"Audio-Wissen von 1974" - Die Themen dieser Artikel sind:
Was war mit der analogen Audio-Studio-Technik machbar und was sollte bzw. mußte ein Toningenieur wissen und gelernt haben. Daß viele dieser Themen (wir schreiben zur Zeit 2016) bereits 35 Jahre alt sind und durch die schleichende Digitalisierung völlig überholt sind, bedeutet nicht, daß sich die physikalischen Grundlagen wesentlich geändert haben.
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F. Verzerrungen in Übertragungswegen
Nachdem wir in Abschnitt "A. II." die physikalischen Ursachen der Verzerrungen und die verschiedenen Verzerrungsmaße, in "B. VII." die Wahrnehmbarkeit von Verzerrungen und in D und E die Größe der von den einzelnen tonstudiotechnischen Geräten verursachten Verzerrungen kennengelernt haben, bleibt nun noch die Frage nach den in der Tonstudiotechnik maximal zulässigen Verzerrungen zu beantworten und diese mit den praktisch realisierbaren kleinsten Verzerrungen zu vergleichen.
Die Größe der maximal zulässigen Verzerrungen ist nämlich keineswegs identisch mit ihrer Wahrnehmbarkeitsgrenze, sondern hängt - unter Beachtung der mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erzielbaren kleinsten Verzerrungen - von den Ansprüchen der Zuhörer an die „Übertragungsqualität" ab.
Der Begriff Übertragungsqualität bezieht sich an dieser Stelle selbstverständlich nur auf die Verzerrungen, mit denen das beim Zuhörer wiedergegebene Schallereignis behaftet ist, da die anderen qualitätsbestimmenden Faktoren, vorwiegend die der ein- oder mehrkanaligen (stereofonischen) Übertragung und die künstlerischen Probleme der Schallübertragung, bereits im Abschnitt C behandelt wurden.
Die Ansprüche der Zuhörer und deren Kenntnisse und Psyche
Bezüglich der genannten Ansprüche der Zuhörer ist zu beachten, daß sie keine zeitlich konstante Größe darstellen, da sie im allgemeinen mit der Zeit anwachsen.
So war man - um nur ein Beispiel zu nennen - bei der Einführung des Rundfunks mit einer Übertragungsqualität zufrieden, wie sie heute wohl ausnahmslos abgelehnt werden würde. Dem Hörer wurde damals angesichts der ihm neu geschenkten Informationsmöglichkeiten, die - nach unseren heutigen Begriffen - unzureichende Qualität des übertragenen Schallereignisses gar nicht bewußt.
Im gleichen Maße, wie der Rundfunk immer mehr zur Selbstverständlichkeit wurde, stiegen auch die Forderungen nach einer Verbesserung der Übertragungsqualität, denen im wesentlichen auch genügt werden konnte [260, 261].
Über die Wirtschaftlichkeit und die Vollkommenheit
Es zeigt sich jedoch, daß - wie häufig in der Technik - auch hier die Vollkommenheit der Übertragung eine Funktion des Aufwandes und damit der Kosten ist. Man wird deshalb aus Gründen der Wirtschaftlichkeit den Aufwand möglichst niedrig halten und die Vollkommenheit nur soweit treiben, daß der beabsichtigte Zweck gerade erreicht wird.
Maßstab der Anforderungen ist die Tonstudiotechnik
Die größten Anforderungen an die Vollkommenheit der Übertragung werden in der Tonstudiotechnik gestellt. Gleichgültig, ob es sich um eine Rundfunk-, Fernseh- oder Tonfilmübertragung handelt, soll dem Zuhörer ein optimaler Gehöreindruck der Originaldarbietung vermittelt werden. Das bedingt zunächst einmal, daß der Übertragungsweg in seiner Gesamtheit, das heißt zum Beispiel einschließlich des Rundfunkempfängers bei der Rundfunkübertragung, das zu übertragende Schallereignis nicht in störender Weise verzerren darf.
Die Betrachtung des Übertragungsweges
Zu den Gesamtverzerrungen eines Übertragungsweges tragen nicht alle an der Übertragung beteiligten Einzelgeräte gleichermaßen bei; es sind meist nur ganz bestimmte Einzeleinrichtungen, die die Größe der jeweils für sie charakteristischen Verzerrungsart bestimmen.
