Die KlangBild Serie 1977 - "Die DIN 45 500"
Der Tuner (KlangBild Heft 05/1977)
Die DIN 45500 war eine Norm, die viele Kontrversen hervorgebracht hatte.
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DIN 45500 - IM SPIEGEL DER NORM - Teil III
Damit dieser Punkt nicht in Vergessenheit gerät, soll zunächst eine Bemerkung aus dem vorhergehenden Beitrag wiederholt werden: Immer wenn von „Tuner" die Rede ist, soll damit der UKW-Empfangsteil eines separaten oder kombinierten HiFi-Geräts gemeint sein, mit dem Rundfunkempfang möglich ist.
Nur der UKW-Bereich ist hifiwürdig, und so enthält Blatt 2 der HiFi-Norm DIN 45 500 denn auch nichts anderes als die „Mindestanforderungen an UKW-Empfangsteile (Tuner)". Daß der Forderungskatalog nicht alle Kriterien enthält, die letztlich die Gesamt-übertragungsqualität eines Tuners ausmachen, und daß diese Kriterien trotzdem (oder gerade deswegen) in dieser Serie mitbehandelt werden sollen, ging schon aus den beiden ersten Beiträgen hervor.
Der letzte schloß mit der Trennschärfe eines Tuners, also mit dem Vermögen des Geräts, auch frequenzmäßig eng benachbarte Sender ohne gegenseitige Störung wiederzugeben. Die erwähnte 300-kHz-Trennschärfe ist die am häufigsten angegeben. Das hat einen ganz bestimmten Grund. Zunächst einmal senden so gut wie alle UKW-Stationen der Bundesrepublik auf "glatten" Frequenzen, die sich um 100 kHz unterscheiden, alsoz. B.auf 94,30,94,40 oder 94,50 MHz (MHz = Megahertz = eine Million Schwingungen pro Sekunde).
Außerdem sind die Senderfrequenzen gebietsmäßig so verteilt, daß die in einer bestimmten Region zu empfangenden starken Stationen sich in aller Regel frequenzmäßig um mindestens 300 kHz (= 0,3 MHz) unterscheiden.
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VIELE SENDER AUF EINEM HAUFEN
Da sich aber die Sendegebiete der einzelnen Rundfunkanstalten an manchen Stellen überschneiden, gibt es Gebiete mit hoher UKW-Senderdichte. Dabei kann es durchaus vorkommen, daß die Frequenzen empfangswürdiger
Stationen nur um 200 kHz oder gar nur um 100 kHz auseinander liegen.
Um zumindest bei 200 kHz Senderabstand noch keinen ausgesprochenen „Wellensalat" zu produzieren, sind - wie im letzten Beitrag schon erwähnt - etliche europäische Spitzengeräte trennschärfemäßig entsprechend hochwertig ausgelegt. Bei 100 kHz Abstand sind auch die teuersten Tuner oft am Ende ihres Lateins.
Derartige Empfangssituationen stellen auch wirkliche Extremfälle dar, die sich vernünftig nur mit einer "vielelementigen" Richtantenne lösen lassen - sofern die beiden benachbarten Sender aus genügend unterschiedlichen Himmelsrichtungen einfallen.
Doch nicht nur wegen der Seltenheit solcher Empfangsfälle ist die 100-kHz-Trennschärfe weniger kritisch. Sie ist auch deswegen sogar nicht einmal opportun, weil sie mit der Vernachlässigung anderer wichtiger Qualitätskriterien erkauft werden müßte. Zu ihnen gehört die sogenannte Durchlaßbreite, genauer gesagt, die Bandbreite des Zwischenfrequenz-Verstärkerteils im Gerät.
Von dieser Bandbreite werden nämlich - zumindest indirekt - die Verzerrungsfreiheit der Wiedergabe und die Trennung der Stereo-Kanäle vor dem "Weiterreichen" des Tuner-Signals an den nachgeschalteten Verstärker beeinflußt. Auf beide Kriterien werden wir noch zu sprechen kommen. Die Erwähnung der Trennschärfe in Zusammenhang auch mit der Durchlaßbreite sollte nur als ein weiteres Beispiel dafür dienen, daß erst der optimale Datenkompromiß die Übertragungsqualität eines Tuners bewirkt.
