stereoplay Kompendium 1988 - "Grundlagen der HiFi-Technik"
Es müsste aber "Grundlagen der Digitaltechnik" heißen.
von Gert Redlich im Januar 2014 - Unter der Chefredaktion von Karl Breh wurden ab 1984 bis etwa 1988 in jede Ausgabe der stereoplay so ziemlich in der Mitte blaue Seiten mit Grundlagen-Wissen eingeklebt. Diese Seiten wurde später nach Abschluß der ganzen Artikel in einem Kompendium zusammengefaßt. Nach meiner Meinung sind diese Artikel hier nicht Hifi spezifisch sondern allgemeine akustische Grundlagen. Einige Artikel verlangen volle Aufmerksamkeit und gezieltes "Verstehen Wollen" für diese hochkomplexe Materie. Die einzelnen Verfasser haben sich dennoch bemüht, immer wieder mit plausiblen Beispielen nachzuhelfen. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.
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Grundlagen der HiFi-Technik XX (20)
Wie funktioniert die Digitaltechnik - Teil 1 - eine Einführung
Hinter der so vielgefürchteten und bewunderten digitalen Computertechnik verbirgt sich eigentlich nur dumme Technik, allerdings davon recht viel. Rechnet ein digitaler Baustein 1 und 1 zusammen, so ergibt das 0. Das erscheint falsch, aber genau betrachtet fehlt hier nur der Übertrag. Das Ergebnis lautet exakt 10, was als Dualzahl der Dezimalzahl 2 entspricht.
Auf den ersten Blick recht primitiv mit "Null" und "Eins"
Digitale Bausteine (von Ausnahmen abgesehen) können nur mit den zwei Werten Null und Eins umgehen. Unsere üblichen Zahlen codiert der Computer erst anhand einer eingebauten Tabelle in eine Folge von Nullen und Einsen um, rechnet dann und wandelt schließlich wieder die „... 01001110000101110 ..." in lesbare Dezimalzahlen zurück. Und nur weil von den Transistoren so viele im Computer vorhanden sind und weil sie mehrmillionenfach in der Sekunde Einsen addieren, rechnet der Computer - entsprechend programmiert - dann doch alles Gewünschte blitzartig aus.
Mit den vielen Nullen doch etwas komplex
Der Technik erscheint ein verschlungenes Schriftzeichen viel zu kompliziert. Eindeutige Unterschiede, wie Spannung high oder low oder Loch im Streifen gestanzt oder nicht, können technisch sicher beherrscht werden. Bei der Compact Disc liegt die Information in mikroskopischen Erhebungen auf der Spiegelfläche. Der Laser fragt ab, ob eine Erhebung „vorbeifliegt" oder der Strahl gerade von der Plattengrundebene reflektiert wird.
Der Fernschreiber hat nur fünf Nullen oder Einsen
Während der Fernschreiber mit fünf Nullen oder Einsen (Löchern) im Lochstreifen auskommt, nutzt der Computer achtstellige Codes, dafür schreibt er auch klein und groß, liefert problemlos „ö's" und „ü's" und viele Sonderzeichen vom # bis zum ß, und wenn lange genug auf der Tastatur „Klavier" gespielt wurde, spuckt er auch solche Berichte wie diesen hier in seiner Funktion als Textverarbeitungsmaschine aus. Eine fünfstellige Dualzahl kann 25 Zustände darstellen, also 32 unterschiedliche Werte, acht Stellen ergeben 28, also 256 Möglichkeiten.
Bitte 8 bit (nicht immer nur eins!)
Eine duale Information ist 1 bit, acht davon heißen ein Byte und stehen im Normalfall für ein Schriftzeichen. Verwechslungen sind üblich. Der Computer codiert ein „i" mit 0 1001 und ein „y" mit 1 1001. Setzt er ein Bit falsch, so wird aus dem Byte ein Bite.
Eine HiFi-Musikaufzeichnung benötigt für die Zahlendarstellung mindestens 14 bit. 16 bit sind üblich, und von einer 18-bit-Aufzeichnungsmöglichkeit träumen Studioleute.