Es ist beispielsweise leicht möglich, sämtliche Übertragungsverstärker einer Übertragungskette so zu dimensionieren, daß deren Verzerrungen bis zur Wahrnehmbarkeitsgrenze absinken, was bei den Schallaufzeichnungsgeräten kaum gelingen dürfte.
Die erreichbaren Gesamtverzerrungen einer Übertragungskette hängen somit vorwiegend von den typischen Verzerrungen bestimmter Einzeleinrichtungen ab.
Grezen der physikalischen oder gerätetechnischen Fakten
Zum Zwecke einer ausführlichen Betrachtung der hier angedeuteten Teilprobleme der Schallübertragung kann man zwei Punkte voneinander trennen. Erstens müssen wir auf die zur Zeit üblichen maximalen Verzerrungswerte vollständiger Übertragungssysteme eingehen, wobei noch besonders auf die Kettenschaltung der verzerrungsbestimmenden Einzelgeräte zu achten ist. Zweitens muß man sich damit befassen, welche physikalischen oder gerätetechnischen Fakten einer Verzerrungsverminderung im Wege stehen.
Das Herabsetzen einer Verzerrung darf jedoch nicht in jedem Fall unabhängig von der Größe der anderen Verzerrungsarten erfolgen, da sich sonst der Gesamteindruck des übertragenen Schallereignisses unerwartet verschlechtern kann. Zum Beispiel ist es unzweckmäßig, die Dämpfungsverzerrungen beliebig zu verkleinern, das heißt den Frequenzbereich zu erweitern, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt ist, daß die nichtlinearen Verzerrungen in dem neu hinzukommenden Frequenzgebiet genügend klein sind.
F. I. Lineare Verzerrungen
F. I. 1. Dämpfungsverzerrungen
Beim Mittel- und Langwellenrundfunk umfaßt die vom Sender ausgestrahlte Modulation im allgemeinen einen Frequenzbereich von 40 Hz bis maximal 10.000 Hz mit einer Toleranz von ±4dB bei 40 Hz, ±7dB bei 10.000 Hz und ±2dB im Bereich zwischen 100 Hz und 5.000 Hz [262].
Aus Gründen einer genügenden Trennschärfe des MW und LW Rundfunkempfängers, die eine Bandbreite von nicht mehr als etwa 6.000 Hz zuläßt, kann jedoch der zur Ausstrahlung gelangende Frequenzbereich zunächst nach oben hin nur bis zu einer Grenzfrequenz von 3.000 Hz ausgenutzt werden.
Die Bewertung des musikalischen Schallereignisses
Aus Bild 58 geht hervor, daß allein dadurch die Qualität eines übertragenen musikalischen Schallereignisses mit nur noch 40% bewertet wird. Daß die untere Grenze durch die am häufigsten verwendeten Lautsprecher auf 80 Hz bis 150 Hz heraufgesetzt wird, ist dabei sogar noch von Vorteil, da hierdurch das Gleichgewicht zwischen unterer und oberer Grenzfrequenz, deren Produkt etwa 400.000 bis 500.000 betragen soll, wieder annähernd hergestellt ist.
Die Qualität beim UKW-Rundfunk und Fernsehen
Beim UKW-Rundfunk und Fernsehen liegen die Verhältnisse bezüglich der oberen Grenzfrequenz ungleich günstiger. Wegen des großen Kanalabstandes (Anmerung und der gänzlich anderen Modulation des Sendesignals) kann hier vom Empfänger auch der gesamte abgestrahlte Frequenzbereich bis 15.000 Hz ausgenutzt werden.
Das ist lediglich eine Frage der Qualität des Empfängers, insbesondere aber des Lautsprechers. Die obere Grenzfrequenz von 15.000 Hz verlangt jedoch im Interesse des genannten Produktes aus unterer und oberer Grenzfrequenz eine untere Grenzfrequenz von etwa 30 Hz.
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Grenzen im Studio und bei der Übertragung
Abgesehen davon, daß die Wiedergabe dieser Frequenz empfängerseitig einen erheblichen Aufwand, vor allem bezüglich des Lautsprechers, verursacht und deshalb wohl nur bei den teuersten Spitzengeräten realisierbar wäre, stehen der Herabsetzung der unteren Grenzfrequenz von 40 Hz auf 30 Hz auch im Tonstudio schwer überwindbare Schwierigkeiten entgegen.
Das betrifft vor allem die Erzielung einer ausreichenden Schalldämmung zwischen den einzelnen Studioräumen und nach außen, die nur mit einer proportional dem Herabsetzungsverhältnis ansteigenden Erhöhung der Baumasse sichergestellt werden kann.
