Ein Artikel in Audio 06/1987
Doppeltest DAT-Recorder - "Wahl der Waffen"
Japan 1987 - Land der Digital-Recorder
Voller Neid schauen HiFi-Fans aus aller Welt nach Japan - ins Land der Digital-Recorder, "wo" (oh weh) man sich angeblich schon jetzt jederzeit ein DAT-Gerät kaufen kann. Doch die Realität sieht sogar im HiFi-Mekka Tokio ganz anders aus.
Wenn überhaupt, ziert allenfalls ein DAT-Gerät die Schaufenster oder Verkaufsvitrinen der riesigen Umschlagplätze für Unterhaltungselektronik in der Tokioter HiFi-Meile „Akhiabara".
Und hier werden Fans der neuen Aufzeichnungsmaschinen gebeten, sich in nicht enden wollende Vorbestell-Listen einzutragen und dann mindestens vier Wochen bis zum eigentlichen Erwerb zu warten: Dem Kauf eines DATs stehen mindestens ebenso viele Steine im Weg wie hierzulande dem Erwerb einer Karte für die Bayreuther Wagner-Festspiele.
Frisch aus Japan importierte DAT-Maschinen
Doch nicht nur um Tannhäuser oder Tristan und Isolde aufs DAT-Band zu bannen, war AUDIO von der ersten Stunde an beim großen Digitalspektakel dabei: Nach dem ersten Test eines DAT-Recorders in Heft 1/1987 (Luxman KD-117) prüft AUDIO nun zwei weitere, mit einigem Aufwand frisch aus Japan importierte DAT-Maschinen auf ihre Qualitäten: den Excelia (alias Aiwa) XD-007, wenn überhaupt, dann für 188.000 Yen (rund 2.400 Mark) angeboten, sowie den deutlich teureren Technics SV-D 1000 für knapp 198.000 Yen (rund 2.550 Mark).
.
- Anmerkung : Deutlich teurer ?? Das ist wohl deutlich übertrieben.
.
2 Recorder und 40 DAT-Cassetten
Für den Test der neuen Digital-Recorder besorgte sich die Redaktion ferner 40 heißbegehrte DAT-Cassetten von Maxell, Sony, That's und TDK mit Spielzeiten von 60 und 120 Minuten (Preise: 17 bis 24 Mark).
Und schon ein Blick auf diese immerhin rund 60 Stunden Spielzeit umfassende Cassetten-Sammlung der ersten Stunde überzeugt Digital-Skeptiker drastisch von einem offensichtlichen Vorteil der neuen Technik: Die DAT-Bänder nehmen deutlich weniger Platz in Anspruch als CDs, Compact Cassetten oder gar betagte Spulenbänder.
So fühlt man sich unweigerlich in Omas Puppenstube versetzt, wenn die putzigen Bänder eingelegt werden: Aus den riesigen Gerätefronten des Duos fährt ein schmaler Schlitten heraus, der beim Aiwa die winzige Cassette wie ein Tablett ins Geräteinnere transportiert oder gar wie beim Technics der Cassette eine greifende Hand entgegenreckt.
.
AUDIOs "Grauimport" mit japanischer Schrift
Die selbstverständlich nur in asiatischen Schriftzeichen verfaßten DAT-Gebetbücher der nicht für den Export bestimmten Spieler dienten den Testern freilich nicht viel. Durch ausführliches und waghalsiges Ausprobieren kamen sie allerdings den beiden Playern auf die Schliche.
Und das Test-Duo bot eine Menge Möglichkeiten: automatisches Kennzeichen der einzelnen Titelanfänge bei Aufnahmen, vielseitige Programmier- und Titelsuchfunktionen, absolut verlustfreies Digitalkopieren von eigenen Aufnahmen (Abtastfrequenz: 48 Kilohertz), Abspielmöglichkeiten von Cassetten mit einer Taktfrequenz von 44,1 kHz (für zukünftige bespielte DAT-Musikcassetten), eine zusätzliche Abtastfrequenz von 32 kHz beim Aiwa für Mitschnitte von zukünftigen Digital-Satellitenfunk, Echtzeitanzeige für Gesamt-und Titelspielzeit sowie Restzeit (Aiwa).
