Über das Auf und Ab der Braun Hifi-Sparte.
Juni 2012 - von Gert Redlich - Als im Jahr 1967 die Braun AG von der amerikanischen Gillette Corp. übernommen wurde, gingen viele Gerüchte und Gefühle durch die Gehirne der Mitarbeiter. Befürchtungen und Ängste wurden mit dilettantischem Nichtwissen geschürt, es wurde intrigiert und es wurde Meinungsmache auch von den Gewerkschaften und anderen interessierten Kreisen betrieben. Und auch die Medien waren nicht unschuldig (bzw. sich nicht zu fein), den Kauf so richtig sensationsgeil auszuschlachten bzw. zu "präsentieren".
Sicher, man wußte nicht Alles . . .
. . . und hinterher ist man immer schlauer als zuvor. Daum habe ich recherchiert, was denn da bei Gillette so im Hinterzimmer bzw. hinter den Kulissen abging. Dabei muß ich betonen, mir ist unauslöschbar im Gedächtnis geblieben, was mir in 2010 ein sehr alter Herr aus der Finanzbuchhaltung der BRAUN AG im Zeitzeugengespräch (ich habs auf Tonband) erzählt hatte:
Das Verhältnis zu den "Bostonern" (den Gillette Beauftragten) war in den ersten 10 Jahren nach der Übernahme sehr freundschaftlich kollegial und verständnisvoll.
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Zur Historie der Gillette USA und der Führungspersonen und deren Philosophie - übersetzt aus dem Englischen so gut es ging. - (war im Original sicher von Gillette Leuten verfaßt)
recherchiert im Mai 2012 - Zur Geschichte der Firma Gillette Corp.
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1964 - Vincent C. Ziegler wird zum Präsidenten ernannt.
- Der nachfolgende Text beginnt in etwa der Mitte des ursprünglichen englischen Gesamttextes:
Zwei der inländischen (also amerikanischen) Konkurrenten von Gillette, die auch Rasier-Klingen herstellen - Eversharp und American Safety Razor - überschütteten auf einmal den Markt mit allen möglichen neuen Versionen von Edelstahl-Klingen.
Gillette, der Marktführer, hatte bis dahin keine Edelstahl-Klingen, um mitzuhalten und die Gewinne brachen in 1963 und 1964 ein.
Gillette holte sich aber von seinen Marktanteil wieder viel durch eine einfache Strategie zurück: die Entwicklung einer besseren Klinge und eine aggressive Werbekampagne, die die Qualität betont.
Nachdem die eigene (Anmerkung: jetzt auch rostfreie) Gillette Klinge auf den Markt gekommen war, stabilisierte Gillette seinen Marktanteil bei 60-65 Prozent, verglichen mit 70-75 Prozent vor der Herausforderung.
Vincent C. Ziegler, Leiter nordamerikanischen Rasier Division, hatte diese Rasiermesser-Marketing-Strategie entwickelt und reorganisierte Gillette auf einer strategischen Linie basierend auf den profitablen Produkten im Juli 1964 neu und so wurde Ziegler zum neuen Präsidenten auserkoren.
Er übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrates im Jahr 1965. Die Edelstahl-Klingen Kontroverse lehrte Ziegler, sich nicht auf ein Produkt zu verlassen.
Er sah Gillette als "ein diversifiziertes Unternehmen für Verbraucherprodukte," und förderte sowohl die interne Entwicklung von neuen Produktlinien als auch Übernahmen anderer Unternehmen.
1967 - Zieglers Credo : Wehret der gefährlichen Monokultur
In den späteren 1960er Jahren verfolgte Gillette diese Strategie aktiv, aber mit gemischten Erfolgen / Ergebnissen. Eine neue Linie von Toni Haarfärbe-Produkten scheiterte ebenso wie "Earth Born" Shampoos, Luxus-Parfüms und eine Reihe von kleinen elektronischen Geräten wie digitalen Uhren, Taschenrechnern, Rauchmeldern und Feuerlöscher.
