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Aus der Funkschau 1979 Heft Nr. 10
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Der letzte Artikel Nr. 39 (von 39)

von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977

Noch mehr Stereo Schallplattensysteme . . .

Die DECCA Modulation

Bei der Decca wurde (nur) der eine Kanal normal niederfrequent aufgezeichnet, nachdem er in einem Tiefpaß bei 12kHz scharf bandbegrenzt war. Oberhalb dieser 12kHz wurde das zweite Signal auf einen Träger von 14kHz mit unterdrücktem unteren Seitenband gelegt; mit wieder 12kHz Nf-Bandbreite bedeutete das eine obere Grenzfrequenz von 26kHz, bis zu der Schneid- und Wiedergabefrequenzbereich reichen mußte.

Die Wiedergabeapparatur war wegen der für das Einseitenbandsignal notwendigen Synchrondemodulation zwar etwas kompliziert, trotzdem funktionierte das Verfahren aber hervorragend [110].

Nachdem jedoch auch Columbia an einem Verfahren arbeitete
, hätte es bestimmt Auseinandersetzungen um das zur Norm zu erklärende System gegeben, hätte man sich nicht an die geschäftsschädigenden Auseinandersetzungen zur Zeit des Kampfes um die Geschwindigkeiten erinnert.
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Angeregt von den guten Erfolgen der englischen Decca (die mit der amerikanischen Decca nur den Namen gemeinsam hat) gaben in Amerika die dortige Decca, RCA-Viktor und Capitol der zur Western Electric gehörenden Westrex den Auftrag zur Entwicklung eines einheitlich für Amerika geeigneten Systems.

Im August 1957 hatte sie das heute benutzte 45°/45°-System fertig [111] und konnte erste Probepressungen für Versuche zur Verfügung stellen. Zusammen mit dem Senkrecht/Seitwärts-Verfahren wurde es dann von einem Ausschuß der "Record Industry Association of America" (RIAA) geprüft.

Die Realität überrollt die Entscheider

Die RIAA ist inzwischen (2012) genauso verrufen wie die GEMA und andere Rechtevertreter.

Der RIAA wurde jedoch die Entscheidung vorwegge- nommen, und zwar auf recht merkwürdige Art: Die Westrex- Stereo-Muster waren, damit sie nicht für den allgemeinen Gebrauch benutzt werden konnten (sie waren ja mono- kompatibel), an einigen Stellen zusätzlich mit (künstlichen) Störungen versehen, d. h. die Musik war zeitweise durch Pausen unterbrochen.

Trotzdem machte ein kleiner Unternehmer davon 3000 Kopien, die in den Besitz von Amateuren gelangten. Damit aber nun nicht allzuviel Schaden angerichtet wurde, stellte Westrex der "Audio Fidelity Inc.", die für den kleinen Unternehmer die Platten gepreßt hatte, eine Schneidapparatur zur Verfügung.

Mit dieser Einrichtung wurden dann für diesen Produzenten die ersten vier Stereoschallplatten hergestellt, natürlich ohne störende Unterbrechung. Die Interessenten konnten sich dafür Stereoanlagen zusammenbauen, denn es gab auch schon einen geeigneten Tonabnehmer zu kaufen. Der RIAA war damit die Entscheidung vorweggenommen und Schallplattenstereo eingeführt! Die RIAA sanktionierte also die Norm, und Bell, Columbia sowie die englische Decca zogen ihre Systeme zurück. Langsam und stetig erfolgte nun die Umstellung von Mono auf Stereo; 1960 entfielen von den in Amerika verkauften Langspielplatten immerhin schon 25% auf Stereoausführungen.

Der Vorteil von Stereo war offensichtlich

Die Stereophonie ergibt einen räumlichen Eindruck von all dem, das im Raum, sozusagen in einem Halbkreis vor dem Hörer, geschieht. Mir genügt das und auch den meisten meiner Freunde. Will man alle vier Richtungen erfassen, so benötigt man vier rundherum angeordnete Lautsprecher, denen die entsprechend aufgenommenen Signale über vier Kanäle zugeführt werden.
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Bild 213. Ein Schallortungsgerät aus dem Ersten Weltkrieg mit vier Aufnahmeorganen. Dieser Vorläufer des Radars könnte auch Vorbild für die qua-drophonische Aufnahme gewesen sein.

Schon im Ersten Weltkrieg suchte man den Himmel nach feindlichen Flugzeugen mit einem Schallortungsgerät, dem Vorläufer des Radars, ab, das vier Schallempfänger hatte [Bild 213).

Bis jetzt hat sich die Rundumstereophonie, die Quadrophonie, jedoch nicht durchgesetzt, obwohl es Verfahren gibt, die es ermöglichen, alle vier Informationen in eine Schallrille zu schneiden.

