In der stereoplay März 1982 erzählt Willi Studer sein Leben
Die Rubrik heißt Magazin - Hifi-Pioniere
Willi Studer war einer der ganz wenigen hochange- sehenen Hifi-Urgesteine. Außer ihm gab es hier in Europa noch den Kollegen Kudelski mit seiner NAGRA und den Herrn Franz von EMT und den Herrn Hummel von K+H und natürlich noch die Herren Prof. Sennheiser, Georg Neumann, Eugen Beyer und - wen habe ich da bei den größeren und erfolgreichen Entwicklern und Herstellern noch vergessen ?
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Willi Studer ist jetzt 69
"Das Hobby zum Beruf zu machen . . ."
Das Hobby zum Beruf zu machen, bleibt oft nur ein Traum. Bei Willi Studer wurde er Wirklichkeit und heißt Revox.
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Die Anfänge
Mein Vater hat damals geschimpft. Radiobasteln sei eine brotlose Kunst. Ich solle lieber Schreiner werden wie er.
Glücklicherweise ist Willi Studer, geboren am 17. Dezember 1912 in Zürich, kein Schreiner geworden, sondern ließ seit seinem zwölften Lebensjahr nicht mehr vom Radiobasteln ab.
Nachdem ihm die selbstgebauten Einröhren-Empfänger, mit denen „man höchstens mal Wien oder Berlin hören konnte", langweilig geworden waren, ließ sich der Vater wenigstens ein bißchen erweichen und schickte ihn in eine Elektrofeinmechaniker-Lehre nach Bern.
Studer: „Auch dort habe ich aber eigentlich nur Radios und Verstärker gebastelt."
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Schweiz 1940 - Willi Studer war 28 Jahre alt
Bis 1940 entwickelte Studer in verschiedenen Firmen - die teilweise auf seine Anregung hin gegründet worden waren - Rundfunkempfänger. Anfang der 1940er Jahre konstruierte er auf eigene Faust Meßgeräte und verkaufte sie an die Schweizer Elektronikindustrie. Seinen ersten Großauftrag erhielt er 1948, nachdem es ihm gelungen war, einen Hochspannungs-Oszillographen zu bauen. „Es ging damals darum, eine Röhre zu finden, die genügend schnell war." Studer hatte sie gefunden.
Der Kunde bestellte zehn Hochspannungs-Oszillographen zum Preis von je 6000 Franken und leistete eine Anzahlung von 50 Prozent sofort - 30.000 Franken. Das war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich viel Geld und gab Studer Gelegenheit, seinen langgehegten Wunsch zu erfüllen. "Es war mein Anfangskapital. Ich gründete damit meine eigene Firma."
Ein Tonbandgerät - fasziniert von der Klangqualität
Studer wußte schon, was er bauen wollte: Tonbandgeräte. Denn er war fasziniert von der Klangqualität, die man damit gegenüber der 78er-Schallplatte erreichen konnte. Aber der eigentliche Anlaß war ein Freund, der aus Amerika Tonbandgeräte in die Schweiz importierte. Sie hießen „Brush" und begeisterten Studer wenig: „Sie waren mechanisch miserabel. Die drei Synchronmotoren waren für 60 Hertz gedacht und liefen mit 50 Hertz heiß. Die Brush hatten Reibradantrieb. Das Zeugs konnte man in der Schweiz einfach nicht verkaufen."
Die Sache mit den alten neuen BRUSH Papierbandgeräten
Der Freund wollte das vorerst noch nicht so recht glauben und machte eifrig Probeaufnahmen vom damaligen Schweizerischen Telefonrundspruch, mit dem man sowohl telefonieren als auch Radiohören konnte, eine Art Kabelrundfunk also.
Per Rundspruch-Anruf platzte Studer seinem Freund einmal mitten in die Aufnahme und mußte sich dafür böse beschimpfen lassen. Das war allerdings herzhaft freundschaftlich gemeint. Sonst hätte Studer zweifellos nicht 100 der US-Geräte für den Freund zum Laufen gebracht: „Ich habe die Reibräder rundgeschliffen, und dann gingen sie gerade so."
Nur der eigene geweckte Ehrgeiz führt zum Erfolg
Damit war Studers Ehrgeiz, es besser zu machen, viel besser sogar, endgültig geweckt. Die ersten Eigenentwicklungen vom Dezember 1949 (Dynavox) waren noch Einmotorengeräte mit Reibradantrieb, Riemen und Rutschkupplung. Studer: „Die Sorgen mit dem Kram waren wir dann aber mit der ReVox A36 los."