Hinzu kommt noch ein erhöhter Aufwand bei der Weiterleitung des Schallereignisses auf Fernleitungen, da die mit der Herabsetzung der unteren Grenzfrequenz ansteigenden Laufzeitverzerrungen nur durch eine Verringerung des Abstandes der im Fernleitungszug eingefügten Verstärker wieder auf den zulässigen Wert gebracht werden können. Des weiteren ist beim Sender ein erhöhter Aufwand bezüglich des Modulationstransformators und der Siebmittel notwendig.
Deutlich anders ist es bei der Tonfilmtechnik
In der Tonfilmtechnik sind es zum größten Teil völlig andere Einflüsse, die im Gegensatz zum Rundfunk und Fernsehen zu linearen Verzerrungen führen. Im wesentlichen wird hier der Frequenzgang des gesamten Übertragungsweges, vor allem an der oberen Grenze, durch die Art des Tonträgers der Massenkopie bestimmt.
Vor der Angabe näherer Werte muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß sich auch bei ein und derselben Tonträgerart der Massenkopie wegen schwankender Materialeigenschaften und unterschiedlicher Bearbeitungsbedingungen sehr verschiedene Grenzfrequenzen ergeben. Im Gegensatz zur Studiotechnik des Tonfilms gibt es für die Massenkopie leider keine Bestimmungen über die Größe der zulässigen Verzerrungen.
Das vom Studio an die Kopieranstalt zur Herstellung gelieferte Lichttonnegativ umfaßt im allgemeinen einen Frequenzbereich von 40 Hz bis 10.000 Hz mit einer Toleranz von ±4dB an den Bereichsgrenzen und das für die Umspielung auf die Magnetton-Theaterkopie gelieferte Magnetfilmband einen Frequenzbereich von 40 Hz bis 15.000 Hz mit einer Toleranz von ±3dB.
Im Gegensatz dazu ist der Frequenzbereich der Massenkopien erfahrungsgemäß viel kleiner. Nach der Tabelle 9 erreicht man folgende Werte:
35mm-Film Grenzfrequenz 8.000 bis 10.000 Hz, 4- 2/- 3dB
16-mm-Film Grenzfrequenz 6.000 bis 6.500 Hz, + 2/- 4dB
8-mm-Film Grenzfrequenz 4.500 bis 5.000 Hz, + 2/- 6dB
Verwendet man aus Gründen der besseren Qualität an Stelle der Lichttonspur eine Magnettonspur, so ist prinzipiell sowohl beim 16mm-Film als auch beim 35mm-Film eine obere Grenzfrequenz von 15.000 Hz zu erreichen (jedenfalls in dr Theorie).
Herabgesetzt wird die obere Grenzfrequenz jedoch durch die wegen der größeren Steifigkeit des Schichtträgers (Bildstreifen) bedingten höheren Modulationsverzerrungen, die sich bei hohen Frequenzen ganz besonders störend bemerkbar machen (siehe Abschnitt B. VII. 3). Diese Erscheinungen lassen deshalb auch bei Tonfilmen mit Magnettonrandspur eine Herabsetzung der oberen Grenzfrequenz auf 10.000 Hz bis 12.000 Hz ratsam erscheinen. Wird ein getrennter Magnetfilm verwendet (zweistreifige Vorführung), ist selbstverständlich eine obere Grenzfrequenz von 15 000 Hz möglich.
Für die untere Grenzfrequenz gilt beim Tonfilm wegen der Schalldämmung im Studio das gleiche wie beim Rundfunk. Sofern im Interesse des als zweckmäßig angegebenen Produktes von fu • fo ~ 400.000 bei zwangsläufig herabgesetzter oberer Grenzfrequenz (Lichtton-Schmalfilm) keine höhere untere Grenzfrequenz günstiger erscheint, liegt sie bei etwa 40Hz. Die für die Tonfilmtechnik angeführten Grenzfrequenzen zeigen eindeutig, daß ein ausreichender Frequenzbereich nur bei Verwendung des magnetischen Tonträgers möglich ist; in ganz besonderem Maße gilt das für Schmalfilm.
Wichtig ist die Betrachtung der Grenzfrequenzen
Bezüglich der Dämpfungsverzerrungen empfiehlt es sich grundsätzlich, den Frequenzbereich aller in eine Übertragungskette eingeschalteten Einzelgeräte möglichst in den Frequenzbereichen enden zu lassen, bei denen er beim Einzelgerät mit der höchsten unteren oder niedrigsten oberen Grenzfrequenz endet.
