Aus der Funkschau 1978 Heft Nr. 20 kommt hier
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 23
von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977
Das Gehäuse mußte kleiner werden
Nachdem nun der Trichter in einer festen Stellung bleiben konnte, beschäftigten sich die Erfinder und die Konstrukteure damit, wie man ihn getarnt in einem Gehäuse unterbringen konnte, denn die Pionierzeit des Grammophons, in der man zeigen wollte, daß man eins besaß, war nun vorbei.
Von nun ab sollte es möglichst als Ziermöbel in der Wohnung stehen, anstatt den Besitz einer technischen Neuheit vorzuzeigen. Ein Wunder, das man von seinen Besuchern bestaunen ließ, war die Sprechmaschine schon lange nicht mehr.
Zwischenstufen bis zum Musikschrank
Bis es zum Musikschrank der 1920er Jahre kam, waren noch einige Zwischenstufen zu erfinden. Man fing an, den Trichter in ein Gestell einzubauen (Bild 119 oben [63]).
Die Firma Holzweissig in Leipzig, die diese Geräte fertigte, ließ sie sich dann patentieren, was zum Grundmodell des Tischgrammophons wurde (Bild 120 oben [64]).
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Dem Zeitgeschmack entsprechend fein verziert, kam es zuerst in der Ausführung nach Bild 122 (rechts) auf den Markt.
Amüsieren können wir uns heute nur noch bei der Betrachtung des „Sprechenden und singenden Bierfasses" (Bild 121 oben), von der rührigen Firma Holzweissig als „Hymnophon" hergestellt; der Trichter war in einem Faß getarnt.
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Ein Trichter im Klappdeckel
Auch Eldridge Johnson mischte mit seinem Mitarbeiter English wieder mit, indem er das Grundpatent für das Tischgrammophon (Bild 120 [64]) durch einen Trichter im Klappdeckel umging [65].
Das war 1910, und erst 1923 folgte dann ein Patent über ein Tischgerät mit einem akustisch optimierten Exponentialtrichter [66], (Bild 123 rechts).
In dieser Zeit hatte man dann schon die Musiktruhe, ein wohlklingendes und je nach Gehäuseausführung mehr oder weniger teures Möbelstück (Bild 124 rechts).
Auch Edison baute für seinen Phonographen solche Truhen (Bild 125 unten) und später auch für seine noch zu besprechenden Schallplatten-Truhen mit einem ganz hervorragenden Klang.
Neu, das Koffergrammophon
Das Vordringen der Tanz- und Unterhaltungsmusik- Platten nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) bewirkte, daß ein ganz neuer Gerätetyp auf den Markt gebracht werden mußte, das Koffergrammophon.
Fast jede junge Familie hatte ein solches Koffergrammophon in den 1930er Jahren und bei denen, die keines hatten, brachte man zu einer Party sein eigenes mit, zumindest aber eine Aktentasche voller Platten.
Die Geräte hatten einen recht guten Klang, etwas auf Tanzmusik abgestimmt, viele davon wurden später mit einem an Stelle der Schalldose aufsteckbaren elektrischen Tonabnehmer zum Anschluß an das Radiogerät versehen.
Der Autor Walter Bruch über seine Erlebnisse:
Auch ich fing ganz früh so an! Sie hatten ein Federwerk, das je nach Preisklasse einmal aufgezogen eine Plattenseite oder zwei durchzuziehen erlaubte, - die Truhen konnten mit Federwerk (Bild 126) bis zu drei Plattenseiten mit einmal Aufziehen abspielen.
Überall im Freien konnte man das Koffergerät aufstellen (Bild 127). Den Trichterklang des Koffergerätes versuchte einer der berühmtesten Erfinder seiner Zeit, Louis Lumiere, mit dem Ersatz des Trichters durch eine große Fächermembran zu umgehen [66].
Ein großer Fächer für die tiefen Töne
Lange, ehe der trichterlose Lautsprecher für den Rundfunk erfunden war, hatte Lumiere die Schallabstrahlung auch tieferer Frequenzen mit dieser, aus Gründen der Steifigkeit zu einem kreisförmigen, geformten Fächer erreicht.
