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Aus der Funk-Technik Nr. 16/1971
Quadrophonie - ja oder nein ? Teil 1

von H. WILLIGES

Über Herrn Prof. Dipl.-Ing. Heinrich Williges

Prof. Dipl.-Ing. Heinrich Williges (69) studierte Nachrichtentechnik an der TH Karlsruhe. Von 1936 bis 1944 als Entwicklungsingenieur bei Siemens- Apparate- und Maschinenbau GmbH auf dem Gebiet der Steuer- und Regelungstechnik tätig, dabei hervorgetreten mit drei Patenten. Nach dem Krieg wandte er sich der Elektroakustik zu und war von 1952 bis 1955 in der Tontechnik beim Rundfunk tätig.
Seit 1955 als freier Mitarbeiter bei der Fa. Isophon- Werke GmbH, Berlin. Von 1971 bis 1978 Vorsitzender des Fachnormenausschusses „Laut- sprecher" und in dieser Eigenschaft deutscher Sprecher bei der IEC (International Electrical Commission). Nach Lehrtätigkeit ab 1955 an der Ing.- Akademie Gauß, Berlin; 1971 Berufung zum Professor an die Technische Fachhochschule Berlin für das Lehrgebiet Technische Akustik und nach der Pensionierung dort noch als Lehrbeauftragter tätig.

I. Raumakustik und Abbildungsmöglichkeiten von Schallereignissen über Lautsprecher

Die 1970 begonnenen Versuche über Quadrophonie werden zur Zeit sehr unterschiedlich beurteilt. Die Skala reicht von uneingeschränkter Begeisterung bis zu großem Pessimismus. Die Bedenken sind einerseits, der akustisch erreichbare Gewinn rechtfertige nicht den technischen Aufwand, und andererseits, dieses Verfahren werde von den Herstellern aus marktpolitischen Gründen hochgespielt.

Der folgende Beitrag behandelt grundlegend die akustischen Gegebenheiten in einem Raum mit Originaldarbietung und gibt die Parameter an, die für die elektroakustische Übertragung in einem Wiedergaberaum wichtig sind. Ferner werden die akustischen Gegebenheiten im Wohnraum und die Abbildungsmöglichkeiten von Schallereignissen über Lautsprecher betrachtet. Abschließend wird über Versuche berichtet, die in Wohnräumen mit Ein-Kanal- bis Vier-Kanal-Übertragung durchgeführt wurden.

Die Beantwortung der Frage, ob die Quadrophonie eine echte Qualitäts- beziehungsweise Erlebnissteigerung bei der Wiedergabe in einem Wohnraum ergibt, erfordert die Beachtung einer ganzen Reihe von sowohl physikalischen und physiologischen als auch psychologischen Gesetzmäßigkeiten, von denen nachstehend die wichtigsten zusammengefaßt sind.

Anmerkung:

Die detailierte Theorie des räumlichen Hörens ist nicht ganz einfach zu verstehen. Hier erhalten Sie eine weitgehend verständliche Darlegung, wie die Hörphysiologie der beiden (Hifi-Stereo-) Ohren wirklich funktioniert.

Aufnahmeraum A und Wiedergaberaum B

Bild 1. Grundprinzip einer elektroakustischen Übertragung

Bei der elektroakustischen Übertragung von Schallereignissen handelt es sich um das im Bild 1 dargestellte Grundprinzip. Darin sei der Raum A (Aufnahmeraum) der Originalraum, aus dem natürliche Schallereignisse in den Wiedergaberaum B (Abhör-Regieraum) übertragen werden sollen.

Soll die Übertragung hochwertig sein, dann müssen sowohl die physikalischen Gesetzmäßigkeiten im Raum A, die Eigenschaften des Mikrofons, der Übertragungsglieder (Schallspeicher, Verstärker usw.) und des Lautsprechers als auch die akustischen Gegebenheiten des Wiedergaberaums B und die menschlichen Höreigenschaften berücksichtigt werden.

Über die "Information"

Der Schall kommt von allen Seiten
Ein kleines 6 Mann Orchester in einen 60qm großen Raum
Großes Orchester im Tiersch Saal in Wiesbaden im Kurhaus
Das Auditorium beim Zuhören

Zunächst seien die Gesetzmäßigkeiten im Raum A (Aufnahmeraum) betrachtet. Der Hörer nimmt dort bewußt oder unbewußt eine ganze Reihe von Schallereignissen wahr, die über sein Gehör psychologisch im Bewußtsein ausgewertet werden. Um eine umfassende Beschreibung der vom Hörer wahrgenommenen Schallereignisse zu ermöglichen, ist es zweckmäßig, vom allgemeinen Begriff "Information" auszugehen.