Auf diese Weise wird die Bildung hörbarer Intermodulationstöne oder Kombinationsfrequenzen vermieden, deren Erzeugerfrequenzen teilweise oder ganz außerhalb des übertragenen Frequenzbereiches liegen. Das ist jedoch nur dort möglich, wo die Tonaufnahme und Tonspeicherung für die Übertragung auf einem bestimmten Übertragungsweg, beispielsweise Lichtton-Schmalfilm, vorgesehen ist.
Die obere Grenzfrequenz aller an der Aufnahme, Aufzeichnung und Wiedergabe beteiligten Geräte könnte dann in diesem Beispiel bei etwa 6.000 Hz liegen. Soll dagegen, was meist der Fall ist, eine Tonaufnahme zur Übertragung über verschiedene Übertragungswege dienen, beispielsweise beim Rundfunk über einen Mittelwellen- und einen UKW-Sender und beim Tonfilm für Normalfilm und Schmalfilm, so kann nur den höchsten Anforderungen Rechnung getragen werden.
Da jedoch in allen angeführten Beispielen die untere Grenzfrequenz nicht unter 40 Hz liegt, empfiehlt es sich, durch Einschalten geeigneter Hochpässe vor besonders nichtlinear verzerrenden Einzeleinrichtungen noch tiefere Frequenzen fernzuhalten und dadurch wenigstens einen Teil der störenden Intermodulationstöne zu vermeiden.
Bei der stereofonischen Übertragung ergeben sich im Vergleich zur ein-kanaligen Übertragung grundsätzlich keine neuen Gesichtspunkte. Es ist hier lediglich darauf zu achten, daß die Verzerrungen, insbesondere die Dämpfungsverzerrungen, in allen Kanälen annähernd gleich bleiben, da diese sonst zu unerwünschten Intensitätsunterschieden bei der Wiedergabe führen und den Richtungseindruck verfälschen.
F. I. 2. Laufzeitverzerrungen
Bemerkenswerte Laufzeitverzerrungen treten nur in den Fernleitungen des Rundfunks beziehungsweise der Post auf [263]. (Anmerkung : die es seit Umstellung auf Digitaltechnik und Glasfaserverbindungen nicht mehr gibt.)
Den zwar weiter zurückliegenden, aber noch gültigen Empfehlungen des CCIF zufolge sollte eine 1.000 km lange Leitung keine größeren Gruppenlaufzeitunterschiede als 10ms im Bereich der oberen Grenzfrequenz und 70ms bei der unteren Grenzfrequenz im Vergleich zu denen bei 1.000 Hz aufweisen. Mit zunehmender Verbesserungsmöglichkeit der Fernleitungen hat man aber strengere Forderungen angestrebt, wonach die Gruppenlaufzeit bei 1.500 Hz < 8ms, bei 100 Hz < 20ms und bei 50 Hz < 50ms sein soll [264].
Aus dem Vergleich dieser Werte mit der in Bild 59 bei der Abstrahlung zweier Töne im freien Schallfeld gezeigten Wahrnehmbarkeitsgrenze geht hervor, daß bei tiefen Frequenzen auch die Werte der strengen Forderungen noch etwas über der Wahrnehmbarkeitsgrenze liegen.
Berücksichtigt man jedoch die bei Musikinstrumenten und in den Aufnahme- und Wiedergaberäumen auftretenden Ein- und Ausschwingvorgänge, so genügen bei Einhaltung der strengen Forderung auch noch die in Leitungslängen über 1.000 km auftretenden Laufzeitverzerrungen den praktischen Erfordernissen.
F. II. Nichtlineare Verzerrungen bei Magnetton
Beim Magnettonverfahren überwiegen wegen der praktisch symmetrischen Magnetisierungskennlinien die symmetrischen Verzerrungsanteile, die bei Vollaussteuerung des Tonträgers im allgemeinen k3 ~ 2% betragen. Wird das aufgenommene Band mehrmals überspielt, so überlagern sich die Verzerrungen zu einem insgesamt höheren Verzerrungswert.
