Die Hifi-Box Grundig 706M - fast baugleich mit der 706 Prisma
von Gert Redlich im März 2017 - Durch Zufall sind bei uns im Feb. 2017 zwei recht große Hifi-Regalboxen 706 aus 1975 eingelandet. Die 706M ist nicht identisch mit der 706B.
Es sind die angeblich extrem raren und angeblich sogar High-End Boxen, die im Ebay von irgendwelchen irren Gauklern in allerhöchste "Sphären" hoch gelobt werden, die mit der Realität nichts - aber auch gar nichts - gemeinsam haben.
Und selten sind diese 3-Wege Boxen erst recht nicht und dann klingen diese Boxen nicht mal. Der marktschreierische und leicht blöde Spruch : "Diese Boxen sind sehr selten am Markt zu bekommen und von Kennern gesucht." entbehrt jeder Wahrheit.
Hifi-Kenner lassen sofort die Finger davon, es sei denn, sie wollen auch noch mal die volle-Pulle Belastbarkeit solcher Boxen mit einem 2x250 Watt Verstärker prüfen, sogar auf die Gefahr hin, daß alle drei Chassis bzw. alle 6 Chassis komplett abrauchen und sie die beiden Kisten dann entsorgen.
Die 706 Audioprisma Box kam etwas später (nach- geschoben), als die Optik in Richtung "besonders cool und richtig Disco" aufgehübscht werden "mußte". Die Bestückung, das Volumen und das Gewicht sind in etwa gleich.
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Die Grundig 706M sind ganz normale Hifi-Boxen aus dem Grundig Baukasten
Bei Grundig wurden seit Anbeginn jede Größe und Qualität von Lautsprecherchassis im eigenen Werk in riesigen Mengen hergestellt. Durch diese Großserien-Fertigung war Grundig in der Lage, auch die für deutsche Standard-Wohnzimmer akzeptablen Hifi-Boxen (nach DIN 45.500) zu damals erstaunlich niedrigen Preisen anbieten zu können.
Doch die maximal mittelmäßige Wiedergabe-Qualität hängt ja nicht nur von den verbauten Chassis ab, auch die Frequenzweiche und die Abstimmung der Chassis untereinander samt der Art des Gehäuses spielen für den angenehmen Klang eine große Rolle. Außerdem legte Max Grundig als Chef großen Wert darauf, daß der Sound auch ihm gefallen mußte.
Rückblickend waren die ganzen Grundig Hifi-Boxen vor 1979 (so gut wie alle) gerade mal akustisches Mittelmaß, egal was die ebay-Indianer versuchen, dort hinein zu interpretieren. Beim Preis-Leistungsverhältnis waren sie jedoch absolut brilliant - damals jedenfalls.
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Der (Straßen-) Neupreis (UVP 550.-) lag sogar unter DM 450.- pro Box
und auch für das Modell "706 Audioprisma", eine nur optisch aufgehübschte Version der 706M.
Die 706M war die größte Box des damaligen ganzen Grundig-Angebotes und wurde um 1974/1975 ausgeliefert. Die gefällige Optik mit den grundeten Ecken war gerade wieder mal modern und die graue-silberne Bespannung auch. Das Gehäuse ist in Großserien-Manier zusammen getackert und verleimt und mit Folie beschichtet worden.
Das ehemals 10m lange Lautsprecherkabel ist zwar nur 0,75mm² stark, zumindest aber "feinst-"adrige Litze, es ist an der Boxenseite aber (innen) fest angeschlossen. Das Erfühlen der ganz "dezent" gekennzeichneten (+) Ader ist sehr mühsam, denn der DIN Lautsprecherstecker war bei uns bereits abgeschnitten.
Auch der kleine Durchführungsnippel auf der Rückseite ist sehr ungeschickt gestaltet. Stehen die Boxen ganz dicht an einer Wand (oder liegen sie etwa beim Transport mal auf dem Rücken), knicken die Kabel genau an dieser Stelle sehr sehr stark ab und irgendwann brechen die Adern innen dann doch - das wars dann auch. Das Gehäuse geht nur von vorne über das Bass-Chassis "zu öffnen".
