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Gerhardt Ronnebergers Autobiographie - Deckname "SAALE" - aus 1999 - ein Generaldirektor erzählt .....

Gerhardt Ronneberger, geboren im März 1934 in Saalfeld († 2013 ?) schreibt 1999 in seiner Autobiographie (1982–1999) auf etwa 370 Seiten, wie es wirklich zuging beim MfS, der Stasi und den Betrieben in der "Deutschen Republik". Da er nie in einem richtigen Ossi-Gefängnis eingesperrt war, fehlt diese Erfahrung völlig, dafür aber die Zustände in einem West-Gefängnis und wie es dazu kam und vor allem, was danach bis zur Wende im Dez 1989 kam. Der Einstieg beginnt hier und mein Resume über das Buch endet hier.

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Die teuerste Zigarette der Welt

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Silizium im Wohnmobil

War aus Sicht des Westens, genauer der CoCOM-Staaten, noch irgendwie zu verstehen, daß sie das Embargo als ökonomische und politische Keule gegen den Ostblock benutzten, so grenzte es dennoch oft an totalen Irrsinn. Zum Beispiel beim Silizium in hoher Qualität - es stand auf der Embargoliste.

Monokristallines Reinstsilizium ist der Rohstoff, aus dem auf Kristallziehanlagen Stäbe gezogen werden, die anschließend in Scheiben zersägt und weiterverarbeitet die Wafer für die Schaltkreis-produktion ergeben. Dieses Reinstsilizium war in der DDR aus Eigenaufkommen vorhanden.

Es wurde im VEB Spurenmetalle Freiberg des Kombinats Mikroelektronik nach modernen Technologien mit den von Leybold gelieferten Kristallziehanlagen in ausgezeichneter Qualität verarbeitet. Daraus wurden die besagten Wafer hergestellt, die den höchsten Ansprüchen der Schaltkreisproduktion entsprachen.

Der VEB Spurenmetalle schaffte übrigens nach der Wende den Sprung in die Marktwirtschaft mit Bravour, sein Know-now stammt aus DDR-Zeiten.
Obwohl wir also sehr wohl dieses Silizium eigenhändig herstellten, reichte die produzierte Menge bei weitem nicht aus.

Der Bedarf an diesem Rohstoff stieg enorm an; angekurbelt von der wachsenden Schaltkreisproduktion und den Importen von Kristallziehanlagen wurden immer mehr Wafer hergestellt. Die Bedarfslücke konnte nur durch den Import von Silizium geschlossen werden.
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Und genau hier gab in jener Zeit eine dieser mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklärenden Verrücktheiten: Einerseits produzierten wir in der DDR dieses Silizium selbst in entsprechender Qualität, andererseits durften wir es aus dem Westen nicht offiziell importieren. Es stand unter CoCOM-Kuratel. Auch für Unternehmen in der Bundesrepublik gab es keine Chance, dafür eine Exportlizenz zu erhalten.

„Alles made in GDR", in: Der Spiegel 40/95, S. 154.
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Wacker-Chemie produzierte das Reinstsilizium - wie wir auch

Wacker-Chemie, das Reinstsilizium produzierte und weltweit vertrieb, verstand diesen Irrsinn so wenig wie wir. Das ist wohl auch der Grund gewesen, daß unsere zielgerichteten Beschaffungsaktivitäten schnell erfolgreich waren. Anders ist nicht zu verstehen, daß ein kleiner Händler jahrelang große Mengen Silizium von Wacker geliefert bekam, ohne daß auch nur eine peinliche Frage gestellt wurde.

Und man überging in dem Konzern auch großzügig die sonst übliche Praxis, daß die Produzenten von Bauelementen ihr Silizium nicht über Händler, sondern direkt vom Hersteller beziehen.

Der kleine Händler war Maju.

Er kaufte erstmalig 1984 Reinstsilizium bei der Wacker-Chemitronic in Burghausen, es war nur ein kleiner Posten für 175.000 DM. Auf dem Papier verkaufte Maju das meiste Silizium an einen nicht existierenden Herrn Schmidtmann in Düsseldorf. Tatsächlich aber brachte er es mit seinem Fahrzeug in die DDR. Ein Teil der Ware wurde an die Firma Broere nach Holland verkauft und von dort mit einer Spedition offiziell in die DDR geliefert.

