Vorwort zu dem Artikel aus Klangbild 1978
Es war die Zeit vor der CD, die zwar in 1979 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde und zum Herbst 1983 allgemein verfügbar war. Bislang - also in 1978 - hatte der Normalo nur die Schallplatte uind die UKW Sendungen als hochwertige Programmquellen zur Auswahl. An damalige Studiotechnik und edle Magnetband- Studioaufnahmen kam man als Normalo nicht ran. Aus dieser Zeit stammen diese Ratschläge und Bewertungen. Mit der fortschreitenden Entwicklung der CD-Technologie und der noch besseren Audio-DVD sieht das inzwischen ganz anders aus. Also über 30 Jahre nach diesen 1978er Artikeln kann nahezu jedermann sehr wohl hörbare Unterschiede bei den gestrigen und heutigen Hifi-Komponenten wahrnehmen und vergleichen.
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Die Artikelserie "Hifi on the Rocks" - KlangBild - April 1978
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DER VERSTÄRKER - Kommandozentrum der HiFi-Anlage - Teil 1
Von Franz Schöler im April 1978
Die ersten Transistorverstärker für Zwecke der Musikwiedergabe in Hi-Fi-Qualität, die auf den Markt kamen, waren ein Abfallprodukt aus der Rüstungsindustrie des Zweiten Weltkriegs und des Koreakrieges.
Im Gegensatz zu den brummenden und reichlich Wärme entwickelnden Röhrenverstärkern besaßen sie den „klirrigen", für das Ohr so unangenehm verzerrten „Transistor-Sound", den die Anhänger der Röhre auch zwanzig Jahre später noch bemängeln sollten.
Der Vormarsch des Transistors in der Hi-Fi-Industrie war trotzdem nicht zu bremsen. Man konnte ihn billig in großen Stückzahlen produzieren und damit hohe Verstärkerleistungen erzielen.
Röhrenverstärker in moderner Schaltungstechnik, die dieselbe Klangqualität erreichen wollen wie die besten transistorisierten Geräte, sind sehr sehr teuer. Und sie haben in jedem Fall den Nachteil, daß die Röhre mit der Zeit altert und ausgewechselt werden muß, wenn der Verstärker seine Qualität beibehalten will.
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Die ersten Super-Verstärker
Die ersten „Super-Verstärker" bauten Ingenieure und Elektroniker, die von der US-Regierung entlassen wurden, als man das Raumfahrtprogramm der NASA drastisch kürzte, womit so mancher Techniker plötzlich überflüssig wurde. Diese Verstärker brachten Leistungen von 2 x 100 Watt, 2 x 200 Watt, 2 x 400 Watt ... und plötzlich begann ein allgemeiner Run auf immer höhere Verstärkerleistungen, der erst kürzlich abebbte, als sich die Erkenntnis durchsetzte, daß höhere Wattzahl nicht gleichbedeutend mit unverzerrter, klanglich optimaler Musikwiedergabe sein mußte.
Die stark gedämpften Lautsprecher-Chassis in ihren geschlossenen Kisten - so lautete das Argument der „Watt-Fetischisten" - benötigten einfach größere Leistungen, wenn sie die „realistischen" Schalldruckpegel des Konzertsaals produzieren sollten.
Richtig daran war, daß solche „acoustic suspension"-Lautsprecher bei größeren Lautstärken dem Verstärker kurzzeitig Spitzenleistungen abverlangten, die er unter Umständen nicht liefern konnte. Die Legende vom „harten" Transistorklang ist so unter anderem ein Ergebnis der Tatsache, daß mancher Verstärker an den stark bedämpften Lautsprechern in kritischen Momenten zum Clipping gebracht wurde und plötzlich Verzerrungen in der Größenordnung von 20 und 50 Prozent produzierte. Selbst kurzfristige Verzerrungen dieser Art werden vom Ohr als äußerst unangenehm empfunden.
