Grundlagen der HiFi-Technik XII (12) - Verstärker
Zum Verständnis ist es wichtig, das hier ist der Wissensstand von 1984 bis 1988. Die Verstärker-Technik hat danach noch mehrere große Sprünge hingelegt. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.
Diese Artikel erschienen einzeln als innen eingeheftete Beilage in fast jeder Ausgabe der stereoplay ab 1984 (die blauen Seiten). Nach dem 56. Artikel gab es 1988 ein Kompendium als Sonderausgabe, in dem alle Artikel komplett enthalten waren.
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Verstärker - wozu eigentlich?
Würden MM- oder MC-Abtaster .... (das sind "Moving Magnet" und "Moving Coil" Abtast-Techniken für analoge Plattenspieler) .... Lautsprecher ohne Hilfe von Fremdenergie direkt ansteuern, wäre der abgegebene Schalldruck so gering, daß die Musik selbst bei Kopfhörerbetrieb kaum hörbar wäre. Das liegt daran, daß "moderne" Platten-Abtaster - gegenüber ihren früheren mechanischen Kollegen - wesentlich weniger Energie erzeugen und damit abgeben. Der Vorteil neben der deutlich besseren Qualität ist, daß die "wertvolle" ?? (analoge) Schallplatte beim Abtastvorgang kaum noch beschädigt (abgenutzt) wird.
Die vom Tonabnehmer abgegebene elektrische Spannung entspricht in ihrem Zeitverlauf, aber nicht in ihrer Höhe, der Verstärkerausgangsspannung, die am Lautsprecher anliegt. Für die zum Antrieb der Membran nötige Energie muß ein zwischengeschalteter "Verstärker" sorgen.
Wie Verstärker funktionieren .....
Genau genommen ist die Bezeichnung „Verstärker" falsch. Sie gibt nämlich die Funktionsweise des so bezeichneten Gerätes oder Schaltungsteils nicht ganz korrekt wieder.
(Anmerkung: Da bin ich anderer Meinung. Ein Vorverstärker als auch eine Endstufe sind sehr wohl Verstärker.)
Die (sehr geringe) Eingangsspannung des Verstärkers dient als Steuerinformation für die Elektronik. Ähnlich wie der Vergaser oder die Einspritzanlage im Auto der Steuerinformation des Gaspedals folgend dem Motor Energie in Form von Benzin-Luft-Gemisch liefert, so versorgt ein HiFi-Verstärker, vom Eingangssignal gesteuert, den angeschlossenen Verbraucher mit elektrischer Energie (also mit Leistung).
Darum immer der Reihe nach
Der Eingangsschaltung, die eine Steuerinformation bekommt, folgen weitere Stufen, die entweder die Steuerspannungen oder -ströme vergrößern („verstärken"), Widerstandsanpassung betreiben oder Klangkorrekturen zulassen.
Ihnen folgt die Ausgangsstufe, die ein Signal liefert, das im Zeitverlauf dem Eingangssignal entspricht, jedoch wesentlich mehr Energie abgeben kann. Das heißt, der gelieferte Ausgangsstrom, die Ausgangsspannung oder beide sind größer als die entsprechenden Eingangswerte. (Anmerkung: also doch ein Verstärker) Die Ausgangsleistung (Produkt aus Spannung und Strom) ist also auf jeden Fall größer als die Eingangsleistung.
Warum Verstärker rauschen
Wie in Folge 6 beschrieben, rufen nach Vorstellung der Physiker bewegliche Ladungsträger den Strom im Transistor hervor. Durch ständige Generation und Rekombination von positiven und negativen Ladungsträgern stellt sich eine im Mittel konstante fließende Ladungsträgermenge ein, die die Stromstärke bestimmt.
Die genaue Ladungsträgerzahl ist nicht in jedem Augenblick gleich. Es treten ständig geringe Schwankungen um den eigentlichen Mittelwert herum auf, weil Generation und Rekombination nach statistischen Gesetzen ablaufen.
Der Sollwert der Stromstärke im Transistor hängt vom Eingangssignal ab. Die unregelmäßigen Schwankungen überlagern sich diesem Stromstärkesollwert oder dem Ruhestrom, der sich ohne Eingangssignal einstellt. (Anmerkung : Dieser Satz ist unglücklich formuliert.)
