Grundlagen der HiFi-Technik I
Zum Verständnis ist es wichtig, das hier ist der Wissensstand von 1984 bis 1988. Die ganze PCM-Magnetbandtechnik war wenige Jahre danach bereits absolut obsolet. Auch die schwarzen Vinyl-Scheiben mit ihren mechanisch hochkomplexen Plattenspielern wurden von der CD gnadenlos verdrängt. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.
Diese Artikel erschienen einzeln als innen eingeheftete Beilage in fast jeder Ausgabe der stereoplay ab 1984 (die blauen Seiten). Nach dem 56. Artikel gab es 1988 ein Kompendium als Sonderausgabe, in dem alle Artikel komplett enthalten waren.
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Einführung: Die HiFi-Anlage
In der neuen stereoplay-Beilage stellt Diplomphysiker Karl Breh zusammen mit den Ingenieuren Arndt Klingelnberg und Günther Mania die Grundlagen der High-Fidelity so dar, daß der Musikliebhaber zum HiFi-Experten wird, daß aber auch der technisch Orientierte seinen Wissensdurst stillen kann. So harmlos wie diese erste, als Einführung gedachte Folge bleibt die Serie also nicht.
High Fidelity ist im strengsten Sinne gegeben, wenn der von der HiFi-Anlage im Hörraum erzeugte Klang sich vom Original im Aufnahmestudio nur mit Hilfe exakter Messungen unterscheiden läßt, die auftretenden Abweichungen jedoch so gering sind, daß sie unterhalb der Empfindlichkeitsschwelle des menschlichen Gehörs liegen, also nicht mehr oder höchstens durch direkten Vergleich feststellbar sind.
Mit einer Einschränkung
Diese Definition bedarf jedoch einer Einschränkung: Technische Hilfsmittel ermöglichen es heute, den Klang des Originals durch die Aufnahme korrigierend so zu verändern, daß zum Beispiel akustische Unzulänglichkeiten des Aufnahmestudios abgeschwächt und Ausgewogenheit des Klangbildes erreicht werden können.
Um dieser strengen Qualitätsanforderung zu genügen, muß sie jedes einzelne Glied der Übertragungskette erfüllen, alle Geräte und Verfahren also, die an der Übertragung der im Aufnahmestudio produzierten Musik in den privaten Hörraum beteiligt sind: Mikrofone, Regietisch, direkte Rundfunksendung, Aufzeichnung auf Magnetband, zeitversetzte Rundfunksendung, Vervielfältigung auf Schallplatten und MusiCassetten, und schließlich Wiedergabe der Musik durch die HiFi-Anlage.
„Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied" gilt auch für die gesamte Übertragungsanlage und damit auch für denjenigen Teil dieser Kette, dessen Qualität der Konsument selbst bestimmen kann: die HiFi-Anlage zu Hause.
Die Programmquellen
Zu den Programmquellen zählen in chronologischer Reihenfolge ihrer Erfindung der Plattenspieler, der Rundfunkempfänger, das Spulentonbandgerät, der Cassettenrecorder und, seit Anbruch des digitalen Zeitalters, der PCM-Adapter in Verbindung mit einem Videorecorder und der Compact-Disc-Spieler.
Mit Ausnahme des Rundfunkempfängers sind diese Programmquellen alle auf die eine Aufgabe spezialisiert, die auf Tonträger (Schallplatte, Magnetband) aufgezeichnete und gespeicherte Schallinformation abzutasten, auszulesen und, wie auch immer, in analoge, der Musik entsprechende elektrische Signale umzuwandeln, die zur weiteren Verarbeitung dem Verstärker zugeführt werden.
Der Verstärker
Der Verstärker ist die Steuer-, Schalt- und Leistungszentrale der HiFi-Anlage. Von der Funktion her ist er in zwei Komponenten zu unterteilen, die oft auch als getrennte Baueinheiten vorliegen: Entzerrer-Vorverstärker und Endverstärker. Sind beide Komponenten in einer Geräteeinheit zusammengefaßt, spricht man von einem integrierten Verstärker oder einem Vollverstärker.
Im Vorverstärker werden die von den Programmquellen angelieferten elektrischen Signale vorverstärkt. Bei Plattenspieler-Wiedergabe muß durch Absenken der Höhen und Anheben der Bässe der Frequenzgang linearisiert werden. Das geschieht im Entzerrerteil. Eine Ausnahme machen Kristalltonabnehmer, die auch ohne diese Prozedur einen halbwegs geraden Frequenzgang zeigen.
