Qualität in der Serienfertigung 52/1970
Eien ganze Serie von Einblicken in die Fertigung von Farbfernsehgeräten bei Telefunken.
Toleranzprüfautomat kontrolliert in 50 Sekunden 500 Bauteile eines Farbfernsehchassis
aus TELEFUNKEN- Sprecher Heft 52/1970 - (Thema 1)
Bei der Serienfertigung von Rundfunk-, Fernseh- und Phonogeräten soll jedes Gerät den Qualitätsmerkmalen des Prototyps entsprechen. Alle Geräte desselben Typs sollen sich in ihren Leistungen gleichen.
Das bedeutet Kontrolle und nochmals Kontrolle, beginnend bei den Bauelementen aus Eigen- und Fremdfertigung, bei ganzen Baugruppen, auf verschiedenen Stationen der Chassisfertigung am laufenden Band und schließlich am Fertigprodukt bei der Endprüfung.
Die Kontrollen sind elektrischer und mechanischer Art. Sie werden von erfahrenen Mitarbeitern kritisch und verantwortungsbewußt durchgeführt, damit etwaige Fehler frühzeitig erkannt und beseitigt werden. Nun drängt alles nach Rationalisierung, nach Einsparung von Personal und Verkürzung der Prüfzeiten bei gleichbleibender Qualität.
Man bedenke: Material- und Lohnkosten sind ständig gestiegen, aber die Preise für Rundfunkgeräte entsprechen bei bedeutend höherem Leistungsstand praktisch noch denen der 19dreißiger Jahre.
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Wie ist das möglich?
Wir werden darauf antworten und unter dieser Rubrik jeweils einen Aufsatz veröffentlichen oder zumindest einen Kommentar bringen. Wir werden uns in unseren Werken umsehen, die Fertigungs- und Prüffeldleiter und vor allem die Verantwortlichen für die Qualitätsüberwachung befragen, wo die markanten Plätze sind, an denen bei hoher Rationalisierung optimale Qualität erreicht wird.
Hier haben wir ein gutes Beispiel für ein Schnellprüfverfahren von hoher Zuverlässigkeit. Ein Automat (Bild 1), der das kann - wir besitzen mehrere davon - steht am Band VII der Farbfernsehgerätefertigung unseres Werkes I in Hannover. Er nimmt seinen Platz dort ein, wo die Platine des Signalteiles unseres Farbfernsehchassis 709 von flinken Frauenhänden mit allen Bauelementen bestückt und auch schon gelötet worden ist.
über die Lötung selbst soll in einem weiteren Aufsatz berichtet werden. Nachdem die Platine einer Sichtkontrolle unterworfen und die überstehenden Drahtenden abgeschnitten worden sind, wird sie in die Haltevorrichtung des Automaten eingelegt.
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Die Platine liegt auf 14 preßluftgesteuerte Stempel auf
14 preßluftgesteuerte Stempel sorgen für eine sichere Auflage. Die Kontaktierung der Meßpunkte an der Platine mit den Eingängen des Automaten geschieht über 300 federnde Kontaktnägel, die über Leitungen mit den Wählerkragen zweier Schrittschaltwerke verbunden sind (Bild 2a, b).
Jedes dieser Schaltwerke macht bei vier halben Umdrehungen der durch einen Motor angetriebenen Schaltachse in einem Zeitraum von 40s 4 x 50 = 200 Schritte. Dabei führt jeder Schritt eine Umschaltung von drei Kontakten durch. Es sind also zunächst alle Kontaktnägel an diese Kragen angeschlossen und werden dann paarweise über die einzelnen Schaltstellungen der Wähler weiterverbunden.
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Die Logik (wir sind noch in 1970 !!)
Wir betrachten jetzt eine bestimmte Schaltstellung eines Wählerkragens und bezeichnen die Kontakte mit A, B und C, das Meßobjekt mit dem Index x und das Meßnormal mit dem Index n. Wie aus der Prinzipschaltung (Bild 3) zu ersehen, handelt es sich hier um eine Brückenmessung. Für Widerstandsmessungen wird die Brücke mit einer Gleichspannung von 1,6 V versorgt, und zwar aus einem hochohmigen Generator, damit das zu messende Bauelement nicht zerstört und für alle Messungen die gleiche Brücke verwendet werden kann.
Die Widerstände R 1 und R 2 sind als fester Brückenteil in den Automaten eingebaut und haben den gleichen Wert. Rx ist nach Bild 3 über die Kontaktnägel mit A und B verbunden und wird bei geschlossenen Wählerkontakten mit dem Meßnormal Rn, das einmal für jeden Wählerschritt geeicht wurde, verglichen.