Der Hörer in Raum A (also das Mikrofon) erhält also über sein "Gehör" eine ganze Reihe von "Informationen", beispielsweise über die Art der Schallquelle (Sprecher, Musikinstrumente usw.), die Intensität der verschiedenen Klänge und deren Verteilung im Spektrum der hörbaren Töne, die Richtung, aus der ihn die Schallereignisse an seinem Hörplatz erreichen, sowie Informationen in Bezug auf die Raumeigenschaften wie Größe, Reflexionseigenschaften, Klangveränderungen usw.

Bei der Verarbeitung der verschiedenen Schalleindrücke nimmt das Gehör bereits eine gewisse Bewertung vor. Schallereignisse mit großem Informationsinhalt erregen eine größere Aufmerksamkeit als solche mit geringerem Inhalt.

So enthält zum Beispiel ein einzelner Ton, der nur aus Sinusschwingungen besteht, nur zwei Informationen: die Tonhöhe oder Frequenz und die Schallstärke. Da diese beiden Informationen schon zu Beginn des Erklingens vorliegen, nimmt das Interesse beim Hörenden unbewußt sehr schnell ab, wenn sich der Ton nicht ändert, das heißt keine weiteren Informationen hinzukommen.

Hierauf nimmt man zum Beispiel bei Kompositionen und Musikdarbietungen Rücksicht, indem lang anhaltende Töne durch ein Tremolo, das heißt immer neue Informationen, belebt werden, damit der Hörende die Töne nicht als tot empfindet. Betrachtet man vom Informationsgehalt her alle üblichen Schallereignisse, dann ergibt sich, daß Sprache und Musik zu mehr als 80 % aus Impuls- und Variationsklängen bestehen und nur zu einem geringen Anteil aus gleichbleibenden, sogenannten stationären Klängen.

Von besonderer Bedeutung bei elektroakustischen Übertragungen
sind die Informationen, die durch den umgebenden Raum erzeugt werden. In welchem Maße diese allein schon für einen Hörer im Originalraum A eine Rolle spielen, wird einem bewußt, wenn man sich vorstellt, wie etwa ein großes Symphoniekonzert mit Geigen, Harfen usw. in einem Zirkuszelt klingen würde.

Der Wohlklang eines Orchesterkonzerts
ist derart von den Eigenschaften des Konzertraums abhängig, daß für seine architektonische Gestaltung in akustischer Hinsicht sehr viel Mühe aufgewendet werden muß.

Der Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt
Alte Oper Frankfurt

Die Akustik im Konzertsaal

Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Konzerträumen mit besonders guten akustischen Eigenschaften (bei uns z.B. der Sendesaal des HR und die Alte Oper in Frankfurt).

Fragt man nach den wichtigsten Einflußfaktoren, dann steht an erster Stelle die Raumgröße und danach die akustische Eigenschaft der Raumbegrenzungsflächen wie Wände und Decken. Diese reflektieren in bestimmtem Maße den von den Schallquellen ausgehenden Schall, werfen ihn durch vielfache Reflexion in verschiedene Richtungen, so daß vom Hörer zusätzlich zum direkten Schall ein diffuser Raumschall wahrgenommen wird.

Man erfaßt die Raumeinflüsse durch die sogenannte Nachhallzeit. Sie ergibt sich dadurch, daß beispielsweise der Schall bei plötzlichem Aufhören des Schallereignisses in dem Raum noch so lange nachklingt, bis die ursprüngliche Schallenergie infolge Absorption während der vielen Reflexionen vernichtet ist.

Solokonzert im großen Sendesaal des HR mit phantastischer Akustik

Der daraus definierte Nachhall ist die Zeit, in der der Schall auf den millionsten Teil der anfänglichen Schallenergie abgeklungen ist. In Konzerträumen ist diese Nachhallzeit bei tiefen und bei mittleren Tönen bis etwa 5.000 Hz rund 1,5 bis 2,5s, während für die höheren Frequenzen die Nachhallzeit immer kleiner wird, weil die Absorption durch die Luft im Raum in stärkerem Maße wirkt als die der Wände und Decke.

