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Gerhardt Ronnebergers Autobiographie - Deckname "SAALE" - aus 1999 - ein Generaldirektor erzählt .....

Gerhardt Ronneberger, geboren im März 1934 in Saalfeld († 2013 ?) schreibt 1999 in seiner Autobiographie (1982–1999) auf etwa 370 Seiten, wie es wirklich zuging beim MfS, der Stasi und den Betrieben in der "Deutschen Republik". Da er nie in einem richtigen Ossi-Gefängnis eingesperrt war, fehlt diese Erfahrung völlig, dafür aber die Zustände in einem West-Gefängnis und wie es dazu kam und vor allem, was danach bis zur Wende im Dez 1989 kam. Der Einstieg beginnt hier und mein Resume über das Buch endet hier.

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Kapitel 6
Die Mikroelektronik in der Wirtschaftspolitik der SED-Führung

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Schmuggelwege über Liechtenstein

Die Entwicklung der DDR-Mikroelektronik "vor" dem XI. Parteitag :

Die Elektroindustrie der DDR kam nicht aus einem schwarzen Loch (auch wenn sie dann viel später fast gänzlich darin verschwand). Vielmehr hatte sie Tradition und war sogar durchaus leistungsfähig. So hatte die Produktion konventioneller elektronischer Bauelemente von Anfang einen hohen volkswirtschaftlichen Stellenwert.

Und nach dem "Erscheinen des Transistors auf dem Weltmarkt" wurden umgehend eigene Aktivitäten zur Entwicklung und Produktion von Halbleiterbauelementen entfaltet.

  • Anmerkung : Ohne Rücksicht auf amerikanische Patente - also geklaut.


Anfang der 19sechziger Jahre wurde als erster moderner Betrieb zur Herstellung von Halbleiterbauelementen das Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, ein Neubau auf grüner Wiese, errichtet, und mit der Arbeitsstelle für Molekularelektronik in Dresden entstand das erste Forschungszentrum für Mikroelektronik.

Ab Mitte der 19sechziger Jahre wurden über den Aufbau eines speziellen Applikationszentrum für Elektronik verstärkte Anstrengungen unternommen, um elektronische Bauelemente in allen Bereichen der DDR-Industrie anzuwenden, d. h. die Mikroelektronik als moderne Technologie einzuführen.
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Erste Erfahrungen im Embargohandel

Doch bereits zu diesem Zeitpunkt war ein Großteil der notwendigen Produktionsausrüstungen und Geräte für die Forschung und Entwicklung nur aus dem Westen zu beschaffen. Die erste Produktionsstraße für Transistoren in Frankfurt/Oder mußte konspirativ über Liechtenstein ins Land geschmuggelt werden. Dabei sammelten wir im Direktionsbereich Anlagenimport der VVB Bauelemente und Vakuumtechnik unsere ersten Erfahrungen im Embargohandel.

In den 19siebziger Jahren zeichnete sich auf diesem wichtigen Gebiet von Wissenschaft und Technologie weltweit eine völlig neue Entwicklungsetappe ab. Die SED-Führung reagierte darauf im August 1979 - wie sollte es anders sein? - mit einem Politbürobeschluß über die „Langfristige Konzeption zur beschleunigten Entwicklung und Anwendung der Mikroelektronik in der DDR".

In der Folge stand die Mikroelektronik in der DDR unter ständiger Obhut von Erich Honecker und Günter Mittag. Obwohl sich die Parteiführung als Über-Vater um alles kümmerte, auch um sämtliche wirtschaftliche Belange, war die Sache diesmal nicht so einfach administrativ zu regeln wie etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Damenschlüpfern oder Klopapier.

Das Embargo war nicht so einfach zu unterlaufen

Im Gegenteil: Die DDR vermochte nicht, in der Mikroelektronik mit dem internationalen Tempo Schritt zu halten, geschweige denn den Rückstand aufzuholen. Also schob man gut zwei Jahre später, im Dezember 1981, einen neuen Beschluß nach - „Zur weiteren beschleunigten Entwicklung und Einführung der Mikroelektronik in der Volkswirtschaft der DDR".

Nicht, daß die führenden Genossen willens oder imstande gewesen wären, die Situation realistisch und selbstkritisch einzuschätzen - da war Honeckers Losung „Das Erreichte ist nicht das Erreichbare" schon das höchste der Gefühle.