Die Eichung des Prüfautomaten erfolgt vor der Inbetriebnahme mit einem sogenannten »Nullmuster« (Bauteile mit ± 2% Toleranz). Man gleicht dabei die Brücke mit Rn auf die Brückenspannung Null ab. Wenn Rx von Rn abweichen sollte, entsteht eine Brückenspannung, die auf einen »Chopper« gegeben wird, der diese Gleichspannung mit 400 Hz zerhackt.
Man erhält dann über einen Wechselspannungsverstärker eine der Brückenspannung analoge größere Spannung, die, nachdem sie wieder gleichgerichtet wird, eine Schaltstufe zu steuern vermag.
Der »Schwellwert« dieser Schaltstufe ist einstellbar und ermöglicht so eine Toleranzumschaltung des Automaten. Ist die Schaltstufe durch eine Brückenspannung durchgesteuert, schaltet ein Relais den Wählmotor ab. Der Wähler bleibt stehen, und eine mit den Wählerschritten synchron laufende Digitalanzeige weist auf die Schaltposition des gerade geprüften Bauelementes hin, bei der ein Fehler gemessen wurde.
Die Prüferin notiert die angezeigte Zahl und regt den Automaten durch einen Tastendruck, mit dem die Brückenspannung kurzgeschlossen wird, zu weiteren Messungen an.
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Mehr über das Prinzip der Messungen - für Fachleute
Das Prinzip der Messungen erscheint denkbar einfach; es treten jedoch beim Prüfen der verschiedenartigen Bauelemente - wie Widerstände, Kondensatoren und Halbleiter - auch Probleme auf, denn alle Bauelemente haben unterschiedliche Wertestreuungen.
Für Festwiderstände und Kondensatoren gibt es zwar eine strenge Toleranzgrenze, aber die Abweichungen der Halbleiterbauelemente sind in ihren Daten erheblich, auch ohne daß ihre spätere Funktion darunter leidet. Ist nun die zu prüfende Platine mit Bauelementen von 10% Toleranz bestückt, so weichen Halbleiterbauelemente in ihren Werten um mehr als 10% voneinander ab.
Damit der Automat in diesem Falle nicht aussetzt, muß für solche Messungen eine Toleranzerweiterung vorgenommen werden. Grundsätzlich könnte man den Schwellwert der Schaltstufe umschalten. Dann müßte man allerdings für beinah jede Halbleitermessung eine andere Toleranzgrenze einschalten.
Um das zu umgehen, arbeitet man mit »gleitenden Widerständen«. Die Schaltung in Bild 4 zeigt, daß Rn in diesem Falle aus einer Kombination von zwei Widerständen und einem Kondensator besteht. Wird durch den Wähler Spannung an die Brücke gelegt, so hat Rn zunächst den Wert von R 1, weil C im Einschaltmoment als Kurzschluß wirkt. Nun wächst der Widerstand nach einer e-Funktion auf den Wert R 1 + R 2.
Wenn der Widerstand der Diode (Messung in Durchlaßrichtung) in diesem Bereich liegt, ist die Brücke innerhalb der Ladezeit von C 1 einmal abgeglichen gewesen, und die Automatik hat in bekannter Weise zur nächsten Messung weitergeschaltet.
Der Anstieg des Widerstandes Rn geht allerdings im ersten Moment so schnell vor sich, daß ein Abgleich der Brücke in dieser Anfangszeit durch die etwas träge Automatik (Schaltzeiten der Relais) nicht erfaßt wird. Sollte also das Meßobjekt einen Wert haben, der nahe bei dem von R 1 liegt, so würde der Automat einen Fehler zeigen, der gar nicht vorhanden ist.
Die Trägheit der Automatik berücksichtigen - für Fachleute
Es muß also bei dieser Schaltung auch noch die Trägheit der Automatik berücksichtigt werden. Die Messung von Transistoren erfolgt in gleicher Weise, da es sich hier grundsätzlich um zwei Diodenstrecken handelt.
Bei Kondensatormessungen erhält die Brücke eine Wechselspannung von Uss = 2V und 100 kHz. Bei anliegendem Cx wird die Brückenspannung zunächst durch ein Cn (siehe Schaltung, Bild 5) auf Minimum abgeglichen. Anschließend bringt ein Rn-Abgleich die Brückenspannung auf Null. Diese zwei Abgleiche sind erforderlich, weil parallel zu Cx eine ganze Anzahl anderer Bauelemente liegt, die eine Phasenänderung der Brückenspannung bewirken. Diese phasenverschobene Spannung muß natürlich auch kompensiert werden. Hier zeigt sich gleich eine neue Problematik!