Denn nachdem das Volumen unserer Siliziumkäufe stark angewachsen war, konnte es Maju nicht mehr nur mit seinem Pkw oder Kleintransporter abwickeln. Insgesamt wurden zwischen 1987 und 1989 17 Verträge über Reinstsilizium mit einem Verkaufswert von über 12,5 Mio. DM realisiert.

Geliefert wurden polykristallines und monokristallines Silizium, Polysiliziumrohre und -kappen, polierte Scheiben und andere Siliziumprodukte. Mehr als 7.000 Kilo waren zu transportieren.

Wenn Maju persönlich anlieferte, verlief alles reibungslos. Um für ihn den Lieferweg zu verkürzen, hatten wir inzwischen vereinbart, daß Majunke nicht mehr in Berlin anliefert, sondern in Erfurt Dort wurde das Material übernommen und heimlich in ein Lager des Kombinates Mikroelektronik gebracht, wo es dann später vom VEB Spurenmetalle Freiberg abgeholt wurde.

Maju und das Wohnmobil

Zur besseren Tarnung gegenüber den Grenzbehörden in der Bundesrepublik benutzte Maju oft ein Wohnmobil. Wie gesagt, alles klappte ohne Probleme - bis zum 6. April 1986. Am Vorabend befand ich mich mit meiner Frau zu einem Galaabend im Palasthotel und schlief anschließend in Majus Hotelappartement. Da er selbst in dieser Nacht nach Erfurt Silizium anliefern wollte, kannte er natürlich meinen Aufenthaltsort, um mich bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten, beispielsweise beim Grenzübergang, jederzeit erreichen zu können.

Hilfe - Das Wohnmobil steht brennend vor dem Hotel Erfurter Hof!

In den frühen Morgenstunden wurde ich von einem Telefonanruf aufgeschreckt. Maju am Apparat: „Das Wohnmobil steht brennend vor dem Hotel Erfurter Hof! Ich brauche deine Hilfe!"

Ich machte umgehend eine telefonische Meldung an meinen Führungsoffizier Wenzel und raste nach Erfurt. Dort wurde ich bereits von Mitarbeitern der Bezirksverwaltung des MfS erwartet, die von Wenzel alarmiert worden waren und den Fall untersuchten.

Was war passiert?

Majunke hatte mit seinem Wohnmobil, einem Leihwagen von Interrent, Silizium-Scheiben und elektronische Bauelemente von Wesseling abtransportiert und gegen 2.00 Uhr bei Wartha die Grenze überschritten. Im Fahrzeug befanden sich außerdem erste Muster von neuentwickelten Gallium-Arsenid-Scheiben der Firma Wacker, aus denen hochwertige Chips hergestellt werden können und die als Entwicklungsmuster im VEB Spurenmetalle verwendet werden sollten.

Am Hotel Erfurter Hof angekommen, hatte Maju auf dem Bahnhofsvorplatz das Fahrzeug abgestellt und an der Hotelbar noch einen Schluck getrunken, um sich dann von der langen Fahrt erschöpft schlafen zu legen. Kurz darauf wurde er geweckt. Die Hotelrezeption hatte den Brand des Fahrzeuges bemerkt und bereits die Feuerwehr gerufen. Trotz sofortiger Löscharbeiten brannte das Fahrzeug völlig aus, und der größte Teil der Ladung wurde vernichtet.

Feuerwehr und Kriminalpolizei begannen umgehend mit der Untersuchung der Brandursache, wurden aber von den eintreffenden MfS-Mitarbeitern schleunigst aus dem Verkehr gezogen. Nachdem diese das Wohnmobil aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit genommen hatten, begann die Arbeit der Untersuchungsabteilung des JVLFS.

Es war nicht, wie anfangs befürchtet, Brandstiftung oder Sabotage, sondern Fahrlässigkeit von Majunke. Als starker Raucher natte er im Fahrzeug eine glimmende Zigarettenkippe fallengelassen, ohne es zu bemerken. Majunke war durch die zahlreichen Lieferungen physisch einfach fertig gewesen.