Doch noch einpegeln und aussteuern ?
In der praktischen Handhabung überzeugte vor allem der Technics. Besonders seine riesige Aussteuerungsanzeige, verbunden mit automatischer Peak-Hold-Information, einem griffigen Aufnahme- und separatem Balanceregler machten das Einpegeln zum Kinderspiel.
Auch wenn bequeme, direkte, vor allem aber verlustfreie Digitalkopien von CD-Playern mit Digitalausgang nicht vorgesehen sind, läßt sich das Aussteuern mit Hilfe eines Pegeltons beispielsweise von der AUDIO-CD „Stakkato" (Titel 36) noch vereinfachen: Der Aussteuerungsregler wird einfach möglichst hoch eingestellt, ohne daß jedoch die Übersteuerungsanzeige „Over" aufleuchtet. Nach diesem einmaligen Pegelab-gleich läßt sich dann ohne weiteres jede gewünschte CD problemlos aufnehmen.
- Anmerkung : Das gab es später überhaupt nicht mehr. Der Aufnahme- Regler der SONY DATs befand sich nur im analogen Vorverstärker-Bereich der analogen Eingänge.
Denn der riesige Fremdspannungsabstand (siehe Meßkasten) beider Maschinen verzeiht, wenn bei einer etwas leise aufgenommenen CD die Aussteuerungsbalken nicht bis ganz an die Null-dB-Marke heranreichen.
Komfort ohne Ende
Besonders hilfreich ist bei beiden Geräten die automatische Markierung von Titelanfängen. Sie setzt nämlich selbsttätig - bei Aiwa auf Wunsch auch manuell - bei Titelpausen eine Marke auf die Subcode-Spur, die jeweils an die Aufnahme-Schrägspur anschließt.
So zählt der Technics bereits während der Aufnahme mit und zeigt im Display an, welcher Titel nun gerade auf das Band aufgesprochen wird. Diese Markierung bezeichnet also nicht etwa bei Unterbrechungen mit der Pausetaste den jeweiligen Aufnahmestart, sondern unmittelbar den Anfang der Musik.
Der Aiwa zeigt zwar bei der Aufnahme nicht direkt die Titelnummer an, bietet aber dafür nach einem Schnelldurchgang die Möglichkeit, zusätzliche Markierungen nachträglich aufzusprechen oder auch zu ändern. Bandabschnitte, die wie eine eingeblendete Titelankündigung beim Mitschnitt von Radiosendungen eigentlich unerwünscht sind, lassen sich zudem mit einer „Skip"-Funktion beim Aiwa nachträglich entsprechend markieren und damit automatisch überspringen.
Beim Titelzugriff packen viele Player fixer zu
Beim direkten Titelsprung per Zehnertastatur - auch über die mitgelieferten Infrarot-Fernbedienungen möglich - hat der Aiwa auch die Nase vorn: Er findet schneller den nächsten Titel. Der Technics bietet das Zusammenstellen eines musikalischen Wunschmenüs (maximal 99 Titel). Doch im schnellen Suchlauf überfährt er zunächst den angewählten Titelanfang und rutscht manchmal bis zu viermal vor und zurück, bevor er exakt beim Titelbeginn die Wiedergabe startet.
Keine Frage, hier haben CD-Spieler mit ihrem blitzschnellen Zugriff deutlich die Nase vorn. Was bei der Silberscheibe je nach Player höchstens fünf bis acht Sekunden dauert, kann im ungünstigsten Fall, also vom Bandanfang zum letzten Titel, bei DAT-Recordern schon mal 40 Sekunden dauern. Etwas umständlich ist auch die Titelsuche beim Aiwa. Die für fast alle Funktionen winzigen Knöpfe lassen sich nämlich nur schwer auseinanderhalten.