Die Verarbeitung - gemeint ist die Schallwand hinter den Kulissen - ist typisch Großserie, - also es funktioniert, aber nichts weiter.
Halt,
doch, es gibt da etwas bemerkenswert Wertiges und Wichtiges bei der Befestigung der 3 Chassis auf dieser Grundig-Schallwand.
Das Bass-Chassis ist mit 4 robusten, von innen durch die Schallwand durchgesteckten Gewindeschrauben massiv befestigt.
Und auch der Mitteltöner ist vierfach mit etwas kleineren Schrauben massiv verschraubt.
Selbst der Hochtöner ist mit 4 etwas dünneren Gewindeschrauben und Einschlagmuttern von innen unter der Öffnung fest verschraubt.
Die Chassis sind mit einer dauerelastischen Teer-Pampe perfekt und vor allem "großzügig" eingedichtet, die heute fast noch genauso penetrant und eklig an den Fingern klebt und bappt wie vor 45 Jahren.
Das muß man aber ernsthaft positiv sehen, auch wenn es für uns eklig scheint. Bei den allermeisten Boxen jeglicher Preislage ist diese Dichtmasse ausgehärtet und zerstört beim Abnehmen / Demontieren der Chassis das Gehäuse.
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Für die maximale Belastbarkeit ist meist das Bass-Chassis zuständig. Hier ist ein 20cm Bass mit einer sehr dicken stabilen leicht exponentiell geformten Papp- Membrane und einer wulstigen dicken Gummisicke eingebaut, sowie mit einer 38mm Schwingspule mit einem gelochten ALU-Spulenkörper. Das ist schon recht ordentlich. Dennoch, auch diese (angeblich) 50 Watt Schwingspule kann man killen, was hier bewiesen wurde.
Der Membrankorb ist aus 1,4mm verzinktem Stahlblech gestanzt und gezogen (so nennt man das plastische Ziehen eines Stückes Blech) und absolut verwindungssteif. Ich konnte das ausprobieren, weil ja ein Bass-Chassis sowieso irreparabel ist.
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Nochmal einen Blick auf die Windungen
Betrachten Sie die beiden grünen Pfeile. Das sind die beiden Zuleitungsdrähte, also hier kommt der Strom vom Verstärker an - und natürlich mit der vollen Spannung. (Die Hälfte der äußeren Wicklung ist zur besseren Darstelllung bereits von unten nach oben abgewickelt.) Also etwa am unteren grünen Pfeil liegt an den beiden direkt übereinander liegenden Zuleitungen die volle Verstärkerspannung an, wenn Sie mal so richtig Gas geben. Das könnten durchaus Spitzenwerte von 120 Volt sein, beim Bose 1800 Kraftverstärker noch mehr. Ist die Spule / die Wicklung durch längere Konzertlautstärke bereits deutlich aufgeheizt, kann das dann den Kurzschluß (so wie hier) hervorrufen, wenn die Isolation wegschmilzt.
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Dieses Chassis ist total "überpowert" worden
Vermutlich sind beide Boxen bis zum "geht nicht mehr" gepowert worden. Der Aufkleber zeigt zwar die Nennbelastbarkeit der ganzen Box mit 50 Watt an, doch die 38mm Schwingspule muß diese (Wärme-) Leistung ja irgendwie über die Luft nach draußen ableiten.
Und mit einem aktuellen ganz gewöhnlichen 100 Watt Verstärker, der ja leistungsmäßig heutzutage ganz normal ist, damals 1975 aber die Ausnahme war, ist die Box (oder die Boxen) nach der ersten Wumm-Bumm Party hin, einfach hin.
Auch ungewöhnlich ist, daß diese Bass-Schwingspule auf dem Spulenkörper zweilagig gewickelt war. Das hatte natürlich ab einer gewissen Temperatur "durchschlagenden" Erfolg, im wahrsten Sinne des Wortes. Man spricht dann von Spannungsüberschlägen, wenn der Isolierlack durch Erhitzung aufweicht und sich zwei Windungen berühren, wie bei unserem defekten Chassis.