Immerhin hatte er ja stets einen anstrengenden full-time-Job hinter sich, wenn er sich dann noch abends für mehrere Stunden an das Steuer seines Fahrzeugs setzte.
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Fazit: ein Totalschaden des Wohnmobils

Fazit: ein Totalschaden des Wohnmobils im Wert von rund 50.000 DM und die teilweise Vernichtung der transportierten Ware im Gesamtwert von 200.000 bis 250.000 DM.

Natürlich war die Ware nicht versichert, wie sollte das bei Embargoschmuggel auch machbar sein. Also mußten wir den finanziellen Verlust selbst tragen. Majunke konnten und wollten wir damit nicht belasten, er mußte die Ware nur nochmals beschaffen. Aber in jenen dramatischen Stunden beschäftigte uns eine viel wichtigere Sache.
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Die westlichen Geheimdienste durften nichts mitbekommen

Denn es mußte unbedingt abgesichert werden, daß keine Informationen über den Brand und seine Zusammenhänge an die Öffentlichkeit gelangten oder gar westliche Geheimdienste davon Wind bekommen. Dann wäre zumindest Majunke als Person gefährdet worden und unsere schöne Beschaffungslinie futsch gewesen.

Für ihn bestand sowieso ein Risiko, weil der Brand in der Bundesrepublik der Leihwagenfirma und damit auch der Versicherung gemeldet werden mußte. Er benötigte somit ein Protokoll der Feuerwehr über das Vorkommnis, aus dem aber nicht die Art der Ladung hervorgehen durfte. Da wir aber damit rechnen mußten, daß das ausgebrannte Wohnmobil nochmals von Brandexperten der westdeutschen Versicherungsgesellschaft untersucht wird, durften sie nicht auf die kleinste Spur der tatsächlichen Ladung stoßen. Die Experten des MfS hatten also alle Hände voll zu tun. Sie leisteten ganze Arbeit und sorgten für ein hieb- und stichfestes Gutachten der Feuerwehr. Die verbliebenen Trümmer des Fahrzeuges wurden so behandelt, daß kein Fingerzeig von der Ladung mehr feststellbar war. Maju konnte beruhigt sein.

Es entstanden auch in der Folge niemals Probleme aus diesem Vorfall. Nichts drang in die Öffentlichkeit, erst nach der Wende sollte das Ganze in den Medien für Schlagzeilen sorgen. Doch da waren bereits alle Messen gesungen. Nur für uns blieb es die teuerste Zigarette, die jemals auf der Welt geraucht wurde.

Eine Bezugslinie fliegt auf

Majunke war sich seiner Sache immer sehr sicher. Niemals äußerte er Bedenken über eventuelle Schwierigkeiten. Ja, er war sogar in gewissem Maße sorglos. Er gab er mir zwar oft wichtige und richtige Hinweise, die unsere anderen Lieferanten berücksichtigten sollten, damit sie nicht in Kalamitäten kommen, hielt sich aber selbst selten daran.

Am 19. April 1989 kam Majunke wieder einmal nach Ostberlin. Wie üblich, wenn Ware übernommen oder Vertragsgespräche geführt werden mußten, trafen wir uns abends im Palasthotel. Doch diesmal war alles anders. Unser Zusammentreffen beendeten wir auch nicht zu mitternächtlicher Stunde mit einem gemeinsamen Besuch der Sinus-Bar des Hotels. Denn Maju hatte viel zu berichten.
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Ein Kontrollauftrag der Oberfinanzdirektion Köln

Am Vormittag des selben Tages hatte seine Familie nämlich unangemeldeten Besuch erhalten, unangenehmen noch dazu: Im Wohnhaus, in dem sich auch die Geschäftsräume der Firma P. M. Majunke befanden, waren zwei Beamte der Oberfinanzdirektion Köln bei seiner Ehefrau aufgetaucht. Sie legten einen schriftlichen Kontrollauftrag vor, der sie zur Prüfung aller Geschäftsvorgänge bevollmächtigte.

Normalerweise erfolgen solche Kontrollen nach Voranmeldung, das Amtspapier wies aber aus, daß im öffentlichen Interesse eine sofortige Prüfung zu erfolgen habe.