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Die perfektesten Bausteine der Hi-Fi-Anlage
Wenn man heute von den Spitzengeräten des Marktes ausgeht, ist der Verstärker neben dem UKW-Empfangsteil der am perfektesten entwickelte Baustein der Hi-Fi-Anlage. Sogar so perfekt, daß man sich zunächst einmal fragt, warum hier ständig an weiteren Verbesserungen gearbeitet wird, warum Entwickler in den Firmen noch ausgeklügeltere Schaltungen erfinden und warum sich unter Hi-Fi-Perfektionisten in aller Welt rasch herumspricht, wenn ein neues, womöglich klanglich noch besseres Gerät auf den Markt kommt.
Denn bei den Spitzengeräten der technologisch führenden Firmen sind heute schon beispielsweise die Fremdspannungsabstände weit höher und der Klirrfaktor um ein Vielfaches geringer als beim besten zur Verfügung stehenden Programmaterial.
Im Klartext heißt das: Eine vom Rundfunk ausgestrahlte Bandaufzeichnung und selbst die beste Platte „rauschen" immer noch mehr als der Phonoeingang eines guten Verstärkers, und der bei Aufnahmen produzierte Klirrfaktor ist stärker als der des Geräts, das diese Aufnahmen wiedergeben soll.
Die Phasenverschiebungen bei Verstärkern sind so minimal und im Vergleich zu den in Mikrofonen entstehenden Phasendrehungen so unerheblich, daß sie sich gehörmäßig auf keinen Fall auswirken. Bei Abweichungen von ±0,2 dB - oder sogar noch weniger - ist der Frequenzgang eines Phono-Entzerrers so glatt, daß in diesem Punkt Verbesserungen beim Verarbeiten des Signals nur mehr theoretischen Wert haben.
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Das Ohr auch bei Verstärkern das beste Meßinstrument
Wieso ist dann das Ohr des geschulten Musikliebhabers trotzdem in der Lage, gewisse klangliche Unterschiede zwischen Verstärkern herauszuhören? Und warum machen sich selbst meßgläubige Tester die Mühe, Verstärker miteinander auf ihre Klangqualität hin zu vergleichen?
Ein beachtenswertes Argument führte der altgediente, in vielen HiFi-Zirkeln der USA allerdings heftig angefeindete Tester Julian D. Hirsch in die Diskussion, als er in der November-Ausgabe 1977 der Fachzeitschrift Stereo Review eine Glosse mit dem Titel „Die Fallen der Subjektivität" veröffentlichte.
Er antwortete damit auf einen Brief von Robert Greenberg, dem Präsidenten der Firma Harman Kardon, der im Gegensatz zu Hirsch den Endverstärker Harman Kardon Citation 16A als klanglich eindeutig besser bezeichnet hatte als das Vorgänger-Modell Citation 16.
Hirsch hatte diesen Unterschied zum besseren hin im Anschluß an seine Messungen nicht herausgefunden.
Seine Argumente lauteten so:
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- • Er habe in all seinen Jahren als Tester von Hi-Fi-Geräten nie klangliche Unterschiede zwischen Verstärkern herausfinden können, die sich nicht zumindest nachträglich durch Messungen objektiv hätten belegen lassen. Wer sucht, werde auch hier finden. Es komme nur darauf an, die Meßmethoden so weit zu verfeinern, daß man eine objektive Erklärung für die subjektiv gehörten Unterschiede bekomme.
- • Zweitens seien diese subjektiv wahrgenommenen Unterschiede - eine größere Transparenz der Durchzeichnung und detailliertere Aufschlüsselung des Klangbilds -, wenn überhaupt, in dieser Qualitätsklasse nur dann zu hören, wenn man beim Vergleich originale Masterbänder über sehr hochwertige Lautsprecher in akustisch optimal geeigneten Räumen abspiele. Nur gute Lautsprecher, so sein richtiges Argument, brächten die klanglichen Vorzüge des Verstärkers X gegenüber dem Modell Y auch zur Geltung.
