Die KlangBild Serie 1979 - "Die DIN 45 500"
Das Magnetband (KlangBild Heft 02/1979)
Die DIN 45500 war eine Norm, die viele Kontrversen hervorgebracht hatte.
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DIN 45500 - IM SPIEGEL DER NORM - Teil "23" - Magnetton- bänder (und das gehört eigentlich ins Magnetbandmuseum)
Wie der „aufatmenden" Bemerkung am Schluß des letzten Beitrags (die Beiträge 16-22 haben wir übersprungen) zu entnehmen war, haben wir das sehr umfangreiche Blatt 8 der Din 45 500 jetzt endlich hinter uns gebracht.
Und damit nähern wir uns nun auch langsam dem Ende der Reihe. Denn jetzt bleiben nur noch zwei Normblätter übrig:
Blatt 9 und Blatt 10. Ersteres werden wir relativ schnell erledigen können. Es ist nämlich mit der Überschrift Mindestforderungen an Magnettonbänder 4 und 6 für Schallaufzeichnung versehen. Im Gegensatz zum Blatt 8, das eine Reihe verschiedener kombinierter Gerätschaften zu berücksichtigen hatte, beschäftigt es sich also sozusagen mit nur einer Materie. Und statt „Materie" könnte man auch „Material" sagen.
Zwar läßt sich aus der Formulierung „Magnetbänder 4 und 6" ableiten, daß da offensichtlich gewisse Unterscheidungen getroffen werden. Doch ändert dies nichts daran, daß es sich in jedem Fall um das - man kann schon sagen: altbekannte - Magnettonband handelt, das alljährlich in Milliarden Kilometer Länge hergestellt wird.
Die angedeutete Unterscheidung wird dahin gehend getroffen, daß es sich bei „Magnettonband 4" um Bandmaterial handelt, das in Kassetten nach DIN 45 516 (Philips- Compact-Cassetten) geliefert wird, während es zum anderen Material im Normtext heißt: „Magnettonband 6 wird auf allen Spulen nach DIN 45 514 mit Ausnahme der Größen 7,5 mit Vorspann- und Schaltband gemäß Din 45 512 Blatt 1 geliefert." Jetzt wissen wir es aber ganz genau ...
Unterscheidung zwischen Spulen- und Kassettenband
Wenn nun in den einzelnen Abschnitten des Normblatts 9 stellenweise Unterscheidungen zwischen Spulen- und Kassettenband getroffen werden, dann nicht etwa wegen der chemischen Zusammensetzung des Bandmaterials.
Denn die ist ja schon innerhalb der einzelnen Spezies sehr verschieden. Größere Unterschiede freilich haben sich zwischen den Ausführungsarten herausgebildet:
Bandmaterial, das Chromdioxid allein oder zusammen mit Eisenoxid (FeCr-Band) als magnetisierbare Schicht verwendet, hat für Spulengeräte praktisch keine Bedeutung erlangt; es bleibt den Kassettengeräten vorbehalten.
Gleichwohl sind hier die unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften von Spulen- und Kassettenbändern das auslösende Moment.
Aus der „verschiedenen Physik" ergeben sich teilweise unterschiedliche Anforderungen in zweifacher Hinsichteinmal in mechanischer und einmal in elektrischer.
Von den mechanischen Kriterien ist in den Abschnitten 3.1 bis 3.5 die Rede. Das, was man unter „elektrische Kriterien" zusammenfassen könnte, erscheint im wesentlichen unter den Abschnitten 4.1 bis 4.7.
Kommen wir also zunächst zu Punkt 3.1. Er behandelt die Belastbarkeit bei statischer Belastung", hat also mit der mechanischen Festigkeit zu tun. Die Belastung wird in Krafteinheiten ausgedrückt, denen das Band widerstehen muß.
Das Maß für die Kraft ist das Newton (N). 1N ist vergleichbar mit einem Gewicht von 100 Gramm. Die Belastbarkeit von Kassettenband muß nun mindestens 1,5 N betragen, die von Spulenband dagegen mindestens 6 N.
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Glatt soll das Band sein
Punkt 3.2 betrifft die Schmiegsamkeit des Bandes, also sein Vermögen, sich auf seinem Weg durch die Mechanik des Bandgeräts (oder der Kassette) bestimmten „Umleitungen" anpassen zu können. Es geht hier um das Verhältnis zwischen dem (fiktiven) starren und dem „verbogenen" Zustand des Bandes.