Andere Hersteller haben da einlagig (also nur mit einer Lage) mit entsprechend dickerem Rund-Draht gearbeitet und sogar - wie zum Beispiel bei der Bose 901 und Magnat - den rechteckigen Flachdraht hochkant gewickelt. Also diese Bose-Konzeption verträgt eine Menge an Power.
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Da ja nur noch eine Box geht, hier der Vergleich mit einer BRAUN L710
Die Klangqualität unseres Exemplars ist sehr bescheiden, der Klang der auch nicht mehr so berauschenden BRAUN L710 klingt freier und angenehmer. Beide Boxen (Grundig und BRAUN) können aber nicht mal annähernd mit modernen Entwicklungen aus der Zeit nach dem Jahr 2000 mithalten. Ein ebay Preis von 50 bis 80 Euro pro Paar, wenn sie denn überhaupt noch in Ordnung sind, ist bereits grenzwertig. Bei unserem Geschenk ist eine Bass-Schwingspule bereits verbrotzelt, die andere wird innen sicher auch schon leicht angebrannt sein.
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Noch ein Blick auf und in das Gehäuse
Wie oben geschrieben, wurden bei Grundig nur "große" Serien aufs Band gebracht. Wobei "groß" für unsere deutschen Maßstäbe sprach. Also unter 4.000 oder gar 8.000 Stück wurde bei den Boxen gar nicht erst angefangen. In der Lautsprecher- fabrik wußte man genau, welche Chassis in welcher Type eingebaut waren und was gerade in der Boxen-Produktion an der Reihe war. Dort wurde in 10.000 Stück und aufwärts gedacht. Natürlich hatten diese Stückzahlen einen Einfluß auf den Preis und die Grundig Kaufleute kalkulierten knallhart.
Auch die Gehäuse wurde in der Boxenfabrik "optimiert" gefertigt, also in großen Stückzahlen. Und da mußte es schnell gehen. Die Rohteile sind quasi Faltschachteln, deren Knickecken rechtwinklig ausgefräst waren und in die nur noch der Kleber reingespritzt wurde. Dann wurde das Gehäuse zugeklappt und der Deckel, in unserem Fall die Schallwand, kam drauf - fertig.
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Auch bemerkenswert - die Füllung
Die Grundig Box ist mit "nicht kitzelnder" Putzwolle voll gestopft, während die Telefunken Box TL 800 mit kitzelnder Mineralfaser-Glas-Wolle voll ist bis oben hin. Also beide Boxen sind dicht mit Füllmaterial / Dämpfungsmaterial ausgefüllt.
Während die Grundig Box genau in der Mitte eine senkrechte Versteifung eingeleimt bekommen hatte, ist die Telefunken Box ein ganz normaler hölzerner "klingender" Holzkasten.
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..... und noch etwas Besonderes .....
Über dem Anschlußkabel hat diese Grundig 706M noch eine Lautsprecher- DIN-Buchse mit einer internen automatischen Abschaltung vermutlich des Hochtöners, wenn ein externer rundumstrahlender Hochtöner (Grundig- Kugelstrahler) eingesteckt wird.
Das sind natürlich im Laufe der Jahre alles Fehlerquellen, wenn diese Kontakte korrodieren und der eingebaute Hochtöner nicht mehr voll angesteuert wird. Diese Buchse mit dem Schaltkontakt läßt sich auch nur aus dem Gehäuse herausbrechen. Reparieren ist da nicht möglich.
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Das sind die Gründe,
warum diese beiden Boxen verschrottet werden.
Nachdem diese Eigenschaft auch noch heraus kam, und daß ein Bass-Chassis sowieso verschmort war, ist es die Mühe nicht wert, diese Boxen aus 1974 am Leben zu erhalten.
Und das, obwohl die Frequenzweiche im Vergleich zu amerikanischen Lautsprechern dieser Zeit recht aufwendig gemacht war.
Bei der Frequenzweiche sieht man dazu auf Anhieb, daß das massive Montageblech mit den drei Trafos/Spulen professionell vergossen ist.
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