- • Drittens seien klangliche Unterschiede zwischen Spitzenverstärkern nicht so auffällig und eindeutig, daß sie - wie in der amerikanischen Hi-Fi-„Underground"-Presse üblich - mit markigen Vokabeln wie enorm, schrecklich oder unmöglich ausgedrückt werden könnten. Es handle sich nur um Nuancen, die bei 95 Prozent allen Programmaterials gar nicht auffielen. Und schließlich seien solche Hörvergleiche für den Leser, der am Ende auch seinen eigenen subjektiven Geschmack hat, nur von sehr begrenztem Wert, wenn er die Unterschiede nicht auch in seinem eigenen Hörraum wahrnimmt.
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Im Kasten - Die deutsche Tester-Weisheit
„Das Ergebnis dieses Hörtests ist schnell umrissen: Weder bei klassischer noch bei Pop-Musik, weder bei hohen noch bei geringen Lautstärken ließ sich ein signifikanter oder reproduzierbarer Unterschied feststellen. Dies ging sogar so weit, daß nach einiger Einhörzeit Stimmen aus dem Zuhörerkreis geäußert wurden, die rückfragten, ob auf das Kommando hin überhaupt umgeschaltet werde?
Bleibt uns also nur das gleiche Fazit wie schon beim Endstufen-Test, daß nämlich oberhalb eines gewissen Qualitätsniveaus - zumindest was Verstärker betrifft - deutlich hörbare und beschreibbare Qualitätsunterschiede in der Wiedergabe nicht mehr feststellbar sind. Das soll nicht heißen, daß ..." (Die deutsche Tester-Weisheit)
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Meßergebnisse kontra „goldene Ohren"
Diese Debatte zwischen Testern, die auf ihre Meßergebnisse verweisen und sich nur sehr vorsichtig über die Klangqualität eines Verstärkers äußern, und HiFi-Perfektionisten mit „goldenen Ohren", die allein ihr subjektives Urteil gelten lassen, wird in Amerika, England und Japan heftiger geführt als in der Bundesrepublik, in der sich die einschlägigen Testzeitschriften vorsichtig zurückhalten und alle Jahre einmal einem Nobel-Verstärker X bescheinigen, er sei in Nuancen klanglich besser als Referenzgerät Y. Daß Unterschiede klanglicher Art bestehen, wird kein ernsthafter Hi-Fi-Liebhaber leugnen. Es wäre schließlich absurd, wenn die in den letzten Jahren ständig verbesserte Technologie nicht auch klanglich bessere Geräte produziert hätte, die ja nicht gerade billig sind.
Ob die Vergleiche allerdings auch unter absolut identischen Bedingungen stattfinden und wie weit sich die klanglichen Vorzüge auch nach dem derzeitigen Stand der Meßtechnik nachweisen lassen, darüber streiten sich Entwickler und Tester.
Hoher Preis gerechtfertigt?
Ob der hohe Preis für Spitzenverstärker gerechtfertigt ist, mag dabei dahingestellt bleiben. Und ob man nicht letzten Endes mehr Geld in die weniger perfekten Komponenten einer Hi-Fi-Anlage - Tonabnehmer, Lautsprecher und Plattenspieler - investieren sollte, ist eine andere Frage. Es ist jedenfalls möglich, sehr hochwertige Verstärker relativ billig zu bauen, wenn ... ja, wenn der Hersteller die Möglichkeit hätte, aus den industriell in riesigen Stückzahlen produzierten Transistoren die besten, rauschärmsten auszuwählen, ohne auch den Ausschuß bezahlen zu müssen.
Das „Geheimnis" der besten heute angebotenen Verstärker besteht darin, daß ihre Hersteller, die in der Regel die Bauteile nicht selber produzieren, sondern von den einschlägigen Elektronik-Konzernen kaufen, nur die rauschärmsten Transistoren und ICs, die besten Kondensatoren und hochwertigsten Potentiometer verwenden.