Hilfreich ist die „Tape-End"-Taste beim Technics, die bei nur zum Teil bespielten Bändern das Auffinden des freien Bandendes erleichtert. Verblüffend schnell spulen beide Recorder um: Obwohl das Band auch beim schnellen Bandtransport an der winzigen Kopftrommel anliegt (Umschlingungswinkel "nur" 90 Grad - Videorecorder benötigen bis zu 270 Grad), braucht der Aiwa für ein 60-Minuten-Band nur rund 25 Sekunden, während der Technics sogar noch fünf Sekunden schneller spurtet.
Aus den ständig parallel zur Digital-Musik aufgezeichneten Subcode-Informationen findet der Technics stets die richtige Titel- und Gesamtspielzeit und zeigt dabei auch die korrekte Titelnummer an. Wenn das Band in einer beliebigen Umspulposition eingelegt wird, startet er einen kurzen Probelauf und gibt unmittelbar danach sämtliche Daten korrekt an.
Der Aiwa hat dagegen zwar ebenfalls eine exakte Zeitanzeige, geht aber immer von der bei der Cassetteneingabe an der Kopftrommel anliegenden Bandstelle aus und zählt von da aus auf- oder abwärts.
Keine Probleme mit Dropouts (bei neuen Bändern)
Trotz der hohen Aufzeichnungsdichte auf den DAT-Bändern gab es im praktischen Betrieb keine besorgniserregenden Probleme mit Dropouts. Nur mit einer Labormuster-Cassette hatte der Technics an einer Passage Probleme - nach zwanzig Abspieldurchgängen produzierte er eine zirka halbsekündige Unterbrechung. Mit anderem, fabrikfrischem Bandmaterial traten bei beiden Recordern keinerlei Tonaussetzer auf. Auch beim Unterbrechen von Aufnahmen per Pause- oder Stop-Taste gab es keine Störgeräusche.
Obwohl durch die geringe Bandgeschwindigkeit und die kleine Kopftrommel ohne zusätzliche Löschköpfe - die beiden auf der Kopftrommel gegenüber angeordneten Tonköpfe überschreiben einfach die alten Aufnahmen - geringere Zeitversatz-Probleme als bei VHS- oder Beta-Videorekordern auftreten, sollte nach jeder Aufnahme eine kurze Pause an den aufgenommenen Titel angehängt werden.
Denn nach Unterbrechung der Aufnahme per Pause- oder Stop-Taste drehen beide DATs das Band um einen Bruchteil zurück, um beim Fortsetzen der Aufnahme stets lückenlos anschließen zu können. Hier hilft bei beiden Modellen die „Record-Mute"-Taste, die ähnlich wie bei analogen Cas-settenrecordern für eine Pause zwischen den Titeln sorgt.
Direktes Digitalkopieren (Abtastfrequenz 48 kHz) zwischen beiden Geräten funktionierte einwandfrei: Selbst nach zehnmaligem Hin- und Her-Überspielen über die digitalen Ein- und Ausgänge ließ sich kein Klangunterschied zwischen dem Original und der letzten Kopie-Generation feststellen.
.
Klangvergleiche beider Recorder in 1987
Anders bei der Analogaufnahme von CDs: Im direkten Vergleich mit dem exzellenten Player-Gespann Accuphase DP-80/DC-81 (Referenzgeräte siehe Seite 37) büßten beide DAT-Aufnahmen etwas an Luftigkeit und Präzision ein. Zwar blieben die Unterschiede zwischen Original und Kopie ähnlich gering wie zwischen CD-Playern der Spitzen- und Oberklasse (vergleiche Bestenliste).
Dennoch - über eine ausgezeichnete HiFi-Anlage abgehört, ließen sich Original und DAT-Analogkopie stets klar unterscheiden.