Bei Verhältnissen verwendet man gern das dB als Maß. Im vorliegenden Fall darf der Wert für Kassettenbänder höchstens 9dB und der für Spulenbänder höchstens 12dB betragen. Da also der Schmiegsamkeit von Bandmaterial natürliche Grenzen gesetzt sind - denn bei zu scharfem Knicken bekommt es ja „Kniffe" -, legt Punkt 3.3 des Blattes 9 bestimmte Mindestmaße für die "Hohlkrümmung" des Bandes fest.
Unter "Hohlkrümmung" versteht man den Radius der Krümmung des unbelasteten Bandes quer zur Laufrichtung. Er muß bei Kassettenband mindestens 10mm und bei Spulenband mindestens 30mm betragen. Mit anderen Worten: Der Kassetten-Wickelkern muß mindestens 2cm und die Tonband-Leerspule mindestens 6cm Durchmesser haben.
Weiter geht es mit Punkt 3.4, der mit einem selten verwendeten Wort aufwartet: Er spricht von der „Säbelförmigkeit" und meint damit die Abweichung von der Form eines Striches, als der das Band bei Betrachtung eines abgeschnittenen Endes „von vorn" erscheint.
Die Abweichung darf höchstens zwei Prozent betragen. Gerade und glatt muß das Band auch aus einem anderen Grund sein: Es soll sich möglichst wenig an dem Material reiben, an dem es vorbei läuft.
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Vorn hart - hinten weich
Bekanntlich liegt das Tonband ja mit seiner magnetisierbaren Schicht am Tonkopf an, und der ist in (Anmerkung : fast) jedem Fall aus sehr hartem Material. So nimmt das Normblatt 9 in Abschnitt 3.5 („Reibungskoeffizient") Stahl als Bezugsmaterial - oder wenn man hier zum besseren Verhältnis so will: als „Kontaktmaterial" - für die Bandschichtseite.
Als Bezugsmaterial für die Bandrückseite wurde Filz festgelegt. Das ist ja auch nicht abwegig, weisen viele Compact-Cassetten doch kleine Federbügel mit Filzplättchen auf, die gegen die Bandrückseite drücken. Es geht also hier um zwei verschiedene Reibungskoeffizienten - einmal „Schicht gegen Stahl" und zum anderen „Bandrückseite gegen Filz".
Der Reibungskoeffizient
Vielleicht hier noch eine kleine Begriffserläuterung: Der Reibungskoeffizient ist immer eine Dezimalzahl, also eine Zahl mit einem Komma. Wäre es nämlich unendlich groß, so würde das einer Art Vollbremsung entsprechen: Die beiden „aneinandergeratenen" Gegenstände (Beispiel: zwei Scheiben groben Schleifpapiers) würden sich nicht mehr gegeneinander bewegen lassen.
Wäre der Koeffizient gleich Null, so bestünde gar keine Reibung. Auch das ist nur ein theoretischer Extremfall, denn in unserem Beispiel gibt es zwischen dem Tonband und dem Tonkopf oder dem Filz ja immer eine Reibung. Und die darf es natürlich auch geben - aber nur bis zu einem gewissen Grad: Bei „Schicht gegen Stahl" darf der Reibungskoeffizient den Wert von 0,45 nicht überschreiten; bei „Bandrückseite gegen Filz" darf er nicht größer als 0,35 sein.
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Wie empfänglich das Band sein muß
Nachdem der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden soll, daß die vorerwähnten Punkte 3.4 und 3.5 nur für Spulenband gelten, kommen wir jetzt zu den „elektrischen Forderungen" an das Bandmaterial.
Da geht es unter Abschnitt 4.1 des Normblatts 9 zunächst um die relative Empfindlichkeit des Bandes - anders ausgedrückt darum, wie empfänglich das betreffende Bandmaterial für die auf ihm zu speichernden Signale im Vergleich zu einem bestimmten Bezugsmaterial sein muß.
Dieses Bezugsmaterial ist der Leerteil des Bezugsbandes nach Din 45 513 Blatt 6 (Spulenband) bzw. Blatt 4 (Kassettenband). Diese Bandstücke sind also das „Meßnormal" (Anmerkung : also die Referenz).
Das Bezugsband hat eine bestimmte Aussteuerbarkeit; es kann also mit einer bestimmten Stärke „besprochen" werden, ehe der höchstzulässige Klirrgrad erreicht wird.
