Replik auf die Kritik von Jürg Jecklin
Skeptiker Arndt Klingelnberg hat ebenfalls jahrelange praktische Erfahrungen mit PCM-Aufnahmegeräten. Er hat ihre (z. T. nur anfänglichen) Tücken in schmerzlicher Erinnerung, und seine theoretischen Untersuchungen fördern so manche Stärke der scheinbar veralteten Analogtechnik zutage.
Hier übrigens beim Versuch, seinen Analogschatten zu überspringen ...
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Der Sprung über meinen Analogschatten
von Arndt Klingelnberg im März 1983
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Beim Sprung über meinen Analogschatten war ich 1980 zunächst einmal ins Wasser gefallen.
Der Grund: Fehlinformation von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt der Herstellerfirmen. Die Erfahrungen dieses „Wassergusses" sollte sich in meinem Testbericht zu den fünf PCM-Prozessoren widerspiegeln, unsere Leser sollen nicht versehentlich hinterherspringen. Daß die Quintessenz der mehrteiligen Testreihe nicht direkt in Teil 1 zu finden ist, bitte ich Herrn Jecklin zu entschuldigen, jeder erste Teil ist per Definition unvollständig.
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Klingelnbergs Replik zu Einwand 1.
Nicht alle Arten von gemessenen Daten geben über die zu erwartende Klangqualität Aufschluß (Vergleiche: „Das mußte mal gesagt werden" aus HiFi-Stereophonie 1982 Nr. 10). Gerade die Hersteller haben aber den Eindruck erweckt, als sei der übliche Dynamikmeßwert eine klanglich relevante Größe. Herr Jecklin, Sie haben doch sicherlich auch eine feste klangliche Vorstellung von den verschiedensten Meßwerten. Nach geeigneten Verfahren gemessene und ausgewertete Größen geben sehr wohl weitgehend über das Klanggeschehen Auskunft.
zu Einwand 2.
Herr Jecklin, sollte man nicht Respekt vor einer ehrwürdigen, vor 1967 entwickelten und Anfang 1973 produzierten Revox-Bandmaschine haben, und das zudem bei einer (nach heutigen Verhältnissen beurteilt) „Einfach"-Bandsorte (Revox 601)?
- Anmerkung:
Dieses Ansinnen oder Argument kann ich (Gert Redlich) aus heutiger Sicht (2013) überhaupt nicht - auch nicht rückwärts blickend - gelten lassen. Respekt vor alter Technik darf nicht die Beurteilung neuer Technik beeinflussen. Nur in Museen wird alter Technik Respekt gezeugt.
Von Ihren Studiomaschinen wissen Sie sicher, daß da gerne heutzutage 6,5dB mehr „drin" sind, und zwar praktisch. Theoretisch sind es natürlich noch mehr. Gerade bei PCM beweist mein Artikel Teil 1 und erst recht der Teil 2, daß Theorie und Praxis scharf auseinanderklaffen können.
Ich mußte erleben, daß digitale PCM-Systeme nicht nach „digitaler Art" gut oder eben überhaupt nicht funktionieren. Nein, sie können in „analoger Manier" sehr gut funktionieren, noch gut funktionieren, so schlecht funktionieren, daß man PCM für immer und ewig verfluchen will, und natürlich auch überhaupt nicht funktionieren.
Ich konnte Ihnen, Herr Jecklin, bei Aufnahmen zur DHFI-Platte Nr. 6 (PCM-Masterband) über die Schultern sehen und weiß, daß Ihre Anlage fast immer funktionierte, nur hatte ich eben andere Geräte im Test und (angemessen) strenge Kriterien.
- Anmerkung : Wir haben diese PCM Aufnahmen inzwischen hier im Labor (Sommer 2013) und versuchen, die Bänder auf moderne digitale Formate zu wandeln.
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zu Einwand 3.
Aus der Meßdatentabelle geht klar hervor, welche Daten mit Dolby-B ermittelt wurden, und ebenso, wann die PCM-Geräte auf Emphasis geschaltet waren und wann nicht. (Die wesentlichen Messungen wurden alle mit Dolby-B durchgeführt, da dies der für mich übliche Betriebszustand ist). Auf spezielle Einflüsse durch den Revox-Dolby-Schaltkreis wurde im Text mehrfach hingewiesen.
zu Einwand 4.
Der Begriff „Aussteuern" wird in verschiedenen Sparten der Elektrotechnik unterschiedlich verwendet, ich glaube aber kaum, den Ausdruck anders verwendet zu haben als er auch in Tontechnikerkreisen benutzt wird. Laut Test ist für die PCM-Geräte ein Aussteuerungsbezugspunkt von (im Normalfall) 6dB unter Begrenzung anzustreben. Da ein HiFi-Amateuer über keine getrennten Studioaussteuerungsanzeigen verfügt, kann er die von ihm benutzten Aussteuerungsanzeigen nicht wie Herr Jecklin auf das Mischpult „einpegeln". Der von uns benutzte Aussteuerungsbezugswert ist daher ersteinmal für die gehörbezogene und zu bisherigen (analogen) Verhältnissen vergleichbare Auswertung von Interesse.
Weiterhin beziehe ich mich auf einen Vortrag von Prof. Martin Fouque auf der Tonmeistertagung 1981 in München. Fouque forderte 10dB Reserve bei professionellen PCM-Aufzeichnungen im Zusammenhang mit Studiospitzenanzeigen (statt meiner 6dB für HiFi-Anwendung). Dieser Ansicht wurde vom Plenum nicht widersprochen. „Einige dB" halte ich daher für eindeutig falsch; für den HiFi-Anwender ist diese Angabe irreführend.