Physikalisch entsteht beim Anklingen eines Tons ein Anhall
, der zeitlich genauso lang ist wie der Nachhall. Es ist interessant, daß das menschliche Gehör bei der Schallwiedergabe im Raum aber nur den Nachhall bewußt wahrnimmt und nicht den Anhall. Das liegt daran, daß das Gehör eine logarithmische Empfindlichkeit hat, das heißt eine Schallzunahme anders bewertet als eine Schallabnahme.
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Details im Konzertsaal

Am besten klingt es wirklich hier oben auf der Empore, auch Kaiserloge genannt

Betrachtet man jetzt unter den angegebenen Voraussetzungen das Schallfeld in einem Konzertraum in der unmittelbaren Umgebung eines Hörers, dann ergibt sich, daß der wahrgenommene Schall aus Anteilen des direkten Schalls der Schallquelle und des reflektierten Schalls aus dem Raum besteht. Je weiter man sich im Konzertraum vom Orchester entfernt, um so mehr überwiegt der reflektierte Schall (auch indirekter Schall genannt) gegenüber dem direkten Schall.

So beträgt zum Beispiel in einem guten Konzertraum mit 20 m X 30 m Grundfläche in der Mitte des Raums der Anteil des direkten Schalls gegenüber dem indirekten Schall nur noch 2... 5 % des Gesamtschalls. Nähert man sich der Schallquelle, dann wird der Anteil des direkten Schalls größer, und in einer bestimmten Entfernung von der Schallquelle sind der direkte und der indirekte Schallanteil gleich groß.

Diese Entfernung bezeichnet man mit Hallradius. Er hängt zahlenmäßig ab vom Volumen und von der Nachhallzeit des Raums und ist in dem angeführten Beispiel eines Konzertraums etwa 4 m. Innerhalb des Hallradius ist der direkte Schallanteil um so größer, je näher man sich an der Schallquelle befindet.

Es ist aber auch bekannt, daß in einem Konzertsaal gerade die akustisch besten Sitzplätze nicht unmittelbar vorn am Orchester, sondern weiter zurück liegen, das heißt außerhalb des Hallradius. Da dort aber der indirekte Schall gegenüber dem direkten weit überwiegt, sollte man meinen, daß hierdurch die Richtungsempfindung für den Ort der Schallquelle gestört werde. Das ist aber überraschenderweise nicht der Fall, weil das Gehör eine besondere Eigenschaft hat.

Die Wellenfronten

Nach dem „Gesetz der ersten Wellenfront" wertet das Gehör immer den zeitlich zuerst ankommenden Schallanteil, also den direkten Schall, für die Richtungsinformation aus. Der mit geringer Verzögerung aus beliebiger Richtung eintreffende indirekte Schall wird als aus gleicher Richtung wie die erste Wellenfront kommend empfunden, wobei sich eine Raumempfindung überlagert.

Da die zeitliche Reihenfolge der Schallwellen
in einem Raum von so großem Einfluß auf die subjektive Wahrnehmung des Hörers ist, hat man die Struktur der Schallrückwürfe näher untersucht und dabei weitere Gesetzmäßigkeiten festgestellt. So wurde zum Beispiel in dem Experimentalstudio von Professor Scherchen in Gravesano [1] folgender Versuch durchgeführt:

Eine Originalmusik wurde im Freien auf Tonband aufgenommen,
das heißt also nur direkter Schall ohne jeden Nachhall. Diese Aufnahme wurde dann über eine elektroakustische Halleinrichtung verhallt und das Originalband mit dem Nachhall auf getrennten Spuren in einen Wiedergaberaum eingespielt. Dabei wurde der Nachhall variiert, um die Wirkung auf den Hörer bei der Wiedergabe in einem Raum zu beurteilen.

Bild 2. Zeitlicher Zusammenhang von direktem Schall, verzögerter Wiederholung und verzögertem Nachhall bei Hörversuchen in einem Raum

Die Ergebnisse sind im Bild 2 dargestellt. Der direkte Schall ist im dB-Maß als dicker Strich im Zeitpunkt 0 mit einer Pegelgröße von 40 dB eingetragen. Der Nachhall begann erst 50ms später und entsprach einer Nachhallzeit von 2s. Diese Verzögerungszeit ergab sich als günstigste Verzögerungszeit, die man vom Verzögerungszeitpunkt 0 aus variiert hatte.

