Die KlangBild Serie 1978 - "Die DIN 45 500"
Der Lautsprecher (KlangBild Heft 03/1978)
Die DIN 45500 war eine Norm, die viele Kontrversen hervorgebracht hatte.
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DIN 45500 - IM SPIEGEL DER NORM - Teil XII.
Mit dem vorhergehenden Beitrag haben wir „Blatt 6" der DIN 45 500 (Mindestanforderungen an Verstärker) „absolviert" und können uns nun „Blatt 7" der Norm zuwenden, dessen Untertitel „Mindestanforderungen an Lautsprecher" lautet.
Wie aus dem weiteren Text ersichtlich, gilt die Norm für „Lautsprecher, die mit Schallführung versehen" sind. Gemeint sind damit Lautsprecher (auch Einzellautsprecher, Chassis oder Systeme genannt), die in eine Vorrichtung wie Schallwand oder Gehäuse eingebaut sind. Denn beide bewirken ja eine bestimmte Führung des Schalls.
Und weiter heißt es wörtlich: „Sie (die Norm; Anm. d. Verf.) gilt auch für Lautsprecher ohne Schallführung, wenn die Schallführung, für die sie geeignet sind, eindeutig beschrieben ist und mit dieser zusammen die Mindestanforderungen erfüllt werden.
Das Antriebsprinzip, die Art der Schallführung, die Art der Anordnung und die Anzahl der eingebauten Lautsprecher (Chassis) können beliebig gewählt werden."
Der erste Satz mutet fast etwas akademisch an, läuft er doch sinngemäß letztlich wieder auf eine Lautsprecherbox oder ein verwandtes Gebilde hinaus. Der zweite Satz spricht im Grunde für sich selbst.
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Der Aufwand interessiert nicht
Es ist der Norm demnach gleich, ob eine Lautsprecherbox zwei oder acht Systeme enthält und ob die Systeme (oder ein Teil von ihnen) z. B. nach dem dynamischen oder dem elektrostatischen Prinzip arbeiten.
Es ist ihr auch gleich, ob es sich z. B. um eine Zweiweg-, eine Dreiweg- oder eine Vierwegbox handelt und ob die Box direkt oder indirekt bzw. direkt/indirekt (auch das gibt es) abstrahlt.
Aber ein wenig weiter unten wird es dann wieder ganz unmißverständlich, wenn es heißt: „Die Messungen müssen unter den Bedingungen des freien Schallfeld-Halbraumes durchgeführt werden."
Doch was ist denn das nun wieder?
Sagen wir es am besten so: Die Bedingungen eines „freien Schallfeldhalbraumes" sind beispielsweise dann erreicht, wenn eine Lautsprecherbox im Freien und in genügender Entfernung von reflektierenden Gegenständen so in den Boden eingelassen wird, daß ihre Schallwand mit dem Boden bündig ist und daß ihr Schall nach oben abgestrahlt wird.
Dies ist kein Scherz, denn so werden bis heute viele Boxen gemessen, weil dieses „Vergraben" der Box genau vergleichbare Voraussetzungen schafft, die zu reproduzierbaren (d. h. wiederholbaren, weil unter gleichen Bedingungen zustande gekommenen) Meßergebnissen führen.
Vergleichbare Bedingungen für Messungen an Lautsprecherboxen finden wir außerdem in einem echofreien Schallmeßraum, auch - allerdings nicht ganz korrekt - schalltoter Raum genannt.
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Einen „DIN-Wohnraum" gibt es nicht
Es ist keine Schikane der Norm, die Meßbedingungen derart genau vorzuschreiben. Denn es dürfte sich auch bis zum „letzten Hi-Fi-Laien" herumgesprochen haben, daß ein nicht echofreier Raum wie z. B. ein Wohnraum unter Umständen ziemlich stark darauf einwirken kann, wie gleichmäßig (oder wie ungleichmäßig) eine Box die in ihren Übertragungsbereich fallenden Tonfrequenzen wiedergibt.