Zudem dichtete der Aiwa Amanda Mc Broom (Sheffield-CD) mehr Grundtonwärme als im CD-Original an, und auch die Bongos auf der „Tiden Bara Gär" (Testrecord 1, Opus 3) wirkten geringfügig massiger und unpräziser. Die vitale Stimme Mavis Rivers' bei „Honeysuckle Rose" (AUDIO-CD „Soundshow") reproduzierte der Aiwa zwar temperamentvoll und mit trefflicher Dynamik- Feinabstufung; doch besonders bei S- und Zischlauten mogelte er etwas Schärfe dazu.
Die hervorragende Tiefenstaffelung der Aufnahme blieb allerdings beim DAT von Aiwa voll erhalten - hier tat sich der Technics etwas schwer. Er schob den mehr im Hintergrund agierenden Pianisten mit seinem Instrument eher in den Vordergrund und schob bei Respighis „Kirchenfenstern" („Soundshow") noch ein wenig mehr Baßdruck nach. Auch bei Kontrabaß-Passagen der Vierten Sinfonie von Mahler (Denon 33C37-7952) trug er etwas dick auf und entwirrte das Orchestergeflecht nicht so sauber wie der Aiwa oder gar der CD-Player von Accuphase.
Mit einem Trick knackt AUDIO die CD-Kopiersperre
Doch angesichts dieser hauchfeinen Klangunterschiede, aufgedeckt mit der überragenden Referenz-Anlage, zeigte sich, daß dem Digitalkopierverbot von CDs in der gegenwärtigen Diskussion zuviel Beachtung geschenkt wird. Das erwies sich vor allem, als AUDIO die Kopiersperre des Technics mit einem Trick außer Gefecht setzte:
Durch schnelles Umschalten verschiedener Tasten vor der Aufnahme ließ sich der Kopierschutz des Technics lahmlegen - und jede CD direkt digital aufs DAT-Band bannen. Zwar klangen diese Eins-zu-Eins-Kopien bei beiden Recordern minimal freier und luftiger als die entsprechenden Analogaufnahmen, doch die leichte Mittenbetonung des Aiwa wie die geringfügig eingedickten Bässe beim Technics blieben auch beim echten Digitalband hörbar.
Noch Klangunterschiede bei den Wandlern
Mit dem Wandler DC-81 von Accuphase, der direkt an den Lichtleiter- Digitalausgang des DAT von Technics angeklemmt wurde, verbesserte sich der Klang beim Digital-kopier-Band mit der Abtastfrequenz von 44,1 Kilohertz noch etwas. Die Aufnahme ließ sich, in beiden Fällen per Accuphase-Konverter gewandelt, nicht mehr von der CD unterscheiden.
Die winzigen Klangunterschiede zwischen DAT-Aufnahme - gleichgültig, ob analog oder per Trick digital kopiert - gegenüber der CD rühren in erster Linie also nicht nur von der zusätzlichen Wandlung bei Analogkopierern her. Die Ursache liegt vor allem in den unterschiedlichen elektronischen Eigenschaften der Wandler in den DAT-Recordern und dem Referenz-CD-Spieler von Accuphase.
Doch insgesamt haben beide Serien-DATs ihre Premiere bei AUDIO glänzend bestanden: hervorragender Bedienungskomfort, einfache
Handhabung zumindest der Grund-Funktionen und vor allem eine bislang mit Analog-Recordern nicht erzielbare Spitzen-Aufnahmequalität garantieren nicht nur diesen beiden DAT-Neulingen eine glorreiche Zukunft.
Und eines ist jetzt schon gewiß: DAT gehört - zumindest bis zum Start der bespielbaren CD (siehe AUDIO 5/1987) - die Zukunft der Tonaufzeichnung.
- AIWA - Modeil: Excelia XD-001 - Preis : um 2.400 Mark
- Technics - Modell: SV-D1000 - Preis : um 2.550 Mark
von Wolfgang Feld in Audio 6/1987
.