Nein, man beweihräucherte sich, propagierte Spruchblasen, wonach alles nur „noch besser", „noch wirksamer" oder „weiter beschleunigt" werden müßte ......
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Der erforderliche Investitions- und Finanzbedarf war enorm

Aber bei aller Erfolgshascherei kam man selbst im SED-Führungszirkel nicht an volkswirtschaftlichen Sachzwängen vorbei. So an der Einsicht, daß für die Entwicklung von Mikroelektronik und Hochtechnologien umfangreiche Investitionen mit einem enormen Finanzbedarf erforderlich waren.

Diese Erkenntnis spiegelte sich u. a. in einem „Investitionsprogramm der Mikroelektronik" wider, welches das SED-Politbüro im September 1985 verabschiedet hatte. Dafür sollten im Zeitraum von 1986 bis 1990 16,5 Milliarden Mark (der DDR) bereitgestellt werden.

Allein für notwendige Westimporte waren 1,3 Milliarden Valutamark (also DM) vorgesehen, in Mark der DDR waren das 5,2 Milliarden, etwa ein Drittel der notwendigen Investitionen mußte also aus dem Westen kommen.

Der Parteiführung war zugleich bekannt, das dies zu einem beträchtlichen Teil nur durch Embargoimporte geschehen konnte und daß damit die vorgegebenen Ziele äußerst risikobehaftet waren. - Mit anderen Worten: Die Zukunft der Mikroelektronik der DDR stand in den Sternen, und ausgerechnet wir sollten diese vom Himmel holen.
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Die Karte stimmt, die Landschaft ist falsch!

Der Beschluß des XI. Parteitages zur weiteren Entwicklung der Mikroelektronik.

Anfang 1986 liefen die Vorbereitungen zum XI. Parteitag der SED auf Hochtouren. Das gesamte Leben in der DDR war auf diesen „gesellschaftlichen Höhepunkt" zugeschnitten.

Die Zeitungen langweilten ihre Leser mehr als zuvor mit dem seitenlangen Abdruck von „Wettbewerbs-" und „Kampfprogrammen" sowie Huldigungs- und Ergebenheitsadressen an das ZK der SED sowie seinen ersten Mann.

Und fast überall versprach man, „die Aktivitäten zur beschleunigten Entwicklung der Mikroelektronik allseitig" zu verstärken. Ganz im Sinne von Günter Mittag, der die Mikroelektronik nicht nur in den „Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik der SED gerückt, sondern zur Chefsache gemacht hatte. Er war ihr eifrigster Verfechter und Einpeitscher.
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Die Bürger der Republik kannten solchen Rummel zur Genüge.

Den propagandistischen Gefechtslänn um die Mikroelektronik betrachteten viele als pure Phrasendrescherei („Chip-Chip-Hurra!"). zumal sie die hehren Ziele und Versprechungen mit der Wirklichkeit vergleichen konnten.

Und die war ernüchternd genug: Ein Farbfernseher kostete für einen Normalverdiener fast ein Vermögen, moderne Unterhaltungselektronik zu erschwinglichen Preisen - fast Fehlanzeige. 1989 gab es den ersten DDR-Walkman zu kauten, 1985 verließen endlich die ersten selbstproduzierten modernen Büro- und Personalcomputer die Manufakturen des Landes.

Ein in der DDR produzierter schlichter Schultaschenrechner kostete schlappe 123 Mark (der DDR). (Anmerkung : Im Westen nur 9,90 DM) Witze über solche Spitzenleistungen machten schnell die Runde: Die DDR baut die größten und schwersten Mini-Taschenrechner der Welt.

In der Tat waren die Mängel und Schwächen beim Wettlauf zum internationalen Technologieniveau selbst für Gutwillige nicht zu übersehen.

Das erkannten auch zahlreiche Wissenschaftler und Wirtschaftsfunktionäre. Sie richteten eine Vielzahl guter Vorschläge zur Überwindung bestehender Probleme an die Parteiführung.
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Professor Kempe macht Vorschläge

So wandte sich der Direktor des Zentralinstitutes für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der DDR, Professor Kempe, ein in der DDR angesehener und einflußreicher Wissenschaftler mit internationaler Reputation, Anfang Januar 1986 an Honecker.