Ein paar Feinheiten
Bei den meisten Verstärkern kann man je nach Aufwand zwei oder gar drei Plattenspieler an niederpegelige Eingänge anschließen. Man nennt sie deshalb niederpegelig, weil Tonabnehmer eine rund einhundertmal kleinere Signalspannung (genannt der Pegel) abgeben als die anderen, hochpegeligen Programmquellen, zu denen übrigens auch der CD-Spieler zählt und die man deshalb auch direkt an manche Endstufen anschließen könnte, brauchte man den Vorverstärker nicht noch aus anderen Gründen.
Er bietet ja neben dem Eingangswahlschalter auch die Steller für die Veränderung der Lautstärke, die Klangsteller zur Anhebung oder Absenkung der Höhen und Bässe, einen Drehknopf oder Schieber für die Stereo-Balance, einen Knopf für das Ein- oder Abschalten der gehörrichtigen Lautstärkeregelung, Höhen- und Baßfilter zur Unterdrückung von Rauschen und Rumpeln sowie eine Buchse für den Anschluß eines Stereo-Kopfhörers.
Am Endverstärker sind im allgemeinen keine Bedienelemente vorhanden. Seine Aufgabe besteht lediglich darin, die vom Vorverstärker angelieferte Signalspannung so zu verstärken, daß die elektrische Leistung mit mehr oder weniger Reserve ausreicht, in den Lautsprecherboxen die elektrische Signalform in die mechanische hörbaren Schalls zurückzuverwandeln.
Lautsprecherboxen
Die Lautsprecher sind die schwierigsten Komponenten der HiFi-Anlage. Im allgemeinen gilt: je baßtüchtiger, um so größer. Ein weiteres Problem liegt in der Tatsache begründet, daß die Qualität von Lautsprecherboxen recht schwer und im Detail eigentlich nur durch direkte Hörvergleiche zu beurteilen ist. Allzu viele Lautsprecher sind keine neutralen Schallwandler, sondern sie steuern dem Klangbild durch Verfärbungen eine ebenso individuelle wie unerwünschte Note bei - trotz der beachtlichen Fortschritte in den zurückliegenden zehn bis fünfzehn Jahren.
In anderen Bereichen der HiFi-Technik, bei Tonabnehmern, Verstärkern, Empfängern, ganz zu schweigen vom Qualitätssprung durch die Erfindung der berührungslos über Laserstrahl abgetasteten Compact-Disc, verlief die Entwicklung halt stürmischer. Als Trost oder als zusätzliches Problem mag man es empfinden, daß das Angebot an Lautsprecherboxen so vielfältig ist, daß, die unvermeidlichen Zugeständnisse einmal vorausgesetzt, sich für jede Geschmacksrichtung und jedes Beschallungsproblem eine geeignete Lösung finden lassen müßte.
Ausbaustufen der HiFi-Anlage
In mindestens zwei Punkten sind HiFi-Anlagen und Modelleisenbahnen vergleichbar: Sie sind in den verschiedensten Ausbaustufen zu betreiben, und sie sind, je größer und raffinierter, desto teurer.
In der HiFi-Vorzeit war es einfach. Da gab es das Trichtergrammophon, dessen Stahlnadel durch große Rillen in Schwingungen versetzt wurde und diese gleich an eine Membran weitergab. Der Trichter, in dessen unmittelbarer Nähe man sich tunlichst aufzuhalten hatte, diente nur dazu, die bescheidenen, von der schwingenden Membran erzeugten Druckschwankungen durch Nutzung des Horneffekts besser abzustrahlen.
Ab dem Ur-Plattenspieler
Das Laufwerk wurde wie eine Uhr aufgezogen. Eine Stahlfeder diente als Energiespeicher. Das war dann aber auch schon die ganze Musikanlage. Da es in technischer Hinsicht nicht allzu viele Freiheitsgrade gab, verlegte sich die schöpferische Phantasie der damaligen Designer ganz auf die Ausformung und Bemalung der Schalltrichter - zur Freude heutiger Antiquitätensammler.
Mit den Fortschritten der Technik entartete das Trichtergrammophon zusehends, bis es schließlich im aufdämmernden Zeitalter der HiFi-Technik die triviale Gestalt eines elektrisch betriebenen Plattenspielers, eines aus der gleichen Energiequelle schöpfenden Verstärkers und - o Graus - einer Lautsprecherbox annahm (die Stereofonie war noch nicht erfunden).
