Warum Netzschalter so oft kaputt gehen - ein paar Ursachen
Bei sehr vielen elektrischen Verbrauchern sind die Netzschalter nach wenigen Jahren "hinüber". Das gilt für Staubsauger wie für Kaffemaschinen und auch für fast alle Hifi-Geräte.
Das allerbeste Beispiel ist aber die Halogenlampe mit der Halogenbirne, fachlich korrekt mit dem Halogen- "Leuchtmittel". Der Glühfaden hat im kalten Zustand einen ganz niedrigen Kalt- Widerstand und "zieht" beim Einschalten den nahezu 10-fachen (späteren) Dauer-Strom - zwar nur ganz kurz, aber dafür richtig heftig.
Bei den Netzteilen in unseren Hifi-Geräte ist es vergleichbar ähnlich. Und zwar unabhängig von der später benötigten Leistung muß der Netzschalter einiges verkraften.
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Netzschalter wurden und werden meist nach der benötigten Dauerleistung dimensioniert.
Sicher sind die Netzschalter eines CD-Players und eines 2 x 500 Watt Kraft-Verstärkers deutlich unterschiedlich. Doch das Problem besteht bei beiden. Auch bei dem abgeschalteten CD-Player sind die Netzteil-Kondensatoren nach wenigen Stunden völlig leer. Und beim Einschalten werden die auch (wieder) sofort aufgeladen. Das ist beinahe wie ein Kurzschluß im System. Der Netzschalter muß auch hier beim Einschalten den vielfachen Nennstrom verkraften. Und selbst bei Edel-Geräten wie der SONY ES Serie hält er das nicht "superlange" aus.
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Wir können von den EDV Profis lernen :
Die Schalt-Netzteile der professionellen EDV-Geräte, vor allem die der großen Switches und großen Router, müssen richtig dicke Ströme liefern, die die Elektronik damals benötigte. Das waren dann zum Beispiel 5,3 Volt bei 200 Ampere (sie lesen richtig : "zweihundert Ampere"), es geht noch weiter - dazu kommen noch weitere 12V bei 25 Ampere und 3,3 Volt bei 60 Ampere .... und natürlich alles gleichzeitig.
Daß das alles extrem zuverlässig sein muß, brauche ich nicht weiter zu erläutern und daß solch ein Netzteil dann ca. 2.000 US-Dollar kostet, ist in dieser Profi-Liga normal. Auf einmal sind 2 Kilowatt beisammen und die wollen auch eingeschaltet werden (können). Die Netzsicherung würde ohne eine Schutzeinrichtung beim Einschalten sofort rausfliegen.
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Das Verzögerungs-Relais
Bei den großen BOSE Verstärkern war es zuerst aufgetreten, daß damals (bei uns hier in den 220 Volt Ländern) so gut wie alle Sicherungen sofort ausgelöst hatten. Deshalb wurde von BOSE ein ganz besonders massives Relais mit einem 2sek "delay" nachgerüstet, das einen in Reihe zum Netztrafo eingeschleiften 5 Ohm / 25 Watt Hochlastwiderstand 2 Sekunden nach dem Einschalten überbrückt hatte. Der Einschaltstrom war deutlich geringer und dennoch konnte der Verstärker im Vollastbetrieb seine 2000 Watt "ziehen". Der Nachteil war, das Relais war recht teuer und brauchte zusammen mit dem Vorschalt-Widerstand Platz.
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Die Alternative - der NTC Widerstand, ein "Thermistor"
Zumindest für kleinerere Lasten, also für Vorverstärker, CD Player und Kassettenrecorder und sonstige wenig Leistung verbrauchenden Audiogeräte ist die Einschaltstrombegrenzung mittels eines Thermistors die weitaus einfachere Technik. Solch ein Thermistor hat einen "negativen Temperatur Coeffizienten" und damit die Bezeichnung "NTC".
Was ist solch ein Thermistor ? Der NTC Thermistor ist ein trickreicher (ohmscher) Widerstand, der bei zunehmder Temperatur seinen Innenwiderstand reduziert. Er macht sich damit selbst nahezu unsichtbar. Und das ist genial.
In fast allen professionellen Schaltnetzteilen ist er zu finden. Denn dort ist direkt nach dem Netzschalter der Hochstrom-Gleichrichter und der richtig dicke Speicher-Kondensator angeschaltet. Das würde beim Einschalten immer kräftig blitzen.
Solch ein NTC Thermistor hat aber im kalten Zustand zum Beispiel einen Widerstand von 10 Ohm und bei zunehmder Erwärmung geht der auf 0,1 Ohm runter - das hier nur als Beispiel. Und solche NTC Thermistoren gibt es inzwischen seit 20 Jahren für kleine und große Lastströme, die sind also durchaus auch für kleine und mittlere (Trafo-) Endstufen geeignet.
Doch aufpassen, sie sehen alle sehr ähnlich aus
Wenn man in solche Netzteile rein schaut, sieht man eine Menge ähnlicher Bauteile. Denn Thermistoren, Varistoren und Kondensatoren sehen sehr sehr ähnlich aus. - Varistoren machen dabei etwas ganz anderes. Sie werden mit jedem "Bein" direkt auf die Netzzuleitung gelötet. Übersteigt die Eingangsspannung einen bestimmten Wert, zum Beispiel 350 Volt, geht der sehr hohe Widerstand schlagartig auf nahezu 0 Ohm runter. So werden die unerwünschten extrem hohen, aber sehr kurzen Spannungsspitzen, aus dem Netz gekillt - kurz geschlossen.