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UKW-HIFI BIETET BREITEN FREQUENZBEREICH
Kehren wir jetzt zu den in DIN 45 500 (Blatt 2) niedergelegten Forderungen an den Tuner zurück. Zu ihnen gehört diejenige an den übertragenen Frequenzbereich.
Sie bezieht sich - um dies vorab festzuhalten - auf eine bestimmte Meßgrundlage: Der Meßsender wird an den Bandkabeleingang (240 bzw. 300 Ohm) angeschlossen und liefert eine Eingangsspannung ("Antennenspannung") von genau 1mV.
Unter diesen Bedingungen muß sich der vom Tuner übertragene Frequenzbereich von 40 Hz bis 12,5 kHz erstrecken. Dabei werden bestimmte Toleranzen zugestanden: Von jenem Pegel, den ein (Referenz-) Meßton von 1kHz am Ausgang des Tuners entstehen lassen würde, darf der Pegel, den andere Meßfrequenzen entstehen lassen würden, zwischen 40 und 50 Hz um ±3dB, zwischen 50 Hz und 6,3 kHz um ±1,5dB sowie zwischen 6,3 und 12,5kHz wieder um ±3dB abweichen.
Mit anderen Worten: Der Tuner muß ein ihm zugeführtes Frequenzgemisch so verarbeiten können, daß keine zwischen 40 und 50 Hz bzw. zwischen 6,3 und 12,5 kHz liegende Frequenz um das 1,41fache (= 3dB) stärker oder schächer "wieder herauskommt" als eine Frequenz von 1 kHz.
Er muß es weiterhin so verarbeiten können, daß keine zwischen 50 Hz und 6,3 kHz liegende Frequenz um das 1,19fache (= 1,5dB) stärker oder schwächer herauskommt als diejenige von 1 kHz. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, daß das gesamte Frequenzspektrum um so gleichmäßiger übertragen wird, je kleiner die angegebene Abweichung in dB ist. Gute Tuner bringen es auf 35 Hz bis 14 kHz ±3dB, sehr gute auf 30 Hz bis 15kHz ±2dB.
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BEI 15 kHz MUSS LEIDER SCHLUSS SEIN
Verglichen mit dem „magischen Bereich" von 20 Hz bis 20 kHz, den jeder gute HiFi-Verstärker mit weniger als ±2dB Toleranz schafft, scheint das nicht überragend zu sein. Theoretisch könnte der Tuner auch noch tiefere Frequenzen als 30 Hz und höhere Frequenzen als 15 kHz übertragen. Zweierlei führt jedoch dazu, daß es nicht dahin kommt.
Einmal wird dem Tuner unterhalb 30 Hz schon vom Sender her praktisch nichts mehr angeboten, und zum anderen muß er einen bestimmten Bereich oberhalb etwa 16 kHz radikal abschwächen, damit die störungsfreie Übertragung einer UKW-Stereo-Sendung gewährleistet ist. Unter Übertragung soll hier - um das im Auge zu behalten - die Lieferung des Ausgangssignals an den nachfolgenden Verstärker verstanden werden.
Dieses Signal soll so weit wie möglich frei sein von dem "Pilotton" (Frequenz: 19 kHz), der - bei Stereo - vom Sender mit ausgestrahlt wird und ohne den die Erzielung eines zweikanaligen (stereofonen) Signals am Ausgang des Tuners nicht möglich ist.
Wenn aber der Pilotton (und mit ihm der vom Gerät daraus gewonnene, ebenfalls unbedingt erforderliche "Hilfsträger" von 38 kHz) seine Schuldigkeit getan hat, dann muß er gehen: Er muß so stark wie möglich unterdrückt werden.
