nach unten zu einer kleineren Platine auf dem Tonarm - über vier ganz ganz dünne feine "spiral-feder-förmig" geformte Drähtchen. Und das ist natürlich eine geniale Idee.
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In dem rechten Alu-Block der Tonarm-Mechanik sind 2 runde Stahlstangen sehr fest eingepresst, die auf der linken Seite ebenfalls ein Voll-Alu Gegenstück haben und dort verschraubt sind. Die Konstruktion ist verwindungssteif und auch über diese Länge schwingungsfest.
Auf den beiden Stahlstangen gleitet der Tonarm-Schlitten über den ganzen Rillenbereich der 30cm Platte. Angetrieben wird die tangentiale Bewegung durch einen schlanken Elektromotor und einen Seilzug.
Jeweils ein mechanischer professioneller Endschalter auf beiden Seiten meldet der Steuerelektronik, daß der Schlitten mit dem Tonarm am jeweiligen Anschlag angekommen ist.
Das alleine ist noch nichts Ungewöhnliches. Nur ist der Tonarm (unter dem Schlitten) extrem kurz und leicht und wenn der Motor (wie bei anderen Konstruktionen) den Schlitten mit dem Abtaster der Rille ruckartig nachführen würde, würden das sensible Ohren hören und sicher könnte man das auch messen.
Und so haben die Entwickler zwei (analoge lichtempfindliche) Sensoren gebaut, die den sensiblen hochübersetzten Getriebe-Motor schon bei der kleinsten Abweichung vom rechten Winkel (= 90° zur Tangente der Platte) in Bewegung setzen - in beide Richtungen natürlich.
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Der eigentliche Tonarm
Wichtig daran ist, daß die Bewegung weich einsetzt und auch weich endet und der eigentliche Tonarm davon fast nichts mitbekommt.
Während Sie bei anderen Konstruktionen mit dem Auge deutlich sehen können, wie der Abtaster der Rille hinterher ruckelt, sieht man hier absolut nichts. Die Bewegung ist (optisch zumindest vermeintlich) fließend.
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Der eigentliche Tonarm ist eine weitgehend verwindungssteife Rippenkonstruktion aus schwarzem Kunststoff und mißt von Anfang bis Ende gerade mal knapp 7cm.
Bei etwa Zweidritteln ist eine Stahlspitze in dem verrippten Kunststoff-Rahmen des Tonarms mittig plaziert, die nach unten zeigt.
Diese Stahlnadel lagert dann - nach allen Richtungen frei beweglich - in einer V-förmigen Tragevorrichtung unterhalb des Schlittens. Der Tonarm hängt also nicht, er steht auf der Nadelspitze in diesem V-förmigen Träger.
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Führung und Stabilisierung des Tonarms
Die bereits oben gezeigten 4 Spiralfedern, die gleichzeitig die Audio-Signale vom Abtaster zum Tonarmschlitten transportieren, führen und stabilisieren den Tonarm in seiner Position senkrecht zum Plattenradius. In dem Bild sehen Sie zwischen der runden Führungsstange (des Schlittens) und der 4-kantstange (des Lifts) die schwarze halbrunde LED (das ist eine LED mit Bündelungslinse), die durch den Spalt bzw. die Lücke im Plastik-Rahmen des Tonarmes (roter Pfeil) rechts unter der 4-kantstange hindurch auf die beiden Photo-Sensoren "leuchtet / strahlt".
Diese aussendende Diode sowie die beiden Sensorflächen sind fest am Tonarm-Schlitten angebracht, der Spalt befindet sich ganz vorne am beweglichen Tonarm. Leuchtet die Diode genau zwischen die beiden Sensoren, passiert gar nichts. Leuchtet sie auf einen Sensor oder auch nur auf dessen Kante, beginnt der Motor schon (in die richtige Richtung) anzulaufen. Eigentlich so simpel und einfach, daß es nach 40 Jahren immer noch problemlos und verschleißfrei funktioniert.
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Das Ausbalancieren des Abtasters - auf einer eigenen Seite
Das ist nicht ganz einfach. Wie wir in den Fachartikeln von Karl Breh und vielen anderen lesen können, ist die eigene selbst gewählte Kombination von Tonarm und Abtastern sensibel oder kritisch. Beide Teile haben Tendenzen zu einer mechanischen Resonanz, die bei unglücklicher Kombination ganz schnell von den optimalen 8 bis 15 Hz in den Tiefbassbereich oberhalb von 35 Hz hochschnellen kann. Dann ist einiges im Argen und das System kann sich einschwingen und Ihnen fliegen die Basschassis um die Ohren.
Also nicht jedes Abtastsystem paßt an oder in den Revox Tonanrm. Hier steht ein Liste, in der man die Grenzen des Eigengewichtes und die Auflagekraft entnehmen kann. Um die unterschiedlichen Gewichte auszugleichen gibt es hinten am Tonarm ein festes und ein variables Gegengewicht.
Natürlich gibt es auch einen komfortablen Lift
Bei der Studer Konzeption war die Abkoppelung des Schwing- chassis mit Motor, Teller, Tonarm und Lift vom stabilen Grundchassis, dem Gehäuse, ganz wichtig. Wenn die ganze Armkonstruktion gefahrlos und problemlos über die Platte geschwenkt wurde und eingerastet war, benötigte man nur noch die drei Tasten vorne auf der Bedienleiste.
Mit diesen drei Tasten konnte/kann der Abtaster aus der Null-Lage nach links zur Plattenmitte hin bewegt werden und der Plattenteller fing/fängt an zu drehen. Auch ging/geht das kleine Licht an.
Auf Knopfdruck konnte dann die Nadel über der gewünschten Rille (=Stelle) abgesenkt werden, ganz langsam - "hydraulisch" gebremst. In einem Alu-Töpfchen ähnlich dem Zylinder eines Automotors wird ein Kolben bewegt. Der Kolben ist wie beim Auto saugend in den Zylinder eingepaßt und mit Gleitfett geschmiert. Damit bewegt sich der Kolben langsam und gleichmäßig rauf oder runter und auch Ziehen und Schubsen kann ihn nicht sonderlich aus der Ruhe bringen.
Natürlich altert auch solch eine Lift-Konstruktion, wenn das Dämpfungsmaterial, also das Gleitfett verharzt oder aushärtet oder gar verdunstet ist. Nach 40 Jahren wäre es wirklich vermessen, ewige Jugend zu verlangen.
Ist das Gleitfett nicht mehr in Ordnung, geht der Arm zu schnell runter oder sogar gar nicht oder aber der plumpst ganz schnell runter und schnellt entsprechend schnell hoch. Beides ist für die Nadel sehr ungesund. Das Töpchen bzw. der Zylinder muß also möglichst mit Silikonfett nachgefettet werden.
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