Hier finden Sie Presseartikel oder Presse-Infos aus und über die Firma Braun AG bis etwa 1991 samt Kommentaren.
Über die Zeit bis zum Ende der Hifi-Sparte Anfang 1991 gibt es viele Geschichten. Einige sind "wahr" oder "aufgehübscht" oder gar "falsch", manche sogar böse. Bilden Sie sich einfach Ihr eigenes Urteil.
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1967 - Hagen Gross verläßt die Braun AG
Im Bereich Personalien einer nicht benannten Fotokopie einer Zeitung lesen wir :
Radarschirm für die Industrie (vermutlich aus 1968)
»Ich will endlich wieder an langer Leine laufen« motiviert Hagen Gross (52) seinen Entschluß, sich nach zwölf langen Jahren im Vorstand der Braun AG Kronberg, als Berater zu versuchen.
Eingeengt fühlte sich der kreative Autodidakt-Techniker an der Spitze des Vorstandsressorts »Neue Produkte« allerdings erst, seit die Gillette Company. Boston im Dezember 1967 die bisherigen Eigentumer Erwin (52) und Artur Braun (48) "ablöste".
»Unter den Gebrüdern Braun hat die Arbeit Spaß gemacht, heute zählt nur noch der Profit«, erinnert sich Gross.
- Amerkung : Bei den Zeitzeugen-Befragungen und Gesprächen mit dem BRAUN Chefentwickler AUDIO, Dipl.-Phys. Wolfgang Hasselbach und ebenso bei den Gesprächen mit dem Chefbuchhalter Herrn Sperb, hörte sich das ganz anders an. - Da wird in dem Pressartikel von Herrn Gross viel populistisch aufgehübscht, eigentlich wird die Wahheit schon kräftig verdreht.
Der amerikanische Chef von Gillette, Vincent Ziegler, sprach fließend Deutsch (die meisten Braun Mitarbeiter wußten das gar nicht) und der wußte ziemlich genau, was er da "gekauft" hatte. Und er sah bei BRAUN einen Jahresertrag von 1,5% bis 3% und erklärte plausibel, daß auch die vier BRAUN- Sparten einen (Roh-) Ertrag von ca. 10 Prozent pro Jahr erwirtschaften müssten, damit investiert werden könne. Und er gab den 4 BRAUN- Sparten (Hifi, Foto, Hygiene und natürlich Rasierer) 10 Jahre Zeit, dieses Ziel zu erreichen. Kulanter geht es nun wirklich nicht.
Bei Gesprächen über Nietzsche und Höldelin lernte der Flieger-Nachtjäger den Heeres-Nachrichtenmann Erwin Braun 1943 im Grand-Hotel Kitzbühel kennen. Spontan begeisterte sich Gross - Sohn eines k. u k. Offiziers und Siemens-Direktors - für Erwin Brauns Philosophie, nach dem Krieg »Produkte mit der Funktion eines englischen Butlers« zu kreieren - unaufdringlich, aber effizient.
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Auch in den Wirren der Nachkriegszeit verloren sich die beiden nicht aus den Augen, doch erst nach einem Gastspiel in der Kautschukbranche stieß Gross 1955 zu Braun und hielt dem durch Produktqualität, Design und Marketing profilierten Unternehmen die Treue.
»Einen Braun-Mann kauft man nicht«, beschied er etwa eine Vorstandsofferte der Grünzweig + Hartmann AG, mit der er gemeinsam Styropor als Verpackungsmaterial entwickelte. Die Braun-Brüder ließen dem agilen Hoppla-jetzt-komm-ich-Mann viel Freiraum für seine oft noch unausgegorenen Produktideen.
Highflyer und Flops lösten einander ab. Auf der Aktivseite stehen beispielsweise ein verbessertes Scherblatt für den Braun Sixtant, der Tangential-Heizlüfter oder elektromagnetisch gezündete Feuerzeuge, auf der Passivseite der Reinfall mit Geschirrspülern. Von diesen beim amerikanischen Ling-Temco-Vought-Konzern gefertigten Geräten rostete jedes dritte der ersten 2000. Der Schaden im Markt war irreparabel. Doch Gross, dem immer wieder gewinnender Charme und mitreißender Optimismus bescheinigt wird, wußte bei allem die Brauns hinter sich.
