FUNK-Technik • Nr. 3/1979 • Das Orten von Schallquellen •
von Ing. Georg Geisler, Warschau
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Physikalische Einflüsse auf das Orten von Schallquellen.
Wie das menschliche Gehör Schallquellen ortet, ist immer noch nicht hinreichend geklärt. Zu dem Beitrag „Wesen und Grenzen des räumlichen Hörens", der in Heft 17/78 der Funk-Technik veröffentlicht wurde, erhielten wir diesen Diskussionsbeitrag.
Anhand eines Demonstrationsbeispiels zeigt der Autor hier unterschiedliche Einflüsse auf, die ein Orten der Schallquelle durch Laufzeit-und Intensitätsunterschiede sowie durch Verzögerungszeiten ermöglichen.
Spielt sich in einem geschlossenen Raum ein akustisches Ereignis ab, so wird ein für den Raum charakteristisches akustisches Feld erzeugt. Auf das Gehör eines Zuhörers wirken dann neben dem Direktschall auch akustische Wellen, die aufgrund vieler Reflexionen zum Standort des Zuhörers gelangen.
Der Nachhall, der eben durch diese Reflexionen zustande kommt, erschwert nun das Orten der Schallquelle, weil die reflektierten Schallwellen aus zahlreichen Richtungen auf den Kopf des Zuhörers treffen, der somit die Richtung, aus der der Direktschall kommt, nicht eindeutig feststellen kann. Das Orten wird um so schwieriger, je stärker die Reflexionen im Verhältnis zum Direktschall sind.
Vereinfachung der Komplexität
Diese theoretische Abhandlung, also die Berechnung dessen, das wir Hifi Fans schon seit langem ausprobiert hatten, ist sehr abstrakt und damit schwer lesbar und wenig verständlich. Aber es ist dennoch mathematisch abbildbar.
Darum wurden vom Redakteur gr die fiktiven Schallquellen hier im Beispiel mit weniger abstrakten Attributen wie links, rechts und mitte (immer vom Hörer aus gesehen) ergänzt.
Ein Demonstrationsbeispiel
Um die Einflüsse aufzuzeigen, die beim Orten von Schallquellen eine Rolle spielen, wurde ein Demonstrationsbeispiel gewählt, bei dem sich der Zuhörerkopf in verschiedenen Lagen I (jetzt mit Zusatz "zentrisch") und II (exzentrisch) zu drei Schallquellen A (links) , B (mittig) und C (rechts) befindet (Bild 1).
Für den Abstand D der Ohren wurde ein Wert von 17 cm angenommen, der als brauchbarer Durchschnittswert (eines menschlichen Kopfes) anzusehen ist.
Zuerst sei der Kopf in der Lage I (zentrisch) und nur die Schallquelle A (links) wirksam. Die Wegdifferenz "delta d" von der Schallquelle zu den beiden Ohren 1 und 2 ist dann dem Winkel ά proportional, also :
Kommt der Schall ganz von der Seite (also von keiner unserer 3 Quellen), das heißt aus einem Winkel ά = 90°, dann ist sin ά = 1 und delta = D.
Wirkt dagegen nur die Schallquelle B (mitte), dann ist bei gleicher Lage des Kopfes ά = 0 und auch delta d = 0.
wobei c Geschwindigkeit der Schallausbreitung in Luft ist c ~ 340 m/s.
Beispiel Stereo
Für eine zweikanalige Wiedergabe seien nun die Laufzeitunterschiede anhand des Demonstrations- beispiels einmal ausgerechnet. Wirksam sind zunächst abwechselnd die beiden Schallquellen A (links) und C (rechts), deren Abstände e mit 2 m (b = 1 m) angenommen wird.
Der Kopf sei nach wie vor in der Lage I (zentrisch) und habe zur Achse zwischen den beiden Schallquellen eine Entfernung von c = 3 m. Da der Kopf des Zuhörers und die beiden Schallquellen ein gleichschenkliges Dreieck bilden, kann nun mit dem pythagoreischen Lehrsatz der Abstand a des Kopfes von der Schallquelle A (links) berechnet werden, weil sowohl die Strecke b als auch die Strecke c bekannt sind.
und daraus der Laufzeitunterschied delta t, den eine von der Quelle A (links) kommende Schallwelle zu den beiden Ohren 1 und 2 hat, wenn sich der Kopf noch in der Lage I (zentrisch) befindet.
Ist die Schallquelle A (links) in Betrieb, der Kopf aber in der Lage II (exzentrisch) , kann mit dem gleichen Rechengang doch nun mit dem Dreieck aus den Strecken c, e und d der Laufzeit- unterschied delta t ermittelt werden:
Ein Mensch ortet die Schallquelle unter dem Winkel, der von der Wegdifferenz, also vom Laufzeitunterschied abhängt.
Ist delta t = 0, dann wird er die Schallquelle unmittelbar vor oder hinter seinem Kopf lokalisieren.
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Beispiel Mono
Nimmt man an, der Kopf befinde sich in der Lage I (zentrisch) und die Schallquellen A (links) und C (rechts) werden gleichzeitig vom selben Signal gespeist, dann sind auch die Werte der Laufzeitunterschiede zwischen Kopf und Schallquellen gleich, in ihrer Wirkung aber entgegengesetzt.