Jeder Verstärker rauscht - mehr oder weniger
Das heißt, daß das Ausgangssignal eines Transistorverstärkers mit und ohne verstärktem Eingangssignal noch Rauschen enthält, was natürlich besonders in Musikpausen auffällt (Ruherauschen).
Wie stark eine Transistorschaltung rauscht, hängt unter anderem vom verwendeten Transistortyp ab. Besonders bei der Entwicklung von Phonovorstufen, die mit sehr kleinen Eingangsspannungen arbeiten, kommt es daher auf sorgfältige Halbleiterauswahl an.
Auf Qualität bedachte Hersteller setzen nicht nur von Hause aus sowieso rauscharme Typen ein, sondern selektieren aus einer großen Zahl von solchen Transistoren dieser Typen nochmals die rauschärmsten Exemplare aus.
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Die Meßmethoden von stereoplay - wie wir messen
stereoplay bestimmt bei der Verstärkermessung nicht den Absolutwert der abgegebenen Rauschspannung, sondern den erzielbaren Signal/ Rausch-Abstand. Damit unterschiedliche Verstärkungsfaktoren die Meßergebnisse nicht verfälschen, stellen die stereoplay 'er bei allen Geräten das Lautstärkepoti so ein, daß für eine bestimmte Eingangsspannung immer dieselbe Ausgangsspannung zur Verfügung steht.
Bei Phono-MC beträgt die Eingangsbezugsspannung 0,5 Millivolt (mV), bei MM-Eingängen 5 mV, und für Hochpegeleingänge ist sie auf 0,5 V festgelegt.
Vorverstärkerausgänge müssen unter diesen Bedingungen immer 1 Volt abgeben. Bei Vollverstärkern stellen die Laborleute den Lautstärkeregler so ein, daß am Ausgang die Nennleistung (bei 1% Klirr) an 8 Ohm zur Verfügung steht.
Der Eingang wird "abgeschlossen" - da kommt kein Signal
Dann schließen die stereo-player statt einer Signalquelle erst mal nur Widerstände an den zu messenden Eingängen an. Die Widerstandswerte entsprechen typischen Quellwiderständen, also den Innenwiderständen der Musikquellen, mit denen der betrachtete Eingang im praktischen Betrieb abgeschlossen ist:
Phono-MC: 30 Ohm
Phono-MM: 1 Kiloohm
Aux: 1 Kiloohm
Nun erfolgt die Messung der Ausgangsrauschspannung nach zwei verschiedenen Methoden:
Die Fremdspannungsmessung erfaßt den gesamten Hörfrequenzbereich zwischen 20 Hertz und 20 Kilohertz.
Die Geräuschspannungsmessung bestimmt entsprechend der Ohrempfindlichkeit die Rauschspannung unter leichter Betonung des Frequenzbereichs zwischen 1.000 Hertz und 5,5 Kilohertz und Absenken des Restbereichs.
Die gesuchten Störabstände (englisch: signal/noise ratio, S/N) errechnet der Meßcomputer aus der Ausgangssignalspannung Ua und der gemessenen Rauschspannung Ur nach der Formel:
Formel
Die Einheit ist hierbei das nach dem Amerikaner "Alexander Graham Bell" benannte dimensionslose Dezibel (dB).
Die Logarithmierung und der Faktor 20 sorgen für einen gut abstufenden und dennoch übersichtlichen Bereich zwischen 0 und etwa 120 Dezibel.
Warum Verstärker verzerren
Außer Rauschen produzieren Verstärker noch eine andere Art von Signalverfälschung: nichtlineare (nicht im Eingangssignal enthaltene) Verzerrungen, die sich unter den Oberbegriffen Klirr und Intermodulation zusammenfassen lassen. Lineare Verzerrungen sind demgegenüber erwünschte Frequenzgangveränderungen, bestimmte Frequenzbereiche werden dann - oft gewollt - angehoben oder abgesenkt (Klangkorrektur).
Die Verstärkerausgangsspannung Ua läßt sich aus dem Spannungsverstärkungsfaktor V und der Eingangsspannung Ue berechnen.
Sobald das Produkt V • Ue allerdings größer wird als die durch die Höhe der Betriebsspannung begrenzte Aussteuerbarkeit des Verstärkers, beginnt er zu verzerren.
Ist die Eingangsspannung sinusförmig, dann fehlen der Ausgangsspannung obere, untere oder beide Spitzen des Kurvenverlaufs. Die englische Bezeichnung für derartige Verzerrungen heißt treffend „clipping" (Abschneiden).