Majunke reagierte gelassen. Vermutete er doch, daß für diese Sofortprüfung kein aktueller Tatbestand vorlag, sondern daß er mit seinen umfangreichen Geschäften ganz allgemein ins Blickfeld geraten sei. Welch Irrtum!

Wacker-Chemitronik hatte kalte Füße bekommen

Schließlich konnte er nicht wissen, daß Wacker-Chemitronik inzwischen kalte Füße und von der Mutter eins auf den Hut bekommen hatte. Wie Majunke später über einen Vertrauten aus der Abteilung Vertrieb Inland erfuhr, hatte eine andere Handelsfirma über die Exportabteilung von Wacker gleichfalls Silizium gekauft und in andere sozialistische Länder geliefert.

Dieser Schmuggelpfad war enttarnt, und das war der Grund für die Überprüfung aller Wackerlieferungen an Handelsfirmen und damit auch Majunkes. Das war auch der Anstoß dafür, daß die Konzernmutter am 22. März 1989 beim Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft indirekt Selbstanzeige und sieben Tage später bei Ministerialrat Hahn im Referat VA 8 des Bundesministeriums für Wirtschaft, mit dem ausdrücklichen Vermerk „persönlich und vertraulich", Anzeige gegen Majunke erstattete.

In diesem Brief hieß es scheinheilig:

  • „Wir wissen nicht, ob seitens der Firma Majunke im Falle eines Exportes die erforderlichen Genehmigungen eingeholt wurden.
  • Angesichts unseres bedeutende globalen Geschäfts (insbesondere in USA und weltweit operierenden US-Unternehmen) sowie des analogen Geschäfts unserer Muttergesellschaft, der Wacker Chemie GmbH, müssen wir im besonderen Maße auf ein korrektes Verhalten bedacht sein.
  • Wir zeigen deshalb den Vorgang nach der Ihnen inzwischen bekanntgewordenen Vorsprache der Geschäftsführung unserer Muttergesellschaft im Bayerischen Staatsministerium fiir Wirtschaft, München, am 22. März d. J. hiermit vorsorglich an und bitten Sie zu veranlassen, daß mit größtmöglicher Diskretion geprüft wird, ob die Weiterlieferungen seitens der Firma Majunke ordnungsgemäß verlaufen sind.
  • Um jedes Aufsehen zu vermeiden, haben wir die noch ausstehenden Lieferungen gegenüber der Firma Majunke aus einem vorliegenden Auftrag einstweilen unter Berufung auf technische Probleme gestoppt."

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Majunke hielt das immer noch für unverfänglich

Die Finanzbeamten wollten von Frau Majunke nicht nur Rechnungen und Lieferscheine sehen, sondern stellten auch Fragen zu - dem nicht existierenden - Herrn Schmidtmann in Düsseldorf. Auch das hielt Majunke noch für unverfänglich, da der Verkauf von Silizium innerhalb der Bundesrepublik rechtens und er nicht verpflichtet sei, die reale Existenz eines Geschäftspartners zu überprüfen.

 Da ihm strafrechtliche Konsequenzen nur drohen würden, wenn man ihm die Ausfuhr der Ware aus der BRD beweise, könne er im ungünstigsten Fall also höchstens mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Majunke meinte schließlich, daß er den Beamten glaubhaft versichert habe, die Vertreterfirma von Broere zu sein, als man gezielt nach den Holländern fragte.

Im Gegensatz zu mir war Majunke weder aufgeregt noch beunruhigt. Alle meine Bedenken fegte er vom Tisch. Sogar vor einer möglichen Hausdurchsuchung oder ähnlichen Schritten hatte er keine Angst, denn eine Verletzung des Außenwirtschaftsgesetzes könne ihm nicht nachgewiesen werden. Vielmehr wolle er seine Arbeit für uns unverdrossen fortsetzen. Das einzige, was ich erreichen konnte, waren zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für unseren Telefon-, Telex- und Telefaxverkehr für die kommenden Tage, der nur noch über Holland abgewickelt wurde.
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Eine Woche später - es wird ernst - die Zollfahndung

Eine Woche später traf ich mich erneut mit Majunke. Abermals hatte er viel zu berichten. Doch wie ich befürchtet hatte, waren es keine guten Nachrichten. So waren in den Abendstunden des 21. April drei Untersuchungsbeamte der Zollfahndung bei ihm zu Hause aufgekreuzt.