Interessanter Weise ergab sich ein besonders günstiger Raumeindruck, wenn man zwischen den direkten Schall und den verzögerten Nachhall eine um 35ms verzögerte kurze Wiederholung des direkten Schalls von einer anderen Tonbandspur einfügte. Diese nachhallfreie Wiederholung entspricht etwa der ersten Reflexion, die in einem Konzertsaal von den Wänden am Mikrofonort eintrifft.

Die erzeugte zusätzliche Raumempfindung ergab außerdem eine gute Durchsichtigkeit des Klangbilds, wenn die Nachbildung der ersten Reflexion sowie der verzögerte Nachhall etwa 10dB unter dem Pegel des direkten Schalls lagen. Von diesen Gesetzmäßigkeiten macht man heute in Tonstudios Gebrauch, um die Qualität von Aufnahmen zu verbessern.

Die Akustik im Wiedergaberaum

Im folgenden seien nun die Wiedergabeprobleme bei der elektroakustischen Übertragung in den Wiedergaberaum B (Bild 1) diskutiert.

Eine stereophonische Übertragung dieser Art wurde 1933 von Fletcher und Stokowski durchgeführt [2]. Man ging dabei von der Überlegung aus, daß man im Originalraum möglichst viele Mikrofone bei den Musikinstrumenten anordnen und über getrennte Kanäle alle Einzelinformationen im Wiedergaberaum auf getrennte Lautsprecher übertragen müsse. Hierbei stellte man sich vor, daß alle Lautsprecher in einer Fläche entsprechend dem abzubildenden Orchester über einem Konzertpodium anzubringen seien, um eine originalähnliche Wiedergabe zu erzeugen.

Bild 3. Übertragungsqualität in Abhängigkeit von der Anzahl der Kanäle bei einer elektroakustischen Stereo-Übertragung

Aus technischen Gründen standen jedoch nur drei Kanäle zur Verfügung, mit denen aber trotz der geringen Kanalzahl eine überraschend hochwertige Übertragung gelang. Dieses Ergebnis war damals verblüffend, denn man glaubte, daß mit einer Verringerung der Anzahl der Kanäle die Qualität der möglichst naturgetreuen Wiedergabe entsprechend schlechter werden müsse.

Aus den Versuchen von Fletcher läßt sich folgern
, daß zwischen der Anzahl der Übertragungskanäle und der Qualität der Übertragung keine proportionale Beziehung besteht, sondern ein Zusammenhang, wie er im Bild 3 dargestellt ist.

Kurve 1 zeigt für einen relativen Qualitätsmaßstab die subjektiv empfundene Qualität. Dagegen zeigt die Kurve 2 den Qualitätsverlauf, der sich bei proportionaler Empfindung ergeben würde.

Es gibt besondere Höreigenschaften

Bild 4. Lautsprecheranordnung für Zwei-Kanal-Übertragung

Um die überraschend hohe Qualität bei wenigen Übertragungskanälen erklären zu können, muß man die besonderen Höreigenschaften beachten, die bei der zur Zeit üblichen Zwei-Kanal-Stereo-Übertragung bereits allgemein bekannt sind.

Hierfür ist im Bild 4 ein ganz einfacher Wiedergaberaum mit einer Lautsprecherbasis aus linkem und rechtem Lautsprecher dargestellt sowie ein Abhörort H. Wird über die Lautsprecheranordnung beispielsweise ein Musikinstrument wiedergegeben, dann empfindet der Hörer das Musikinstrument in der Mitte zwischen den beiden Lautsprechern, wenn die getrennten Schallinformationen des linken und rechten Kanals gleichzeitig und mit gleicher Intensität am Hörort H eintreffen. Obwohl diese Erscheinung bereits jedem Stereo-Hörer bekannt ist, handelt es sich eigentlich um einen erstaunlichen Effekt.

Physikalisch betrachtet, kommt der Schall objektiv
aus den Richtungen der beiden Lautsprecher. Der Hörer empfindet jedoch diese Schallrichtung nicht, sondern sein Gehör macht daraus eine subjektive Empfindung, bei der der Schall von einer Schallquelle mitten zwischen den Lautsprechern herzurühren scheint, obwohl sich dort in Wirklichkeit gar keine Schallquelle befindet.

Untersucht man diese Eigenschaft des Gehörs näher, dann ergeben sich folgende Zusammenhänge:

Verzögert man das Signal des einen Lautsprechers zum Beispiel um 3ms, dann ortet der Hörer die scheinbare Schallquelle seitwärts im Bereich des anderen Lautsprechers, dessen Signale früher eintreffen, was nach dem Gesetz der ersten Wellenfront auch zu erwarten ist.

