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Aus der Funkschau 1979 Heft Nr. 08
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 37

von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977

Das Patent des Clement Ader

Es heißt wörtlich in der Patentschrift:
„Die Sender (gemeint sind die Aufnahmegeräte) werden auf der Bühne in zwei Serien eingeteilt, eine linke und eine rechte, und einer der beiden, beim Abonnenten befindlichen Empfangsapparate ist mit einem Sender der einen Serie, der andre mit einem Sender der zweiten Serie verbunden. Auf diese Weise kann der Hörer mit beiden Ohren die verschiedenen Laute verfolgen, und die Variationen in der Intonation, welche er mit beiden Ohren hört, entsprechen in der Tat den Bewegungen und Ortsveränderungen der Schauspieler auf der Bühne."

Der Erfinder war sich dabei des plastischen Hörens ganz genau bewußt, denn es heißt dort:
„Dieses doppelte Hören der durch verschiedene Apparate aufgenommenen und weitergegebenen Laute ist in Bezug auf die erzielten Effekte analog demjenigen, was das Stereoskop für das Sehen ist."

Mit einem Magnetbandgerät wäre es einfacher gewesen

AEG Magnetophon K7 in Stereo - 1944

Hätte man ein Tonband mit zwei Spuren oder eine entsprechende Schallplatte schon gehabt, dann wäre die Stereo-Aufzeichnung schon erfunden worden.

Um 1935 hatte Telefunken mit der Stereophonie experimentiert, allerdings nicht gerade sehr erfolgreich, wie ich mitbekommen habe *).

*) Zu den ersten Erkenntnissen von Rayleigh mußte noch viel hinzugelernt werden, bis man verstand, wie Stereomusikaufnahmen optimal gemacht werden sollen. Als einführende Lektüre empfehle ich das Buch „Tonstudio-Technik" [103] des sehr erfahrenen Toningenieurs Johannes Webers, in dem auch auf weitere Literatur verwiesen wird.

In der Zeit, in der in Deutschland sicher die stereo-phonische Aufzeichnung realisiert worden wäre, tobte bei uns jedoch der Zweite Weltkrieg. Also mußten wir wieder eine Entwicklung den Amerikanern überlassen. Dort hatte man kurz vor Amerikas Eintritt in diesen Krieg gerade noch Zeit gefunden für eine interessante Vorführung [104]:

Ein Konzert in 1941 - halb Original - halb Konserve
Welche Hälfte wurde tatsächlich gespielt?

Am 7. Mai 1941 trat die Acoustical Society of America in der Eastman-Musikhochschule und der Universität Rochester zu ihrer Jahresversammlung zusammen. Für die Vorführung der Bell-Laboratorien hatte an jenem Tage das Symphonieorchester von Rochester auf der Bühne des Eastman-Theaters Platz genommen.

Hinter den Musikern waren drei riesige Lautsprecherboxen aufgebaut
, die zu dem stereophonischen Wiedergabesystem des Experiments gehörten. Die anwesenden Akustiker, Physiker und Psychologen waren auf ein Konzert eingestellt. Da aber ging zu ihrer Überraschung, kurz bevor das Konzert begann, der Vorhang herunter.

Hinter dem Vorhang spielte das Orchester
- für die Zuhörer unsichtbar - den ersten Satz einer Symphonie. Dann setzten die Musiker ihre Instrumente ab, und der zweite Satz wurde als Stereo-Aufnahme über die Lautsprecher ausgestrahlt. Die Wiedergabetreue der Aufnahme reichte von 26 bis 14.000 Hertz und bis zu Intensitäten von 120 Dezibel.

Ein verblüffendes Ergebnis

Als die Musik verklungen war, hob sich der Vorhang, und ein Sprecher der Laboratorien eröffnete den versammelten Wissenschaftlern, daß man sie getäuscht hatte: Zwar sei eine Hälfte der Musik, die sie gehört hatten, von den Musikern auf der Bühne gespielt worden, doch sei die andere Hälfte eine Aufnahme gewesen. Dann stellt er die Frage: „Welche Hälfte wurde tatsächlich gespielt, und weiche Hälfte kam von der Platte?"

