Der Chef und Motor der Firma stirbt an einem Herzinfarkt
Das war und ist für eine von einem Mann geführte Firme beinahe eine Katstrophe, wenn er nicht zwei Söhne gehabt hätte, die sich miteinander verstanden und verstehen.
Aber lesen Sie selbst, wie es 1951 aussah:
1/1951 - November/ Dezember
BRAUN BETRIEBSSPIEGEL - Unsere Werksnachrichten
Unser Chef
Am 6. November 1951 ist der Mann gestorben, dem unser Betrieb Dasein und Bedeutung verdankt.
Nach den Schuljahren ging der ostpreußische Bauernsohn Max Braun aus dem stillen Dorf in die Welt. Es waren viele Brüder zu Hause. Er war der Jüngste und besaß das, was er auf dem Leibe trug.
Die harte Schlosserlehre war nur unterbrochen von den kurzen Monaten, in denen der Lehrling mit seiner Dreschmaschine bei den Bauern arbeitete. Das waren seine schönsten und unbeschwertesten Tage.
Der junge Schlossergeselle wurde von den Großstädten angezogen. In Hamburg baute er mit am großen Eibtunnel. In Berlin folgten Jahre weiterer Ausbildung. Die alten, sauber geführten Hefte zeugen von abertausend Abendstunden, in denen Max Braun Ingenieur-Rüstzeug erwarb. Gleichzeitig bemühte sich der Zwanzigjährige um gutes kaufmännisches Wissen und lernte die engliche Sprache beherrschen.
Den ersten Weltkrieg erlebte er als Pionier an der Westfront und als Ingenieur in großen Berliner Betrieben. Bald nach dem Kriege verschlug es ihn nach Frankfurt am Main, in die Stadt, in der der Maschinenschlossermeister aus kleinsten Anfängen heraus, mit unglaublicher Zähigkeit, ganz auf sich allein gestellt, seine Lebensarbeit begann.
Eiserne Sparsamkeit und rastlose Arbeit zwangen den steilen Weg. Oft enttäuscht, verschlossen, hart gegen sich selbst und gegen andere, schritt er voran, das Ziel vor Augen, seine Erzeugnisse auf den großen Märkten der Welt bestehen zu sehen. Es war sein Stolz, zu wissen, daß seine Auslandstätigkeit mehr und mehr Güterzüge nach Deutschland zurückfließen ließ.
Wenn wir versuchen, nur diesen Teil seiner Leistungen zu schätzen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß unser Chef Fertigerzeugnisse seiner eigenen Ideen und Konstruktionen im Werte von ungefähr 20.000.000 Mark allen Schwierigkeiten zum Trotz im Auslande absetzen konnte. - Dieser Erfolg des Einzelkaufmanns Max Braun kann am besten begriffen werden, wenn man sich vorstellt, daß dadurch etwa 5.000 Güterwagen Brotgetreide eingeführt werden konnten (das sind etwa 3 Ztr. pro Kopf der Frankfurter Bevölkerung) und daß ein Betrieb dasteht, der immer mehr hochwertige Exportgüter herstellen kann.
Wenn man mit diesen und allen anderen Leistungen vergleicht, was unser Chef für sich beanspruchte und verbrauchte - es war nicht mehr als das, das ein hochqualifizierter Angestellter für sich in Anspruch nimmt - dann muß jeder bestätigen: Max Braun hat viel gegeben und wenig genommen.
Zu den bittersten Erinnerungen seiner letzten Tage gehörte es, daß er an einem Morgen vor seinem Werkstor von fremden unwissenden Männern ausgepfiffen wurde, in den Tagen des für uns alle so unglücklichen Streiks.
Max Braun war Zeit seines Lebens Arbeiter. Wenn ihn das Schicksal auch zu früh gerufen hat, so war es doch gnädig, denn es ließ den großen Mann ohne schreckhafte Drohung und ohne Qualen in seinem neuen und größer aufgebauten Betrieb sterben, die fertigen Unterlagen seiner letzten Ideen in der Hand, nach deren Ausarbeitung er vorhatte, sich etwas auszuruhen.