Sie informierten nicht nur lapidar darüber, daß gegen Majunke ein Zollermittlungsverfahren eingeleitet sei, sondern daß sie auch die Genehmigung hätten, alle Wohn- und Geschäftsräume zu durchsuchen und sämtliche Geschäftsunterlagen sicherzustellen. Majunke, naiv und gutgläubig wie er war, sah immer noch keinen Grund, sie hinzuhalten, auszutricksen oder sich dagegen zu wehren.

So wurden dann nicht nur Akten beschlagnahmt, sondern alle vorhandenen Disketten des eingesetzten Personalcomputers sowie die vollständigen Verzeichnisse über den ein- und ausgegangenen Telefon- und Telefaxverkehr. Der Segen der Technik wurde uns zum Verhängnis:

Im Speicher der Telefonanlage waren alle Angaben zu Firmen, Personen und Telefonnummern enthalten, natürlich auch die unseres Handelsbereichs 4 und die Namen der Mitarbeiter, die Gesprächspartner von Majunke waren.
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Der Coup der westdeutschen Zollfahndung war gelungen

Zu allen Übeln gesellte sich noch ein weiteres: In der Garage von Majunke fand man 50 Kilo Silizium, die erst in den Nachmittagsstunden von Wacker angeliefert worden waren. Zufall, Fahnderglück? Wohl kaum. Da, wie oben belegt, Wacker seine Lieferungen an Majunke erst einmal gestoppt hatte, erfolgten diese Lieferung wohl auf Anregung der Zollorgane, und zwar genau an besagtem Tag, damit bei der Durchsuchung greifbare Beweise vorgefunden werden konnten.

Der Coup der westdeutschen Zollfahndung war gelungen. Sie hatten nunmehr hieb- und stichfeste Belege in der Hand, daß Embargolieferungen auf dem Gebiet der Computertechnik und elektronischer Bauelemente erfolgt waren.

Rechtsanwälte von seinem Parteifreund Graf Lambsdorff vermittelt

Majunke hatte zwischenzeitlich Rechtsanwälte eingeschaltet, die ziemlich renommiert und ihm von seinem Parteifreund Graf Lambsdorff vermittelt worden waren. Sie stellten ihm ein monatelanges Untersuchungsverfahren in Aussicht, an dessen Ende ein Prozeß zu erwarten sei. Der würde wahrscheinlich nur mit einer hohen Ordnungsstrafe enden, da weder Steuerbetrug vorliege noch Lieferdokumente gefälscht oder falsche Warenbezeichnungen verwendet wurden.

Da auch nicht versucht worden sei, Zollbeamte zu bestechen oder Zollbetrug zu begehen, handele es sich schließlich um kein kriminelles Delikt, welches unweigerlich die Gefahr der Inhaftierung und einer nachfolgenden Haftstrafe heraufbeschworen hätte.

Weiterhin hatten die Rechtsanwälte Majunke empfohlen, seine Verhaltensweise und seine Geschäftstätigkeit möglichst im bisherigen Rahmen fortzusetzen. Nach ihrer Meinung wäre es falsch, die Geschäftstätigkeit einzustellen oder auf die bisher üblichen Dienstreisen nach Berlin zu verzichten. Da aber Majunke nun damit rechnen müsse, daß seine Nachrichtenverbindungen und alle seine Schritte überwacht würden, wäre illegaler Warentransport freilich nicht mehr möglich.
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Der Abend dieses 26. April - das Unheil nahm seinen Lauf

Als mir Majunke am Abend dieses 26. April das alles brühwarm erzählte, war er noch immer voller Optimismus. Er bastelte schon an neuen Plänen, wie unsere Zusammenarbeit fortgesetzt werden könnte.

Nach wie vor betrachtete er sich persönlich nicht als gefährdet. Er nahm die Untersuchung jetzt zwar ernst, sah aber nicht ein, nach bundesdeutschem Recht ein kriminelles Delikt begangen zu haben.

Für ihn - wie für die meisten anderen Embargohändler - war die Verletzung von CoCOM-Bestimmungen nur ein Kavaliersdelikt, mit dem man leben konnte. Völlig ruhig reiste er am nächsten Morgen nach Wesseling zurück.