Das heißt - wenn eine Schallwelle der Quelle A (links) zuerst Ohr 2 und dann erst Ohr 1 erreicht, so ist das Gegenteil für die Schallquelle C (rechts) der Fall, da hier die Welle erst Ohr 1 erreicht und dann Ohr 2.
Der Wert des wirksamen Laufzeitunterschiedes delta t wird daher Null:
Wenn der Schalldruck beider Wellen nun gleiche Werte hat und ein Zuhörer sich in Position I (zentrisch) befindet, dann ortet er nur eine einzige scheinbare Schallquelle in der Basismitte, also im Punkt B (mitte). Die echten Schallquellen A (links) und C (rechts) verschmelzen in diesem Fall zu einer einzigen scheinbaren Schallquelle.
Anders ist es, wenn die Quelle C (rechts) einen größeren Schalldruck erzeugt als die Quelle A (links). Dann wird die Schalldruckdifferenz am Ort des Zuhörers von dessen Gehirn in eine Richtungsinformation umgesetzt, und die scheinbare Schallquelle verschiebt sich von B (mitte) aus in Richtung C (rechts).
Nimmt der Zuhörer mit dem Kopf die Lage II (exzentrisch) ein, dann ist der Laufzeitunterschied der Schallwellen von Quelle C (rechts) zu den Ohren gleich Null:
wie es bereits zuvor berechnet wurde.
Haben die Schallwellen der Quellen A (links) und C (rechts) am Ort des Zuhörers nun gleiche Werte für den Schalldruck, dann ortet der Mensch die scheinbare Schallquelle ebenfalls nicht mehr im Punkt B (mitte), sondern mehr in Richtung der Quelle C (rechts). Im Gegensatz zum vorher beschriebenen Fall wird jetzt aber die Richtungsinformation aus den Laufzeitunterschieden gewonnen.
Es gibt noch einen Faktor
Noch ein weiterer Faktor hat Einfluß darauf, wo eine scheinbare Schallquelle geortet wird; es ist die Zeitverzögerung zwischen den Signalen, die von den beiden Quellen A (links) und C (rechts) kommen. Für den Zuhörerkopf wird wieder die Lage II (exzentrisch) angenommen.
Damit ist sein Abstand zur Schallquelle A (links) größer als zur Quelle C (rechts), und ein von der Schallquelle A (links) kommendes Signal erreicht den Kopf nach dem Signal, das aus Quelle C (rechts) stammt.
Den Wert dieser Verzögerungszeit kann man einfach berechnen, da die Längen der Strecken d (3,6 m) und c (3 m) bekannt sind. Daraus folgt nämlich der Wegunterschied delta O von Schallwellen der Quellen A (links) und C (rechts) zum Zuhörerkopf in Lage II (exzentrisch) :
Die zeitliche Verzögerung zwischen den Signalen der Schallquellen A (links) und C (rechts) wird dann
Verschieben der scheinbaren Schallquelle
Diese Zeitverzögerung bedeutet für den Zuhörer ebenfalls ein Verschieben der scheinbaren Schallquelle vom Punkt B (mitte) aus in Richtung C (rechts) (genannt der Haas-Effekt). Die Verschiebung erfolgt dabei immer in Richtung des Lautsprechers, dessen Schallwellen den Zuhörer eher erreichen.
So genügt schon eine Verzögerung von 3,5 ms, um beim Zuhörer den Eindruck zu erwecken, der Schall komme nur von der Quelle C (rechts).
Das Echo
Noch längere Verzögerungszeiten haben allerdings keinen Einfluß mehr auf das Orten der scheinbaren Schallquelle. Wird die Schwelle von 50 ms bis 60 ms überschritten, die als Zeitkonstante des menschlichen Gehörs gilt, dann empfindet ein Mensch die Signale aus beiden Lautsprechern nicht mehr als Einheit - er hört sie vielmehr doppelt (Echo).
Den Zusammenhang zwischen Wegdifferenz und Verzögerungszeit zeigt Bild 2. Auf der senkrechten Achse sind die Winkel angegeben, um die sich dann die scheinbare Schallquelle verschiebt. Hier kann man jetzt grafisch anhand der Wegdifferenz die zuvor berechnete Zeitverzögerung von 1,77 ms ermitteln und auf der Ordinate den zugehörigen Winkelwert mit 18° ablesen.
Abschließend ist folgendes festzustellen: Je weniger Faktoren das Orten der scheinbaren Schallquelle beeinflussen, desto genauer ist die Ortung. Der beste Standort für einen Zuhörer ist deshalb die Position I (zentrisch), da hier Laufzeitunterschiede und Verzögerungszeiten nicht auftreten. Das Orten erfolgt dann allein aufgrund von Intensitätsunterschieden.
Jedes Schallereignis hat zwar eine Wellenfront, und oft treten auch Reflexionen auf, die dann ein Orten nach Laufzeitunterschieden oder Verzögerungszeiten ermöglichen, doch Schallereignisse sind meist als stationär zu betrachten, so daß diese erste Phase des Ortens rasch in die Phase der Intensitätslokalisation übergeht.
Ein Artikel von Ing. Georg Geisler, Warschau - 1979
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Die Schlußfolgerung für das Aufstellen von Dreiwege-Hifi-Lautsprechern finden Sie im nachfolgenden Artikel.
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