Bei zweimaligem Überspielen - in der Studiotechnik des Tonfilms und Rundfunks muß mindestens mit zweimaligem Überspielen gerechnet werden - ergibt sich ein für unsere Betrachtungen hinreichend frequenzunabhängiger Gesamtverzerrungswert von k3 ~ 2% bei Vollaussteuerung.
höhere Verzerrungen beim Lichtton
Beim Lichttonverfahren kommt noch ein beachtlicher Anteil unsymmetrischer Verzerrungen hinzu. Die Werte für k2 und k3 liegen hier etwa in der gleichen Größenordnung wie k3 beim Magnettonverfahren, so daß sich aus der geometrischen Addition beider ein insgesamt höherer Klirrfaktor als beim Magnettonverfahren einstellt. Das gilt jedoch nur für Frequenzen unter 1.000 Hz, bei höheren Frequenzen steigen die Verzerrungen wegen der Lichtdiffusion stark an (siehe Abschnitt E. 2.2.1).
Nur eine sorgfältige Kompensation der Verzerrungen des Negativs mit denen des Positivs kann verhindern, daß die Verzerrungen im Positiv bei hohen Frequenzen im Vergleich zu den mittleren Frequenzen wesentlich ansteigen.
Leider wird diese Kompensation praktisch nicht immer mit der notwendigen Genauigkeit vorgenommen, so daß bei Lichttonfilmen die nichtlinearen Verzerrungen hoher Frequenzen - etwa bei 6.000 Hz - von Film zu Film erheblichen Schwankungen mit Verzerrungswerten von k2 = 5% bis 20% und mehr unterliegen.
Wirkungsvolle Abhilfe ist hier nur durch verstärkte Anwendung objektiver Meßmittel in Verbindung mit konstanten Bearbeitungsbedingungen in den Kopierwerken zu erreichen. In diesem Zusammenhang soll der Differenztonindikator Erwähnung finden [307], ein Meßgerät, daß eine laufende Überwachung der hergestellten Kopien selbst ermöglicht. Bei diesem Verfahren werden Kontrolltöne sehr kurzer Dauer im Startband mitkopiert und nach Beendigung des fotografischen Prozesses elektronisch ausgewertet.
Wahrnehmbarkeit und „Vollaussteuerung"
Die vorstehend angegebenen Verzerrungswerte bezogen sich zunächst nur auf die Vollaussteuerung des betreffenden Tonträgers, wobei der verfahrensspezifische Begriff „Vollaussteuerung" bei der Behandlung der einzelnen Schallspeicherverfahren jeweils definiert ist. Da wiedergabeseitig bei Vollaussteuerung mit einer Lautstärke von 60 phon bis 80 phon gerechnet werden muß und man aus diesem Grund im Gebiet erhöhter Wahrnehmbarkeit nichtlinearer Verzerrungen liegt (Bild 61 und 62), ist die Zugrundelegung dieses Betriebszustandes für unsere Betrachtungen gerechtfertigt. Das ergibt sich insbesondere auch daraus, daß die nichtlinearen Verzerrungen von Schallspeichereinrichtungen zwar mit abnehmender Aussteuerung zunächst zurückgehen, bei kleiner Aussteuerung aber wieder die gleichen oder sogar höhere Werte als bei Vollaussteuerung annehmen können.
F. III. Modulationsverzerrungen
F. III. 1. Amplitudenmodulationsverzerrungen
Wie aus Bild 65 hervorging, sind bei einer Modulationsfrequenz von 4 Hz, bei der das Ohr gegenüber einer noch direkt als Lautstärkeschwankung wahrnehmbaren Amplitudenmodulation am empfindlichsten ist, Modulationsverzerrungen von mA ~ 2% bei einem Schallpegel von etwa +80dB noch wahrnehmbar. Bei höheren Modulationsfrequenzen, zum Beispiel 4.000 Hz, bei denen sowohl die Frequenzmodulation als auch die Amplitudenmodulation gleichermaßen als Modulationsverzerrung und nicht mehr direkt als Frequenz- oder Lautstärkeschwankung in Erscheinung treten, kann die Amplitudengrenzmodulation Werte von etwa mA = 0,02 erreichen (Bild 63b). Da diese Ergebnisse aus einem Versuch mit unmittelbar aufeinanderfolgendem Vergleich zwischen verzerrter und unverzerrter Schwingung stammen, ist anzunehmen, daß für natürliche Schallereignisse die Wahrnehmbarkeit bei höheren Werten für m liegt.