In seinem Aufsatz „Schlüsseltechnologie Rechentechnik" äußert er seine Besorgnis darüber, daß die DDR den Anschluß an das internationale Technologieniveau nicht erreichen könnte. Er zeigte konkret Mängel bei der Entwicklung und Produktion mikroelektronischer Erzeugnisse auf und unterbreitete Empfehlungen, um diese zu abzustellen.
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Das SED-Politbüro wurde "Rat der Götter" genannt

Bereits einen Monat später, am 5. Februar 1986, wurde dem "Rat der Götter", wie das SED-Politbüro hinter vorgehaltener Hand genannt wurde, eine Vorlage auf den Tisch gelegt. Sie war ausgearbeitet worden von Alexander Schalck-Golodkowski, dem Minister für Elektrotechnik/Elektronik Felix Meier und von Professor Biermann, dem Generaldirektor des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena.

Kerngedanke des Papiers war, Zeiss zu einem Zentrum der Hochtechnologie auszubauen, um die Eigenproduktion von Hochtechnologie-Erzeugnissen spürbar zu beschleunigen. Denn diese Güter bzw. Erzeugnisse mußten immer noch zu einem Großteil aus dem Westen importiert werden und waren dort mit Embargo belegt.

Diesem Ziel diente auch der Vorschlag, neue Entwicklungs- und Produktionsstätten für Schaltkreise im Betriebsteil Erfurt Südost des Stammbetriebes des VEB Kombinat Mikroelektronik aufzubauen.
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Der Bilanzbericht von Schalck-Golodkowski vom Januar 1986

Dienstbeflissen und eifrig wie er war, hatte Schalck-Golodkowski schon Mitte Januar im ZK der SED seinen Bilanzbericht vorgelegt. Schließlich sollten die führenden Genossen Bescheid wissen, welche Aktivitäten KoKO zusammen mit dem Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik und den speziellen Beschaffungsorganen der Staatssicherheit unternommen hatten, um mikroelektronische Erzeugnisse ins Land zu holen.

Denn das war gar nicht so wenig. So wurden allein 1985/86 über 350 leistungsfähige Rechner mit 16- und 32-Bit-Technologie einschließlich Software importiert und den Betrieben, Forschungszentren und wissenschaftlichen Einrichtungen der DDR zur Verfügung gestellt.

Dadurch war die DDR in der Lage, mit der Einführung der CAD/CAM-Technik zu beginnen. Natürlich unterlagen auch diese Rechner - wie so vieles andere - dem Embargo. Den größten Teil der für diese Importe erforderlichen Valutamittel stellte KoKO aus den von ihm erwirtschafteten Mitteln bereit - immerhin 489 Mio. Valutamark.
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1,25 Milliarden DM aus KoKO Reserven für Embargoeinkäufe

Da dieses Finanzierungsmodell gut funktionierte, unterzeichneten Ende Januar 1986 Schalck, der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission (SPK), Gerhard Schürer, und der Minister für Elektrotechnik/Elektronik (MEE), Felix Meier, eine weitere Vereinbarung.

Sie beinhaltete die Finanzierung und Refinanzierung von NSW-Importen für die beschleunigte Entwicklung und Einführung der Schlüsseltechnologien Mikroelektronik und CAD/CAM Technik für die Jahre 1987 bis 1990.

KoKO sollte der Staatlichen Plankommission (SPK) für fünf Jahre insgesamt 1,25 Milliarden DM als verzinsliches Darlehen bereitstellen und die notwendigen Zinsen übernehmen. Diese Mittel standen zusätzlich zu den von der SPK geplanten Importfonds für diesen Zeitraum als Finanzierung für das MEE zur Verfügung.
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All das fand - wie gesagt - im Vorfeld des XI. Parteitags statt.
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Und jetzt der XI. Parteitag im "Palast der Republik"

Im April 1986, im Palast der Republik, auf dem höchsten und wichtigsten Gremium der Partei selbst durften die Delegierten freilich nur noch bejubeln und abnicken, was die Führung schon längst beschlossen hatte.

So auch die

„Direktive des XI. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1986 bis 1990".

Im Mittelpunkt des bombastischen Plans stand - welche Verblüffung! - die „rasche Entwicklung und umfassende Anwendung der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik".

Konkret orientierte die Direktive auf die Erweiterung des Schaltkreissortimentes, die Entwicklung, Produktion und Einführung der CAD/CAM-Technik und die Entwicklung durchgängig automatisierter Produktionslinien.
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Der Beschluß war allerdings nicht unumstritten

Entgegen den offiziellen Ovationen und Beifallsstürmen auf dem Parteitag war der Beschluß allerdings nicht unumstritten. Zahlreiche Parteifunktionäre, Minister und Generaldirektoren der Industriekombinate erkannten, daß dadurch das Leistungsvermögen der DDR-Wirtschaft überfordert wurde und zu Lasten einer proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft gehen mußte.