Andernfalls kann es zu einer sich nachteilig auf die Wiedergabequalität auswirkenden Vermischung zwischen ihm und anderen hohen Tonfrequenzen kommen.
Der Pilotton-Unterdrückung kommt also eine gewisse Bedeutung zu, und so fehlt dieses Kriterium denn auch nicht in Biatt 2 der DIN 45 500. Da es sozusagen ein Aufwasch ist, den Pilotton zusammen mit dem Hilfsträger zu unterdrücken, nennt die Norm auch beide zusammen.
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NIEDER MIT DEM PILOTTON
Nach DIN 45 500 muß der Pilotton um mindestens 25dB (etwa 18:1) und der Hilfsträger um mindestens 31dB (etwa 35:1) abgeschwächt werden. In diesem Punkt erscheint die Norm überholungsbedürftig, denn wenn z. B. der Pilotton nur 18mal schwächer ist als die nutzbaren Tonfrequenzen, kann er noch ganz schön stören.
Gute Tuner haben heute eine Pilotton-Unterdrückung von 40 bis über 50dB, was bedeutet, daß sie den Pilotton um das 100- bis über 300fache schwächer machen als die Nutzfrequenzen. Diese Unterdrückung der 19kHz-Frequenz gelingt ihnen - und allen anderen Tunern - nun aber nicht völlig abrupt: Es gibt keine Schaltung, bei der z. B. eine Frequenz von 18 kHz noch ungeschwächt übertragen würde und eine von 19 kHz schon weitgehend unterdrückt wäre. Daher die allmählich einsetzende und dann sehr schnell stärker werdende Abschwächung der Frequenzen oberhalb etwa 16 kHz, die bei 19 kHz dann am stärksten ist.
Es war jetzt viel vom Pilotton die Rede. Wie dabei erwähnt, wird er vom Sender mitgeliefert, damit der Empfänger überhaupt in der Lage ist, aus dem einen verschlüsselten (codierten) Signal, das bei einer Stereo-Sendung ankommt, die für Stereo-Wiedergabe erforderlichen zwei verschiedenen Signale zu erzeugen.
Denn darauf, daß das Signal des linken Kanals dem des rechten Kanals nicht völlig gleich ist, beruht ja der Stereo-Effekt. Die Signale müssen also bis zu einem gewissen Grad voneinander unabhängig sein, d. h., kein Kanal darf dem anderen über ein gewisses Maß hinaus etwas „hineinreden"; das "Übersprechen" in den anderen Kanal muß sich in Grenzen halten.
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ZWEI DURCHAUS ANSCHAULICHE BEGRIFFE
Das Vermögen des Geräts, dies zu bewerkstelligen, wird denn auch Übersprechdämpfung genannt. Im Englischen hat sich der Ausdruck "Channel Separation" (Kanaltrennung) eingebürgert, der nicht minder anschaulich ist.
Diese Trennung muß nun laut DIN 45 500 im Frequenzbereich zwischen 250 Hz und 6,3 kHz mindestens 26dB und im Bereich zwischen 6,3 und 12,5 kHz mindestens 15dB betragen. 26dB entsprechen hier etwa 20:1 und 15dB etwa 5,6:1. Wie die 25dB Pilotton-Dämpfung sind auch die 15dB Kanaltrennung ein ziemlich bescheidener Wert.
Denn 5,5:1 bedeutet hier ja, daß mindestens ein Sechstel des Signals, das der eine Stereokanal liefert, vom anderen Kanal herrührt oder umgekehrt. Das ist fast zuviel, um ein hörbar räumliches Klangbild bewirken zu können.
Bei 26dB Kanaltrennung sieht es schon besser aus: Nur noch ein Zwanzigstel des Signals stammt jetzt aus dem jeweils anderen Kanal. Doch ist auch dies noch um einiges unter dem, was gute Tuner heute erreichen können. Werte von 40 dB (d. h. nur noch ein Hundertstel Fremdkanalanteil) im mittleren Frequenzbereich zwischen etwa 1 kHz und 4 kHz sind keine Seltenheit.