Für Geräte der Standardklasse ist eine so rigorose Qualitätsauswahl der Bauteile unmöglich, weil sie dann entsprechend teurer werden müßten. Die Hi-Fi-Industrie muß kostenbewußt wie jede Industrie produzieren. Und sie lebt nun mal nicht von Käufern, die auf allerhöchste Qualität Wert legen. Wer dann für seinen Verstärker 600 und nicht 2000 Mark ausgibt, kann nicht erwarten, ein Gerät vergleichbarer Qualität zu erwerben.
Andererseits soll nicht verschwiegen werden, daß die bessere Technologie unverhältnismäßig viel mehr im Preis durchschlägt, weil bei allem Entwicklungsaufwand und sorgfältiger Auswahl der besten Bauteile Geräte der Spitzenklasse nicht in großen Stückzahlen abgesetzt werden, Service und Ersatzteile aber genauso gewährleistet sein müssen wie bei Geräten der Konsumklasse.
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Die Klangqualität und die Meßwerte
Jahrelang war bessere Klangqualität identisch mit besseren Meßwerten. Ein Verstärker mit einem Klirrfaktor von 0,01 Prozent konnte füglich als verzerrungsfreier und damit klanglich besser bezeichnet werden als einer, der - unter denselben Voraussetzungen gemessen - einen Klirrfaktor von (nur) 0,1 Prozent aufwies. Der Streit über die Frage, ob sich bessere Meßwerte auch in einer immer größeren Klangqualität niederschlagen müßten, begann vor einigen Jahren:
Damals taten sich der Entwickler eines sehr erfolgreichen amerikanischen „Super-Verstärkers", der Chef eines renommierten Testinstituts und einige Entwickler aus der Industrie zusammen und wollten in einer führenden amerikanischen Testzeitschrift dem staunenden HiFi-Liebhaber weismachen, daß das menschliche Ohr bei komplexen Signalen - sprich Musik - Verzerrungen von 1 Prozent und sogar 5 Prozent nicht wahrnehme. Im Labortest wollte man herausgefunden haben, daß Verzerrungen von 0,05 Prozent gerade noch hörbar seien, wenn man zwei reine Sinustöne miteinander mische.
Mit zunehmender Komplexität des Signals aber nehme die Empfindlichkeit des Ohres für Verzerrungen rapide ab. Um Verzerrungen welcher Ordnung es sich dabei handelte, wurde nicht näher spezifiziert.
Beweisen wollte man damit, daß der Klirrfaktor, der damals bei den gerade eingeführten Super-Endstufen mit 0,3 Prozent und 0,6 Prozent noch recht hoch war, gehörmäßig keine Bedeutung habe. Viel entscheidender für den Fortschritt der Hi-Fi-Technik und die bessere Musikwiedergabe sei, daß es jetzt endlich Verstärker gebe, die an Lautsprechern mit geringem Wirkungsgrad nicht mehr zum Clipping kämen.
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Lästige Verzerrungen
Dieser absurden Logik wurde bald darauf nicht nur von den HiFi-Perfektionisten mit den „goldenen Ohren", sondern auch von prominenten Entwicklern der Industrie nachdrücklich widersprochen.
Eine der lästigsten Formen von Verzerrungen, die sogenannte „transient intermodulation distortion" in Verstärkern, kam als Hauptübel in die Diskussion. Zum zweiten machte man für den sogenannten „Transistor-Sound" auch die Übernahmeverzerrungen von B- und A/B-Verstärkern verantwortlich.
In der Studiotechnik fand man auch heraus, daß Verzerrungen von k2 und k3 für das Ohr nicht so unangenehm klingen wie Verzerrungen der höheren Harmonischen. In den besten derzeit angebotenen Verstärkern wird genau diese Tatsache berücksichtigt. Schließlich propagierte eine Firma schon zu Beginn der 19siebziger Jahre mit ihren Geräten die Idee, zwei getrennte Netzteile zu verwenden, um ein Optimum an Impulsfestigkeit zu gewährleisten und auszuschließen, daß durch plötzliche große Impulse im einen Kanal das Signal des anderen Kanals beeinflußt werden kann. Die Renaissance der Mono-Blöcke, die in der Ära der Röhrenverstärker keine Seltenheit waren, ist auch ein Ergebnis solcher Überlegungen.