Aber gab es Alternativen, wo auf der einen Seite im RGW entsprechende Leistungen fehlten und wo auf der anderen Seite das westliche Embargo uns fast die Atemluft abdrückte ?

Erst im nachhinein waren viele schlauer.

Günther Kleiber, Politbüromitglied und Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, schrieb dazu in seiner Ausarbeitung „Zu einigen Ursachen der politischen und ökonomischen Krise in der DDR", die er Ende 1989/Anfang 1990 in der Untersuchungshaftanstalt handschriftlich verfaßt hatte :

  • „Zur Verschärfung der Disproportionen in der DDR trug die Entwicklung der Mikroelektronik bei. In ihr sah E. Honecker und G. Mittag ein Prestigeobjekt sowohl gegenüber der UdSSR, als auch zu den kapitalistischen Ländern. Natürlich ist die Elektronikproduktion für die DDR eine geeignete Linie. Sie ist rohstoffarm und intelligenzintensiv. Sie erfordert aber den hochwertigen Elektronikmaschinenbau und eine Anwendung in großer Breite.
  • Sie wurde bei uns aus dem Boden gestampft (siehe Mikroelektronik Erfurt). Bis zum ersten Versuchsmuster von 1 MBit und der Pilotfertigung von 256 KBit wurden offiziell 14,3 Milliarden Mark Investitionen eingesetzt (was ich nicht glaube) und weit über eine Milliarde NSW-Mittel (genaue Zahl ist nicht bekannt, da dies alles nur über Mittag und Schalcks ,KoKO' ging).
  • Jeder noch so vorsichtige Widerspruch wurde hierzu im Keime erstickt. Was ist das Ergebnis, es wurden vorrangig Investitionen in einem Zweig getätigt, der zu einem Rückstand in anderen Zweigen und Bereichen, wie Hydraulik, Gußerzeugnisse, Wälzlager und Normteile sowie Ersatzteile, führte.
  • Zum anderen, und das ist weit schlimmer, sind diese Investitionen nicht zu amortisieren. Die Japaner und Amerikaner produzieren solche mikroelektronischen Bauelemente zu Hunderten von Millionen zu extrem niedrigen Preisen und amortisieren das Ganze über Unterhaltungselektronik und Computertechnik, Autoelektronik und Numerik, um nur einige zu nennen.
  • Die DDR-Mikroelektronik spürte kein Bürger über die Unterhaltungselektronik (weder Qualität noch Preis) und damit ist die Glaubwürdigkeit verloren gegangen. Aber sie ist auch nicht in kapitalistische Länder devisenrentabel verkaufbar und damit nicht zu amortisieren.
  • Das Kombinat Robotron kann z. B. keinen Computer in das NSW verkaufen, da er nicht patentrein und zum anderen vollkommen unrentabel ist, so daß das große Kombinat praktisch im NSW-Export nur von mechanischen und elektronischen Schreibmaschinen (Schreibmaschinenwerk Dresden) und Drucker für Computer (Sömmerda) lebt.
  • An diesem gesamten Komplex wird m. E. sichtbar, wie durch Arroganz und Subjektivismus eine Volkswirtschaft an den Rand des Abgrundes gebracht werden kann."

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Günter Mittag habe "völlig ungenügendes eigenes Wissen"

Gerhard Schürer, gleichfalls Politbüromitglied und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, sagte am 16. Februar 1990 in einer Vernehmung:

  • „So hat er (Günter Mittag - G. R.) z. B. durch völlig ungenügendes eigenes Wissen auf dem Gebiet der Mikroelektronik mit der Zuarbeit von Leuten, die ihn unterstützten wie z. B. Prof. Biermannn, ein für die DDR ökonomisch überdimensioniertes Projekt der Mikroelektronik durchgesetzt, was aufgrund der zu großen Breite des Profils mit bedeutenden ökonomischen Verlusten verbunden ist. Ich habe ihn mehrfach, insbesondere mit meinem Material vom Mai 1988, darauf hingewiesen. Er war jedoch von seinem eigenen Wissen so überzeugt und beschuldigte mich, die Rolle der Schlüsselindustrie nicht zu verstehen und sogar zu bremsen."