Doch mein Freund und Geschäftspartner sowie seine Rechtsanwälte hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Das Unheil nahm seinen Lauf.

Majunke war am 13. Mai inhaftiert worden

Ich hatte gerade meinen Urlaub angetreten, da rief am 24. Mai Frau Broere aus Holland bei meiner Sekretärin an. Ich rief am nächsten Tag zurück und erfuhr, daß Majunke am 13. Mai zum Verhör abgeholt und anschließend wegen Fluchtgefahr inhaftiert worden war.

An eine Fortsetzung des Urlaubs war natürlich nicht mehr zu denken. Ich setzte mich sofort hin und schrieb für Schalck-Golodkowski eine ausfuhrliche Meldung, von der mein Führungsoffizier wie immer seine Kopie erhielt.

Um größeren Schaden zu verhindern, durften wir keine Minute mehr verlieren. Denn in einem solchen Fall befürchtete die DDR immer, daß eine Kampagne in den Medien der Bundesrepublik einsetzen und unangenehme Fragen gestellt werden könnten.

Deshalb mußte eine solche Fallmeldung stets eine entsprechende Argumentation beinhalten, um auf mögliche Rückfragen schlüssige Antworten geben zu können. Für die offizielle Argumentation schlugen wir in diesem Fall folgendes vor:
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  • „Es ist zutreffend, daß der Außenhandelsbetrieb Elektronik Export-Import langjährig Geschäfts-Kontakte zur Firma P. M. Majunke unterhält.
  • - Es wurden auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften der DDR zum beiderseitigen Vorteil Geschäftsabschlüsse getätigt und realisiert. So wurden u. a. große Stückzahlen Schwarzweiß-Monitore und für mehrere Millionen Mark Bauelemente zur Produktion von Farbfernsehgeräten über die Firma P. M. Majunke bezogen.
  • - Die Firma Majunke hat sich dabei als zuverlässiger Handelspartner erwiesen, und diese Geschäfte stellten einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung der Handelsbeziehungen dar.
  • - Inwieweit bei diesen Geschäften irgendwelche Vorschriften oder Bestimmungen durch die Firma P. M. Majunke nicht eingehalten oder nicht beachtet worden sind, entzieht sich unserer Kenntnis, und es ist auch nicht Aufgabe der Außenhandelsbetriebe der DDR, beim Abschluß der Geschäfte danach zu fragen oder darauf zu achten. Dies ist ausschließlich Aufgabe des Lieferanten und nicht des Käufers."


Daß eine solche Argumentation natürlich nicht die volle Wahrheit enthielt, dürfte wohl verständlich sein.
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Der bundesdeutsche Medienrummel geht los

Es dauerte nicht lange, bis in bundesdeutschen Medien auf regionaler und überregionaler Ebene die ersten Meldungen auftauchten. Die erste Veröffentlichung erfolgte am 8. Juni im Kölner Stadtanzeiger mit einem umfassenden Bericht und Bildern von H.-J. Majunke und seiner Ehefrau.

Als Quelle dieser Publikation gab Majunkes Sohn Alexander die Presseabteilung der FDP in Bonn an. Hans Joachim Majunke war als FDP-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen für seinen Landkreis vorgesehen, und die Wahlen fanden in den nachfolgenden Wochen statt. Aufgrund der Verhaftung und des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens mußte die FDP seine Kandidatur zurückziehen und diesen Schritt in der Öffentlichkeit begründen.

Unmittelbar nach Erscheinen des Artikels setzte die Medienhatz ein :

Majunkes Haus wurde umlagert, ununterbrochen klingelte das Telefon. Der Westdeutsche Rundfunk, Spiegel, Stern und andere sahen eine heiße Story, lechzten nach Hinweisen, Hintergrundinformationen und Interviews. Umsonst, Familie Majunke blockte alles ab.

Einen Tag nach der der FDP setzte die Staatsanwaltschaft ihre offizielle Pressemitteilung drauf, was die Medienmeute noch mehr anheizte. So recherchierten sie bei der Union-Kraftstoff AG. Doch auch hier war die Ausbeute eher gering, da sich der Arbeitgeber von Majunke sehr bedeckt gab und dem Ergebnis der Untersuchung nicht vorgreifen wollte.
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„Der Fall Majunke - ein zweiter Fall Guillaume?"