Mehr über die Amplitudenmodulationsverzerrungen
Im Vergleich mit den praktisch in Übertragungsketten auftretenden Amplitudenmodulationsverzerrungen, die fast ausschließlich durch die benutzten Schallspeichereinrichtungen hervorgerufen werden, zeigen sich zum Teil erhebliche Diskrepanzen. Bei den wichtigsten Schallspeichergeräten, nämlich den Magnetbandapparaturen einschließlich des verwendeten Tonträgers, beträgt die Amplitudenmodulation bis zu Modulationsfrequenzen von rund 100 Hz bei Studiogeräten etwa 2%.
Sie stimmt bei dieser Frequenz mit der Amplitudengrenzmodulation überein, so daß keine qualitative Beschränkung zu befürchten ist. Anders verhält es sich jedoch schon bei Modulationsfrequenzen von 500 Hz. Hier sinkt die Amplitudengrenzmodulation gemäß Bild 63a und b bereits auf mA = 0,15% beziehungsweise mA = 0,35% ab, während bei Studio-Magnetbandapparaturen deutlich höhere Werte von mA ~ l,5% üblich sind.
Mit weiter ansteigender Modulationsfrequenz und Nutzfrequenz wird die Diskrepanz zwischen der Amplitudengrenzmodulation und den praktisch auftretenden Amplitudenmodulationsverzerrungen noch größer. Da die hohen Modulationsfrequenzen vorwiegend durch Bandschwingungen und Kontaktstörungen zwischen dem Band und den Köpfen hervorgerufen werden, ist hier noch eine Verbesserung der magnetischen Schallspeichereinrichtungen anzustreben.
F. III. 2. Frequenzmodulationsverzerrungen
Frequenzmodulationsverzerrungen werden fast ausschließlich durch ungleichförmige Bewegungen des Tonträgers hervorgerufen. Aus Bild 66 ist zu entnehmen, daß bei einer Modulationsfrequenz von 4Hz, bei der eine Frequenzmodulationsverzerrung noch als Frequenzänderung wahrgenommen wird, ein Frequenzmodulationsgrad von mF ~ 0,2% bei einem Schallpegel von +80dB noch wahrnehmbar ist.
Höhere Modulationsfrequenzen, die als Modulationsverzerrung wahrgenommen werden, bewirken von fw > 100 Hz an eine rapide Abnahme der Frequenzgrenzmodulation bis auf etwa mf ~ 0,01% (fw = 1000 Hz, fO = 400 Hz und A = 80Phon, Bild 64). Der bei hochwertigen Magnetband- und Magnetfilmapparaturen übliche Frequenzmodulationsgrad von mf = 0,05% bis 0,15% kann im Vergleich hierzu unter 100 Hz als ausreichend angesehen werden. Anders liegen die Verhältnisse aber bei höheren Modulationsfrequenzen als 100 Hz. Bei fw = 500 Hz werden an diesen Apparaturen noch Werte von mp = 0,03% bis 0,1% gemessen, die im Gegensatz zu dem wahrnehmbaren Wert von 0,01% relativ hoch liegen.
In gewissem Maße tritt auch bei Schallstrahlern eine Frequenzmodulation in Erscheinung. Sie kommt dadurch zustande, daß bei gleichbleibender Schallleistung bei tiefen Frequenzen die Auslenkung der Membran viel größer als bei hohen Frequenzen sein muß und somit nicht mehr vernachlässigbar klein im Vergleich zur Wellenlänge einer gleichzeitig abgestrahlten hohen Frequenz ist. Der sich im Rhythmus der tiefen Frequenz ändernde Abstrahlungsort der hohen Frequenz hat eine Frequenzmodulation der letzteren durch die erstere zur Folge. Abhilfe ist nur durch eine Aufteilung des gesamten abzustrahlenden Frequenzbereiches auf mehrere Lautsprecher möglich.
F. IV. Dynamikeinschränkungen
Die über einen Übertragungsweg übertragbare Dynamik eines Schallereignisses kann bestenfalls den Bereich zwischen Vollaussteuerung und Geräuschspannung der gesamten Ubertragungskette einnehmen. Der gesamte Geräuschspannungsabstand setzt sich im wesentlichen einmal aus dem Geräuschspannungsabstand aller elektrischen Glieder einer Übertragungskette und zum anderen aus dem durch die akustischen Gegebenheiten am Aufnahme- und Wiedergabeort bedingten Geräuschabstand zusammen [265].
