Die KlangBild Serie 1977 - "Die DIN 45 500"
Das Bandgerät (KlangBild Heft 10/1977)
Die DIN 45500 war eine Norm, die viele Kontrversen hervorgebracht hatte.
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DIN 45500 - IM SPIEGEL DER NORM - Teil VIII.
Der zuletzt in Angriff genommene Punkt 2.7 von „Blatt 4" der HiFi-Norm DIN 45 500 betraf die Übersprechdämpfung zwischen den Spuren verschiedener Aufnahmen auf ein und demselben Tonband bzw. zwischen den Stereo-Kanälen der jeweiligen Aufnahme.
Bei diesem Punkt hatten wir gesehen, daß die Übersprechdämpfung zwischen den Spuren der beiden verschiedenen Stereo-Aufnahmen (sofern es sich um ein vierspurig bespieltes Band handelt) verhältnismäßig hoch sein muß. Denn sonst kann es ja beispielsweise passieren, daß beim Abspielen der einen „Bandhälfte" im feierlichen Bruckner-Adagio noch die Reste von Stimmen oder Geräuschen eines auf der anderen Bandhälfte aufgezeichneten Hörspiels herumgeistern.
Aus dem letzten Beitrag ging weiter hervor, daß diese Gefahr des Übersprechens bei guten Spulenbandgeräten sehr gering ist, da solche Maschinen mit Übersprechdämpfungswerten von manchmal deutlich über 60 dB aufwarten können.
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ÄUSSERST KLEINE ZWISCHENRÄUME
Bleiben wir jedoch zunächst noch einen Moment bei Punkt 2.7: Die bei Spulenbandgeräten erzielbaren sehr guten Werte für die Übersprechdämpfung sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die „Leerrinnen" zwischen den Tonspuren, obwohl immer noch äußerst schmal, eben doch einen Hauch breiter gemacht werden können als bei einem Cassettengerät. Denn letzteres muß ja mit einem nicht einmal 4mm breiten Tonband auskommen, auf dem dann bis zu vier Tonspuren unterzubringen sind.
Man kann sich vorstellen, daß dann nur noch Millimeterbruchteile für die Lücken (Anmerkung : man nennt die Lücken auch Rasen oder Ggaps) zwischen den Tonspuren bleiben und daß es schnell zu unerwünschtem Übersprechen kommen kann, wenn Tonkopf und Bandführung nicht von äußerster Präzision sind.
Wie das schon im vorigen Beitrag behandelte Signal/Rausch-Verhältnis ist die Übersprechdämpfung ein Punkt, bei dem Compact-Cassetten-Geräte an eine Grenze stoßen, die ganz einfach physikalisch bedingt ist.
Noch mehr Genauigkeit bei den Tonköpfen und beim Mechanismus der Cassetten würde zu unwirtschaftlichen Verteuerungen der Geräte und der zugehörigen „Software" führen.
Wenn er mehr als anderthalb Tausender in das Gerät investieren muß, entscheidet sich nämlich der potentielle Käufer eventuell doch gleich für ein Spulengerät. Doch damit es in Bezug auf die Übersprechdämpfung zwischen den „Bandhälften" keine Mißverständnisse gibt: Die Norm geht hier mit Cassettengeräten nicht etwa gnädiger um als mit Spulengeräten. Wenn nicht bei 1 kHz mindestens 60dB Übersprechdämpfung zwischen den beiden verschiedenen Aufnahmen erzielt werden, darf sich das Gerät nicht mit dem Signum „HiFi nach DIN 45 500" schmücken.
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DIE ELCASET (von SONY) HAT ES BESSER
Interessant mag in diesem Zusammenhang ein kleiner Seitenblick auf die mittlerweile erhältlichen „Elcaset"- Geräte sein. Diese Großcassette arbeitet wieder mit 9,5cm/s Geschwindigkeit und „normal" breitem Tonband. Hier lassen sich natürlich Übersprechdämpfungen zwischen den Bandhälften erreichen, die denen von Spulengeräten nicht nachstehen. Aber auch hinsichtlich der Übersprechdämpfung zwischen den beiden Stereo-Kanälen ein und derselben Aufnahme (d. h. der einen Bandhälfte) lassen sich bei der Elcaset bessere Werte erzielen als bei der mit dem schmaleren 3,8mm Band arbeitenden Compact-Cassette.