Alexander Majunke informierte mich auch über eine Veröffentlichung des Bonner Generalanzeigers, in der erstmalig eine Spionagetätigkeit seines Vaters angesprochen wurde: „Der Fall Majunke - ein zweiter Fall Guillaume?" Nicht mehr als eine Schlagzeile, die jeder Grundlage entbehrte, sich aber gut vermarkten ließ.

Über diese Pressemeldungen wie auch eine Veröffentlichung von AP vom 9. Juni informierte die DDR-Nachrichtenagentur ADN, natürlich nicht öffentlich, sondern mit einer internen Dienstmeldung für einen kleinen Kreis von Kadern. Damit waren die staatlichen Organe der DDR zumindest auf diese Weise informiert.

Selbstverständlich machten sich nicht zuletzt die Genossen der Staatssicherheit große Sorgen. Das spiegelte sich beispielsweise in einer geheimen Vorlage der HA XVIII vom 8. Mai an Minister Erich Mielke wider:

„Aufgrund der eingangs dargelegten sicherheitspolitisch bedeutsamen Prämissen kann nicht ausgeschlossen werden, daß mit dem laufenden Verfahren doch noch ein "Embargo-Präzedenzfall" geschaffen werden soll, mit der Zielstellung nachzuweisen, daß die Geschäftstätigkeit des AHB Elektronik durch das MfS gesteuert ist - eine bereits mit der widerrechtlichen Inhaftierung des stellv. Generaldirektors des AHB Elektronik 1982 angesteuerte Zielstellung."
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.... als wäre die DDR nicht existent .....

Doch die Sorgen des MfS waren diesmal unbegründet. Und auch das, was einige von uns befürchtet hatten, trat glücklicherweise nicht ein: Zu diesem Fall gab es keine Fragen an die DDR, in den Westmedien wurde keine Kampagne entfacht. Im Gegenteil, es wurde einfach so getan, als wäre die DDR nicht existent, kein Hinweise auf einen beteiligten Außenhandelsbetrieb oder Personen in der DDR.

Wir konnten als Handelsbereich 4 ungestört weiterarbeiten und uns auf die Schadensbegrenzung konzentrieren. Zu den weiteren Embargoimporten zählten übrigens auch solche, zu denen wir über Majunke Verträge abgeschlossenen, aber noch nicht realisiert hatten. So ging auch die Lieferung von Bauelementen über die Firma Broere ungehindert weiter.
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Eine Lieferung hochsensibier Bauelemente aus den USA

Mitte Juni rechneten wir mit dem Eintreffen hochsensibier Bauelemente aus den USA. Es handelte sich hierbei um ultraschnelle Prozessoren für den Forschungsbedarf des VEB Numerik Karl-Marx-Stadt, um deren Beschaffung wir uns über ein Jahr lang vergeblich bemüht hatten.

Die Lieferung aus den USA erfolgte mit dem begehrten end-user-certificate, dem Endverbraucher-Nachweis, an einen „Vertauenslieferanten" von Majunke. Vor Lieferfreigabe wurde diese Firma sogar durch einen Mitarbeiter des amerikanischen Konsulats in Hamburg persönlich durchgecheckt, doch der Endverbraucher-Nachweis hielt auch dieser Überprüfung stand.

Trotzdem vereinbarten wir im Interesse der Sicherheit, daß die Lieferung im Wert von 200.000 DM vorerst beim „Vertrauenslieferanten" verbleiben sollte, um sie zu einem günstigeren späteren Zeitpunkt zu erhalten.

Um Majunke und seine Familie zu schützen, legten wir außerdem konkret fest, zu welchen Unterlieferanten die bisherigen Verbindungen sofort abzubrechen sind und welche von uns direkt weitergeführt werden.
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Wir konnten und wollten Majunke nicht fallenlassen

Denn alle Taue sofort zu kappen, ging leider nicht, da noch eine Reihe von Auslieferungen offen stand. So gelang es uns, wichtige Waren, besonders Computertechnik, zu beziehen. Nicht zuletzt bewahrten wir uns und Majunkes Firma damit vor finanziellen Verlusten.