Man muß sich darüber im klaren sein, daß man bei den Messungen in einer fertigen Schaltung nicht ein Bauelement allein mißt, sondern gleichzeitig alle parallel liegenden Bauteile. Man muß also bei einer Widerstandsmessung darauf achten, daß eine etwa parallel liegende Diodenstrecke in Sperrichtung geschaltet ist, damit der Widerstand und nicht eine in Durchlaßrichtung arbeitende Halbleiterstrecke geprüft wird.
Daraus ergibt sich ebenso, daß die Prüfung eines Widerstandes, dem eine Spule parallelgeschaltet ist, unmöglich wird. Es ist also bei jeder Messung zu beachten, ob diese auch mit Sicherheit das gewünschte Bauelement erfaßt. Weiter ist es möglich, daß durch Fehleraddition der an den Meßpunkten A und B liegenden Bauteile der Automat aussetzt, obwohl kein Fehler vorhanden ist.
Wenn man auch allgemein annehmen darf, daß sich die Abweichungen der einzelnen Bauelemente statistisch zu einem mittleren Fehler addieren, so ist es doch nicht selten, daß derlei Fehlmessungen auftreten, denen man leider nicht wirkungsvoll begegnen kann.
Der Fehlerbestimmer
Die Aufgabe des Fehlerbestimmers ist dann, nicht nur die echten Fehler zu ermitteln, sondern auch die »Fehlanzeigen« auszusortieren.
Zu diesem Zweck stehen dem Fehlerbestimmer ein Stromlaufplan, ein Bild der Platine mit Meßpositionsangaben, ein Nullmuster für Vergleichsmessungen, eine Liste der gemessenen Positionen und entsprechendes Werkzeug zur Verfügung. Einfache ohmsche Messungen, konsequent und vernünftig durchgeführt, führen mit Sicherheit zum Ziel.
Aber konstruieren wir einen Fall, um unsere Arbeitsmethode zu erläutern: Am Automat wurde notiert, bei welchen der 400 Positionen er aussetzte, also Fehler vorliegen müßten. Der Prüfzettel mit dem Prüfergebnis wird dem Chassis beigelegt und erreicht über das Band den Fehlerbestimmer.
Dieser schreibt zunächst hinter jede Meßposition die Bezeichnung des Meßobjekts, die er einer Liste entnehmen kann. Nun wird durch ohmsche Messungen festgestellt, ob es sich bei den einzelnen Fehlern um positive oder negative Abweichungen handelt.
Durch anschließende Vergleichsmessungen der einzelnen Anschlüsse des Meßobjektes gegen Masse läßt sich der Fehler im allgemeinen schnell einkreisen. Der Fehler selbst wird hinter jede Meßposition geschrieben und anschließend beseitigt. Der so ausgefüllte Prüfzettel begleitet dieses Chassis, bis es zu einem Gerät zusammengebaut, für den Versand vorbereitet wird. Dort erst werden diese Karten abgenommen und statistisch ausgewertet.
Vorstehende Ausführungen machten deutlich, daß die Automation in der Fehlerbestimmung - so notwendig, wie sie geworden ist - auch ihre Probleme hat.
Der Aufwand für solche Prüfmittel hat sich jedoch gelohnt, denn sie bewähren sich schon seit rund drei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt - Beginn der Farbgerätefertigung - sahen wir uns gezwungen, solche Automaten einzusetzen, um die Betriebssicherheit unserer Geräte zu garantieren und damit ihren guten Ruf zu erhalten.
V. Füllgrabe - aus TELEFUNKEN- Sprecher Heft 52/1970
Die Bilder
Bild 1. Ansicht des Prüfautomaten
Bild 2a. Ansicht des Wählers
Bild 2b. Prinzip des Wählers
Bild 3. Widerstandsmessung R 1 und R 2 = fester Brückenteil Rx = Prüfling Rn = Meßnormal Ußr = Brückenspannung Uv = Versorgungsspannung der Brücke (1,6 V Gleichspannung)
Bild 4. Halbleitermessung R = fester Brückenteil Dx = Halbleiterprüfling Vßr = Brückenspannung Uv = Versorgungsspannung der Brücke C1, R1, R2 = gleitender Widerstand als Meßnormal Rn
Bild 5. Kapazitätsmessung
Rp = parallel zum Prüfling
geschaltete Widerstände Cx = Prüfling R = fester Brückenteil Ußr = Brückenspannung Uv = Versorgungsspannung
Uss = 2 V; 100 kHz Cn = kapazitives Meßnormal Rn = ohmsches Meßnormal