Aus der Funkschau 1978 Heft Nr. 02 kommt hier
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 05 (von 72)
von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977
Die Sprache wurde eingedrückt
Bei dieser Aufzeichnungsmethode waren die Sprachschwingungen nur mit geringer Tiefe in das Wachs eingedrückt, was einer geringen Lautstärke bei der Wiedergabe entsprach. Im Falle der Direktabtastung, wandte man ein auch schon von Edison vorgeschlagenes Verfahren der Verstärkung an: Ein von der Wiedergabe-„nadel" bewegtes Ventil steuert einen Preßluftstrahl, der auf die Wiedergabemembran einwirkt.
Das erste, im Jahr 1881 gebaute Gerät nannten sie „Phonograph-Graphophon", also Tonschreiber und Schreibtöner, später verkürzten sie den Namen all ihrer Geräte auf „Graphophon". Dieses erste Gerät mit den mit Wachs ausgefüllten Rillen deponierten sie in einem verschlossenen Behälter im „Smithsonian Institute" in Washington mit der Auflage, daß es solange verschlossen bleiben soll, bis mindestens zwei der drei Beteiligten die Öffnung und Abspielung der auf der Walze befindlichen Sprachaufnahme verlangen würden.
15 Jahre nach seinem Tod
Erst 1937, als nur der 90jährige Sumner Tainter noch lebte, aber an einem solchen Akt nicht mehr teilnehmen konnte, holte man in Anwesenheit von Graham Bell's Erben das Gerät heraus und spielte die Aufnahme ab. Gut verständlich vernahm man die Stimme von Alexander Bell, dem Erfinder des magnetischen Telefons, 15 Jahre nach seinem Tode.
55 Jahre nach der Aufnahme zitierte er abgewandelt aus „Hamlet":
- „There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamed of in your philosophy. I am a graphophone, and my mother was a phonograph."
Das ist die älteste noch erhaltene Aufzeichnung einer Stimme. Wahrscheinlich könnte man sie auch heute noch einmal abspielen und dann auf Tonband verewigen.
Dieses Gerät war aber noch nicht das, was Graham Bell sich wünschte. Wieder kritisierte er und seine beiden Kollegen forschten weiter. Endlich 1886 war der große Wurf gelungen, die neue Diktiermaschine ,,Graphophone" wurde vorgestellt [24].
Die Rille wird geschnitten
Die neue Auf Zeichnungsmethode war revolutionär. Mit einem scharfen Grabstichel „schnitt" man die Rille mit den Sprachschwingungen ein [Bild 23). - Heute noch wird geschnitten, wenn auch bei unseren modernen Schallplatten in Seitenschrift und nicht mehr in Tiefenschrift. - Dies war neu, wenn auch Edison das „Schneiden" schon einmal vorgeschlagen hatte, aber nur an der seitlichen Kante eines Bandes aus Metall. Dazu hatte er eine rotierende Schleifscheibe vorgesehen, an die das Band mit seiner Kante, mehr oder weniger von den Sprachschwingen gesteuert, herangedrückt werden sollte, um so die Sprachschwingungen in die Kante „einzusägen". Mit der Erfindung von Chichester Bell und Sumner Tainter kollidierte das nicht.
Für die neue Diktiermaschine wurde als Tonwalze eine Papprolle gewählt mit ca. 3mm Wandstärke, darauf eine Lage Wachs 1,25 bis 1,50mm stark, in die geschnitten wird. Die Rillen haben nur noch eine Tiefe von 0,03mm und sie sind weniger als 0,1mm breit. Unbesprochen werden Furchen mit einem glatten Boden gezogen. Entsprechend den Schallschwingungen entstehen auf dem Boden der Furche „Berge und Täler", also eine Tiefenschrift. Diese nur unten modulierte Rille gibt eine gute Führung für die Abtast„nadel", die mit dem verhältnismäßig großen Radius von 0,4mm an der „Spitze" verrundet war. Die Walze hatte mit der Wachsauflage einen Durchmesser von nur 3cm, dafür war sie 12,5cm lang. Mit ca. 60 Rillen pro cm ließen sich in 4min etwa 700 Worte aufnehmen. Jede Walze war nur für eine Aufnahme verwendbar.
Antrieb und Kopf und die Tasten
Angetrieben wurde die Walze durch den Trittbrettantrieb einer Nähmaschine, deren Schwungrad noch zusätzlich durch einen Zentrifugalregulator stabilisiert wurde (im Bild 24 hinten zu erkennen). Eine ganz entscheidende Verbesserung war die bewegliche Aufhängung der Wiedergabeeinheit, von den Erfindern „head", also Kopf genannt, eine Bezeichnung die bis heute geblieben ist [Bild 25).
Die Aufhängung dieses Kopfes an einem um eine Achse beweglichen Arm, durch sein optimal ausbalanciertes Gewicht die Abtastnadel oder den Schneidstichel eleastisch dem Walzenschlag folgend, das wurde von Edison ebenso übernommen wie von allen anderen späteren Konstrukteuren. Auch der moderne Tonabnehmer für die Schallplattenwiedergabe wird nach solchen Grundsätzen in der Rille geführt.
Für die Membran von 7,5cm Durchmesser nahm man kein klirrendes Metall mehr, sondern Hartgummi. Die Aufnahmemembran wurde über einen Schlauch besprochen mit einem Mundstück, in das auch die Nase hineinpaßte. Für die Wiedergabe wurde ein sich auf beide Ohren verzweigender Schlauch gewählt. Ist das nicht schon modernster Bedienungskomfort?
Für Diktierzwecke und das Beschreiben auf die gerade aufgekommene Schreibmaschine hatte man das Gerät mit zwei Tasten versehen, von denen eine dazu bestimmt war, bei laufender Walze Sprache und Vorschub solange zu stoppen, bis der Text getippt ist. Die zweite Taste dient dazu, das Abspielen an der Stelle fortzusetzen, an der es vorher gestoppt wurde [24], [25].
Das Erfinderteam Chichester Bell und Sumner Tainter wagte sich schon 1885 an ein Diktiergerät mit einer Platte als Aufzeichnungsträger. Das realisierte Gerät zeigt die Handschrift des begabten Konstrukteurs Tainter, während alles dafür spricht, daß die Idee dazu von Graham Bell stammt.
Wie er damals verlauten ließ, wollte er statt Walzen deshalb flache Platten aus unzerbrechlichem Material nehmen, weil man diese bequem mit der Post verschicken konnte. -
Erinnern wir uns an die Geburt der TED-Bildplatte: Dort hatte man ganz zielbewußt die dünne flexible Platte gewählt, weil man glaubte, und es auch heute noch glaubt, daß man solche Platten den Wochenzeitschriften beilegen kann, um damit am Montag z. B. die Fußballspiele vom Sonntag im Bild ins Haus zu bringen.
(Fortsetzung folgt)
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Das Literaturverzeichnis (die Quellen) zu den Artikeln 1 bis 39
finden Sie am Ende dieser ersten Artikelserie auf einer eigenen Literatur-Seite. Die dann folgenden nächsten 32 Artikel über die Magnetband/Tonbandaufzeichnung finden Sie hier in unserem Magentbandmuseum.