In Bild 128 sehen wir, wie der weltberühmte Bassist Fedor Schaljapin (1873-1938) sich mit diesem Gerät eine seiner Aufnahmen abhört. - Pathe hatte übrigens eine ähnliche Konstruktion, am Anfang der zwanziger Jahre verwendete er eine Konusmembran von 38cm für diesen Zweck *1); schon ein Vorbild für den Konuslautsprecher, der Jahre später folgte.
*1) Für Pathe war das einfach, er schnitt auch Platten, wie Edison später die seinigen, in Tiefenschrift. Er braucht also den Konus an seiner Spitze nur mit der Nadel zu versehen und diese auf die Rille drücken lassen.
Auch für Platten mit Seitenschrift wurde diese Konusmembran verwendet, dann müßte über ein Hebelwerk die Bewegung erst in der richtigen Richtung auf das Membranzentrum übertragen werden. -
Übrigens, die Schallplättchen in den „Sprechenden Puppen" haben meist Tiefenschrift, das gibt eine besonders einfache Konstruktion für den Membranantrieb, wie seinerzeit bei Pathe.
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Die Schallplattenfirmen in der Obhut der Elektrokonzerne
Da die Anwendung elektrischer Tonabnehmer im Vergleich zu den mechanischen Plattenspielern bis zum Wiederanfang nach dem letzten Krieg (dem 2.Weltkrieg) in der Minderheit blieb, schon weil die Rundfunk- empfänger keinen Tonabnehmereingang hatten, wurden Koffergeräte in klassischer Technik noch in großer Stückzahl verkauft, produziert auch von den Elektrokonzernen, die in diesen Jahren viele der großen Schallplattenfirmen übernommen hatten. Aus Leder war der Koffer des Luxusgerätes von Telefunken (Bild 129).
Eine Werbeanzeige der Firma Telefunken (Bild 131) möge als Beispiel veranschaulichen, wie breit das Angebot an billigen Koffergeräten vor Kriegsbeginn (1939) allein für diese eine Marke war.
Neben den Geräten mit aufklappbarem „Trichter" finden sich auch schon Spieler noch mit Federwerk und Tonabnehmer für den Anschluß an den Rundfunkempfänger.
- Bild 131. Eine Serie von Koffergeräten der Firma Telefunken mit den Vorkriegspreisen:
74 Reichsmark, 39 RM, 66 RM und 56 RM. Heute zahlt man auf dem Flohmarkt für solch ein Gerät viele hundert Mark!! - Anmerkung 2012: Auch das ist inzwischen Geschichte, viele Geräte werden achtlos weggeworfen.
Abschied vom Trichter
Zeichen eines Neubeginns, der durch den Kriegsausgang bei uns verspätet dann in den 1950er Jahren den nunmehr endgültigen Abschied vom Trichter *) (Bild 130) brachte, ein Übergang zu einer Technik, die etwa ab 1925 langsam Boden gewann, die der vollelektrischen und elektronischen Plattenspielanlagen.
*) Um eine ausreichende Trichterlänge in einem Standgerät unterzubringen, - und nur ausreichende Trichterlänge erlaubt eine genügend große Trichteröffnung -, hat man in den 1920er Jahren den gefalteten Exponentialtrichter für ein Grammophon der Spitzenklasse konstruiert
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Das Spektrum des Angebots dieser Anlagen bis zu Hi-Fi ist noch breiter geworden, als es einmal 1919 war, und die Bemühungen der Verkäufer werden sicher sich auch heute noch nach der Preislage der gefragten Anlage richten, so wie sie uns der Zeichner der englischen satirischen Zeitschrift „Punch" für 1919 aus seiner Sicht überliefert hat (Bild 132).
(Fortsetzung folgt)
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Das Literaturverzeichnis (die Quellen) zu den Artikeln 1 bis 39
finden Sie am Ende dieser ersten Artikelserie auf einer eigenen Literatur-Seite. Die dann folgenden nächsten 32 Artikel über die Magnetband/Tonbandaufzeichnung finden Sie hier in unserem Magentbandmuseum.