Bei Trafo-Netzteilen von Endstufen ebenfalls Vorsicht
Ganz oben habe ich geschrieben, daß diese Technik die Lebensdauer von Netzschaltern erheblich verlängern könne. Dabei spielt ein verbleibender (Warm-) Widerstand in der Netz-Zuleitung von etwa 0,2 bis runter zu 0,05 Ohm keine nennenswerte Rolle. In allen mir bekannten Hifi-Vorverstärkern und CD-Spielern und Recordern wird die interne Arbeitsspannung geregelt bzw. (mit einiger Reserve) auf eine bestimmte Höhe bzw. den Maximalwert stabilisiert.
Bei Kraftverstärkern sieht das natürlich leicht anders aus. Nur die Endstufen der allerhöchsten Qualitätsstufen (und auch dort bei weitem nicht alle) stabilisieren auch die kräftige(n) Versorgungsspannung(en) für die Leistungs- oder Endtransistoren - wie zum Beispiel bei der aktiven Canton CA 10 bis CA 30. Bei nichtstabilisierten Netzteilen sind 0,1 Ohm zusätzlicher Widerstand in der 230 Volt Netzt-Zuleitung eine eventuelle Bremse bei der absoluten Spitzenleistung. Das kann dann auch keine 800 Euro Voodoo Steckdosenleiste mehr kompensieren.
Hat die Leistungs-Endtsufe jedoch gut dimensionierte Netzteil- Kondensatoren, läßt sich das erst bei über 1000 Watt Sinus pro Kanal wirklich messen und nachweisen.
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Es gibt Eigenarten, auf die man achten muß
Solch ein NTC Thermistor fängt also den Einschalt- stromstoß auf und setzt ihn in Wärme um. Dabei heizt er sich (leicht) auf und sein Widerstand sinkt auf den spezifzierten minimalen Nennwert.
Ganz schlicht erklärt : Wenn der NTC-Thermistor warm ist, entfernt er sich selbst. Danach fließt aber immer noch der Dauer-Strom hindurch und erwärmt ihn (ein wenig) weiter. Der Thermistor muß also freistehend untergebracht werden. Er wird in der Regel leicht warm und die Wärme muß abfließen können. Wieviel Wärme das ist, ist erst mal nicht so wichtig, es ist marginal wenig.
Hier Rechts ein Hochstrom Beispiel:
Dieser Thermistor vom Typ SG160 stammt aus 1995 und hat bei 25°C einen Widerstand von 2,5 Ohm. Er darf maximal 15 Ampere durchleiten und das bei maximal 265 Volt Wechselspannung, - sonst stirbt er. Wenn der Nennstrom erreicht ist, sinkt der Widerstand von 2,5 Ohm auf 0,03 Ohm ab und ist damit fast nicht mehr da.
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Die Typenbezeichnung SG160 steht für Surge-Gard Protection "Inrush Current Limiter".
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Was bei unseren Hifi-Geräten nicht so oft vorkommt, daß man ein Gerät nach dem Ausschalten sofort wieder einschaltet. Unter Vollast wäre das nämlich problematisch. Bei leiser Musik wäre der Netzteilkondensator aber noch nicht völlig entladen, also wäre das unproblematisch. Doch prinzipiell braucht ein NTC-Thermistor etwa 1 Minute zum Abkühlen, damit er danach wieder funktioniert.
Auf jeden Fall muß in diesem "Leitungs-Weg" eine (Schmelz-) Sicherung eingebaut sein - meist ist die ja sowieso da - denn im Kurzschlußfall ist solch ein NTC ganz schnell "im Eimer" - er verdampft oder verschmort.
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Eine Beispiel-Tabelle (eines unbekannten Lieferanten) :
Dauerstrom | Widerstand | Widerstand | Durchmesser | Dicke | Draht | Preis | |
I max. | kalt @ 25°C | heiß @ I max. | (max.) | (max.) | mm | Type | US $ |
1.75A | 20 | 0.6 | 12.7 | 6.4 | 0.8 | SG230 | 5.05 |
2A | 40 | 0.6 | 15.9 | 6.4 | 0.8 | SG240 | 4.59 |
3A | 10 | 0.2 | 12.4 | 7.6 | 0.8 | SG220 | 4.49 |
4A | 7 | 0.15 | 15.2 | 7.6 | 1.0 | SG210 | 4.96 |
4A | 12 | 0.22 | 12.7 | 8.9 | 1.0 | SG39 | 5.65 |
6A | 10 | 0.15 | 15.2 | 8.9 | 1.0 | SG27 | 4.12 |
7A | 5 | 0.07 | 15.2 | 6.4 | 0.8 | SG200 | 5.05 |
8A | 4 | 0.07 | 15.2 | 6.4 | 1.0 | SG170 | 5.65 |
15A | 2.5 | 0.03 | 22.9 | 7.6 | 1.0 | SG160 | 10.83 |
18A | 2 | 0.03 | 22.9 | 8.9 | 1.0 | SG110 | 7.58 |
30A | 0.5 | 0.01 | 31.8 | 5.1 | 1.0 | SG260 | 13.48 |
Wenn Sie diese US$ Preise sehen (Datum unbekannt), scheinen die durchaus akzeptabel zu sein. Doch bei der Massenfertigung von Geräten aller Art im Consumer-Bereich sind das nicht akzeptable Größenordnungen.
Darum finden wir diese NTCs fast nur in teuren profi-Schaltnetzteilen, bei denen sich der Entwickler (und später der Kunde oder Betreiber) keine(n) Fehler leisten kann und darf.
Um aber in unseren alten Hifi-Schätzen diesen Netzschalter- Schutz (vorsorglich oder nach einem Ausfall) nachzurüsten, ist das Ganze vertretbar bzw. preislich akzeptabel.
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