Zwar liegen auch bei ihr die Spuren der beiden Stereo-Kanäle nebeneinander - im Gegensatz etwa zum Viertelspur-Spulengerät, bei dem die Spuren ja „verschachtelt" angeordnet sind. Doch erlaubt eben die Breite des verwendeten Normalbandes den schon erwähnten Hauch mehr an Abstand zwischen den Einzelspuren.
So lassen sich denn auch mit einem Elcaset-Gerät die Mindestforderungen der Norm für die Übersprechdämpfung zwischen den Stereo-Kanälen (15dB bzw. 20dB, vgl. Beitrag im vorigen Heft) mit Leichtigkeit übertreffen. Daß auch hinsichtlich des Gleichlaufs und des Signal/Rausch-Verhältnisses die Elcaset gegenüber der Compact-Cassette besser abschneidet, sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt.
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LINKS UND RECHTS SOLLTEN GLEICH SEIN
Kommen wir nun zu dem sich anschließenden Punkt 2.8 von „Blatt 4" der DIN 45 500. Er verlangt, daß der „Pegelunterschied der beiden Kanäle bei Abspielen des Pegeltonteils des jeweiligen DIN-Bezugsbandes" nicht mehr als 2dB betragen darf. Das „jeweilige DIN-Bezugsband" ist ein Meß- und Prüfband hochwertiger Qualität, unter anderem bespielt mit Signalen, deren Pegel genau definiert ist.
Bei der Messung nach Punkt 2.8 wird also ein bestimmtes Signal durch den Wiedergabeteil des Bandgeräts geschickt. Der linke und der rechte Kanal erhalten dabei genau denselben Pegelanteil. Nach Durchlaufen des Wiedergabeverstärkers im Bandgerät wird der Pegel gemessen, der am jeweiligen Ausgang (links oder rechts) wieder „herauskommt".
Unabhängig von der absoluten Höhe dieser - beispielsweise in Millivolt (mV) meßbaren - Pegel, darf sich nun der eine um höchstens 2dB vom anderen unterscheiden. 2dB entsprechen in diesem Fall einem Verhältnis von 1:1,259. Die Forderung der Norm bedeutet also mit anderen Worten, daß bei gleich hohen Eingangspegeln der Ausgangspegel des einen Kanals um das 1,26fache höher oder niedriger sein darf als der des anderen. Andernfalls ist das Gerät nicht DIN-gerecht.
Beim heutigen Qualitätsstandard der in den Schaltungen verwendeten Bauelemente läßt sich jeder der beiden in einem (Stereo-) Bandgerät vorhandenen Verstärkerzüge so auslegen, daß sich Unterschiede von weit unter 2dB im Gesamtübertragungsmaß mühelos realisieren lassen.
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KEINE AUSNAHME FÜR DIE AUFNAHME
Die Normforderung bezieht sich - wohlgemerkt - nur auf den Wiedergabeteil des jeweiligen Bandgeräts, wie ja auch deutlich aus der Formulierung „... Abspielen des Pegeltonteils ..." hervorgeht.
Daraus könnte man schließen, daß es der Norm gleichgültig ist, was pegelmäßig im Aufnahmeteil des Geräts vor sich geht. Diese Vermutung ist aber nur auf den ersten Blick richtig.
Denn einmal wird in der Forderung der Pegeltonteil des DIN-Bezugsbands erwähnt, bei dem der Pegel des einen Kanals mit dem des anderen sehr genau übereinstimmt. Und zum anderen würde es dem Gerät wenig nützen, eine zu starke Links- oder Rechtslastigkeit des Aufnahmeteils durch entsprechende „Gegenlastigkeit" des Wiedergabeteils ausgleichen zu wollen. Spätestens beim Abspielen des DIN-Bezugsbands käme dann ja eine eventuell nicht mehr DIN-gerechte Unsymmetrie des Wiedergabeteils ans Tageslicht.