F. IV. 1. Elektrische Grenzen der übertragbaren Dynamik
Die einzelnen elektrischen Glieder einer Übertragungskette, zum Beispiel Verstärker, Schallspeichereinrichtungen und Rundfunksender, dürfen zunächst keine beliebig hohe Spannung zugeführt bekommen, da ihre Aussteuerbarkeit begrenzt ist.
Die maximal zulässige Spannung ist der Bezugspunkt für die gesamte Übertragungskette, auf dem sich unter anderem auch die betriebsmäßige Überwachung derselben aufbaut (siehe Abschnitt D. IV). Die ursprüngliche Festlegung dieser Maximalspannung entstammt der Fernmeldetechnik, bei der man den Spannungsabfall an dem dort üblichen Anpassungswiderstand von 600 Ohm bei einer Leistungszuführung von 1mW zugrunde legte, der sich somit zu 0,775 V ergibt.
Der "berühmte" 0dB-Pegel
Diese Spannung wurde als 0dB-Pegel definiert. Bei der in der Fernmeldetechnik üblichen Leistungsanpassung tritt diese Spannung als Klemmenspannung in Erscheinung, wogegen die Leerlaufspannung das Doppelte, das sind 1,55 V, beträgt.
Da in der Tonstudiotechnik fast ausnahmslos im Bereich weitgehender Überanpassung gearbeitet wird, ist hier die Klemmenspannung mit der Leerlaufspannung hinreichend identisch, die somit bei Vollaussteuerung +6dB beträgt.
Die IEC Definition 0dB sei 1V
Neueren Festlegungen des IEC zufolge wird zwar eine Spannung von 1 V als 0dB-Pegel definiert, die somit 2,2 dB über 0,775 V liegt, aber wegen der gebrochenen Zahl bei der Einführung des geänderten Bezugspegels zu unpraktischen Umrechnungen und Angaben führt und deshalb hier unberücksichtigt bleiben soll.
Die Untergrenze wegen des Geräuschspannungabstandes
Im Gegensatz zu dieser Maximalspannung darf jedoch andererseits die den Einzelgeräten zugeführte Spannung nicht zu klein werden, damit sie nicht in der von den Geräten selbst hervorgerufenen Geräuschspannung, die durch das Eigenrauschen und andere Fremdspannungseinstreuungen gebildet wird, untergeht. Die Geräuschspannung wird ebenfalls als Pegel in dB unter Bezugspegel angegeben, so daß der Geräuschspannungsabstand gleich der Differenz des Pegels bei Vollaussteuerung (+6dB) und des Geräuschpegels ist.
In der Praxis zeigt sich, daß der Geräuschspannungsabstand aller in der Tonstudiotechnik benutzten Geräte mit Ausnahme der Schallspeichereinrichtungen ohne große Schwierigkeiten auf über 70dB gebracht werden kann.
Magnettoneinrichtungen und Lichttonverfahren
Bei den Magnettoneinrichtungen liegt der Ruhegeräuschspannungsabstand zwar in der gleichen Größenordnung, der Modulationsgeräuschspannungsabstand beträgt aber nur etwa 40dB bis 50dB.
Beim Lichttonverfahren liegen die Verhältnisse ungünstiger. Der Geräuschspannungsabstand der Theaterkopie beträgt nur etwa 40dB. Während jedoch für den Tonfilm keine Festlegungen existieren, soll beim Rundfunk nach den CCIR-Bestimmungen der Geräuschspannungsabstand einer Sendung mindestens 40dB betragen.
Durch den Einfluß sowohl atmosphärischer Störungen als auch der Überbelegung der Sender im Mittelwellenbereich wird in den meisten Fällen selbst dieser Geräuschspannungsabstand für den Hörer nicht wirksam.
F. IV. 2. Akustische Grenzen der übertragbaren Dynamik
Beim Rundfunkempfang ist zunächst die größte Lautstärke durch die übliche Schalldämmung der Raumdecken und -wände begrenzt. Wird diese Lautstärke überschritten, so führt das zu einer Belästigung der Mitbewohner des Hauses. Überhaupt ist in diesem Falle die Schalldämmung ein Maß für die maximale Wiedergabedynamik, denn der durch die Wände dringende Schall des Nachbarn, der zum Beispiel einen anderen Sender mit gleicher Lautstärke empfangen kann, legt die untere Grenze der Wahrnehmbarkeit eines Pianissimos des eigenen Empfangsprogramms fest.