1954 - Der Beginn mit der Studer/ReVox A36
Die A36, die Studer im August 1954 auf der Schweizer Fachmesse Fera vorstellte, war seine erste HiFi-Bandmaschine, noch in mono natürlich, und besaß Direktantrieb per Dreimotorenlaufwerk samt Drucktastensteuerung. Mit der A 36 startete Revox nun auch den Export.
Motoren aus Deutschland - von der Firma Papst von gegenüber
Doch mit den damaligen Schweizer Asynchronmotoren war Studer nicht glücklich: „Sie liefen mehr schlecht als recht. Um etwas Besseres zu kriegen, bin ich zur Firma Papst (Anmerkung nach St. Georgen in den Schwarzwald) gefahren. Mit der Zeit wurden es dann alles Papst-Motoren. Erst mit der A77 von 1967 haben wir begonnen, unsere Motoren selbst herzustellen."
Tonköpfe aus eigener Produktion
Tonköpfe dagegen baute Studer von Anfang an selber. „Ich bekam immer Streit mit meiner Frau, denn ich mußte dauernd mit dem Kuchenblech in die Küche laufen, um das Araldit* auszubacken, mit dem die Tonköpfe zusammengeklebt wurden. Erst Jahre später gab es eingegossene Köpfe. Und mit der A 77 schließlich kamen die Ganzmetallköpfe."
- Anmerkung : Das stimmt so nicht ganz, auch andere Hersteller (aus Deutschland) lieferten Magnetköpfe zu Studer, weil die erforderliche Stückzahl (also mit dem Erfolg mit der A77) so riesig war.
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Wie der Name "Revox" erdacht wurde
Daß ein Selfmademan vom Format eines Willi Studer auch selbst den besten Namen für seine Firma fand, war Ehrensache. „Revox war das Ergebnis von vier Wochen Namensuche. Er sollte so ausgesprochen werden, wie man ihn schreibt, sollte eine Beziehung zum Tonbandgerät ausdrücken und außerdem die Tonreproduktion. Schließlich kam ich auf Revox."
Studer bleibt standhaft : Hören ist gut, Messen ist besser.
Studer schwor schon auf Meßgeräte, als es noch kaum Geeignete gab. Bis 1953, als in der Schweiz nirgends Meßgeräte für Tonhöhenschwankungen zu haben waren, diente das Besetztzeichen vom Telefon als Vergleichston. Als erstes Unternehmen in Europa holte sich Revox amerikanische Geräte für Intermodulationsmessungen. „Wir haben für die damalige Zeit schon recht vernünftige Daten erreicht."
Daß Studer mindestens soviel Wert auf Messungen wie auf Hörtests legt, erklärt er bescheiden mit einer Mittelohrent- zündung, die das Trommelfell eines Ohrs geschädigt habe, wodurch er Höhen etwas schlechter höre als seine Mitmenschen. „Deshalb habe ich um so gründlichere Messungen gemacht und immer sofort alle neuen Meßmethoden einbezogen, die mit der Zeit entwickelt wurden."
Das ist im Hause Revox Tradition geworden: „Wir haben keinen Mitarbeiter, der seinen Ohren allein absolut vertraut - obwohl es vielleicht die bestmöglichen sind."
Wissen ist immer von Vorteil
Studer hat sich sein gesamtes Elektronikwissen allein angeeignet. „Der Vorteil war, daß ich die Elektronik-Entwicklung von der Diode über die Röhre bis zur Halbleitertechnik selbst mitgemacht habe. Da hat man alles einfach von selber mitgekriegt. Ich glaube, so gut haben es die heutigen Elektronikschüler nicht mehr."
So lustig sicher auch nicht. Als Studer 1951 im Radiostudio Innsbruck sein erstes professionelles Studiobandgerät (Studer 27) vorstellte, schnitt er probehalber mit, was gerade gesendet wurde. „Ich kam dann mit Gerät und Bändern zurück zum Zoll. Ein Schweizer Zöllner fragte, was ich denn auf die Bänder aufgenommen hätte. Vorsichtigerweise sagte ich ,nichts'. Er fragte, ob ich das beweisen könne. Daraufhin zog ich ein Stück Band heraus, zeigte es ihm und sagte: ,Sehen Sie, es ist nichts drauf.' Und er war's zufrieden."