Daß ein Verstärker, der ständig an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit betrieben wird oder zum Clipping kommt, ziemliche Verzerrungen produziert, leuchtet wohl jedem ein. Ein Verstärker, der bei geringem Wirkungsgrad der betriebenen Lautsprecher die Impulsspitzen nicht sauber verarbeitet, „klingt hart", wie man das formuliert. Aber auch unabhängig von ihrer angegebenen Sinusleistung sind zwischen Verstärkern klangliche Unterschiede hörbar, allerdings nur im direkten Vergleich für das geschulte Ohr und bei Verwendung von sehr dynamischem Programm-Material. Frequenzgangabweichungen lassen sich im Direktvergleich noch am ehesten heraushören, weil das Ohr hier - wie beim Lautsprecher - sehr feine Unterschiede der Tonhöhe wahrnimmt.
Erklärungen
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- Übernahmeverzerrungen
Übernahmeverzerrungen entstehen beim Übergang zwischen „oberem" Zweig und „unterem" Zweig eines Gegentaktverstärkers. Sorgfältige Schaltungsdimensionierung ist das einzige wirksame Mittel. - Clipping
Clipping ist das Übersteuern eines Verstärkers, dessen Versorgungsspannung für die geforderte Ausgangsspannung zu niedrig ist. Ein Verstärker (ohne Ausgangsübertrager - wie bei Transistorverstärkern üblich) kann niemals eine gleich große oder höhere Ausgangsspannung abgeben als die Betriebsspannung, die zur Verfügung steht. Zu beachten ist noch, daß einer effektiven Ausgangsspannung (z. B. 10 V) ein 2 • Wurzel aus 2 facher Spitze-Spitze-Wert (also 28,3 V) gegenübersteht. - A-, B- und A/B-Verstärker
Mit der Betriebsart A, B usw. wird der Arbeitspunkt auf der Kennlinie des Verstärkerelements (Transistor oder Röhre) bestimmt.
A-Betrieb (engl. Class-A) erfordert einen sehr hohen Ruhestrom, die Geräte arbeiten dafür in einem relativ linearen Bereich der Transistorkennlinie. Die Folge sind: sehr geringe Verzerrungen (auch Übernahmeverzerrungen) und, wenn überhaupt, dann die eher weniger hörbaren (mit niedrigerer Ordnungszahl). Der Nachteil: Transistorgeräte werden sehr warm, große Leistungen sind kaum zu erzielen.
Der B-Betrieb arbeitet mit geringerem Ruhestrom, liefert aber höhere Verzerrungen. Die Geräte werden nur wenig warm.
A/B-Verstärker arbeiten bei kleinen Leistungen in A-, bei größeren in B-Betrieb. - Transient Intermodulation Distortion (TID), Transient Intermodulation (TIM)
Verzerrungen, die mit normalen, statischen Meßmethoden nicht zu ermitteln sind, da sie nur sehr kurzfristig in Erscheinung treten. Sie entstehen dadurch, daß die Transistoren besonders in Endverstärkern unterschiedlich „schnell" sind. Wenn nun von den langsamen Endtransistoren zu den schnellen Vorstufentransistoren ein Signal zurückgegeben wird (Gegenkopplung), so gelangt dies zu spät zu der Vorstufe, so daß diese, weil die „bremsende" Gegenkopplung fehlt, kurzfristig übersteuert werden kann.
Transient-Intermodulations-Verzerrungen haben nichts mit Übernahmeverzerrungen zu tun, wie man das manchmal hört und liest.
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... dazu bedürfte es eines Forschungsprogramms
Unklar ist immer noch, wie relevant solche klanglichen Unterschiede für das Gros der HiFi-Konsumenten wirklich sind. Denn es gibt leider so gut wie keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Gehörphysiologie und -psychologie, die über das Klirrverhalten von Verstärkern und seine Hörbarkeit eindeutige Angaben machen würden.
