Wie Braun zu den Kalotten Hochtönern kam.
April 2011 - Hier gebe ich einen Zeitzeugenbericht von Dipl. Phys. Wolfgang Hasselbach wieder. Herr Hasselbach kam als junger Diplom Physiker (nach 5 Jahren Assmann Bad Homburg) 1957 zu Braun, als die beiden Braun Brüder die Marktlücke für die neuen Braun Audio-Produkte bereits gefunden und und mit dem progrssiven Braun Design wirkungsvoll besetzt hatten.
Es sollte von nun an auch die audiophile Qualität in die Braun Hifi-Produkte einfließen. Bis dahin wurden die Braun Geräte aus zugekauften Komponenten zusammengebaut wie zum Beispiel die L20 Boxen (und auch die L80) mit den konventionellen Chassis, die Isophon aus Berlin damals im Programm hatte. Dazu mußten die neuen Boxen in Bücher- und sonstigen Regale passen, und das war nicht so einfach.
Die Braun L60 und L80
Es gab damals bereits eine Menge kleinerer Wettbewerber, die auch aus solchen deutschen Komponenten Boxen zusammenbauten. Von entwickeln konnte man damals noch nicht so richtig sprechen, denn es gab fast keine edlen und bezahlbaren Porgrammquellen, mit denen man die jeweilige Kreation hätte testen können.
Der neue Chefentwickler Hasselbach streckte seine Fühler vor allem nach England und nach USA zu AR und zu Quad aus. Dort gab es einzelne Lautsprecherchassis, die jeweils für sich alleine herrausragende Qualitäten hatten.
In der Braun L80 ist zum Beispiel ein spezieller Bändchen Hochtöner von Kelley und ein Bass-Chassis von Leak eingebaut worden und das klang (immer bezogen auf damalige Zeiten) schon recht beachtlich. Der Erfolg gab den Braun Leuten recht.
Später wurden immer noch oder wieder Heco Chasiss verbaut zusammen mit Isophon Chassis und anderen. Dann wurden bei der nahen Firma Heco im Taunus eigene Entwicklungen zur Fertigung in Auftrag gegeben. Jedenfalls wurden die Braun Hifi-Lautsprecher in recht kurzer Zeit sehr geschätzt und hoch angesehen, außer daß sie schneeweiß waren und mit dem silbernen Alu-Lochgitter auch noch gut aussahen.
Dann kam die Zeit des Wolfgang Seikritt
Bei Braun wurden damals schon viele Lehrlinge ausgebildet. Einer davon war Wolfgang Seikritt, um den sich viel Legenden ranken. Er lernte zusamen mit Herrn Dieterle bei Braun den Beruf des Elektromechanikers. Wie sich der Weg in die Lautsprecher-Fertigung und dann in die Lautsprecher-Entwicklung wirklich gestaltete, erfahren wir noch von seinem damaligen Chef, Herrn Hauppenberger.
Jedenfalls wurde der junge Seikritt mit den sensiblen Ohren dazu verdonnert, zwei mal pro Monat auf Brauns Kosten in Frankfurt in die Oper oder alternativ in ein Konzert zu gehen (gehen zu müssen !). Er sollte hören, wie es wirklich klingt. Dies Konzept war genial und von großem Erfolg gekrönt. Wolfgang Seikritt entwickelte sich zu einem wirklich guten Lautsprecher-Entwickler, basierend auf dem Höreindruck seiner Ohren.
Die Schwächen der normalen Hochtöner
In den Jahren vor 1964 und um 1965 wurden die Schwächen der "normalen" Konuslautsprecher aus Pappe oder Styrophor bezüglich Linearität und Abstrahlwinkel drastisch sichtbar. Mit diesem Konzept war das Ende der Fahnenstange erreicht. Auch die Breitband Hornlautsprecher von Tannoy und die Hochtonhörner von anderen Herstellern befriedigten nicht wegen des oft schrillen Hochtonanteils.
Gezielt oder aus Zufall bekamen die Braun Leute einen neuen ganz merkwürdigen Hochtonlautsprecher aus Italien zugeschickt, der wie eine Halbkugel, also wie ein "Dome" aussah. Der Lautsprecher hatte eine ungewöhnlich breite und vorzügliche lineare Abstrahlcharakteristik.
Das wars also. Doch die Italiener wollten aus was immer für Gründen von ihrem lackierten Papp-Konzept nicht runter und bei den folgenden Versuchen wurde die Schwingspule dann "gehimmelt" und damit das Konzept beinahe verworfen.