Wer also ein Bandgerät in HiFi-Qualität (gleichgültig, ob in Spulen- oder Cassettentechnik) erwirbt, kann ziemlich sicher sein, daß auch der Aufnahmeteil gute Übereinstimmung zwischen den beiden Kanälen zeigt. Voraussetzung für annähernd gleiche Pegel bei der Aufnahme ist natürlich eine etwa gleiche Stellung der jeweiligen Eingangspegelregler, die ihrerseits - vor allem im unteren Einstellbereich - eine weitgehend identische Regelcharakteristik haben sollten.
Bei Geräten mit mischbaren Eingängen (also z. B. mit separaten Pegelstellern für die Mikrofon- und die Radio-Eingänge) muß es dann der oft vorhandene Summenpegelregler (engl. Master Level Control) sein, dessen beide Hälften die erforderliche Übereinstimmung aufweisen sollten.
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VORHERIGES WIRD GRÜNDLICH GETILGT
Damit kommen wir zum letzten Punkt (2.9) der Forderungen, die „Blatt 4" der HiFi-Norm DIN 45 500 an Tonbandgeräte in Spulen- und Cassettentechnik stellt. Die Forderung besagt, daß die Löschdämpfung bei einer Meßfrequenz von 1 kHz mindestens 60dB betragen muß.
Wie jedem „Tonbandler" bekannt, muß das Band unmittelbar vor der Aufnahme den in jedem Gerät vorhandenen Löschkopf passieren, damit eine eventuell auf dem Band vorhandene Aufnahme „ausradiert" wird.
Der Löschkopf ist sozusagen ein überdimensionaler Tonkopf. Er hat einen relativ breiten Spalt, aus dem ein sehr starkes magnetisches Wechselfeld mit einer sehr hohen Frequenz (60 kHz oder mehr) austritt.
Von diesem Wechselfeld werden die magnetisierbaren bzw. magnetisierten Oxidteilchen des Bandes dermaßen „durchgeschüttelt", daß sie jegliche Orientierung (= gerichtete Anordnung infolge einer vorhergehenden Aufnahme) verlieren. Das Band nimmt also weitestgehend wieder seinen ursprünglichen Zustand an - vorausgesetzt, daß die Löschung intensiv genug war und nur noch einen verschwindend geringen Bruchteil einer früheren Aufnahme auf dem Band übrig gelassen hat.
Als Maß für die Gründlichkeit des Löschens gilt die schon erwähnte Löschdämpfung, die wie üblich in dB angegeben wird. Sie muß einen Mindestwert (eben 60 B) erreichen, und je höher dieser Wert, desto besser.
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EIN LÄCHERLICH GERINGER REST
Natürlich braucht man den Wert nicht ad infinitum zu treiben. Das wäre auch deswegen nicht ratsam, weil ein zu stark strahlender Löschkopf das Bandgerät schnell zu einem Hochfrequenzsender machen würde.
Wenn wir uns nämlich vor Augen halten, daß im vorliegenden Fall 60dB 1:1000 entsprechen, so bedeute dies ja, daß nach dem Löschen nur noch 1/1ooo des Pegels einer eventuellen früheren Aufnahme auf dem Band verblieben ist.
Würde der Wert für die Löschdämpfung knapp über 66dB betragen - ein solcher Wert ist nicht aus der Luft gegriffen -, so wäre der Pegelrest nur noch 1/2000. 66dB würden nämlich 1:1995 entsprechen.
Einen so lächerlich geringen Rest kann man getrost vergessen. Denn würde man ein mit 66dB Löschdämpfung „gereinigtes" und nicht wieder neu bespieltes Band zum Spaß noch einmal „abhören" wollen, so würde man selbst bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler allenfalls das Grundrauschen des Bandes oder das des nachgeschalteten Verstärkers hören. Soviel zu den Forderungen der DIN 45 500 an Bandgeräte. Im nächsten Heft kommen dann die Normforderungen an Verstärker an die Reihe.
Joachim Stiehr im Okt. 1977 KlangBild
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