Ich glaube aber nicht, daß sich eines dieser Systeme durchsetzen wird.
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  • Anmerkung : Als diese 39 Artikel in 1977 geschrieben wurden, war das Thema Quadrofonie mit all seinen Varianten bereits als Scharlatanerie so weit in Verruf gekommen, daß die meisten Hersteller die Quadro-Produkte still und heimlich aus den Katalogen verbannten.

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Pseudoquadrophonie

Es gibt jedoch Verfahren, die es erlauben, aus den zwei Stereosignalen für drei oder vier rundum angeordnete Lautsprecher Signale zu erzeugen, die eine Pseudoquadrophonie ermöglichen. Das kann ganz gut klingen. Bei dem ersten dieser Geräte, das von der amerikanischen Firma Audio Pulse entwickelt wurde, arbeitete man mit einem digitalen Nachhallgerät, das die Steuerspannungen für die beiden zusätzlichen Kanäle lieferte.

Wie schon seinerzeit Hollmann erzeugte man auf diese Weise einigermaßen wirklichkeitsgetreu den Nachhall eines Konzertsaals über Verzögerungsleitungen, denen man an Abgriffen viele Miniechos entnahm.
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Bild 214. Aufgrund von Vereinbarungen ist der Plattenschnitt heute den Tonabnehmern angepaßt und um 15° gegen die Senkrechte geneigt

In Deutschland werden Geräte angeboten, die nach unterschiedlichen Methoden einen solchen Nachhall für die hinteren Lautsprecher erzeugen, wobei diese auch wieder klein sein können, weil sie nur die höheren Frequenzen abstrahlen müssen.

Die Flankenschrift läßt sich in zwei Komponenten zerlegen
, wie es Bild 208 zeigte, und zwar in eine senkrechte, also Tiefenschriftkomponente, und eine horizontale, also Seitenschriftkomponente. Nach der Einführung schien es vorteilhaft, die Schrift mehr den gebräuchlichen Abtastern anzupassen und aufgrund von Vereinbarungen des Schneidesystem um 15° zu neigen (Bild 214).

Das Ende der Fahnenstange ist jetzt erreicht.

Die CD wurde im März 1979 von Philips in Eindvoven zum ersten Male öffentlich vorgestellt

Auf dem Weg zum perfekten Klang gibt es noch viele Möglichkeiten, aber all dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Schallplatte mit analoger Schallschrift ein gewisses Endstadium erreicht hat.

Daß das, was der Schallrille entnommen wird, fast täglich durch Neuerungen am Spieler, Tonabnehmer, Verstärker, an den Lautsprechern oder Kopfhörern verbessert wird, das zeigen die HiFi Ausstellungen und die unzähligen Publikationen auf dem HiFi Gebiet. Eine ganz neue Technik, die Platte mit digitaler Aufzeichnung - nicht kompatibel mit den heutigen Platten -, steht kurz vor der Einführung.

Besser als die Aufnahme kann aber eine Schallplattenwiedergabe nie werden.

Eine digitale Studer D827 - feinste Technik - die Maschine kam aber erst nach 1977.

Gewiß, den Solisten und Dirigenten ist die gute Interpretation zu verdanken, ihre Namen stehen auf dem Plattenetikett. Aber wo steht der des Tontechnikers, des Tonmeisters, der die Dynamik des Orchesters auf die Platte bannte?

Einstmals war es ein Fred Gaisberg, ohne den man Caruso nicht so gut hätte auf die Platte bringen können. Sein Name ist im Geschichtsbuch über die Schallplatte festgehalten. Er stellte jedoch Caruso nur optimal vor den Trichter.

Was aber macht ein Tontechniker heute, der ein Schlagersternchen mit einem Stimmchen zu einem Stern mit einer Stimme macht, indem er sie unermüdlich immer wieder zu ihrer ersten Aufnahme singen läßt und aus vielen Spuren dann eine Stimme mischt?
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Die Schallplatte macht sich heute die Stars, ihre ersten beiden Stars aber waren Techniker: Thomas Alva Edison und Emile Berliner.

Das war der Inhalt des ersten Teils der auf drei Teile berechneten Beitragsreihe, die mit dieser 39. Folge abgeschlossen wird.

Über den 6. Dezember 1977

Dieses hundertjährige Jubiläum begann man schon früh im Jahre 1977 zu feiern, u. a. auch durch Sonderbriefmarken (Bild 215). Doch der 6. Dezember 1977 war eigentlich erst der Tag, an dem nach meiner Ansicht hätte gefeiert werden sollen, denn es war am 6. Dezember 1877, als ein Mensch erstmals seine Stimme auf eine Folie bannte und sie danach davon reproduzierte. Am 6. Dezember 1977 aber war man des vielen Feierns müde.