Dazu bedürfte es eines Forschungsprogramms, in dem mit geschulten Testpersonen untersucht würde, wo die Grenze der Empfindlichkeit des menschlichen Ohres für die verschiedenen Formen von Verzerrungen liegt und wie sich solche Verzerrungen subjektiv auswirken.
Daß sich lineare und nichtlineare Verzerrungen, wie sie in der ganzen HiFi-Kette vom Tonabnehmer bis zum Lautsprecher entstehen, gehörmäßig auswirken, kann vernünftigerweise nicht bestritten werden. Wie sie qualitativ eingestuft werden können und wo in der Kette die unangenehmsten Verzerrungen auftreten, ist dagegen kaum bekannt. Auch bei Verstärkern bleibt man darum letzten Endes auf intensive und ausführliche Hörvergleiche angewiesen.
Bei der verbalen Beschreibung der wahrgenommenen Unterschiede zwischen Verstärkern kommt ein gewisses Maß an Subjektivität genauso unvermeidlich ins Spiel wie etwa bei Tonabnehmern, obwohl dort die Differenzen doch größer sind.
Um die Frage, wie angenehm, nämlich nicht aggressiv, wie weich oder räumlich ein bestimmter Verstärker klinge, drehte sich jahrelang die Diskussion zwischen den Verfechtern der Röhrenverstärker und den Anhängern der Transistor-Technologie. Eine subjektiv empfundene „größere Räumlichkeit", also eine bessere Aufschlüsselung des Klangbilds in der Tiefe, konnte durchaus das Ergebnis einer weniger (!) impulstreuen Wiedergabe sein.
So mancher Röhrenverstärker „schönte" den Klang einer Tonkonserve, anstatt ihre Mängel so schonungslos aufzudecken wie die besten Transistorgeräte. Die ganze Diskussion über die Räumlichkeit, die Transparenz und die Impulstreue von Verstärkern war ohnehin oft sehr fragwürdig, wenn die verwendeten elektroakustischen Wandler - der Tonabnehmer am Anfang und die Lautsprecher am Ende der Wiedergabekette - nicht in der Lage waren, das Klangbild ähnlich räumlich „aufzulösen" und die Illusion einer räumlichen Tiefe zu schaffen. Hörtests zwischen Verstärkern, bei denen die verwendeten Lautsprecher und auch die Tonabnehmer nicht ihrerseits sehr exakt die Aufnahme in ihrer Dreidimensionalität reproduzieren können, sind absurd.
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Geschmackliche Präferenzen
Geschmackliche Präferenzen spielen bei der klanglichen Beurteilung von Verstärkern schon deswegen eine Rolle, weil man keinen als absolut anzusehenden Maßstab hat, sondern immer auf Referenzgeräte angewiesen ist.
Wie leicht man sich täuschen kann, will ich nur beiläufig am Beispiel von Tonabnehmer-Vergleichen andeuten:
- Ein Abtastsystem, das im Brillanzbereich eine leichte Senke des Frequenzgangs aufweist, klingt scheinbar weicher oder seidiger als eines mit dort glattem Frequenzgang. Bei einer Anhebung im Bereich der unteren Mitten klingt der Tiefbaß unter Umständen nicht so voll und kräftig, weil die unteren Mitten subjektiv stärker wahrgenommen werden. Wenn wiederum die oberen Mitten dominieren, empfindet man das vom Tonabnehmer produzierte Klangbild oft als vordergründig.
Ähnliche Unterschiede, wenn auch um vieles geringer und nuancierter, kann man bei Verstärkern heraushören. Darum ist bei der subjektiven Wertung Vorsicht geboten.
Im Maiheft 1978 von KlangBild gehen wir genauer auf die dynamischen Verzerrungen und darauf ein, was der Käufer beachten sollte.
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