Es ergibt sich aber auch eine Seitenverschiebung der vermeintlichen Schallquelle, wenn man statt mit einer gegenseitigen zeitlichen Verschiebung mit unterschiedlichen Pegelhöhen der beiden Lautsprecher arbeitet.

So läßt sich durch 15dB Pegeldifferenz sogar eine vollständige seitliche Verschiebung der vermeintlichen Schallquelle erreichen; davon macht man in der Praxis bei der Bedienung des Balance-Stellers am Stereo-Verstärker Gebrauch.
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Als weitere Gesetzmäßigkeit ergibt sich:
Treffen die Schallinformationen beim Hörer mit mehr als 50ms zeitlichem Abstand ein, dann ruft der zuletzt eingetroffene Schall ein störendes Echo beim Hörer hervor. Diese Störwirkung geht jedoch zurück, wenn der Pegel des verzögerten Schalls mindestens 10dB niedriger ist als der des zuerst eintreffenden Schalls.

Wendet man nun die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten auf die Übertragung aus dem Originalraum A in den Wiedergaberaum B an, dann ergibt sich daraus folgendes:

Ist der Wiedergaberaum B ein Konzertsaal ähnlich wie der Raum A, dann läßt sich das Experiment von Fletcher für eine hochwertige Übertragung wiederholen, indem man die Mikrofone innerhalb des Hallradius aufstellt.

Die Mikrofone übertragen um so weniger Rauminformationen aus dem Raum A, je weiter sie innerhalb des Hallradius der jeweiligen Musikinstrumente angeordnet sind.

Bildet man die Schallquellen über die Lautsprecher in räumlich analoger Weise im Raum B über einem vergleichbaren Musikpodium ab, dann ergibt sich für den Wiedergaberaum B eine naturgetreue Abbildung der Originaldarbietung, wobei der Schall im Raum B sich entsprechend den akustischen Gegebenheiten des Raumes B ausbreitet. Die sich beim Hörer einstellende Empfindung einer natürlichen Wiedergabe hängt dabei von der akustischen Qualität des Raumes B selbst ab.

Ganz anders liegen aber die Probleme, wenn es sich darum handelt, eine originalähnliche akustische Darbietung in einem Wohnraum zu erzeugen. Ein Wohnraum hat völlig andere akustische Eigenschaften als ein Konzertraum.

Infolge der stärkeren Dämpfung durch schwingungsfähige Holzflächen der Möbel sowie durch Teppiche, Gardinen und dergleichen ist die Nachhallzeit eines Wohnraums sehr klein und liegt bei etwa 0,4... 0,6s. Dadurch kann sich praktisch kein diffuses Schallfeld wie in einem Konzertraum ausbilden.

Andererseits bildet sich aber auch kein Schallfeld wie in einer freien Umgebung aus. Bei Originaldarbietungen im Freien sind nämlich die Hörabstände meistens so groß, daß sich der Hörer nicht mehr innerhalb kugelförmiger Schallwellen von in der Nähe befindlichen Schallquellen, sondern im Bereich ebener Schallwellen befindet.

Bei den relativ kleinen Abmessungen eines Wohnraums sind die Schallwellen aus den nahestehenden Lautsprechern jedoch noch weitgehend kugelförmig.

Über den Hallradius

Berechnet man den Hallradius für Lautsprecher, die an einer Zimmerwand angeordnet sind, dann ergibt sich für normale Wohnräume ein Hallradius von nur etwa 1... 1,5m unter der Voraussetzung kugelförmiger Schallabstrahlung der Lautsprecher. Exakt gilt die kugelförmige Abstrahlung des Lautsprechers praktisch nur für tiefe Frequenzen bis hinauf zu 500... 800 Hz; darüber nimmt die Schallbündelung und damit die Richtwirkung mit steigenden Frequenzen zu, womit sich der Hallradius vergrößert.

Daraus folgt aber, daß sich der Hörer bei den üblichen Hörabständen in Wohnräumen für einen bestimmten Frequenzbereich innerhalb, für einen anderen Frequenzbereich außerhalb des Hallradius befindet. Die hierdurch hervorgerufene „zweiräumige" Schallempfindung bei der Übertragung erklärt die vielfach beobachtete Eigenschaft von Lautsprecherboxen, in verschiedenen Wiedergaberäumen unterschiedlich zu klingen.