Zahl(en)meister - jetzt wird es kompliziert
Binär
Darstellung der digitalen Werte (Zahlen) durch eine zweiwertige Logik bzw. zwei verschiedene Zustände: 1/0, high/low, true/ false.
Dual
Bedeutet auf der Zahl 2 basierend (duales Zahlensystem, im Gegensatz zum gebräuchlichen Dezimalsystem). Die fast immer binäre Arbeitsweise von Digitalschaltkreisen führt fast zwangsläufig auf eine (interne) Zahlenverarbeitung im Dualsystem. (Wird jedoch jede Dezimalziffer getrennt dual codiert, so heißt das binär codierte Dezimalzahl = BCD.) Duale Zahlen im Vergleich zu Dezimalzahlen:
Etwas für Mathematiker, (kann man überlesen)
Dezimal
123 = 1 • 10 hoch2 + 2 • 10 hoch1 + 3 • 10°
Dual
101 = 1 • 2 hoch2 + 0 • 2!(Fakultät) + l -2°
Eine Dualzahl läßt sich in eine Dezimalzahl wandeln, indem die kleinste Stelle (ganz rechts) mal 1 genommen wird, die zweitkleinste Stelle wird mit 2 multipliziert und die nächstfolgenden mit 4; 8; 16; 32 . . .
Wie bei der Dezimalzahl stehen die Stellen für Gewichtungen von Potenzen der Zahlenbasis (hier aber 2 statt 10). Das ist unübersichtlich. Computertechniker können sich auf den Bereich von 0 bis 255 beschränken und verwenden zur Wandlung Rechner oder Tabellen, etwas leichter fällt das Hexadezimalsystem (siehe unten).
Ein mehrfacher Versuch, durch 2 zu teilen, erlaubt die Umwandlung von Dezimalzahlen: Bleibt ein Rest (von 1), so wird eine „1" für jede Division (von rechts beginnend) niedergeschrieben, ohne Rest eine „0".
Auf das Beispiel möchte ich hier verzichten !!
Negative Zahlen im Dualsystem
Direkt stellt das Dualsystem nur positive ganze Zahlen dar. Sollen beide Vorzeichen möglich sein, so bleibt im positiven Bereich nur noch der halbe Zahlenvorrat übrig.
Ternär
Digitale Signalverarbeitung mit dreiwertiger Logik (z.B. + /0/ -), selten verwendet, jedoch dort sinnvoll, wo nur ein gleichspannungsfreies Signal übertragen werden kann.
Dezimal
In grauer Vorzeit wurde im Nahen Osten das Zehnersystem entwickelt, wahrscheinlich auf den zehn Fingern basierend. Genausogut hätte es auch ein 5er System werden können. 4 bis 5 Teile kann der Mensch noch gut erfassen, ohne sie eigentlich abzählen zu müssen. Die Zahlenbasis 5 wäre also gar vorteilhaft gewesen.
Sedezimal (hexadezimal)
Auf der Basis 16 aufbauend, fast immer hexadezimal genannt, was aber ein Mischmasch aus Griechisch und Lateinisch ist. In diesem Zahlensystem denken die Computer-Hacker. Die Zahlen 0 bis 9 werden wie gewohnt verwendet, an Stelle der zweistelligen Dezimalwerte 10 bis 15 gelten hier jedoch die Buchstaben A bis F als Ziffernersatz. Ein Byte wird durch zwei „hex"-Zeichen gebildet.
Dieses Zahlensystem ist mit dem Dualsystem stark verwandt, aber für Menschen übersichtlicher zu handhaben als endlose Schlangen aus Einsen und Nullen. (Früher gab es auch noch das oktale System auf der Basis 8.)
bit (binary digit)
Kleinste digitale (bzw. logische) Informationseinheit. Sie kann zwei binäre Zustände annehmen.
bit-Anzahl
Bei PCM spricht man z.B. von 14- oder 16-bit-Systemen. Je mehr bit zur Darstellung eines Datenwertes zur Verfügung stehen, desto genauer kann der Wert digital dargestellt werden, desto feiner ist die Auflösung bei der Quantisierung, die Stufung zwischen den digitalen Werten wird kleiner.