Viele der Unternehmen, die Gillette erworben hatte, wie Eve of Roma High-Fashion Parfüms, Buxton Lederwaren, Welcome Wagon, und die Hydroponic Chemical Company - die Hyponex für pflanzliche Lebensmittel produziert - wurde nie richtig in Gillette integriert. Die Akquisitionen waren teuer und führten zu sinkenden Gewinnen.
Gillette hatte auch einige Erfolge. Das Trac II Zweiblatt Rasier-System, das 1971 eingeführt wurde, wurde ein Erfolg und der Erwerb der französischen S.T. Dupont 1970 gab Gillette das Einweg-Feuerzeug Cricket, das Gillette auf dem US-Markt einführte. Bis 1971 hatte Gillette vier inländischen Sparten: die Sicherheitsklingen Division; die Körperpflege Sparte, die Deodorants und Antitranspirantes vorstellten, die Wohlfühl-Division und die Sparte Paper Mate.
Anfang der 1970er Jahre wollte Ziegler sich in den Ruhestand zurückziehen, und fing an, Edward Gelsthorpe als seinen Nachfolger zu lancieren / protegieren, damit dieser in 15 Monaten zum Präsidenten ernannt würde. Doch Gelsthorpe war das vermutlich zu unsicher oder nicht schnell genug und er blieb nicht bei Gillette, sondern wechselte kurzfristig zu United Brands, jetzt Chiquita Brands.
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Colman M. Mockler Jr. wird neuer CEO
Ziegler erwählte jetzt (vermutlich Anfang 1971) Colman M. Mockler Jr. (schlug ihn vor), um sich selbst als CEO zu ersetzen, als er im Jahr 1975 endlich in Ruhestand gehen wollte. Mockler war bei Gillette bereits seit 1957 und hatte aber einen ganz anderen Hintergrund (Background = auch Ausbildung) und Führungsstil als Ziegler. Er kam aus dem finanziellen Bereich des Unternehmens und nicht aus dem Vertrieb/Verkauf.
In der Mitte der 1970er Jahre startete die Diversifikation
Mockler setzte Zieglers Diversifizierungs-Politik um. Er konzentrierte sich auf eine begrenzte Anzahl von vielversprechenden Märkten, vor allem auf Mengen- und Konsumartikel mit "Mehrfachkauf", wobei er Zieglers letzte erfolgreiche Akquisitionen - einschließlich Buxton im Jahr 1977, Welcome Wagon im Jahr 1978, und Hyponex und das Autopoint Druckbleistift Geschäft im Jahr 1979 wieder verkaufte.
Und er pumpte das Geld in vielversprechende Unternehmen mit vergleichbaren und bereits bestehenden Produktions- oder Vertriebsmöglichkeiten. Mockler war mit dem Einwegfeuerzeug unerfolgreich, obwohl es hohe Einführungs- und Marketing- Kosten und einen teurern Preiskampf mit der Bic Pen Corporation (von der französischen Société Bic) geben hatte, und das hatte viel Geld gekostet.
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CEO Mockler "besaß" auch die westdeutsche Firma Braun AG.
Mockler besaß auch die westdeutsche Firma Braun AG. - Ziegler hatte das Familienunternehmen im Jahr 1967 gekauft, um den Einstieg in den europäischen Elektro-Rasierer Markt zu bekommen.
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- Nachtrag 2012 : Vincent Ziegler sprach im Gegensatz zu allen anderen späteren Amerikanern fließend Deutsch !!! Das wußten nur die wenigsten, selbst die Presseleute nicht. Er hatte eine deutsche Mutter.
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Gründe waren auch die Qualität und der Stil des kleinen Geräte Designs. (Besser: Gründe waren auch die Produkt-Qualität und das Design der kleinen Geräte.)
Mockler gab später die weniger rentablen Bereiche von Braun ab und kämpfte gegen eine verspätete Antitrust-Klage des Justizministeriums gegen die Braun Übernahme.