Die Geschäftsleitung schreibt:
Arbeitet mit
Das Schicksal hat unseren Betrieb plötzlich und unerwartet vor schwere Aufgaben gestellt. Unser verstorbener Chef war gleichzeitig genialer Erfinder, Industriekaufmann, Konstrukteur, Exportfachmann und ein Fertigungs-Ingenieur, der jeden Arbeitsgang im Betrieb beherrschte. Heute fehlt dieser wahrhaft unersetzliche Mann.
Jeder von uns weiß, wie es in diesem Jahr in der Rundfunk-Wirtschaft aussieht. Die Preise sind laufend stark gefallen, und sind bereits, wie bei keiner anderen Ware, auf Friedensstand gesunken. Trotzdem bestehen nach wie vor ernste Absatz-Schwierigkeiten. Es ist jedem klar, daß sich diese Absatzsorgen nicht in den nächsten Monaten mildern können. Im Gegenteil!
Das Fernsehen kommt in absehbarer Zeit, und viele Käufer warten aus diesem Grunde, wenn auch aus falscher Überlegung, mit dem Kauf eines Rundfunk-Gerätes.
Wir haben es allein unserem entschlafenen Chef zu verdanken, daß wir in unser Fabrikations-Programm rechtzeitig Artikel aufgenommen haben, die uns die schwierige Situation in diesem Jahr überbrücken halfen und die uns im In- und Auslande gute Absatz-Möglichkeiten eröffnen. Auch in Zukunft können uns die neuen Artikel dazu verhelfen, den Anschluß an das Fernsehgeräte-Programm zu finden.
Unser Vorhaben setzt jedoch voraus, daß jeder an der Stelle, an der er steht, seinen Platz voll ausfüllt. Wenn alle Augen im Betrieb wachen, wenn alle Gehirne mitüberlegen, wie wir immer wirtschaftlicher, besser und rationeller arbeiten können, dann kann unser verstorbener Chef in Frieden schlafen. Wir wollen gemeinsam unser Versprechen einlösen, das die Vertreter aller Betriebsangehörigen am offenen Grabe gegeben haben.
Wir werden in gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamer harter Arbeit das begonnene große Werk erhalten und weiterführen.
Artur Braun - Erwin Braun - Wilhelm Wiegand
Die Arbeitnehmervertretung schreibt:
Da diese Zeilen geschrieben werden, hat jeder einzelne Angehörige unseres Betriebes alle Hände voll zu tun, um den Anforderungen der Hochsaison gerecht werden zu können. Der erhöhte Arbeitsanfall dieser Tage mag vielleicht manchmal dazu verleiten, die Schwierigkeiten in der Rundfunkbranche zu vergessen, denen wir entgegensehen müssen. Daß gerade in dieser Situation unser Chef mitten aus seinem arbeitsreichen Leben herausgerissen wurde, macht den unersetzlichen Verlust besonders schmerzlich.
Jeder Angehörige unseres Betriebes ist sich wohl darüber klar, daß das große Werk unseres Chefs fortgesetzt werden muß. Nun gilt es, die Versprechen, die im Namen der Belegschaft abgegeben wurden, in die Tat umzusetzen. Persönlicher und intensiver Arbeitseinsatz ist erforderlich, um wirklich die vor uns liegenden Aufgaben meistern zu können.
Noch ein anderer Wunsch ist ausgesprochen worden: daß die Zusammenarbeit zwischen Betriebsleitung und Arbeitnehmervertretung und allen Werksmitgliedern sich fruchtbar gestalten möge. Dies setzt gegenseitiges Verständnis und den Willen zur Zusammenarbeit voraus. So wird sich mit der Zeit eine echte Werksgemeinschaft herausbilden, die dann auch in der Lage ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden.
Laßt uns gemeinsam an's Werk gehen!
Für die Arbeitnehmervertretung:
Hans Hörn - Ernst Gerhardt