Höhere Werte als etwa 40dB für die Kanaltrennung sind theoretisch wohl erzielbar, schließlich aber nicht mehr sinnvoll: Sie können dazu führen, daß das Stereo-Klangbild in eine linke und eine rechte Hälfte "auseinanderfällt". Daß die Kanaltrennungs-Forderung der Norm keine tieferen Frequenzen als 250 Hz erwähnt, hat einen "menschlichen" Grund: Frequenzen unterhalb etwa 300 Hz kann unser Ohr nur noch unvollkommen orten, so daß im Bereich tiefer Frequenzen der Stereo-Effekt nur noch schwach ausgeprägt zu sein braucht.
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DER KANALGLEICHLAUF MUSS STIMMEN
Wie wir jetzt gesehen haben, müssen sich zur Erzielung eines stereofonen Höreindrucks die Signale der beiden Kanäle in ihrer Charakteristik bis zu einem gewissen Grad unterscheiden.
Eine andere Sache ist dagegen die Stärke der Signale. Die muß natürlich weitgehend gleich sein, damit das Klangbild bei der Stereo-Wiedergabe nicht links- oder rechtslastig wird. Das Eingangssignal muß also möglichst „gleichmäßig zerlegt" und die beiden Kanalsignale dann möglichst gleich stark zum Ausgang geleitet werden.
Laut Norm dürfen sich die beiden Ausgangspegel um ±3dB voneinander unterscheiden. Der eine Kanal darf also um das etwa 1,4fache stärker oder schwächer kommen als der andere. Gute Geräte brauchen hier nicht einmal eine Toleranz von ±1,5dB in Anspruch zu nehmen.
Da wir jetzt gerade beim Ausgangssignal (oder bei den beiden Ausgangssignalen) des Tuners sind: Auch hierzu sagt die Norm etwas aus. Die Ausgangsspannung - die Höhe des gelieferten Pegels - soll bei einer bestimmten Belastung (gegeben z. B. durch den Eingangswiderstand des Verstärkers) zwischen 0,5 und 2,0 Volt betragen.
Der Mindestwert wurde gewählt, damit dem Verstärker ein genügend starkes Eingangssignal zur Verfügung gestellt wird. Dagegen sollte der angegebene Höchstwert nicht überschritten werden, damit der Eingang des Verstärkers nicht überfüttert wird. Diese Übersteuerung (so der Fachausdruck) kann zu unerträglichen Klangverzerrungen führen. Zwar haben moderne Verstärker oft eine hohe Übersteuerungsfestigkeit, doch irgendwo muß eben alles seine Grenze haben.
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DER LEIDER UNVERMEIDLICHE KLIRRGRAD
Verzerrungen können aber auch schon im Tuner selbst entstehen. Leider haben ja alle verstärkenden Schaltungen (auch im Tuner wird das schwache Eingangssignal u. U. millionenfach verstärkt) die unliebsame Neigung, den sie durchlaufenden Frequenzen eigenerzeugte Fremdfrequenzen (Oberwellen) hinzuzufügen. Der Anteil dieser „falschen" Frequenzen im gesamten Frequenzgemisch wird als Klirrgrad (oder Klirrfaktor) bezeichnet, da die Wiedergabe eben hörbar verklirrt (verzerrt) wird, wenn dieser Anteil zu stark ansteigt.
Laut HiFi-Norm darf er bei Tunern bis zu 2 Prozent betragen. Nach Meinung vieler Fachleute wäre auch dieser Punkt der Norm einer Überarbeitung wert, bringt es doch heute jeder HiFi-Mittelklassetuner auf Werte von unter 1 Prozent. Spitzengeräte schaffen sogar etwa 0,2 Prozent. Derartig geringe Verzerrungen können sich gehörmäßig auf keinen Fall mehr bemerkbar machen.
Joachim Stiehr vom Mai 1977 KlangBild
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