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Keiner hatte eine sinnvolle volkswirtschaftliche Alternative

Allerdings waren weder Krolikowski, Kleiber, Schürer noch die anderen Kritiker des Mikroelektronik- Programmes in der Lage, eine sinnvolle volkswirtschaftliche Alternative aufzuzeigen. Somit wurde der Parteitagsbeschluß zum richtungsweisenden und für alle verbindlichen Fahrplan.

Die Maschinerie, einmal ins Rollen gebracht, überforderte das Leistungsvermögen der DDR-Ökonomie nun endgültig und konnte in der Folge den wirtschaftlichen Verfall der DDR und letztlich ihren Zusammenbruch nicht mehr aufhalten.

Die greise SED-Führung klammerte sich krampfhaft an ihre eigenen Dogmen. Sie benahm sich wie der hohe preußische Offizier, der sich mit seiner Truppe im Gelände verirrt hatte und unbeirrt auf die Generalstabskarte pochte:

"Die Karte stimmt, die Landschaft ist falsch!"

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Heißer Draht

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Die Arbeitsgruppe Mikroelektronik beim ZK der SED

Vermutlich ist es in fast allen Parlamenten und Parteien dieser Welt gang und gäbe, Gutachter-, Experten- und Arbeitsgruppen, Untersuchungs- und Kontrollausschüsse zu bilden und deren Tätigkeit mit verändernder praktischer Arbeit gleichzusetzen.

Die Politiker können somit einerseits demonstrieren, daß sie sich sehr wohl einen Kopf machen und sich ums Gemeinwohl kümmern, anderseits können sie sich - wenn die Sache schiefgeht - elegant aus der Affäre ziehen und anderen die Schuld am Versagen geben.

Wie dem auch sei - auch in der SED waren Arbeitsgruppen zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen ein äußerst beliebtes Mittel. Und so hätte es schon mit dem Teufel zugehen müssen, wenn 1985 in Vorbereitung auf den XI. Parteitag nicht eine „Arbeitsgruppe Mikroelektronik" gebildet worden wäre.

Leitung: Abteilung Maschinenbau und Metallurgie des ZK; Sinn und Zweck der Übung: die „straffere Koordinierung und Leitung der Entwicklung unter Führung und verstärkter Einflußnahme der Partei".

Zu ständigen Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe wurden Siegfried Wenzel, Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatlichen Plankommission, Felix Meier, Minister für Elektrotechnik/Elektronik, Karl Nendel, Staatssekretär im Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik; KoKo-Chef Schalck-Golodkowski und ein Vertreter der Abteilung Planung und Finanzen des ZK bestimmt.

Bei den Zusammenkünften der Arbeitsgruppe wurden dann noch, entsprechend der jeweiligen Tagesordnung, verantwortliche Minister, Leiter staatlicher Organe oder Generaldirektoren der Kombinate "heranzitiert".
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Die Aufgabe ser Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe hatte die Aufgabe - kleiner und bescheidener wollte man es nicht formulieren -, die „Tätigkeit der staatlichen Organe bei der Ausführung der Parteibeschlüsse auf dem Gebiet der Mikroelektronik" zu koordinieren und „Vorschläge für die Parteiführung" zu erarbeiten.

Man durfte sich zwar als das höchste Fachgremium im Auftrag der SED-Führung bezeichnen, verfügte jedoch über keinerlei Entscheidungsgewalt. Diese behielt sich allein Günter Mittag vor.

Sämtliche Vorschläge und Beschlußentwürfe, die man sich in der Arbeitsgruppe ausgeklügelt hatte, mußten ihm vorgelegt werden. Mittag entschied höchstpersönlich, was, wann und wie in der Wirtschaftskommission des Politbüros behandelt oder dem Politbüro oder dem Ministerrat zur Beschlußfassung vorgelegt wurde. Die Schlüsselfigur im Wirtschaftssystem der DDR nutzte die für sie maßgeschneiderte „Richtlinienkompetenz" gnadenlos aus.
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Günter Mittag stand über Schalck-Golodkowski und KoKo

Dazu gehörte auch, daß ihm Schalck-Golodkowski und KoKo direkt unterstanden. Mehr noch: Mittag und Schalck waren nicht nur durch enge Arbeitskontakte verbunden, sondern pflegten auch privaten Umgang.

Regelmäßig traf man sich in Wandlitz oder frönte an Wochenenden der gemeinsamen Jagdleidenschaft. Auf dem Hochstand oder in der Kellerbar wurde manches ausklamüsert, was wir dann am nächsten Montagfrüh auf den Schreibtisch gepackt bekamen.