Und zu den Messungen:
Klingelnbergs Replik zu 1.
Natürlich ist PCM-Technik hinsichtlich der Gleichlaufwerte überlegen. Wir werden in unserer abschließenden Bewertung darauf auch noch eingehen. (Ich nehme an, daß die meisten unserer Leser bereits wissen, daß PCM hier im Vorteil ist).
Wichtige Anmerkung :
Wir haben hier im Labor in Wiesbaden nicht nur mehrere fast neue semiprofessionelle Bandmaschinen entweder bereits gehabt oder geschenkt bekommen, sondern fast schon "viele" Geräte. Es sind Geräte dabei, die mit höchsten Lorbeeren geschmückt waren und fast allesamt sogenannte Testsieger. Auf mehreren der 3-Motoren Geräte haben wir einen ganz simplen sauberen klinisch reinen 1 Kilohertz Ton aufgezeichnet (mit -10dB und mit -20dB) und per Hinterband-Kontrolle verglichen.
Im Vergleich zur einer xbeliebigen PCM Aufnahme ist alleine dieser Test bereits eine mittlere Katastrophe. Ob mit einem DAT Recorder (Sony DTC 55ES) oder einem Notebook Baujahr 2005 mit Realtek Chipsatz, dort ist wirklich kein Unterschied zwischen "Vorband" und "Hinterband" zu hören.
Bei dem Welterfolg, unserer Revox B77 mit 19cm/s und Halbspur und auch bei unsere hochgelobten ASC 6000/2 mit 38cm/s und Halbspur sowie unserer AKAI GX 625 ist der Sinuston bei der Wiedergabe nicht mehr sauber - egal, mit welchem Band. Der von Herrn Breh öfter genannte Schleier ist bei allen Versuchen mehr oder weniger deutlich zu hören. Das ist zu jeder beliebigen Zeit reproduzierbar.
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zu 2.
PCM-Aufnahmen können, wie meine Messungen und verschiedene Veröffentlichungen (nicht zuletzt der hervorragende, grundlegende Artikel von Barry A. Blesser im AES Journal, Oktober 1978, S. 739 und folgende) zeigen, durchaus Modulationsrauschen aufweisen. Nur ist es von anderer Qualität als bei Analoggeräten und muß nicht zwangsläufig bei HiFi-PCM-Geräten auftreten (Sanyo Plus 5: unter kritischen Voraussetzungen mit extremem Modulationsrauschen, Sony PCM Fl: nicht hörbares Modulationsrauschen - siehe auch mein Digital-ABC).
zu 3.
Die Azimutprobleme analoger Bandgeräte (das ist die Ursache der Phasenprobleme) werden in unseren Tests außergewöhnlich genau untersucht und deutlich herausgestellt. Aber, wie gesagt, es muß ja auch noch Stoff für die Zusammenfassung bleiben.
zu 4.
Die Aussteuerungseigenschaften im Hochtonbereich sind deutlich im Test erwähnt (Höhendynamik), zudem sprechen die Hochtonverzerrungen (14 u. 15 kHz) in Tabellenwert (digitale Darstellung) und Bild (analoge Darstellung) für sich.
zu 5.
Analoge Bandgeräte arbeiten mit Kompandersystemen, die sicherlich oft genug alles andere als ideal sind. Ich möchte Toningenieuren raten, trotzdem auch einmal mit Dolby-B zu arbeiten, um zu erfahren, welch geringen negativen Einfluß gerade Dolby-B bei einem Spulentonbandgerät hat. (Aber auch das sollte in der Zusammenfassung gewürdigt werden).
Anmerkung:
Für den Vergleichstest der Musik-Qualität ist bei uns ein Kompandersystem ala Dolby oder sonstwas erstmal zweitrangig. Bei klassischer Orchestermusik ist ab einer bestimmten Lautstärke das Rauschen sowieso überdeckt. Dann zählt nur noch die Reinheit bzw. Qualität der Musikübertragung. Beispiel: die Moldau von Smetana - nach den ersten 3 bis 5 Minuten ist eine Lautstärke erreicht, bei der das Rauschen völlig verdeckt ist. Mit dieser Musik kann man hervorragend die Qualität von Aufnahmesystemen vergleichen.
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Keine Diskriminierung von Analoggeräten
"Die Argumentation mit Meßdaten soll objektiv bisherige Meinungen (die auf zu einfachen Meß- bzw. Propagandadaten basieren) wiederlegen oder eben auch bestätigen, wo es gerechtfertigt ist." (Diesen Satz habe ich nicht verstanden.)
Der Diskriminierung von Analoggeräten (interessanterweise auch von Geräten, die vom eigenen Hause vertrieben werden) durch PCM-Hersteller möchte ich jedoch ganz klar entgegentreten. Andererseits ist klar, daß mich Daten und Hörresultate von PCM überzeugt haben, aber nicht von beliebigen PCM-Geräten allgemein.
Dem (leider) schwarzen Schaf unserer Testreihe möchte ich bei den meisten Anwendungen zumindest keinen Vorzug vor einer guten (analogen) Bandmaschine mit Dolby-B geben. Der Schwarze Peter bleibt so bei PCM.
Unbestreitbarer Vorteil - und das ist das in vielen Fällen wichtigste Argument für PCM - ist „Digital Copy" (wenn es klappt).
Arndt Klingelnberg im März 1983
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