In der Wohnung maximal 40dB Dynamik möglich
Da einerseits die Schalldämmung im allgemeinen nicht mehr als 40dB beträgt und somit auch keine größere Lautstärke als 80 Phon zulässig erscheint, und andererseits in Wohnräumen im Durchschnitt mit etwa 30 Phon Grundgeräusch gerechnet werden muß, ist beim Rundfunk eine größere Dynamik als etwa 40dB kaum nutzbar.
Den Wert von 40dB zu verkleinern wäre jedoch auch wieder nicht angebracht, weil sonst der künstlerische Ausdruck vorwiegend musikalischer Darbietungen bei der Übertragung zu sehr verfälscht würde. Die bei symphonischer Musik bis zu 80dB betragende Dynamik muß ja ohnehin schon auf die Hälfte eingeengt werden.
Die Dynamik im Lichtspieltheater
Im Lichtspieltheater ist das etwas anders. Hier ist die obere Grenze zunächst durch die Leistung des Lautsprechers bei noch zulässigen nichtlinearen Verzerrungen begrenzt, sofern der Leistungsverstärker diese überhaupt noch abzugeben gestattet.
Die Wiedergabelautstärke an dieser Grenze beträgt in durchschnittlich ausgerüsteten Lichtspieltheatern im Bereich des überwiegend indirekten Schalles etwa 94 Phon.
Diese optimale Lautstärke ist durch die Nachhallzeit im Verhältnis zur Raumgröße, den Wirkungsgrad des Lautsprechers und die Lautsprecher- und Verstärkerleistung bestimmt. Da sowohl das zuerst genannte Verhältnis als auch der Wirkungsgrad der in der Kinotechnik gebräuchlichen Lautsprecher und die Verstärkerleistung in den meisten Lichtspieltheatern in der gleichen Größenordnung liegen, wird auch die optimale Lautstärke in allen Fällen etwa gleich sein.
Das ergibt sich noch ganz besonders daraus, daß zu einer Lautstärkeerhöhung um beispielsweise 10 Phon das l0fache an Schall- und somit Verstärkerleistung notwendig würde. Die normale Verstärkerleistung von 20 bis 40 Watt müßte also auf 200 bis 400 Watt gesteigert werden müssen.
Auch aus ökonomischen Gründen ergibt sich also die genannte Begrenzung auf 94 Phon. Die untere Grenze ist dagegen durch das Publikumsgeräusch im Theater gegeben. Hinzu kommen noch die von außen eindringenden Geräusche (Straßenlärm) und andere, die im Zusammenhang mit dem Lichtspielbetrieb stehen (Ventilatoren). Der dadurch während der Vorstellung insgesamt auftretende Geräuschpegel wurde mit durchschnittlich 42 Phon gemessen.
F. IV. 3. Praktische Begrenzung der übertragbaren Dynamik in den verschiedenen Übertragungswegen
Um eine bessere Übersicht über den praktisch vorkommenden Dynamikumfang natürlicher Schallereignisse, die übertragbare Dynamik durch den begrenzten Geräuschspannungsabstand der Geräte und die maximal nutzbare Dynamik im Wiedergaberaum zu erhalten, sind in Bild 239 die erforderlichen Werte aufgetragen.
Das Diagramm zeigt nochmals die Notwendigkeit, die Originaldynamik sowohl bei der Rundfunkübertragung als auch beim Tonfilm auf ein für die Wiedergabe brauchbares Maß herabzusetzen. Das gleiche gilt auch für die Schallplatte, da man hier in erster Linie auf den Hauptverwendungszweck, nämlich die Schallplattenwiedergabe im Heim, und weniger auf die Verwendung bei Veranstaltungen Rücksicht nehmen muß.
Der Gegensatz von Rundfunk und Tonfilm
Aus Bild 239 ist weiterhin ersichtlich, daß im Gegensatz zum Rundfunk beim Tonfilm die Dynamik weniger durch die Verhältnisse im Wiedergaberaum, sondern mehr durch das Schallaufzeichungsverfahren beschränkt wird. So würden zwar etwa 52dB Differenz zwischen Publikumsgeräusch und maximaler Lautstärke und mit Rücksicht auf eine um mindestens 6 dB über dem Publikumsgeräusch liegende geringste Lautstärke etwa 46 dB an wahrnehmbarer Wiedergabedynamik möglich sein, das zur Zeit vorwiegend angewandte Lichttonverfahren gestattet jedoch eine solche Dynamik gar nicht zu übertragen. Eine Verbesserung wäre nur durch Einführung des Magnettonverfahrens möglich.