So wurden Bauelemente, die zwischenzeitlich aus Bestellungen noch bei Majunke in Wesseling eintrafen, trotz des damit verbundenen hohen Risikos noch als Reisegepäck von Familie Majunke im Flugzeug über Tegel nach Ostberlin verbracht.

Alles in allem konnten wir unserer Importaufgaben erfüllen, auch wenn die Beschaffungslinie Maju aufgeflogen war und unser Partner verhaftet worden war.

Darüber, wie es seinem Vater im Gefängnis ging, wie der Stand des Ermittlungsverfahrens war, welche Anschuldigungen die Staatsanwaltschaft vorbrachte und welche Aktivitäten die Verteidiger unternahmen, hielt uns Majunke junior auf dem laufenden.
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Majunkes Gesundheitszustand entsprach meinem von 1982

Majunkes Gesundheitszustand, der schon seit langem angeschlagen war, hatte sich während der monatelangen Untersuchungshaft rapide verschlechtert. Deshalb setzte das Amtsgericht Brühl im Februar 1990 den weiteren Vollzug unter Auflagen aus.

Um so härter traf es seine Frau. Gegen sie wurde überraschend ein Jahr später, am 18. Februar 1991 Haftbefehl angeordnet. Da man Hans-Joachim Majunke infolge seines Gesundheitszustandes nicht belangen konnte, wollte sich die Staatsanwaltschaft ersatzweise an seiner Ehefrau schadlos halten.

Sie wurde beschuldigt, „als Inhaberin der Einzelfirma P. M. Majunke das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Ehemann geführt und gemeinschaftlich handelnd illegalen Transfer von Waren und fortgesetzt Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung begangen zu haben".

Als Hauptschuldiger für den illegalen Transfer wurde unverändert ihr Ehemann betrachtet. Auf Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 13. September l991 wurde die Haftfortdauer für Pia-Monika Majunke trotz dringenden Tatverdachts gegen Kaution ausgesetzt.
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Kurioses aus den Gerichtsakten von 1991

Die deutsche Justiz brauchte mittlerweile weiß Gott keine Flucht der Majunkes zu befürchten. Wohin hätten diese auch gehen sollen, nachdem es keine DDR und keinen Ostblock mehr gab?

Und die Behörden konnten sich bei ihren Ermittlungen Zeit lassen. Erst am 1. April 1993 erhob die Staatsanwaltschaft bei der 10. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln gegen Hans-Joachim Majunke und seine Ehefrau.

Anklage wegen „fortgesetztem Verstoß gegen Art. 1d und 2 des Militärregierungsgesetzes Nr. 53 (Neufassung vom 18. 9. 1949) durch nicht genehmigten Warentransfer aus der BRD in die DDR und wegen steuerlich erheblicher unrichtiger Angaben gegenüber Finanzbehörden und damit verbundener Verkürzung von Steuern".

In der Zwischenzeit ging es Hans-Joachim Majunke gesundheitlich so schlecht, daß er nicht mehr verhandlungsfähig war. So mußte seine Frau allein vor Gericht treten. Im Ergebnis der Hauptverhandlung vom September bis November 1993 wurde sie zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, nachdem sich die Familie vorher mit dem Finanzamt Köln über die Höhe der Steuerfestsetzung geeinigt hatte.
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Keine Revision zugelassen

Einen Revisionsantrag gegen das Urteil verwarf der Bundesgerichtshof im Dezember 1994 mit folgender Begründung:

„Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, mit der Herstellung der deutschen Einheit sei die Grundlage dieser Verurteilung weggefallen; auch ohne förmliche Aufhebung des Militärregierungsgesetzes Nr. 53 müsse im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB von einer Gesetzesänderung ausgegangen werden, die Strafbarkeit beseitigt habe und deshalb nach § 2 Abs. 3 StGB die Bestrafung zurückliegender Verstöße gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53 ausschließe. Dem folgt der Senat nicht."

Ich verlor mit Hans-Joachim Majunke einen guten Freund

Hans-Joachim Majunke überstand zwar erfolgreich eine komplizierte Herzoperation, doch unmittelbar danach erlag er seinem schweren Herzleiden. Ich verlor einen guten Freund.
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