Und wenn sie nicht völlig gleich geschnitten und nicht absolut gleich ausgestattet sind, dann sind Wohnräume überdies immer akustisch verschieden.
Die „mangelnde Eignung" eines Wohnraums für normgerechte Messungen spricht nicht dagegen, daß von Herstellern und Fachzeitschriften Messungen an Lautsprecherboxen unter zumindest wohnraumähnlichen Bedingungen durchgeführt werden.
Bei Benutzung ein und desselben Raumes lassen sich sogar aussagekräftige Vergleiche anstellen, was den Bericht in einem Fachblatt betrifft. Denn der Endverbraucher hört nun einmal nicht im echofreien Raum.
Für den Hersteller jedoch, der eine (nachprüfbar) DIN-gerechte Box produzieren will, führt praktisch kein Weg an Messungen im „freien Schallfeldhalbraum" vorbei - eben weil es keinen genormten „DIN-45 500-Wohnraum" gibt.
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Was die Box übertragen muß
Nachdem nun eine wichtige Bedingung für reproduzierbare Messungen an Lautsprecherboxen wohl ausführlich genug behandelt wurde, zu dem, was da eigentlich gemessen wird.
Nach Punkt 2 von „Blatt 7" der Hi-Fi-Norm ist es zunächst der Übertragungsbereich. Dieser muß mindestens 50 Hz bis 12,5 kHz betragen. Hierzu wird mit Hilfe von sogenanntem Terzrauschen eine Übertragungskurve aufgenommen. Damit das zugeführte Rauschsignal hinreichend verzerrungsfrei ist, muß der verwendete Verstärker im gesamten Frequenzbereich mindestens 16 Watt Leistung bei einem Klirrgrad von unter 3 Prozent abgeben können. Das schafft übrigens heute fast jeder Verstärker der Hi-Fi-Standardklasse.
Gemessen wird der Schalldruck, den die Box bei der ihr jeweils zugeführten Frequenz produziert. Als Meßabstand ist 1m oder 3m zu wählen - letzteres dann, wenn die Gesamtstrahlfläche aller Lautsprecher eines Gehäuses relativ groß ist.
Was den Schalldruckmesser betrifft, so fordert die Norm, daß er in der Lage sein soll, auch das Zehnfache des gemessenen Schalldrucks noch richtig anzuzeigen. So genau dies nun alles genommen wird - bei der ermittelten Übertragungskurve ist die Norm dann aber relativ großzügig. Doch gilt es jetzt zunächst, eine Art Normalpegel festzulegen, also einen Bezugspunkt oder - in unserem Beispiel - eine Bezugslinie.
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Das DIN-Toleranzfeld
Diese waagerechte Linie (nennen wir sie Mittellinie) entsteht, wenn die gemessene Übertragungskurve im Bereich zwischen 100 Hz und 4 kHz „gemittelt" wird.
Wohlgemerkt: Die Mittellinie ist kein direktes Abbild der Übertragungskurve, denn diese kann zwischen den beiden genannten Frequenzen innerhalb einer bestimmten Toleranz beliebig „wellig" sein.
Will man aber eine Toleranz festlegen, so braucht man dazu einen Ausgangspunkt, einen Bezugswert. Dieser Bezugswert ist unsere Mittellinie.
Unterhalb von ihr finden wir eine weitere Linie, die zwischen den eingetragenen Frequenzen 100 und 50 Hz sowie 4 kHz und 12,5 kHz gleichmäßig abfällt. Die im gleichen Abstand oberhalb der Mittellinie eingezeichnete Linie verläuft dagegen durchweg waagerecht.
Die oberste und die unterste Linie im gezeigten Diagramm grenzen einen bestimmten Bereich ein, den der Techniker als Toleranzfeld bezeichnet. In dieses Toleranzfeld muß nun die für die jeweilige Lautsprecherbox ermittelte Übertragungskurve fallen.