Die einfachste Ausbaustufe
Aus diesen historischen Wurzeln wächst auch heute noch die einfachste Ausbaustufe einer HiFi-Anlage: Plattenspieler, Vollverstärker und zwei Lautsprecherboxen. Die Schallplatte ist nun einmal der älteste Tonträger, wurde sie doch bereits 1887 von Emil Berliner zum Patent angemeldet. Sie ist auch bis auf den heutigen Tag der hochwertigste geblieben, in dieser Eigenschaft neuerdings nur übertroffen von der kleinen silbernen Scheibe, also wieder einer Schallplatte.
Dazu kommt ein Magnetbandgerät
HiFi-Freunde, die sich nicht mit vorgefertigtem Repertoire begnügen, sondern deren eigentliche Lust am Medium darin besteht, musikalische Darbietungen selbst aufzunehmen, sei es im Jazzclub, im Rockkeller, im Hausmusikkreis oder in der Kirche, verfügen auch heute noch über ein halbprofessionelles Spulentonbandgerät und, ergänzend dazu, über einen hochwertigen Cassettenrecorder.
Diese Hobby-Musikproduzenten wollen genauso wie Profis ihre Bänder schneiden. Und cutten kann man halt nur bei Spulentonbändern, und zwar desto präziser, je höher die Geschwindigkeit. Halbwegs professionelles Schneiden ist eigentlich erst ab 38cm/Sekunde möglich, der heute in Rundfunkanstalten üblichen Bandgeschwindigkeit.
Eventuell auch Mikrofone
Wer gute Musikaufnahmen produzieren will, muß über entsprechende Mikrofone und Stative verfügen. Für anspruchsvolle Amateure gibt es heute durchaus erschwingliche Kondensator- oder Elektret- Mikrofone guter Qualität. Diese Mikrofone können auch mit hochwertigen Cassettenrecordern zu ausgezeichneten Aufnahmen führen, nur daß diese eben nicht zu cutten sind. Das Spulentonbandgerät der mittleren und unteren Preisklasse ist inzwischen vom Cassettenrecorder völlig verdrängt worden. Aber auch dem halbprofessionellen Spulentonbandgerät droht Gefahr.
Ein PCM-Adapter und ein Videorecorder
Immer mehr (japanische) Firmen bieten zu immer günstigeren Preisen PCM-Adapter an. Das sind mit ICs vollgestopfte Geräte, die analoge Signale, wie sie vom Mikrofon angeliefert werden, in digitale umwandeln und sie gleich so aufbereiten, daß man sie mit jedem Videorecorder auf Videobänder aufzeichnen kann. Bei der Wiedergabe verwandelt der PCM-Adapter die digitalen Signale in analoge Signale zurück. Der Anschluß dieses höchstwertigen Aufzeichnungssystems erfolgt über den PCM-Adapter an den Tonband-Ein- und -Ausgängen des Verstärkers.
oder ein PCM Kombinationsgerät
Unter der Bezeichnung Digital-Audio-Cassettenrecorder werden vereinzelt auch schon Geräte angeboten, bei denen ein PCM-Adapter mit einem Videorecorder für Audio-Aufnahmen in einer Baueinheit untergebracht ist. Den Recorderteil dieser Geräte kann man für die Aufzeichnung von Fernsehprogrammen nicht verwenden.
Diese digitalen Aufzeichnungssysteme bieten den Vorteil perfekter Klangqualität, aber sie leiden alle noch unter dem Nachteil, daß digitales Schneiden mit sehr großem, für den Amateur unerreichbarem Aufwand verbunden ist. Digitalaufnahmen können vom Amateur eigentlich nur durch Kopieren einigermaßen bearbeitet werden. Gäbe es diese Einschränkung nicht, hätte das halbprofessionelle Spulentonbandgerät noch weitaus geringere Marktchancen.
Anschluß mehrerer Lautsprecher-Gruppen
Die meisten Verstärker bieten heute Anschlußmöglichkeiten für Lautsprechergruppen. Sinn dieser Einrichtung ist nicht etwa nur, daß man von einer HiFi-Anlage aus zwei getrennte Räume beschallen kann. Man kann auch beide Boxenpaare als Frontboxen in ein und demselben Raum verwenden. Das Boxenpaar A weit auseinander, also mit großer Stereobasis, das Boxenpaar B näher beeinander, wodurch sich eine kleinere Stereobasis ergibt.
Bei großsymphonischer Musik oder klanggewaltigem Pop können beide Boxenpaare zum Vorteil des Höreindrucks parallel arbeiten. Hört man jedoch zum Beispiel ein Streichquartett ab, bringt das Paar B eine dem kleinen Klangkörper angemessenere schmalere Stereobasis.