Seine "Fortune" verließ ihn, als Gillette die Zügel in die Hand nahm und für jeden Produktvorschlag eine peinlich genaue Return-on-Investment-Rechnung und ein detailliertes Marketingskonzept verlangte. Solche Kleinkramerei liegt ihm nicht »Meine Stärke ist das Erkennen von Chancen.«
So fühlte sich Gross auch noch beengt, als ihm die Amerikaner vor drei Jahren die »Forschung Gillette Europe« übertrugen. Schon die Einengung auf Europa mißfiel ihm: »Ich bin vorher für Braun zigmal um die Welt geflogen und habe neue Produkte und Märkte aufgespürt.«
Wie ein »Radarschirm« will er nun im 17. Stockwerk eines Frankfurter Hochhauses Impulse von Erfindern in aller Welt auffangen und als »Dolmetscher« an die Industrie weitergen. Braun und Gillette genießen, wenn sie wollen, Priorität.
Einen dicken Fisch glaubt Gross bereits an der Angel zu haben. Für seine Firma hat Gross ein Erfinderteam aufgetan, das ihm die Nutzung eines neuen Materials zur Produktion von Textilien und Papier anbietet.
Das Büro teilt sich Techniker Gross mit einem Chemiker: Wolfgam Thies (56), im April 1973 im »gegen seitigen Einvernehmen« aus dem Vorstand der Farbwerke Hoechst ausgeschieden. Die beiden Ex-Manager verbindet jahrelange Golf-Freundschaft und Freude an geistigen Genüssen.
Ende der Information aus der (unbekannten) Presse.
Kommentar aus meiner Sicht (gr):
Leider habe ich den Herrn Gross nie kennengelernt. Doch mit dem Herrn Sperb von den Finanzen habe ich mehrere Stunden über den Verkauf der Firma Braun und den Einstieg von Gillette (Boston/USA) im Jahr 1967 und all die folgenden Veränderungen gesprochen.
Da gibt es nämlich zwei Seiten der Medallie. Die Amerikaner haben nämlich die Firma Braun buchhalterisch in zwei Teile geteilt. Die profitable Massenproduktion von Rasierern und Hausgeräten und die defizitäre Ingenieursabteilung für edle Design-Hifi-Geräte.
In beiden Teilen gab es eine Menge Defizite, die durch den fast unheimlichen Ertrag der Rasierersparte übertüncht wurden und das über viele viele Jahre. Und die Boston-Leute konnten rechnen. - Hier bieten sich täuschend ähnliche Vergleiche an wie bei der "Robert Bosch Fernsehanlagen GmbH" in Darmstadt, auch ein zu groß gewordenes Ingenieurbüro. Als die Kaufleute von Philips ab 1985 dort etwas besser hineinschauen konnten, schlugen die auch die Hände über dem Kopf zusammen.
Eigentlich war es auch damals schon selbstverständlich, daß man die zu produzierenden Stückzahlen in etwa abschätzen mußte, um zum Beispiel die Einkaufspreise der Komponenten besser zu kalkulieren und natürlich auch den wichtigen Personalbedarf. Das alles als unakzeptabel in Abrede zustellen und alle auf eine Nachkalkulation zu vertrösten, war nicht sehr klug. So wurden im Hifi-Bereich über 20 Jahre viele viele kaufmännische Fehler begangen.
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1974 - Braun hat die Spitze neu formiert
aus einer Fotokopie einer Frankfurter Zeitung im Juli 1974 :
Jetzt in Gruppen- und Divisions-Management geteilt
Presseinfo der Braun AG, Frankfurt. - Wenn es eine „Gerüchtebörse" gäbe, die Braun AG in Frankfurt könnte sicher mit einer hohen Notierung rechnen. Anlaß dafür ist immer wieder der häufige und rasche Wechsel im Vorstand.
Nun glaubt man bei Braun, mit der „Neuformierung" ein Team gefunden zu haben, das Kontinuität verspricht. Die neue Organisationsstruktur von Braun sieht zwei „Kraftzentren" vor — das Gruppenmanagement und das Divisions- oder Area-Management.
Die Gruppenebene umfaßt die beiden neuen Ressorts Marketing und Technik sowie Design/Kommunikation (zusammen das „Kreative Zentrum"), Finanzen/Verwaltung, Personalwesen, Recht/Patent. Die Divisions-/Area-Ebene besteht aus den Sparten Haustechnik, Foto, Elektronik sowie International. Die Gruppenebene soll künftig „in enger Zusammenarbeit mit dem regionalen Management" eine „weltweit gültige Geschäftspolitik formulieren und verwirklichen", sozusagen Richtlinienfunktionen ausüben. Die Einschaltung des regionalen Managements soll sicherstellen, daß spezifische Regionalsituationen berücksichtigt werden.