So, wenn Mittags Schwiegersohn, Ingenieur im VEB Stern Radio Berlin, am heimischen Tisch über fehlende Bauelemente in seinem Betrieb berichtete. Schalcks Befehl am Montagmorgen an uns: die Bauelemente in einer Blitzaktion sofort beschaffen, koste es was es wolle.

Der direkte heiße Draht zu Mittag - neben der Connection zu Mielke und zur Staatssicherheit - ermöglichte Schalck natürlich eine Sonderrolle im Wirtschaftsleben der DDR. Entsprechend groß war sein Einfluß auf die Arbeitsgruppe Mikroelektronik des ZK.

Das wiederum war für uns nicht unbedingt ein Nachteil. Mit Schalcks Rückendeckung und in seinem Fahrtwind konnten wir ganz anders agieren, um das westliche Embargo immer wieder zu knacken. Nicht zuletzt sicherte uns Schalcks starke Position in der Parteiführung auch anderweitige Unterstützung und Anerkennung.
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Vollmachten

Der Regierungsbeauftragte für Mikroelektronik und die Arbeitsgruppe Nendel

Was die Partei beschlossen hatte, mußte der Staat umsetzen. So besagt es zumindest ein ehernes Gesetz des „real-existierenden Sozialismus". Für die Mikroelektronik war das Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik (MEE), und innerhalb dieses Ministeriums Staatssekretär Karl Nendel verantwortlich.

Ende 1985 wurde er als Regierungsbeauftragter für die Mikroelektronik eingesetzt. Das war keine Funktion, die nur auf dem Papier stand. Vielmehr erhielt er weitgehende Vollmachten, insbesondere gegenüber anderen Fachministerien und Staatsorganen, um die Wirtschaftspolitik der SED auf dem Gebiet der Mikroelektronik wirksam durchzusetzen.

So bedurften z. B. alle von anderen Ministerien vorgesehenen Importe von Computern seiner Prüfung und Genehmigung, wobei selbst die Spezifikation von ihm geändert werden konnte, um sie mit dem Interessen der DDR-Mikroelektronik in Übereinstimmung zu bringen.

Tatkräftig sekundiert wurde er dabei von keinen Geringeren als Mittag und Schalck. Bei Entscheidungen ersparte schon das allein lange Umwege sowie zeit- und kraftraubende Erklärungen.
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Karl Nendel - ein durch und durch fähiger Elektronikfachmann

Im Gegensatz zu seinem Minister Meier war Karl Nendel nicht der Typ eines „Parteiarbeiters" oder Staatsfunktionärs, sondern durch und durch ein fähiger Elektronikfachmann. Als solcher war er im ganzen Wirtschaftsbereich Elektrotechnik/Elektronik und darüber hinaus anerkannt und geschätzt.

Ihn zeichneten Konsequenz und Härte bei der Durchsetzung von Aufgaben aus, was sich in seinem Spitznamen „Revolver-Karl" ausdrückt.

Nendel wurden gleich mehrere Gruppen zur Seite bzw. unterstellt. Innerhalb des Ministeriums für Elektrotechnik/Elektronik u. a. die Koordinierungsgruppe Schlüsseltechnologien, die Führungsgruppe CAD/CAM-Anwendung, der Sektor Bauelemente und Gerätebau und der Sektor für Kompensationsinvestitionen und NSW-Importvorhaben (Anmerkung : Embargo Beschaffungen).

Unabhängig davon gab es noch die von ihm geleitete Arbeitsgruppe zur Planung, Finanzierung und Beschaffung von Bauelementen, Baugruppen, Technologien und technologischen Spezialausrüstungen, kurz „Arbeitsgruppe Nendel" genannt.

Zu dieser gehörten der Sektorenleiter Kompensationsinvestitionen und NSW-Importvorhaben des MEE, Werner Engler, der Sektorenleiter der Hauptabteilung III des Bereiches KoKo, Siegfried Stocken, der Stellvertreter des Generaldirektors im Kombinat Mikroelektronik als Verbindungsmann zu den speziellen Beschaffungsorganen des MfS, Wolfram Zahn, und in der Funktion des Leiters des Handelsbereiches 4 des AHB Elektronik - oder besser gesagt des Importbereiches von KoKo -, Gerhardt Ronneberger, also ich selbst.
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