1955 gab es sogar einen Studer Hifi-Plattenspieler
Zufrieden waren auch die Mannen vom Rundfunkstudio Basel, die mit der Studer die gesamten Luzerner Festspiele auf Band speicherten. Ebenso zufrieden wären sie sicher auch mit Studers HiFi-Plattenspieler von 1955 gewesen, dessen Serienherstellung jedoch an mangelnder Produktionskapazität scheiterte. Die Besitzer des 1956 eingeführten Vorverstärkers mit passender Endstufe (32 Watt bei zwei Prozent Klirr) waren jedenfalls genauso glücklich wie etwa die Käufer der ersten Revox-Stereobandgeräte 1960 (D36).
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Wir bauten auch mal eine Box
Bei soviel Erfolg durfte man sich auch mal Leerlauf leisten. Studer beichtet schmunzelnd: „Wir bauten eine Box mit einem Baßlautsprecher auf einer zweiten Schallwand im Gehäuse, die in der Distanz reguliert werden konnte. Das gab dann eine Art gedämpfte Baßreflexbox durch die Reibung der Luft im Spalt. Es hat sich nicht durchgesetzt, aber mir einen Riesenspaß gemacht."
Studers Erfolgsrezept heißt: Höchste Qualität
„Wir bauen weder Mittelklasse- noch Billigprodukte"), lange Modellkonstanz - dauerhafter Spaß also. Das Zwischenfrequenzfilter der heutigen Revox-Tuner zum Beispiel, deren hohe Trennschärfe immer wieder in Tests gelobt wird, ist das gleiche wie im A76 von 1967.
„Wir haben eine Zeitlang überlegt", enthüllt Studer, „einen verrückten Tuner zu bauen, der alle physikalischen Möglichkeiten ausnützt, die überhaupt zur Verfügung stehen. Dann fanden wir aber doch, daß wir keine Exoten bauen wollen. Zum Beispiel haben wir vor zwei Jahren überlegt, einen Synthesizer-Tuner mit Drehkondensator-Abstimmung zu bauen, also einen Tuner, dessen Drehkondensator vom Synthesizer eingestellt wird; wir haben das aber fallen lassen."
Willi Studer ist immer zuversichtlich
Trotz der heutigen Wirtschaftslage kann sich Willi Studer Selbstbewußtsein leisten. Er macht sich keinerlei Sorgen um die Zukunft seines Unternehmens. Schon gar nicht wegen Japan, das im Profisektor - Rundfunk- und Schallplattenstudios - zu seinen besten Kunden zählt.
Die Japaner wissen offenbar die Einstellung des Hobbyberuflers zu würdigen: „Nach wie vor macht mir die Produktion von HiFi-Studio- und Profigeräten Spaß. Denn man stellt dabei nicht irgendein totes Ding her. Man kann etwas hören." Studer freut sich schon darauf, daß er mit dem Rundfunksatelliten 1984 noch mehr hören kann. Wenn das sein Vater hören könnte.
Das Interview hatte Klaus Kamfenkel im Frühjahr 1982 zusammegestellt.
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Trauriger Nachtrag - wird noch durch Berichte ergänzt :
Als Willi Studer in die Jahre kam und aufhören wollte, mochte er sein Unternehmen nicht an Nicht-Schweizer verkaufen oder abgeben. Warum ihm keine Idee mit einer Stiftung in den Sinn kam (ähnlich der Max Grundig Stiftung), ist nicht aufgeschrieben (oder publiziert) worden oder ich habe es noch nicht gefunden.
Jedenfalls verkaufte er sein Lebenswerk für angeblich 80 Millionen Franken an eine Gruppe schweizer Schmalzdackel, so nennen wir die geschwätzigen - die Haare mit Gel angeklatschten Smartyboys -, die nach knapp einem Jahr die gesamten Immobilien für ein Vielfaches des Kaufpreises (ca. 240 Milionen Franken) verhökerten.
Es war zwar alles legal, aber es war moralische eine Schweinerei ohnegleichen. Danach siechte die Firma Studer mehr und mehr dahin und Willi Studer hat diesen (seinen einzigen richtig teuren Fehler in seinem Leben) nicht lange überlebt.
Die teilweise geschönten, teilweise übertriebenen Geschichten über diese Historie suche ich aus den diversen Zeitschriften wie dem Spiegel und den Hifi-Magazinen noch zusammen.
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