Hifi-Stereophonie - 1982 - Heft 2 - Editorial von Karl Breh
Liebe Leser!
In den letzten Tagen des Jahres 1981 gingen zwei Meldungen extrem gegensätzlichen Inhalts, Mitgliedsfirmen des Deutschen High-Fidelity Instituts betreffend, durch die Presse.
- Die eine Meldung : Im Geschäftsjahr 1980/81 steigerte Sony Deutschland den Umsatz um etwa ein Drittel auf rund 700 Millionen DM, wobei 20 bis 25% dieses Umsatzes von der mit Gewinn arbeitenden Sony-Tochter Wega erwirtschaftet wurden. Für 1981/82 wird die Milliarden-Grenze angestrebt, was Sony Deutschland hinter Grundig und Philips Platz drei auf dem deutschen Unterhaltungselektronik-Markt sichern würde.
- Die andere Meldung : Das 1900 gegründete Unternehmen Dual Gebr. Steidinger, St. Georgen, das in seinen besten Zeiten jährlich rund eine Million Plattenspieler produzierte, geht gerade in Konkurs.
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Gedanken über den vorhersehbaren Konkurs von DUAL - DUAL ist pleite.
Natürlich hofft man noch auf Rettung. Vielleicht, daß Thomson-Brandt nach Nordmende und Saba nun auch noch Dual und damit einen hochqualifizierten Plattenspieler-Produzenten erwirbt, den es heute innerhalb des zur Verstaatlichung anstehenden Konzerns noch nicht gibt, vielleicht kommt Rettung auch aus der entgegengesetzten Himmelsrichtung.
Wie dem auch sei, von den 3600 Beschäftigten der Spitzenjahre werden auch nach erfolgter Sanierung kaum mehr als 800 übrigbleiben. Für die betroffene, strukturell ohnehin schwache Region eine ausgewachsene Tragödie.
Und das wirft mehrere Fragen auf :
Wie konnte es dazu kommen? An mangelnder Qualität der Dual-Erzeugnisse konnte es nicht liegen. Das haben zahlreiche Tests in dieser Zeitschrift - davon einer auch wieder in dieser Ausgabe - bewiesen. Eine der Ursachen mögen die gewaltigen Kursschwankungen des Yen gewesen sein, die sich zum Nachteil der deutschen Produzenten ausgewirkt haben, insbesondere, wenn sie in Fernost „verlängerte Werkbänke" unterhielten.
Eine andere Ursache ist zweifellos die derzeitige Schwäche des HiFi-Markts - die aber auch Sony treffen müßte -, verursacht durch den Video-Boom, von dem nun freilich Sony anders als Dual, wenn auch nicht ganz ohne Mühe, profitiert.
Ursachenanalyse :
Die eigentliche Ursache, so scheint es mir, liegt weiter zurück und ist der Grund für die Malaise der deutschen HiFi-Hersteller ganz generell:
Die deutsche Unterhaltungselektronik-Industrie hat den Start in das HiFi-Zeitalter verschlafen. Und als sie schließlich erkannte, daß aus der „Spinnerei" einiger Hörfanatiker ein Industriezweig im Entstehen war, erfolgte der Einstieg nicht konsequent.
- Anmerkung : Das trifft aber gerade für DUAL überhaupt nicht zu. Denn DUAL hatte mit dem DUAL 1009 vom Frühjahr 1963 (Hannover Messe) und August 1963 (Funkausstellung) !!! den Weltmarkt für Plattenspieler nachhaltig aufgemischt. DUAL war weltweit das Synonym für einen Hifi-Plattenspieler geworden.
Hierfür ein passendes Beispiel: Dual hat noch im Jahre 1973 nur sogenannte Automaten mit Wechseleigenschaften gebaut, aber keine Einfach-Plattenspieler. Diese Geräte waren zwar hifi-tüchtig, aber was in aller Welt soll der HiFi-Freund mit dem Wechsler anfangen? Zu jener Zeit erfreute sich DUAL in den USA eines Marktanteils von 48% (!) im Bereich des Qualitätsplattenspielers.
Betriebsblindheit "ganz oben" :
Auf das Fehlen eines bei HiFi-Freunden imagebildenden Einfachspieler mit allen Schikanen angesprochen, verwies ein Mitglied der Geschäftsleitung auf den amerikanischen Markt und auf die vermeintliche Tatsache, daß dieser eben den Wechsler verlange. Just zu jener Zeit eroberte Technics mit automatischen Einfachspielern den US-Markt, zu Lasten von Dual, dessen Marktanteil von stolzen 48% auf 18% sank.
Das ist die eigentliche Tragödie, denn anders als fast alle anderen deutschen Firmen operierte Dual von Anfang der HiFi-Ära an auf dem Weltmarkt und hatte somit die Chance, das zu vollziehen, worauf die Stärke der Japaner zur Hauptsache beruht: Produzieren für den Weltmarkt und Kalkulieren auf der gesunden Grundlage hoher Stückzahlen.
Das digitale Zeitalter hat schon begonnen.
Das Jahr 1982 wird den Start auf den Märkten der Industrienationen markieren. Davon werden nicht nur die CD-Protagonisten und ihre Systempartner (zu denen auch Dual zählt) profitieren. Die gesamte HiFi-Technik wird sich splitten, sozusagen in Konsum-Fidelity (vgl. Plattenspieler-Sammeltest) und Digital-Fidelity.
Wird die deutsche Industrie jetzt den Mut haben, gleich konsequent einzusteigen? Oder wird sie auch jetzt wieder im letzten Augenblick auf den schon abgefahrenen Zug aufzuspringen versuchen?
Nicht aus chauvinistischen Motiven, die man dieser Zeitschrift kaum jemals wird unterstellen können, sondern schlicht aus Sorge um weitere Arbeitsplätze in unserem Land, hoffe ich auf den Start zur rechten Zeit,
herzlichst Ihr
Karl Breh im Februar 1982