Jetzt war mit dieser Halbkugel Kreativität gefragt
Also das zukünftige Konzept stand jetzt eigentlich fest, es mußte eine "schwingende" (Halb-) Kugel sein. (Die Amerikaner nennen das einen "dome" tweeter.) Damit wäre das Problem der Rundum- Abstrahlcharakteristik endlich gelöst. Doch aus welchem brauchbaren Material könnte man diese abstrahlende Halbkugel, also die Kalotte fertigen.
Da gab es einen (bei der Firma BRAUN bekannten) Krawattenhersteller im Ruhrgebiet, der eine ganz leichte seidenähnliche (Krawatten-) Stoffmischung aus Synthetik und Seide anbot. Diese Stoffmischung konnte man mit Wärme formen und die behielt auch danach einigermaßen ihre Form.
Doch schwingen wollte die noch nicht so richtig. Sie war nicht nur optisch leicht durchsichtig. So wurden im Labor die ersten Braun Kalotten probeweise mit vielen diversen Lacken von Zapronlack bis "sonstwas" eingepinselt und es wurde über ein Jahr lang probiert, bis von der BASF eine ganz schwarze dickflüssige Teer, Gummi, Kleber- und Lackmischung zum Einsatz kam, die dauerelastisch auch nie ganz aushärten würde. (Unsere Kalotten kleben und "bappen" heute noch. Man sieht das an dem Staub, der auch mit dem Sauger nicht mehr abgeht.)
Auch ließ sich die Schwingspule verhältnislmäßig leicht anbringen bzw. ankleben. Und diese Hoch- und Mitteltonkalotten hatten durchschlagenden Erfolg. Um dem Wettbewerb das Konzept nicht gleich wieder offenlegen zu müssen, wurden diese Kalottenchassis nicht mehr bei Heco in Auftrag gegeben.
Just zu der Zeit verkaufte Braun das Nizzo Schmalfilm-Geschäft an Eugen Bauer (Bosch) nach Stuttgart und die Produktionskapazitäten waren sofort verfügbar. (Das Jahr stimmt inzwischen nicht mehr, diese "Story" ist leider falsch.)
Eine der bekanntesten Braun Boxen mit diesen Kalotten ist die Braun L710 von 1969. Da der Entwickler Seikritt bereits in 1965 zum Wettbewerb wechselte, nahm er das Anfangs-Knowhow teilweise mit, das aber sein Nachfolger Franz Petrick weiter vervollkommnete.
Gute Ideen übernimmt der Wettbewerb sofort und gerne.
Nachdem das Kalotten-Konzept, das bei den Italienern nie zum Erfolg wurde, in alle Braun-Boxen eingezogen war, eilten alle anderen Hersteller hinterher. Trieb Max Grundig seit 1950 fast alle deutschen Hersteller mit fast brutaler (Markt-) Gewalt vor sich her, so mußte auch der große Grundig zum ersten Male hinterstolpern.
Nach bereits wenigen Jahren hatten alle Chassis-Hersteller sowie alle Boxenhersteller ihre Hoch- und die meisten Mitteltöner auf Kalotten umgestellt.
Leider gab es auf diese Kalotten-Technik bei Braun kein Patent und auch keine Gebrauchsmusterschutz. Braun hatte es ja auch nicht erfunden. Nur hatten die Italiener nie diesen (oft auch übertriebenen) Qualitätsanspruch der Deutschen wie bei Braun.
So kam der Taunussound zustande.
Mit einem Kalotten- Hoch- und Mitteltöner war es endlich erschwinglich, einigermaßen frequenzlineare Lautsprecher- boxen zu entwickeln. Und das taten "sie" dann auch bei Braun und bei Heco, Canton, Acron, Summit usw. Die Lautsprecher hatten auf einmal fast keinen eigenen "Sound" mehr, sie waren erstaunlich neutral mit Nuancen natürlich.
Eines der herausragenden Beispiele war und ist die HECO P7302 SLV/K2 sowie die Canton Ergo Aktiv. Zumindest die Heco SLV/K schaffte es bis vor die extrem (über-) kritischen Ohren der Tonmeister vom IRT und sie schafften es auf die Tonmeistertagung, auf der sie dann 1974 zu ihrer auserwählten Referenz erkoren wurde.
Heute lächeln wir, wenn es heißt, diese oder jene Monitor-Box klingt nicht. Stimmt !! Soll sie ja auch gar nicht. Sie soll nämlich absolut neutral den Schall wandeln, weiter nichts. Wie bereits gesagt, das gilt für Studio taugliche Abhörmonitore. Bei Hifi- Heimlautsprechern ist schon ein wenig Klang gefragt. Da gehen auch die Uhren (= Ohren) anders.
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