Der Verstärker produziert dann zahlreiche Obertöne; ihre Frequenz ist ein ganzzahliges Vielfaches der Signalfrequenz. Der Klirrfaktor K wird für sinusförmige Ansteuerung ermittelt. Er errechnet sich in Prozent aus den Beträgen der Spannungen von Grundton Ug und der Summe der Obertöne Uk zu
Formel
Den Klirrfaktor messen
stereoplay mißt die Übersteuerbarkeit von Verstärkereingängen ebenso wie die Ausgangsleistung von Endstufen bei 1% Klirr (clipping).
Klirr entsteht nicht nur, wenn der Verstärker clippt. Wie Übernahmeverzerrungen Zustandekommen, wurde bereits in Artikel xxx Heft 6 besprochen.
Das Fatale an dieser Verzerrungsart ist, daß die entstehenden Oberwellen besonders stark bei kleiner Aussteuerung, relativ gesehen, ansteigen, weil dann ein großer Anteil des Signals im Übernahmebereich liegt.
Daher sind Übernahmeverzerrungen besonders unangenehm, weil sie genau dann auftreten, wenn die Musik leise ist und minimalste Verzerrungen vom menschlichen Ohr registriert werden, weil sie nicht mehr vom lauten Signal überdeckt werden.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, setzen manche Hersteller statt der üblichen sogenannten A/B-Endstufen reine Klasse-A Endstufen ein. Vom grundsätzlichen Schaltungsaufbau her unterscheiden sich beide nicht wesentlich.
Der Unterschied der Klasse-A Endstufen
Sie entsprechen der in Folge 6 beschriebenen Gegentaktausgangsstufe. Bei der A/B-Endstufe fließt (innerhalb der Endstufe) nur ein im Vergleich zum an die Lautsprecher gelieferten Signalstrom relativ geringer Ruhestrom.
Die komplementären Endtransistoren wechseln sich bei der Lieferung des Ausgangsstromes ab. Der NPN-Typ sorgt für die positiven Halbwellen, der PNP-Transistor liefert die negativen. Die durch die nichtlineare Verstärkung bei kleinen Spannungen (Kennlinienknick) entstehenden
Übernahmeverzerrungen kann der geringe Ruhestrom nur abmildern, jedoch nicht ganz eliminieren. (Das ist in diesem Artikel - Link kommt noch - etwas detailierter beschrieben.)
Klasse-A Endstufen sind dagegen so eingestellt, daß der innerhalb der Endstufe ständig durch beide Endtransistoren fließende Ruhestrom größer ist als der maximal an die Lautsprecher gelieferte Signal-Strom.
Im Detail funktioniert das so :
Die Endtransistoren wechseln sich daher nicht in der Stromführung ab, sondern es findet lediglich eine Schwankung des fließenden Ruhestromes im Takt der Signalfrequenz statt. Übernahmeverzerrungen können daher erst gar nicht entstehen.
(Anmerkung : Das hat etwas mit der Kennlinie zu tun und mit der 0,7 Volt Mindest-Schaltspannung. Wird aber später erläutert.)
Dieser (ineffiziente) Klasse-A Betrieb setzt wegen der großen Hitzeentwicklung infolge des hohen Ruhestromes hoch belastbare Transistoren und große Kühlkörper oder Lüfter voraus. Den Strom muß ein kräftiges Netzteil liefern. Daher ist Klasse-A Technik den teuren Topmodellen oder echten High-End-Geräten vorbehalten.
Über die Nichtlinearitäten der Transistoren
Die Stromverstärkung eines Transistors bleibt nicht über den gesamten Aussteuerbereich konstant. Der Effekt der Vervielfachung von Ladungsträgern (vergleiche Folge 6) läuft unter Einwirkung hoher Spannungen besser ab, als wenn nur geringe Spannungen vorhanden sind. Daher steigt die Stromverstärkung B mit zunehmender Kollektor-Emitter-Spannung leicht an.
Wegen der nicht ganz konstanten Stromverstärkung treten bei Aussteuerung des Transistors mit Wechselspannung Verzerrungen auf, die mit wachsender Amplitude ansteigen.
Bei der Übertragung von Musiksignalen muß der Verstärker ja nicht nur eine Frequenz, sondern mehrere Frequenzen gleichzeitig übertragen. Durch nichtlineare Übertragung im Signalweg entstehen dann nicht nur Oberwellen der Einzelfrequenzen (Klirr), sondern auch Kombmationstöne aus Summe und Differenz der zu übertragenden Frequenzen.
