Etwas Wissen von den Receiver- und Verstärker- Chassis
Juli 2024 - Ab und zu - eigentlich viel zu selten - kommt es vor, daß der Ingenieur staunend vor einem der unendlich vielen Hifi-Geräte der oberen Preisklassen steht und den Ideenreichtum der Konstrukteure bewundert - positiv bewundert.
Der so ziemlich erste Aha-Efekt kam 1967 mit dem Revox A77 Tonbandgerät von Willi Studer aus der Schweiz. Die Entwickler hatten da kein Stahl- oder Alu-Blech gestanzt und umgebogen und wild miteinander verschraubt, nein, es waren 3 Druckguß-Rippen-Teile aus Aluminium, die das ganze Innenleben eines 3-Motoren- Tonbandgerätes aufgenommen hatten. Das war damals für uns Jungingenieure absolut einmalig.
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Dann kamen viele Jahre des Schreckens. Die Receiver und Verstärker wurden größer und größer und die neuen Blech-Chassis wurden wackeliger und verdrehbar. Man konnte einen durchaus teuren Verstärker an der rechten vorderen Ecke anheben und fast 1 cm in die Luft anheben, ohne daß die drei anderen Füße von der Tischplatte abhoben. Das sagte nichts über die akustischen Qualtäten aus, doch der Eindruck entstand - und wurde verallgemeinert.
Es war die Aufbruchs-Zeit der 1980er Jahre, da wurde nur nach Watt und nochmal Watt gegiert und die Netz-Trafos wurden automatisch immer größer und damit auch schwerer.
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Und dann bekam ich einen Pioneer VSX-859 aus dem Jahr 2000
Der Receiver war (noch zu geschraubt) und ist ganz erstaunlich stabil für seine 17,6 Kilo. Na ja, dachte ich, schraub erstmal die Haube bzw. die Abdeckung runter, dann wird er sich auch "winden" und "biegen" wie all die anderen früheren Monster-Receiver. Aber nichts da, auch ohne die Abdeckung / Haube blieb dieses Chassis unerwartet stabil und verwindungssteif. Und da der etwas tiefere Einblick in das elektronische Innenleben mehr als vielversprechend war, habe ich das jetzt etwas genauer untersucht.
Der eigentliche Auslöser war der "kleine" Bruder das VSX-859, der VSX 839, der ca. 1,6 Kilo leichter sein sollte. Aber alles sah genauso aus - mit ein paar Chinch-Buchsen weniger. Was war jetzt anders ? Da der 839 zwar die gleiche Leistung aber deutlich weniger Video-Codecs und auch keinen analogen Phono-Eingang hat, hat er sowieso keine Überlebenschance. Den könnte man doch mal restlos zerlegen und nachforschen. Gesagt getan - der 839 ist jetzt zerlegt - ohne den Anspruch, ihn wieder zusammen zu bekommen.
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Was ist zuerst aufgefallen ?
Der VSX-859 wie auch der VSX-839 haben als Bodenplatte ein Basis-Chassis mit auf allen 4 Seiten abgewinkelten bw. abgekanteten 1cm und 4cm hohen Seitenwänden. Der VSX-859 hat aber noch unten drunter über die ganze Fläche eine fest verschraubte zweite Chassisplatte, die der VSX-839 nicht hat.
Beim VSX-839 kann man sich leider beim Tragen an den von oben durchgeschraubten Blechschrauben ganz schön die Finger aufreißen, beim VSX-859 sind die messerscharfen Schraubenspitzen duch die zweite Chassis-Platte geschützt und damit sind auch die Finger geschützt.
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Der VSX 859 hat eine zweite Chassis-Platte
Auf diesem Foto sieht manes ganz deutlich, es ist ein doppeltes Blech in voller Breite und Länge mit exakt den gleichen Ausstanzungen der Lüftungsschlitze über den ganzen Boden verteilt.
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Wo kommt diese Stabilität her ?