Eine höhere bit-Zahl bedeutet eine erhöhte Dynamik und ein geringeres Quantisierungsgeräusch. Eine höhere bit-Anzahl erfordert höhere Kosten für A/D- und D/A-Wandler sowie alle anderen Schaltungen, wie auch erhöhten Speicherplatz (Bandverbrauch usw.).
Aus dem Computerbereich:
1 Byte = 8 bit. Bei Abkürzungen heißt ein großes B immer Byte.
Kopieren, ob schwarz oder weiß, legal oder als Pirat
Der wohl wichtigste Vorteil von Digitalaufzeichnungen besteht in ihrer uneingeschränkten Kopierbarkeit. Gegenüber der nicht zu vernachlässigenden Qualitätsverschlechterung bei der Überspielung von Analogbändern erlaubt PCM durch die dazwischengeschaltete Fehlerkorrektur Kopien, die im Idealfall sogar eine geringere Fehlerhäufigkeit als das Original haben. Da immer einige wenige unkorrigierbare Fehler vorhanden sind, kann dann allerdings doch eine (minimale) Verschlechterung eintreten. Das Kopieren von PCM-Aufnahmen ohne Fehlerkorrektur ist nicht zu empfehlen (im Videoformat möglich), da sich hierdurch die Fehlerhäufigkeit drastisch erhöht und zum vollständigen Ausfall des Systems führen kann (Muting).
Bei "analog" geht soetwas nicht
Im professionellen analogen Bereich wird durch mehrfaches Überspielen, bevor die endgültige Schallkonserve erstellt wird, einiges an Verschlechterung hingenommen. Erst die Digitaltechnik hat auch im analogen Bereich die Verschlechterung durch die ungehemmte Kopierlust deutlich gemacht.
Das allererste Originalband (meist ein 8- oder 16- pder 24 Spur Master) muß gar nicht soviel schlechter sein als eine Digitalaufnahme, zumindest was den Rauschabstand betrifft.
14 bit Quantisierung ginge genau bis "82.- DM"
16-bit-Datenwörter können einen Zahlenbereich von 65.536 abdecken (2 hoch16). Wechselspannung bedingt, daß auch negative Größen erfaßt werden müssen, es können also ganze Zahlen von -32.768 bis + 32.767 dargestellt werden.
Einen Buchhalter würde ein 16bit Datenwort noch nicht zufriedenstellen. Bei einer Genauigkeit von 1 Pfennig könnte er gerade noch 320DM genau verbuchen. Ständen nur 14 bit zur Verfügung, so erfolgt die Buchung entweder nur noch in Stufungen von 4 Pfennig, oder der Wertebereich hört bereits bei 8.192 Pfennigen entsprechend ungefähr 82 DM auf.
Die Daten müssen auch transportiert werden
Da für Super-HiFi 16 bit 44.000mal in der Sekunde in Stereo mit 50% Redundanz gespeichert werden müssen, ergibt das einen Datenstrom von: 16 x 44.000 x 2 x 1,5 bit = 2,1 Megabit je Sekunde.
Das sind in der Computereinheit Byte 260 Kilobyte je Sekunde. Ein Heimcomputer mit 64KB ist dann in einer Viertelsekunde voll, eine Diskette in knapp einer Sekunde.
Selbst ein Bürocomputer mit einer 10 Megabyte fassenden Hard-Disk- oder Winchester-Speichereinheit würde gerade 38 Sekunden Stereomusik verkraften.
Da verwundert es um so mehr, daß eine Compact Disc 1 Gigabyte (oder später mal 8 Gigabit) Musikdaten speichern kann, ein 8-Stunden PCM-Pseudovideoband kommt übrigens auf 8 Gigabyte (oder 64 Gigabit), für Computerleute eine Zahl zum Träumen.
(Anmerkung: Das sind natürlich auch uralte Werte und Größen aus 1986, die längst zum uralten Eisen gehören.)
Arndt Klingelnberg
In der nächsten Folge: Aufnahmepraxis analog, digital, HiFi-Video
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