Meßtechniker nennen die Entstehung von Kombinationsfrequenzen Intermodulation. Im Gegensatz zu reinen Oberwellen, die dem Grundton immer im Abstand ganzer Oktaven folgen, können Intermodulationsprodukte völlig "un-"harmonische Töne erzeugen, die den Musikgenuß empfindlich trüben.
Der Intermodulationsfaktor IM wird mit einem Meßsignal aus zwei Frequenzen bestimmt. Die tiefere beträgt beispielsweise 60 Hertz, die höhere 7 Kilohertz. Die Amplitude des tiefen Tones ist normgemäß viermal so groß wie die des hohen Tones. Der Intermodulationsfaktor IM errechnet sich in Prozent aus der Spannung der Kombinationsfrequenzen Uim und der Spannung des 7-Kilohertz-Tones Up zu:
Formel
stereoplay bestimmt sowohl Klirrfaktor als auch Intermodulationsfaktor bei Verstärkern für unterschiedliche Aussteuerung.
Was die Gegenkopplung bewirkt
Wenn keine Maßnahmen zur Linearisierung, also konstantem Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsgröße getroffen werden, können die Verzerrungen so stark werden, daß sie den Musikgenuß empfindlich stören.
Die aufwendigste Linearisierungsmethode besteht darin, die einzelnen Transistoren aufeinanderfolgender Verstärkerstufen so zu selektieren, daß sie spiegelbildlich zueinander verzerren und ihre Fehler sich damit kompensieren. Wie gut das klappt, hängt von der Sorgfalt bei der Selektierung ab. Wegen des hohen Zeit- und Bauteileaufwands bleibt die Linearisierung mittels Selektion High-End-Geräten vorbehalten.
Ein einfacher Weg zur Reduzierung von Klirr und IM heißt Gegenkopplung. Damit bezeichnen Schaltungstechniker einen Kunstgriff, der den Verstärker dazu bringt, seine Fehler weitgehend selbst zu korrigieren.
(Anmerkung: Die Gegenkopplung wird allermeist dafür einegestezt, die üblicherweise sehr hohe Verstärkung der Transitoren der einzelnen gekoppelten Stufen auf das insgesamt gewünschte Maß zu bremsen.)
Das Ganze funktioniert so: Der Verstärker erhält neben dem Nutzsignal, das er verstärken soll, noch einen Teil seiner eigenen im zeitlichen
Verlauf verfälschten (verzerrten) Ausgangsspannung von hinten zurück als Eingangssignal zugemischt. Dieser invertrierte Spannungsanteil überlagert sich der Eingangsspannung; diese wird damit - bildlich ausgedrückt - gegensinnig vorverzerrt, das Ausgangssignal ist dann sauberer.
Auf diese Weise kompensiert der gegengekoppelte Verstärker bis zu einem gewissen Grad am Ende die von ihm selbst produzierten Verzerrungen.
Die Tücken der TIM-Verzerrungen
Wenn ein Verstärker sehr steilflankige Impulse (Klavieranschläge) wiedergeben soll, dann kann es bei besonders kritischen Passagen vorkommen, daß eine der an der Verstärkung beteiligten Stufen nicht schnell genug reagiert und deshalb der Signalkurvenform nicht exakt folgt. Die dadurch entstehenden Verzerrungen heißen dynamische Verzerrungen. Sie entstehen hauptsächlich dann, wenn in der Schaltung enthaltene Kondensatoren schnell umgeladen werden müssen, die betreffende Stufe aber den dazu nötigen Strom nicht liefern kann, oder wenn die Transistorbasiszone dermaßen von Ladungsträgern überschwemmt ist, daß sie bei wechselnder Stromrichtung nicht schnell genug abfließen können. Der Transistor verhält sich dann ähnlich wie ein Kondensator.
Gegen diese Art von Verzerrungen ist auch die Gegenkopplung machtlos, weil sie ja nur dann korrigierend eingreifen kann, wenn die Verstärkerschaltung schnell genug die Signale übertragen kann.
Günther Mania
Amerkung: Das bedeutet, daß die Transistoren und Verstärkerstufen viel höhere Frequenzen transportieren können müssen, als für das eigentliche Audiosignal erforderlich wären.
In der nächsten Folge: Mit welchen Tricks Entwickler guten Klang erzielen, wie Phonoentzerrer arbeiten.