Qualität in der Serienfertigung 54/1971
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Vor- und Chassisprüfung der Farbempfänger 54/1971
aus TELEFUNKEN-sprecher Heft 54/1971
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Ausgehend von unseren Betrachtungen über die Löttechnik in der Serienfertigung, dargelegt im TELEFUNKEN-sprecher 53/70, möchten wir heute einen Eindruck davon vermitteln, welche Anstrengungen unternommen werden, um dem kompliziertesten aller Massenprodukte, dem Farbfernsehgerät, ein Höchstmaß an Qualität und Betriebssicherheit zu geben.
Bei unvoreingenommenen Lesern dieses Aufsatzes mag der Eindruck entstehen, als werde hier und da der Prüfaufwand zu hochgetrieben; auch viele Besucher unseres Werkes sind beeindruckt von der Sorgfalt, mit der unsere Prüffelder jede Phase des Fertigungsablaufes überwachen.
Die Aufwandanalyse zeigt folgendes
Schließt man die Abgleich- und Einstellarbeiten an Bausteinen und Geräten in eine Aufwandanalyse ein, dann kann gesagt werden, daß rund 1/3 der gesamten Fertigungszeit zum Prüfen verwendet wird.
Am Beispiel der Signalplatte wollen wir nun im einzelnen den Fertigungsdurchlauf eines wichtigen Teiles des Farbgerätes aus der Sicht des Prüffeldes betrachten.
Die Signalplatte
Zunächst die Signalplatte selbst: Sie ist eine gedruckte Leiterplatte mit all den Teilen und Baugruppen, die für den Empfang und die Aufbereitung des HF-Signales - einschließlich Farbteil und Video-Endstufen - notwendig sind.
Beim Verlassen der Lötmaschine wird die Platte in einen Montageschlitten eingespannt und durchläuft darin eine fertigungseigene Revisionsstrecke, in der die Platten allseits einer gründlichen optischen Kontrolle unterzogen werden.
Gelegentlich auftretende Lötschlüsse und unterlassene Handhabungen an der Bestückungsstrecke werden dabei erkannt und gleich beseitigt.
Erste Prüfplätze für die optischen Prüfungen
Es folgen die ersten Prüfplätze für optische Prüfungen, an denen hauptsächlich die richtige Bestückung kontrolliert wird. Diese Plätze bilden eine wesentliche Unterstützung und Ergänzung des sogenannten „Wanderrevisors", auf dessen Funktionen bei der Fertigungsqualität noch näher eingegangen werden soll.
Im Bandverlauf werden dann die Signalplatten einer Toleranzprüfung unterzogen. Das dafür eingesetzte spezielle Gerät wurde im TELEFUNKEN-sprecher Heft 52/70 im Rahmen dieser Aufsatzserie schon ausführlich behandelt, so daß sich hier eine genaue Darstellung erübrigt.
Nur soviel sei dazu noch bemerkt:
Wir verlassen uns bei der Prüfung keineswegs lediglich auf optische Kontrollen durch unsere Mitarbeiter, weil sie trotz aller Zuverlässigkeit im Tagesverlauf bei der Vielzahl von herzustellenden Platten doch hier und da etwas übersehen können, sondern wir schalten an exponierten Stellen Prüfautomaten ein, die von solchen Einflüssen frei sind und wirklich auch die letzten Feinheiten aufdecken, die sich bei Abweichungen von der vorgegebenen Ausführung einstellen.
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Die erste elektrische Prüfung
Nach einigen weiteren Montageplätzen und einem letzten Revisionsplatz des Prüffeldes verläßt die Signalplatte das Fertigungsband, um danach ihre erste elektrische Prüfung zu bestehen und abgeglichen zu werden. Diese Prüfung und den Vorabgleich erfährt die Signalplatte an einem gesonderten Band.
Wegen der Vielzahl von Prüffunktionen sind mehrere Plätze vorhanden, deren Einrichtung im Bild 1 zu erkennen ist.
Die Signalplatte wird in einen Adapter eingespannt, der mit einer Reihe von Federstiften die Schaltungsseite der Platte kontaktiert. Ein dazugehörender Schaltkasten enthält alle für die Bedienung der Anlage notwendigen Schalter und Einsteller. Auf dem Gestell sind je ein ZF-Wobbler, Oszillograf und Sichtgerät sowie eine Geräteeinheit für die Stromversorgung und mehrere Anzeigeinstrumente zu sehen.
Vergleich der Gerätekurve mit der Sollkurve
Nachdem die Platte eingespannt worden ist, wird zunächst der ZF-Verstärker mit den zugehörigen Fallen abgeglichen. Um nicht die absolute Meßgenauigkeit der Prüfeinrichtungen unnötig in die Höhe zu treiben, wird nach jenem Verfahren gearbeitet, bei dem verschiedene Musterkurven auf die Frontscheibe des Sichtgerätes gezeichnet sind. Die Prüferin gleicht nun die Gerätekurve so ab, daß diese mit der Sollkurve übereinstimmt.
Neben dem soeben erwähnten ZF-Abgleich (Funktion 1) sind von der Prüferin folgende Funktionen zu kontrollieren bzw. abzugleichen:
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2. Chroma-Zwischenfrequenz
3. getastete Regelung
4. Ton-Zwischenfrequenz
5. PAL-Laufzeitdemodulator
6. Regelung für Farbartverstärker (ACC)
7. Referenzträgeroszillator
8. Gesamt-Phase (Burst-Verstärker bis Synchrondemodulator)
9. Achsenlage (Synchrondemodulator)
10. Grundhelligkeit des Y-Verstärkers
11. Strahlstrombegrenzung
12. Endstufen-Verstärkung (Video-Drive)
13. Matrix-Balance
14. (R-Y) / (B-Y)-Balance
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Über die Bewältigung der Routine des Prüfpersonals
Wie man sieht, werden an das Prüfpersonal ziemliche Forderungen gestellt, zumal es sich ausschließlich um angelernte Kräfte handelt. Aber bei der großen Fertigungsstückzahl stellt sich nach kurzer Zeit die Routine ein; außerdem stehen natürlich erfahrene Fachleute mit Rat und Tat zur Verfügung - auch zur Überwachung der Abgleichqualität.