Ein weiterer Schritt der Neuorganisation zeichnet sich bereits ab: Die „Divisions" Haustechnik, Foto und Elektronik sollen ihre Zuständigkeit auf benachbarte Länder ausdehnen und der Bereich International für das restliche Ausland zuständig sein, gegliedert nach Divisions Regionen.
Vorstandsvorsitzender Dr. Herrmann gibt sich überzeugt davon, daß außer der neuen Organisationsstruktur auch „vom Menschlichen her" eine gute Basis für eine Zusammenarbeit im Management gefunden worden sei. Die bessere Idee, so hebt er als Leitmotiv hervor, soll sich in der Diskussion durchsetzen. Das schließe aber nicht völlig aus, daß es auch einmal zu einem „Durchsetzen durch Überstimmen" kommen könne.
Die Aufgabenteilung im Braun-Management wird jetzt so dargestellt:
Vorstandsvorsitzender Dr. Herrmann will sich in erster Linie koordinierenden Aufgaben widmen, „in enger Zusammenarbeit" mit Albrecht Schultz, der kürzlich die neue Vorstandsfunktion Marketing übernommen hat. Unterstützt wird Herrmann „in allen Fragen der gesamtwirtschaftlichen und geschäftlichen Entwicklung" von William Buckoke, der als „Architekt" der neuen Organisationsform und als Kontaktmann zur Muttergeseilschaft Gillette bezeichnet wird. Die zweite neue Vorstandsfunktion Technik ist noch unbesetzt; gesucht wird „der kreativ-innovative Typ".
Diplomsoziologe Alexander Koch (41), der am 1. Oktober von der Alfred Teves GmbH kommt, übernimmt das ebenfalls neue Vorstandsressort Personal. Für Finanzen/Verwaltung ist weiterhin Jürgen Kegelmann zuständig, für Recht/Patent Generalbevollmächtigter Wolfgang Krohn. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Gros widmet sich der Wirtschaftspolitik.
Nachfolger von Schultz als Chef der Haustechnik ist Vorstandsmitglied Alfred M. Zeien, der von 1969 bis 1972 als Braun-Vorstandsmitglied den Bereich International aufbaute. Diesen führt seither Vorstandsmitglied Rodney S. Mills. Vorstandsmitglied Gotthard Mahlich, bisher für die „Division" Elektronik und Foto zuständig, wird sich vom 1. September an ganz auf die Elektronik konzentrieren. Den Foto-Bereich führt künftig Gösta Widtskiöld (47), seit über 15 Jahren »bei Braun und zuletzt für die Efta-Länder zuständig.
Nur kurz deutet Herrmann die laufende Geschäftsentwicklung an: Das Wachstum habe sich zwar abgeschwächt, mancher wäre aber noch ganz stolz auf das Erreichte. Auf den Kostendruck wolle Braun mit „Fett weg" reagieren, so beispielsweise mit internen Sparmaßnahmen, mit kleineren Beständen und kurzfristigeren Dispositionen, aber auch mit einem Abbau der Belegschaft.
Kommentar aus meiner Sicht (gr):
Im Jahr 1974 zeichnete sich bereits eine Sättigung des gesamten privaten Konsums ab und die Gillette Amerikaner leiteten einen Weltkonzern, der um einiges größer war als die deutsche Tochter BRAUN AG.
Sicher war BRAUN Weltmarktführer bei Rasierern, doch Max Grundig war auch mal der Welt größter Tonbandgeräteproduzent. Wie schnell war das aber vorbei ? Man muß dem Management des Hauptaktionärs zugestehen, daß die eine bessere weltweite Sicht hatten als die jeweiligen deutschen Manager und auch, daß manche ehemals tüchtigen Macher in die Jahre gekommen waren.
Die AEG und Telefunken lassen aus dieser Zeit grüßen, auch Grundig und all die anderen deutschen Highflyer liefen sehenden Auges in die Falle. Wer redet heute noch von der AEG oder von Saba oder von PE oder UHER - außer bei uns hier auf den Museenseiten ?
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