stereoplay Kompendium 1988 - "Grundlagen der HiFi-Technik"
Es müsste aber "Grundlagen der Digitaltechnik" heißen.
von Gert Redlich im Januar 2014 - Unter der Chefredaktion von Karl Breh wurden ab 1984 bis etwa 1988 in jede Ausgabe der stereoplay so ziemlich in der Mitte blaue Seiten mit Grundlagen-Wissen eingeklebt. Diese Seiten wurde später nach Abschluß der ganzen Artikel in einem Kompendium zusammengefaßt. Nach meiner Meinung sind diese Artikel hier nicht Hifi spezifisch sondern allgemeine akustische Grundlagen. Einige Artikel verlangen volle Aufmerksamkeit und gezieltes "Verstehen Wollen" für diese hochkomplexe Materie. Die einzelnen Verfasser haben sich dennoch bemüht, immer wieder mit plausiblen Beispielen nachzuhelfen. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.
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Grundlagen der HiFi-Technik XXII (22) - HiFi-Videorecorder: Tradcing, Drop-out, Spurrattern und Anschluß - Teil 3 -
HiFi-Recorder erscheinen ideal. Keine Bandsortenprobleme, keine Frequenzgangprobleme, kein Rauschen. Mit wenig mehr Erfahrung sind die Aussagen allerdings nicht mehr so eindeutig.
Bei der Wiedergabe von Compactcassetten auf fremden Geräten gibt es Azimutfehler. Sie bedeuten in der Praxis nicht einfach nur einen Verlust im Hochtonbereich, sondern gehen tiefer an die Substanz der Musik (siehe Azimut-Frequenzgangdiagramm). Mit Videocassetten treten beim Gerätewechsel mit dem ominösen „tracking" nun neue Probleme auf.
Beta wiederum "better"
Beta-Recorder zeigen kaum Tracking-Schwierigkeiten, wohl wegen der breiteren FM-Tonspur und der Möglichkeit (bei Sony), den Bildteil total abzuschalten, was die Zuverlässigkeit der Tonaufzeichnung deutlich steigert. VHS reagiert kritischer, interessanterweise zeigte Longplay sogar ein günstigeres Verhalten. Bei feinfühligem Betätigen des Tracking-Stellers sind Verbesserungen möglich.
Nach Gehör einstellen
Hierbei hilft allerdings oft nur das Gehör. Der Tracking-Steller wird also so lange verdreht, bis das Optimum erreicht ist. Vorher tritt mehrfach der Störeinsatz auf, wie bei einem Billig-Tuner, wo auch nur bewußtes Verstimmen den richtigen Abgleich ermöglicht.
Störungen werden mit kopiert
Während einer Wiedergabe oder gar einer Überspielung auf ein anderes Band führt eine Tracking-Einstellung daher immer zu Störungen, die mitkopiert werden. Solche Spätkorrekturen sollten also weitgehend vermieden werden. Wehe, das Band wurde in Teilstücken auf verschiedenen Geräten bespielt oder die Bandführungsjustage hat sich geändert, dann ist während des Abspielens eine Nachjustage erforderlich. Immerhin weist Blaupunkt eine auf Tracking-Kontrolle umschaltbare Aussteuerungsanzeige auf. Das ermöglicht ein feinfühligeres Arbeiten, meist bevor wirklich eine kritische hörbare Einstellung passiert.
Störungen bei PCM sind selten, doch wenn, dann extrem
Statt der Hochton- und Durchsichtigkeitsverluste und Modulationseffekte der Compactcassette treten hier also möglicherweise vermehrt Störgeräusche auf. Das kann allerdings recht auffällig sein. Es ist gerechtfertigt, hier bereits von einer eingeschränkten Zuverlässigkeit zu sprechen. Allerdings sind die Zuverlässigkeitsprobleme von PCM doch noch ganz anderer Art. Die Störungen bei PCM treten nur selten, dann allerdings recht krass auf (bis zum kurzzeitigen Totalausschalten des Tons). Bei FM-Ton sind die Übergänge weicher. Die Störungen sind häufiger und schwächer.
Und es gibt doch Bandsortenprobleme
Eine geringe Abhängigkeit von der Bandsorte trat in wenigen Fällen auf. Und zwar zeigte das Band bei hoher Aussteuerung deutlich erhöhte Ratterstörungen. Höchstwahrscheinlich hat hier der Videokopf die FM-Tonspur doch zu tief angelöscht, und der Pegelverlust im FM-Ton-Signal erreichte kritische Grenzwerte.
Videorecorder machen "Krach"
Das laute Summen der schnell rotierenden Kopftrommel erzeugt ein deutliches direktes Störgeräusch, störungsarme akustische Aufnahmen im selben Raum sind daher kritisch. Spulenbandfans ereifern sich über die langsame Reaktion auf Laufwerksbefehle und das lange Einfädeln des Bandes. Sie drehen während der Startphase Däumchen. Das Betasystem ist hier allerdings wieder fixer als VHS.
Bei UKW Aufnahmen aufpassen - der 19kHz-Pilotton
Bei Aufnahmen ab UKW-Tuner sind die HiFi-Recorder fast alle auf eine hohe Pilottonunterdrückung im Tuner selbst angewiesen. Aufnahmen von Tunern mit weniger hochwertigen eigenen Filtern oder Seitenbändern um den 19kHz-Pilotton herum bringen das Kompandersystem im HiFi-Videorecorder aus dem Tritt, es arbeitet nicht mehr so rauschfrei. Lediglich Sony verfügt über ein MPX-Filter, das diese Probleme verhindert.
Es kann auch mal rattern
Die Umschaltungen zwischen den beiden FM-Abtastköpfen erzeugen Störungen bei 25Hz (siehe Analyse). Übliche Lautsprecher geben solch niedrige Frequenzen kaum mehr wieder. Jedoch äußern sich die Ratterstörungen auch in einer leichten Modulation anderer Nutztöne. Die Spektrallinien verbreitern sich.
Alles in allem kein Alleskönner
Nicht daß ein HiFi-Videorecorder (also ein preiswerter Home-Recorder) unzumutbar wäre, weil er zu kapriziös arbeitet und Zuverlässigkeit in puncto Störsignalfreiheit vermissen läßt. Das wäre übertrieben. Aber die möglichen Fehler sind ungewohnt und werden (wurden) anfangs nicht beherrscht. Fehler im Klang äußern sich anders und werden ähnlich wie bei den ersten Digitalgeräten nicht so deutlich wahrgenommen. Das Ohr hört sich erst langsam auf die neuen Probleme ein.
Es bleibt dabei: Der HiFi-Videorecorder (mit dem im Gerät eingebauten Digitalton) ist weder ein Ersatz für den Compactcassettenrecorder noch für das Spulenbandgerät und erst recht nicht für gute PCM-Prozessoren.
Er stellt eine sinnvolle Bereicherung der HiFi-Anlage mit ganz besonderen Vorteilen dar (niedrige Bandkosten, lange Aufnahmezeiten), und endlich ermöglicht er dem HiFi-Fan einen akzeptablen Videoton. Das Bild muß nicht mehr krampfhaft herhalten, damit eine Musiksendung bestehen
kann.
Arndt Klingelnberg
In der nächsten Folgo: Die brandheiße Alternative: PCM-Ton auf 8 mm Video