Auch an Verstärker, die mit nur einem Lautsprecherausgang ausgestattet sind, lassen sich durch Parallel- oder Hintereinanderschalten mehrere Lautsprecherboxen je Kanal anschließen. Dabei heißt es allerdings aufpassen, daß die für den Verstärker zulässige Impedanz nicht unterschritten wird. Durch Parallelschalten zweier Boxen gleicher Impedanz halbiert sich die Gesamtimpedanz, durch Hintereinanderschalten verdoppelt sie sich.
Entzerrer oder Equalizer
HiFi-Komponenten zeichnen sich dadurch aus, daß sie alle Frequenzen des Übertragungsbereichs bei der Umwandlung oder Verstärkung gleich behandeln, daß sie also linear arbeiten. Manche Hörräume, die üppig mit schweren Vorhängen, Polstermöbeln und Teppichen ausgestattet sind, schlucken zuviel Höhen: Das Klangbild wirkt ein bißchen stumpf und glanzlos. In einem solchen Fall wird man von der Regel der Linearität abweichen und durch Betätigen der Steller die Höhen verstärken.
Nun gibt es aber das Problem der Eigenresonanzen von Hörräumen, denen man mit Hilfe der Klangsteller am Verstärker nicht beikommt. Dazu müssen schmale Frequenzbereiche, zum Beispiel in der Umgebung von 80 Hertz, stark abgesenkt und andere vielleicht ebenso angehoben werden. Equalizer ermöglichen solche Korrekturen der Akustik von Hörräumen.
Solche Entzerrer unterteilen den Übertragungsbereich von 20 Hertz bis 20 Kilohertz bis zu 20mal. Jeden Teilbereich können sie mehr oder weniger steil anheben oder absenken.
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Ein Muß ist eigentlich das Meßmikrofon
So richtig glücklich machen Equalizer eigentlich nur, wenn die Frequenzen, die sie bearbeiten, innerhalb jedes Teilbereichs verschiebbar sind, damit sich auch wirklich dort korrigieren läßt, wo der Hörraum zuviel wegschluckt oder Resonanzen aufweist. Entzerrer mit festen Eckfrequenzen schaffen dies kaum. Auch ist es ratsam, derartige Korrekturen der Akustik mit Hilfe von Meßmikrofon und Frequenzanalysator durchzuführen.
Bausteinvarianten
Es läßt sich kaum eine Bausteinkombination denken, die es nicht gab oder nicht gibt, etwa Preceiver, aus Empfänger und Vorverstärker zusammengebaut, oder Aktivboxen, Lautsprecher mit eingebauten Endverstärkern, die mehr oder weniger gut auf die Systeme abgestimmt sind.
Der grundsätzliche Nachteil jeder Gerätekombination besteht darin, daß sie komplett zur Reparatur muß, wenn ein Teil ausfällt. Außerdem gilt, daß man sich bei der Verbesserung einer HiFi-Anlage um so leichter tut, je klarer sie in getrennte Komponenten gegliedert ist.
Karl Breh (1989)
hier geparkt : 3 Bildunterschriften
Einfachste Ausbaustufe einer HiFi-Anlage: Plattenspieler 1 mit Tonabnehmer 2, Vollverstärker 3, zwei Lautsprecherboxen 4 und Stereokopfhörer 5.
Höchste Ausbaustufe einer HiFi-Anlage: die Programmquellen Plattenspieler 1 mit Tonabnehmer 2, CD-Spieler 3, Rundfunkempfangsteil (Tuner) 4, Cassettenre-corder 5, Spulentonbandgerät 6; die Steuerzentrale aus Vorverstärker 7 und Equalizer 8; die Leistungszentrale aus Endverstärker 9; Rückverwandler als Lautsprecherboxen 10 oder Stereokopfhörer 11. An den Rundfunkempfangsteil ist die UKW-Richtantenne 12 angeschlossen, die über einen Rotor 13 in jede Himmelsrichtung gedreht werden kann. Der Rotor ist seinerseits über ein Steuergerät 14 von der HiFi-Anlage aus kontrollierbar. An das Spulentonbandgerät und den Cassettenrecorder können je zwei Monomikrofone oder aber Stereomikrofone für Eigenaufnahmen angeschlossen werden.
Alternativen: Für hochwertige Eigenaufnahmen läßt sich das halbprofessionelle Spulentonbandgerät ersetzen durch einen PCM-Adapter mit Videorecorder oder durch einen Digitalrecorder, in dem ein PCM-Adapter und ein nur für das Aufzeichnen digital aufbereiteter Audiosignale geeigneter Videorecorder zusammengefaßt sind.