Die Zuhörerschaft spaltete sich in zwei Lager.
Die Hälfte der Hörer hob die Hand, um anzuzeigen, daß der erste Satz tatsächlich gespielt worden sei; die andere Hälfte bestand darauf, daß die Musiker den zweiten Satz gespielt hätten.

Einer Generation, die nur die monaurale Schallplatte mit geringer Weidergabequalität kannte, war damit eindrucksvoll demonstriert worden, daß man durch die Kombination von Möglichkeiten einer hochentwickelten Elektroakustik mit wissenschaftlichen Kenntnissen über den Hörweg die Illusion einer Live-Aufnahme hervorrufen kann.

Das war die echte Stereophonie.

Bild 203. So stellte sich ein Witzbold um 1906 den Raumton von der Platte vor

Doch dazu waren auf der Platte zwei Kanäle notwendig. Solange man sie nicht hatte, behalf man sich mit einer zeitverschobenen zusätzlichen Abspielung derselben Aufzeichnung, allerdings nicht so, wie es um 1906 ein Witzbold gezeichnet hat (Bild 203).

Immer wieder kamen Plattenspieler auf, bei denen zwei mechanisch gekoppelte Schalldosen dieselbe Rille abtasten und den zweifach gewonnenen Schall auf denselben Trichter gaben.

Nachteil dieser Einrichtung: Auf dem Weg zu den inneren Rillen verlängerte sich der Zeitabstand, wenn die Dosen mit konstantem Abstand dieselbe Rille abtasteten.
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Bild 204. Schalldosenführung des Raumtongerätes ,,Ultraphon"
Bild 205. Ein Ultraphon

Das ,,Ultraphon" von Küchenmeister

1925 brachte Küchenmeister sein ,,Ultraphon" auf den Markt, ein Gerät mit zwei Schalldosen und zwei Schallführungen, das sensationell angekündigt in beträchtlicher Stückzahl verkauft wurde (DRP 418 667).

Ein gewollter Effekt wird hier durch zwei verschieden lange Tonarme und Schalleitungen verschiedener Dimensionierung und aus unterschiedlichem Material erzielt [105].

Die Konstruktion der Schalldosenführung zeigt Bild 204, ein Foto eines spielfähigen Geräts aus dem Besitz der Polydor International Bild 205.


Was man mit „Vorhall" und „Nachhall" - zur normalen Tonaufnahme für einen raumakustischen Effekt addiert - erreichen kann, hat damals (1925/1926) H. E. Hollmann in einer preisgekrönten Arbeit der Technischen Hochschule Darmstadt untersucht.

Hollmann benutzte für die Schallveredlung bereits einen Magnetspeicher (Bild 206). Zur Erzeugung von pseudoraumakustischen Effekten wurde auch schon die zeitverschobene Abtastung derselben Rille mit zwei elektrischen Tonabnehmern patentiert {Bild 207) [106].

Bild 206. Ein Bild aus der Arbeit von H. E. Hollmann. Mit diesem umlaufenden Stahldraht erzeugte er zeitverschobene Vor- und Nachläufer für einkanalige Raumtoneffekte
Bild 207. Zwei elektrische Tonabnehmer liefern nach diesem amerikanischen Patent zwei zeitlich verschobene Signale für den Raumton


(Fortsetzung folgt)
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Das Literaturverzeichnis (die Quellen) zu den Artikeln 1 bis 39

finden Sie am Ende dieser ersten Artikelserie auf einer eigenen Literatur-Seite. Die dann folgenden nächsten 32 Artikel über die Magnetband/Tonbandaufzeichnung finden Sie hier in unserem Magentbandmuseum.

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