Der Prozess verhinderte schließlich die Einführung der Braun Trocken-Rasierer in den US-Markt vor 1984. Mockler erhöhte auch Gillettes Werbebudget und unternahm unternehmensweite Kostensenkungs- Maßnahmen in allen anderen Unternehmensbereichen. Bevor die Ergebnisse dieser Politik greifen konnten, wurde Mockler mit anderen Problemen konfrontiert. Wachsende Angst vor den Fluorkohlenwasserstoffen, die die Ozonschicht angreifen, betrafen den Verkauf von Produkten in Aerosol-Dosen in den 1970er Jahren.
1980 - Gefahr ist im Verzug
Gillette stand vor einer ernsthaften Bedrohung von Bic. In den 1960er Jahren kam Bic in den Vereinigten Staaten mit einem 19¢ Einweg-Kugelschreiber auf den Markt, der bei Gillettes 98¢ Kugelschreiber "Paper Mate" dramatische Einbrüche erzeugte.
Bereits in den 1970er Jahren hatte Bic Gillettes Cricket Einwegfeuerzeug mit einem eigenen Einweg-Feuerzeug angegriffen. Da das Cricket in der Herstellung teurer war - es hatte mehr bewegliche Teile als das von Bic - verlor Gillette den Preiskampf.
Wie auch immer, Feuerzeuge und Kugelschreiber produzierten nur 15 Prozent der Gewinne vor Steuern von Gillette, auf Rasierklingen entfielen 71 Prozent der Gewinne.
Als bei Bic die Einwegrasierer-Herstellung begann und den Wettbewerber "American Safety Razor" mit seinen 13 Prozent des amerikanischen Klingen-Marktes aufkaufte, mußte Gillette reagieren. Gillette konkurrierte mit Bic im Preis und unterstrich dabei die höhere Qualität seiner Produkte. Gillette brachte den "Eraser Mate-Stift" auf den Markt, obwohl Marketing-Studien die Nachfrage nach einem löschbaren Stift in Frage gestellt hatten, und . . . der Umsatz stieg. Bis 1980 hatte Gillette trotz des Angriffs von Bic seine Profitabilität verbessert.
Übernahme Bedrohungen in den 1980er Jahren
Mocklers Firmenpolitik führte zu einer höheren Gewinnmarge und damit zu einem hohen Barvermögen.
Ein Teil dieses Geld wurde im Jahre 1984 verwendet, als Gillette den Bereich Mundpflege für $188.500.000 (hundertfünfundachtzig Millionen) von Oral-B Laboratories, Inc. (der führende Hersteller von Zahnbürsten in den Vereinigten Staaten - Cooper Laboratories, Inc.) zu seiner Produktpalette aquirierte.
Der Abfluss des Bar-Kapitals führte/endete in einer neuen Bedrohung einer Übernahme in der Mitte der 1980er Jahre. Im Jahr 1986 bot Ronald O. Perelman, Boss der Revlon, stolze $4.100.000.000 (4,1 Milliarden US $) für Gillette.
Er wurde von Gillettes bekannten Körperpflege-Marken und der Möglichkeit der Kombination der Vertriebssysteme der beiden Unternehmen und Gillettes Know-how in der Vermarktung im Ausland angezogen.
Gillette wehrte das Angebot von Revlon von $65 pro Aktie mit aller Kraft ab und kaufte Aktien von Perelman mit $59 pro Aktie (zurück) und hatte so "einige" Ausgaben, also insgesamt $ 558.000.000. (fünfhundertundachtundfünfzig Millionen US $). Und die wollten finanziert werden.
Anmerkung: Hier geht es jetzt um gewaltige Größenordnungen von 500 Millionen Dollar bis zu 4,1 Milliarden Dollar. Da waren die 200 Millionen DM (in 1967 waren das etwa 50 Millionen US $) für die Aktienmehrheit der Braun AG wirklich Josef Ackermanns "Peanuts".
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1987 - Hedgefonts oder Konkurrenten sind hartnäckig
Revlon machte noch zwei weitere unerwünschte Angriffe, um das Unternehmen im Jahr 1987 zu kaufen, beide wurden von Gillette abgelehnt.