Mit anderen Worten: Alle von der Box abgestrahlten Frequenzen dürfen um maximal 4dB, d. h. um etwa das 1,6fache stärker herauskommen als der Bezugspegel, der durch die Mittellinie angegeben ist.
Zwischen 100 Hz und 4 kHz dürfen sie auch um maximal 4dB schwächer kommen als der Bezugspegel. Und zwischen 100 Hz und 50 Hz sowie zwischen 4 kHz und 12,5 kHz darf die Minusabweichung sogar stetig auf 8dB (etwa 1:2,5) zunehmen.
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Es muß keine Mogelei sein
Da ein Wert von 1:2,5, als „normale Zahl" ausgedrückt, 0,4 oder 40 Prozent entspricht, bedeuten die zulässigen 8dB Minusabweichung, daß die unterste und die oberste von der Box noch abgestrahlte Frequenz nur mit 40 Prozent des Bezugspegels herauszukommen brauchen und daß die Box gleichwohl noch DIN-gerecht ist.
Daß die Übertragungskurve der Box im übrigen in das angegebene Toleranzfeld „passen" muß, wurde ja schon erwähnt. Und daß die untere Grenzfrequenz nicht über 50 Hz bzw. die obere Grenzfrequenz nicht unter 12,5 kHz liegen darf, ging ebenfalls aus dem weiter oben Gesagten hervor.
Wie man sieht, geht die Norm - was den Übertragungsbereich betrifft - mit den Lautsprecherboxen nicht allzu streng um. Es ist daher durchaus keine Mogelei im Spiel, wenn im Datenblatt einer guten Hi-Fi-Box beispielsweise „Übertragungsbereich (nach DIN) 25 Hz bis 22 kHz" steht. Denn eine gute Box hält mühelos die zulässige Toleranz von ±4dB zwischen 100 Hz und 4 kHz ein, und was die untere Grenzfrequenz (hier 25 Hz) und die obere Grenzfrequenz (hier 22 kHz) betrifft, kann sie ja „völlig legal" die 8dB Minustoleranz in Anspruch nehmen.
Allerdings muß sich der Käufer darüber klar sein, daß die 25 Hz und die 22 kHz eben nur noch mit 40 Prozent des Bezugspegels - wie er sich z. B. bei 1 kHz ergibt - abgestrahlt werden.
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Das Paar muß zusammenpassen
Das bisher Gesagte bezog sich immer auf eine Lautsprecherbox.
Da zu einer Stereoanlage aber immer mindestens zwei Boxen gehören, hat sich die Norm natürlich auch für diesen Fall etwas ausgedacht. So fordert sie, daß sich die Übertragungsmaße von Lautsprechern gleicher Type, die für Stereoanlagen vorgesehen sind, im Frequenzbereich zwischen 250 Hz und 8 kHz um nicht mehr als 2dB voneinander unterscheiden dürfen.
Beim Übertragungsmaß handelt es sich um das Verhältnis zwischen der vom Verstärker an die Box abgegebenen elektrischen Leistung und dem Schalldruck, den die Box aus dem Signal macht.
Das Übertragungsmaß muß keinen bestimmten Wert haben. Die Norm fordert lediglich - und zu diesem Punkt werden wir noch kommen - einen bestimmten Mindestschalldruck von der Box. Aber sie fordert eben, daß die Übertragungsmaße bei einem gleichartigen Paar Stereo-Boxen annähernd gleich sind.
2dB entsprechen in unserem Beispiel einem Verhältnis von etwa 1:1,26. Der von der einen Box eines Stereo-Paares produzierte Schallpegel darf also maximal um das 1,26fache größer oder kleiner sein als der von der anderen Box hervorgebrachte.
Bei der Stereo-Wiedergabe spielt auch die räumliche Schallverteilung eine Rolle. Was die Norm dazu sagt, davon dann im folgenden Beitrag.
Joachim Stiehr im März 1978 KlangBild
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