An dieser Aussteuerbarkeit orientiert sich Punkt 4.1, wenn er eine relative Empfindlichkeit von ±1,5dB nennt: Das jeweilige Band darf um maximal 1,5dB (d. h. um das 1,19fache) stärker bzw. schwächer aussteuerbar sein als das Bezugsband. Ähnlich verhält es sich mit dem relativen Frequenzgang gemäß Punkt 4.2.
Dazu vorab: Beim Bezugsband wurde eine Übertragungskurve aufgenommen, aus der sich ablesen läßt, wie stark es mit den Frequenzen des Hörbereichs bespielt werden kann. Von dieser Kurve darf die Kurve von Spulenband um ±2dB (das 1,26fache) und die von Kassettenband um ±2,5dB (das 1,33fache) abweichen.
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Die kritischen Höhen
Der folgende Punkt befaßt sich mit dem Bandfluß bei Vollaussteuerung. Der Zustand der Vollaussteuerung ist bekanntlich dann erreicht, wenn im Verhältnis zu einem bestimmten Bezugspegel der sogenannte kubische Klirrgrad (k3) gerade 3 Prozent erreicht hat.
Bei voller Aussteuerung muß nun im Band ein bestimmter magnetischer Fluß herrschen, und je weiter der dafür geltende Mindestwert überschritten wird, desto besser. Daher die Forderung von mindestens ±0,5dB für Kassettenband und sogar ±5dB für Spulenband, wenn es um den Bandfluß geht.
Ein für die alltägliche Praxis wichtiger Abschnitt des Normblatts 9 ist 4.4, der mit Aussteuerbarkeit bei kleinen Wellenlängen überschrieben ist. Der Begriff ist auch unter „Höhenaussteuerbarkeit" bekannt. Was hier zugrunde liegt, ist die Tatsache, daß es aus Gründen der Bandgeschwindigkeit und der Tonkopfkonstruktion mit höher werdender Frequenz immer schwieriger wird, das Band genügend stark zu bespielen. Seine Aussteuerbarkeit in den Höhen nimmt also ab - zumindest im Normalfall. Bei 10 kHz darf sie aber gemäß Punkt 4.4 um höchstens 4dB (d. h. um das 1,59fache) schwächer sein als z. B. bei 1 kHz. Dies wird allerdings nur dem Kassettenband zugestanden; bei Spulenband darf der Wert nur -2dB sein.
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Kampf dem Rauschen
Eins der Grundübel bei schlechten (oft billigen) Tonbändern ist, daß sie bei der Wiedergabe ein hörbares Rauschen verursachen. Hochwertige Bänder rücken dem Rauschen zu Leibe, indem sie z. B. feinere Oxide in der Schicht verwenden.
Doch haben auch sie noch ein gewisses Grundrauschen, denn ein absolut rauschfreies Band kann es nicht geben. Man braucht es auch nicht; es genügt, wenn man das Rauschen nur genügend weit von der Wahrnehmungsschwelle fernhält.
Und wenn nun Punkt 4.5 vom „Ruhegeräuschspannungsabstand" spricht, so meint er damit den Unterschied zwischen einem Bezugspegel und dem vom Rauschen verursachten Pegel. Dieser Unterschied muß bei Kassettenband mindestens 60dB (1000:1) und bei Spulenband mindestens 64dB (1585:1) betragen.
Um einen Unterschied geht es auch beim nächsten Punkt 4.6, der sich mit der Kopierdämpfung befaßt. Unter „Kopiereffekt" versteht man bekanntlich das „Durchdrücken des magnetischen Musters" von einer Lage des aufgewickelten Bandes zur benachbarten Lage. Dies kann bei längerer Lagerung eintreten und muß in Grenzen gehalten - also gedämpft - werden. Je höher der entsprechende dB-Wert, desto besser. Laut Normblatt 9 müssen es mindestens 48dB (251 :1)sein.
So bleiben als hier interessierende Punkte nur noch die Abschnitte 4.7 und 4.8 übrig. Ersterer fordert, daß die Schwankungen in der Bandempfindlichkeit (diese hatten wir ja schon) höchstens 1dB und die Zahl der Aussetzer je 3 Minuten Betriebsdauer höchstens 10 betragen darf. Damit wäre das - freilich auch recht kurze - Blatt 9 der Din 45 500 tatsächlich schon erledigt, und wir können uns im nächsten Beitrag Blatt 10 und damit den Kopfhörern zuwenden.
Joachim Stiehr im FEBRUAR 1979 KlangBild
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