Zur Verminderung dieses Effekts gibt es zwei Maßnahmen. Man gibt dem Tieftonbereich etwa die gleiche Richtwirkung wie dem Mittel- oder dem Hochtonbereich, oder man strahlt den Mittel- und den Hochtonbereich ebenso kugelförmig ab wie den Tieftonbereich, indem man als weitwinklige Strahler Kalottenlautsprecher verwendet.

Über die stereophonischen Schallbilder

Bei der Abbildung stereophonischer Schallbilder in Wohnräumen ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Die günstigste Anordnung der beiden Lautsprecher zu einer geeigneten Abstrahlbasis für den Hörort muß wegen der vielfach verwickelten akustischen Verhältnisse eines Wohnraums experimentell ermittelt werden.

Die Ortung einer vermeintlichen Schallquelle wird um so genauer, je besser es gelingt, die Schallwellen des linken Lautsprechers nur das linke Ohr und die Schallwellen des rechten Lautsprechers nur das rechte Ohr erreichen zu lassen. Je mehr Schallanteile an das jeweils abgewandte Ohr gelangen, um so auffälliger ist die Verwischung der Schallquellenortung.

Im allgemeinen ergibt sich für Wohnräume eine geometrische Beziehung, bei der der Hörwinkel zu den beiden Lautsprechern etwa 60° beträgt, das heißt, die Verbindungslinien zwischen den Lautsprechern und dem Hörort bilden ein gleichseitiges Dreieck. Man hat experimentell versucht, durch besondere Maßnahmen die ausschließliche Zuordnung der Rechts- und Links-Information zu den Ohren des Hörers künstlich herbeizuführen.

Bei dem sogenannten Tradis-Verfahren [3] (True Keproduction of all Directional Information by Stereophony) kompensiert man die unerwünschten Schallanteile für die jeweils abgewandten Ohren des Hörers durch gegenphasige Zusatzinformationen.

Über das stereophonische Klangbild

Allen beschriebenen Maßnahmen zum Erzeugen eines stereophonen Klangbildes in einem Wohnraum ist eines gemeinsam: Infolge des fehlenden diffusen Schallanteils empfindet man vom Hörort aus zwar ein außerordentlich durchsichtiges und räumlich verteiltes Schallpanorama, so daß man den Höreindruck hat, als ob man über die Dreieckschenkel zu den Basislautsprechern hinweg in einen Konzertsaal hineinhöre.

Der Hörplatz selbst bleibt dabei aber außerhalb des Bereichs des Konzertraums, so daß die wichtige Komponente für das Originalerlebnis in einem Konzertraum, nämlich sich innerhalb der Rauminformation zu befinden, im Wohnraum nur unvollkommen abgebildet wird. Die Rauminformation des Konzertraums wird zwar über die beiden Basislautsprecher zusätzlich wiedergegeben, kommt aber wegen des fehlenden indirekten Anteils des Wohnraumes immer aus der Richtung der beiden Basislautsprecher.

Der beste Weg, im Wohnraum auch ein vollkommenes Klangerlebnis wie innerhalb eines Konzertraumes zu vermitteln, besteht darin, über weitere Kanäle zusätzliche Informationen über Lautsprecher aus den übrigen Richtungen des Wohnraumes zum Hörort wiederzugeben. In dieser Entwicklungsrichtung liegt die stereophonische Übertragung mit Hilfe der Quadrophonie, das heißt der Vier-Kanal-Technik.

Um die hierbei auftretenden Gesetzmäßigkeiten zu studieren, wurden im Akustiklabor der Isophon-Werke ausgedehnte Hörtests mit verschiedenen Wiedergabeverfahren von der Ein-Kanal- bis zur Vier-Kanal-Technik durchgeführt, . . . .

. . . . über die im zweiten Teil dieses Aufsatzes berichtet wird.
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Schrifttum
[1] Lauridsen,H-,u.Schlegel,F.:Stereofonie und richtungsdiffuse Klangwiedergabe. Gravesaner Blätter Bd. 2 (1956) Nr. 5, S. 28-50
[2] Fletcher, H.: Symposium on wire trans-mission and its reproduetion in auditory perspective basis requirements. Bell Syst. Techn. J. Bd. 13 (1934) Nr. 2, S. 259
[3] Damaske,P.,u.Meliert,V.:EinVerfahren zur richtungstreuen Schallabbildung des oberen Halbraumes über zwei Lautsprechern. Acoustica Bd. 22 (1969/70) Nr. 3, S. 153-162


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