Ein Blick auf das von allen Komponenten bereinigte jetzt leere verzinkte Stahlblech-Chassis zeigt es ganz deutlch. Dieses 1,0 mm Bodenblech hat eine mit einer großen Stanze tiefgezogene wabenförmige Struktur. Diese Waben stabilisieren die Plattform. Und die an allen vier Seiten hochgeklappten Ränder mit 10mm und 40mm Höhe verbessern die Stabilität dann nochmal.
Es geht also, mit eigentlich geringsten Mitteln jedem beinahe noch so billigen oder preiswerten Verstärker einen stabilen Unterbau zu verpassen.
Daß der VSX-859 dazu eine weitere mit ebefalls 1,0mm gleich starke Bodenplatte - diesmal von unten drunter geschraubt - bekam, vervollkommnet diese erstaunliche mechanische Stabilität. Und dann noch das zweite Blech unten drunter, es funktioniert mit der Stabilität.
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Die japanischen Ingenieure haben sich noch mehr einfallen lassen
Damit die immer schwerer gewordenene Netztrafos - hier einer mit seinen etwa 7,2 Kilogramm - einen festen unverrückbaren Platz haben, bekamen sie ein weiteres abgewinkeltes Chassisblech auf die Bodenplatte geschraubt und der Trafo wurde mit vier deutlich stärkeren Schrauben durch beide Bleche durchgeschraubt. Massiver geht es nicht mehr.
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Nur insgesamt 4 senkrechte "Wände"
Auf dieses Grundchassis sind nur 4 als Wände gestanzte Bleche (sehr präzise Stanzteile mit ebenfalls abgewinkelten Seiten) senkrecht aufgesetzt. Mittelpunkt ist die zentrale erste Zwischenwand mit dem Ventilator - links von der Mitte, die die Frontwand hinter der goldenen Blende und die Rückwand mit den vielen Buchsen absolut winklig und stabil verbindet.
Auf der rechten Seite (von oben gesehen) direkt hinter dem Lautstärkesteller stabilisiert eine vierte Trennwand (neben Front- und Rückwand) die zentrale Hauptplatine (das Main-Assy auf der Innenseite) mit den analogen Komponenten und auf der äußeren Seite die digitale Video-Platine (das DSP Assy) mit den Bildbearbeitungs-Chips.
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Weitere Feinheiten, damit es immer paßt
Bei den allermeisten Fernost- Herstellern werden diese Chassis mit kleinen selbstschneidenen Schrauben geradzu zusammen "gehustet". Irgendwie wird das schon passen. Solche Geräte hatten wir auch schon auf dem Labortisch.
Hier ist es anders. Auf der Grundplatte sind für die Positionierung der senkrechten Wände jeweils an den äußeren Enden neben den Löchern für die späteren Schrauben kleine Positionierungs-Nieten vorhanden, über die die Langlöcher in den abgekanteten Seiten der senkrechten Wände saugend drüber passen.
Das ist Präzision an Stellen, die ich nicht vermutet hatte. Schaun Sie mal auf die Bilder.
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Und damit nichts schief geht
werden die Seitenwände vor dem Verschrauben jeweils in die anderen Wände mit kleinen gestanzten Häkchen in V-förmige Aussparungen eingehängt.
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Nasen und Zapfen = Präzision
Soetwas hatte ich bei dem Pioneer - insbesondere für den anvisierten Verkaufspreis von 2.000.- DM - nicht erwartet.
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Auch die Platinen sitzen gut
Damit die Platinen auf dem Grundchassis fest und dennoch flexibel (wegen der möglichen Ausdehnung bei Erwärmung) sitzen müssen, haben die Entwickler ganz geschickt Befestigungsnippel konstruiert, die zwar fest sind, sich aber dennoch ganz wenig leicht verschiebbar bewegen können.
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Inzwischen haben wir zwei weitere viel teurere Monster-Receiver zur Reparatur bekommen ...
die wir damit auch zerlegen dürfen. Nämlich den großen
Harman Kardon AVR-7500 mit 22,5 Kilo
und den ebenfalls sehr großen
Maranz SR-9200 mit "nur" 19,5 Kilo
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