Als Reaktion auf die Übernahme Bedrohungen wurde das Gillette Top-Management neu geordnet; die Belegschaft durch Entlassungen reduziert, die Fabrikation modernisiert mit einer teilweisen Verlagerung von Produktionskapazitäten in Niedriglohnländer und es wurden viele kleinere und weniger profitable Geschäftsbereiche verkauft.
Das war aber nicht das Ende der Übernahme-Bedrohungen. Im Frühjahr 1988 gaben Coniston Partners bekannt, dass es etwa 6 Prozent des Unternehmens erworben hätte und entschlossen war, vier Mitglieder des 12-köpfigen Gillette Vorstandes zu ersetzen, damit es die Unternehmenspolitik beeinflussen könnte.
Mitglieder der "Verschwörung" sagten, sie würden sich aktiv um Angebote kümmern, um Gillette zu kaufen und/oder Gillette dann zu zerschlagen, wenn sie die Mehrheit im Aufsichtsrat bekommen.
Coniston Partners Kampf um die Mehrheit der Stimmen der Aktionäre war heftig, aber im Jahr 1988 gewann Gillette die Mehrheit mit 52 Prozent der Stimmen für die alten Direktoren und nur 48 Prozent für Coniston.
Anmerkung: Jetzt wird verständlich, warum die kleine deutsche Tochter BRAUN AG ab 1980 überhaupt keine Priorität mehr bei diesen riskanten Manövern genoß. Die Abwehrschlachten bei feindlichen Übernahmen erfordern (und erforderten) sämtliche Aufmerksamkeit der Führungsetage.
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Der teure Deal mit Warren Buffett
Die "Angelegenheit" wurde schließlich gelöst, als Gillette ein Aktienrückkaufprogramm für alle Aktionäre einführte und 16 Millionen der 112 Millionen Aktien von Coniston zu 45 Dollar pro Aktie aufkaufte. Damit war aber auch das Barvermögen (Cache) ziemlich aufgebraucht.
Schließlich, im August 1989, kaufte Warren Buffetts Berkshire Hathaway von Gillette für $600.000.000 wandelbare Vorzugsaktien. Der Deal platziert 11 Prozent der Gillette-Aktien bei Buffett, der zugestimmt hatte, dem Unternehmen das Vorkaufsrecht auf den Block zu geben, sollte er es verkaufen wollen. Diese "freundliche Vereinbarung" verringert dafür die Gefahr der Übernahme, obwohl es den Cash Flow des Unternehmens verschärft. Buffetts verinbarte Dividende betrug 52.500.000 $ (52 Millionen) pro Jahr.
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Anmerkung: Jetzt mußte Gillette also jedes Jahr 52 Millionen Dollar an Warren Buffet ausschütten (bezahlen), damit das Management über genügend flüssiges Kapital verfügen konnte. Das entspricht nahezu 10% "Zinsen", die der Konzern erwirtschaften muß, nur um Warren Buffet bei Laune zu halten.
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Damit waren die Übernahme Bedrohungen und die Umstrukturierung abgeschlossen, und Gillette kehrte zur Weitereintwicklung seiner leistungsfähigen Markennamen zurück und kümmerte sich um ihre Brot und Butter Rasur-Produkte. Während Drogerie und Kosmetik mit niedrigen Margen vertreten waren, auf die nur 9 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens entfielen, brachten Schreibwaren, Rasiermesser und -klingen immer noch einen Anteil von etwas mehr als 70 Prozent der Gewinne.
Gillette setzte in der Rasierer "Operationen" einen neuen Chef ein, John W. Symons, ehemals Leiter der europäischen Aktivitäten und entwickelte neue Werbekampagnen, um die Rentabilität der Rasur Systeme zusteigern und damit seine eigenen Good News zu erzeugen.
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Fazit:
Hier ist der für Braun besonders relevante Teil der Gillette Story nahezu zu Ende. In 2005 wurde "Gillette" dann von "procter & gamble" gekauft oder übernommen oder wie auch immer.
Zu der Zeit war Braun-Hifi aber brereits Geschichte.
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