Der Baustein Signalplatte ist nun fertig. Die bis hierher vorgenommenen Prüfungen stellen schon weitgehend sicher, daß ein zeichnungsgerechter Aufbau vorliegt und die Funktionen erfüllt werden. Dabei sind nicht einmal alle Prüfungen erwähnt.
Die Platte enthält ebenfalls wieder Bausteine, wie z. B. den ZF-Verstärker, den Tuner oder auch nur verschiedene Filter, die vor dem Einbau umfangreichen Kontrollen unterzogen werden. Dafür sind wiederum Spezial-Prüfgeräte vorhanden, an denen der komplette Abgleich - z. B. des ZF-Verstärkers - bereits vorgenommen wird und an denen man zumindest die Abgleichfähigkeit testet.
Bei der Anlieferung fremder Bauteile erfolgt eine umfangreiche Wareneingangsprüfung. In Zusammenarbeit mit der Typenprüfstelle werden dann an kritischen Teilen Klimawechseltests, chemische Analysen und Dauerbelastungsproben durchgeführt, damit nach Möglichkeit nur einwandfreies Material in die Fertigung einfließt.
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Der "Wanderrevisor" - der gute Geist der Prüfer
Nun noch ein Wort zu dem erwähnten Wanderrevisor: Er (oder Sie) ist der gute (Material-) Geist jeden Fertigungsbandes. Er oder Sie ist dafür zuständig, daß die Platten den Entwicklungsunterlagen entsprechen und vorgeschriebene Änderungen zum richtigen Zeitpunkt richtig in die Fertigung einfließen.
Danach wacht der Revisor wie ein Cerberus darüber, daß nur freigegebene und typengeprüfte Teile verwendet werden. Daß er scharf aufpaßt, ob die Widerstände und Kondensatoren in die richtigen Bestückungsschalen am jeweiligen Bandplatz geschüttet werden, versteht sich von selbst.
Nachdem die Signalplatte das Stadium der Vorprüfung verlassen hat, wird sie an einem anderen Band - zusammen mit der Ablenk- und Netzteilplatte - einer Dauerprüfung unterzogen. Um auch hier im Fertigungstakt zu bleiben, sind dafür Adapterschlitten konstruier worden, die im Takt der weiteren Prüfplätze eine Vorheiz- und Dauerlaufstrecke von mehr als einer Stunde Dauer durchfahren.
Damit wird erreicht, daß die Chassis bei den folgenden Kontrollen betriebswarm sind. Außerdem werden Schwachstellen bei Transistoren und Röhren aufgedeckt, die erfahrungsgemäß in den ersten 30 Betriebsminuten die höchsten Ausfallquoten haben. Die anschließende Kontrolle der Durchlaßkurven erfolgt mit dem Polyskop. Durch die geeichten Spannungsteiler ist eine exakte meßtechnische Überprüfung, z. B. der Lage des Bildträgers oder der Absenkung der Tonfalle, möglich.
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Wenn das Chassis (nur) beinahe fertig ist
Weil die Signalplatte hier erstmals aus der Ablenkplatte mit Strom versorgt wird und wegen anderer gegebener Verkopplungen beider Platten, werden an drei weiteren Plätzen die Einstellungen und Abgleiche der Vorprüfungen kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert (siehe Bild 2).
Auch hier sind gut ausgebildete Fehlerbestimmer die Fachleute, die bei eintretenden Ausfällen den Ort und die Ursache des Fehlers feststellen. Mit ihrer Kenntnis der Zusammenhänge und vielen Erfahrungen gehen sie den Fehlern nach, unterstützt von Reparateuren, die defekte Bauteile auswechseln.
Nun "möchte man meinen", das Farbchassis sei fertig und es könnte verkauft werden. Aber es folgt noch eine Kontrolle.
Jetzt wird nämlich eine andere Abteilung aktiv, die sich liebevoll und sehr intensiv der frischgeborenen Farbchassis annimmt: die Qualitätskontrolle! Zwar immer nur stichprobenweise, aber dafür um so gründlicher, werden die in unregelmäßigen Abständen entnommenen Chassis gemessen.
Und dann noch letzte Stichprobenmessungen
Nach allen Regeln der praktischen Erfahrung werden die Daten mit denen der Prüfvorschrift verglichen und protokolliert. Hierbei muß das Prüffeld „Farbe" bekennen.
Diese Stichprobenmessungen bedeuten für die Fertigung jedoch keineswegs unliebsame Doppelkontrollen, sondern erfüllen entscheidende Funktionen für ein anspruchsvolles und gleichmäßiges Qualitätsniveau. Obenan steht die Kontrolle des Produktes, daneben wird aber gleichzeitig eine ständige Überwachung des umfangreichen Meßgeräteparks erreicht und - ganz nebenbei - läßt sich auch feststellen, ob „Schwachstellen" beim Prüfpersonal vorhanden sind.
Das Chassis wird danach an den Geräte-Einbau „verkauft", wo ein weiterer Reigen von Prüfungen bevorsteht, ehe es im Farbfernsehgerät die Fabrik verläßt.
H. H. Alex im TELEFUNKEN-sprecher Heft 54/1971
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Bild 1. Prüferin am Signalplatten-Prüfplatz
Bild 2. Teilansicht des Chassisprüffeldes