Bild 215. 100 Jahre nach der ersten Erfindung ehrten drei Postverwaltungen diese drei Erfinder durch Briefmarken - 1877 hatte Charles Cros die Idee für ein Schallaufzeichnungsgerät, das er „Palephone" (Stimme der Vergangenheit) nannte; aber bei ihm blieb es bei der Idee. Im selben Jahr (1877) realisierte Thomas Alva Edison den „Phonographen", den Ton- und Klangschreiber Auf den Weg zur Schallplatte als Massenprodukt führte dann 1888 Emile Berliner mit seinem „Grammophon".


Das war Anlaß für mich (schreibt Walter Bruch),
noch rechtzeitig zu diesem Termin den Anfang dieser Serie mit der Beschreibung des zu feiernden Ereignisses im Druck erscheinen zu lassen. Es hat mir Freude gemacht, zu Bildern, die ich gesammelt hatte, das, das ich im Laufe eines langen Lebens miterlebt oder das ich mir angelesen habe, niederzuschreiben. Bei der Fülle des Materials mußte allerdings viel davon weggelassen werden; das gilt auch für die Entwicklungen der letzten Jahre, die erst Gegenwart und noch nicht Geschichte geworden sind.
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Chefredakteur Tetzner
Die Grundlagen der Musik

„Die Schallplattenproduzenten nannten Ihr Gewerbe einmal recht selbstbewußt The Industrie of Human Happiness - die Industrie für das Glück des Menschen", schrieb Prof. Tetzner, Chefredakteur der FUNKSCHAU.

Für viele, besonders die Einsamen, wurde die Schallplatte mit dem jeder Stimmung angepaßten wählbaren Programm ein Gefährte glücklicher Stunden, für die Jugend auch Mittel zum Abreagieren überschäumender Lebenslust.
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Doch das war nicht immer so. Noch 1911 schreib Felix Auerbach, einer der namhaften Physiker seiner Zeit, in seinem Buch ,,Die Grundlagen der Musik":

Was das Reich der Musik angeht, so kann man sich schwer entschließen, den Grammophonen einen Platz unter den Musikinstrumenten einzuräumen, und es ist sogar recht zweifelhaft, ob sie ihn sich je erobern werden. Heutzutage jedenfalls gehören sie in das Kapitel der Verirrungen des Kunstbetriebes, indem sie Zerrbilder gerade von den besten Originalen entwerfen und so den Geschmack breiter Massen, statt ihn zu heben, hoffnungslos verderben."

Das schrieb der Physiker, die Frequenzkurven und Nichtlinearitäten der damaligen Technik vor Augen. Doch schon bald nach ihm schrieb ein Komponist, Engelbert Humperdinck (1854-1921):

Wenn nicht alle Zeichen trügen, so ruht die Zukunft unserer Hausmusik nämlich - sit venia verbo - auf der Maschine. Meine anfängliche Idiosynkrasie gegen diese Art des Musikmachens ist allmählich in Duldung und zuletzt sogar in Bewunderung übergegangen, und ich glaube nunmehr, daß die Herstellung derartiger Instrumente es schließlich so weit bringen wird, daß man das eigentliche Musizieren in Zukunft nur den Musikern vom Fach im besonderen, und den wirklich musikbegabten Teilen der Menschheit im allgemeinen überlassen kann, während der restliche, überwiegende Teil sich mit „künstlicher" Hausmusik gut und gern zufriedengeben wird."

Dank der ingenieurmäßigen Leistungen, die ich hier beschrieben habe, ist zur Tat geworden, was Humperdinck vorausgesagt hat.

Vielen Dank, daß Sie solange durchgehalten haben.

Walter Bruch hatte sich auch sehr große Mühe gemacht, die einzenen Gegebenheiten so gut es damals halt ging, zu rechchieren und mit so vielen Bildern wie möglich zu illustrieren.

Damit diese Artikel und das Wissen über diese Technik nicht gänzlich verloren gehen, haben wir uns in der Redaktion und ich, Gert Redlich, mindestens noch einmal so viel Mühe gemacht, diese Artikel hier gut lesbar und verständlich aufzubereiten und auch eine Menge weiterer Bilder, Links und Kommentare auf die bereits vorhandenen anderen Artikel und Seiten einzubauen.

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Mit dem Artikel 39 endet Teil 1 - Historie der Tontechnik.

Aug. 2012 - Es geht jetzt auf den Magnetbandseiten weiter mit den Artikeln 40 bis 82 . - Die Geduld hat sich gelohnt. Die Seiten sind fast fertig erstellt. Gescannt sind alle Seiten und mit Hilfe einer OCR Software in Texte gewandelt und Korrektur gelesen. Es ist wieder viel Material an Texten und Bildern.

Das alles kommt . . . . 

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