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Vergleich Analog-PCM:
Eine Widerrede von Jürg Jecklin (aus HS-1983 Heft-04)

Tonmeister Jürg Jecklin (Radio Studio Basel) setzt sich an dieser Stelle in (s)einem zweiten Beitrag kritisch mit Arndt Klingelnbergs Untersuchung zur Qualität von PCM-Adaptern auseinander.

Betrachten wir 3 Beispiele

Beispiel 1 : Ein Vater vergleicht die Religionsnote seiner Tochter mit der Mathematiknote des Nachbarkindes und stellt befriedigt fest, daß seine Tochter die bessere Schülerin ist.
Beispiel 2 : Bei einer Mißwahl gewinnt die Kandidatin mit der größten Schuhnummer.
Beispiel 3 : Bei einem Lautsprechertest wird ein Transistorradio auf Platz eins gesetzt, weil wegen des eingebauten Breitbandlautsprechers keine durch Frequenzweichen verursachte Phasensprünge auftreten können.

Ist das Verhältnisblödsinn ? Offensichtlich ja!

Und wenn ein semiprofessionelles Tonbandgerät durch Vergleiche und Überlegungen ähnlicher Art besser bewertet wird als eine PCM-Anlage?

Arndt Klingelnberg kommt in drei umfangreichen Artikeln „Fünf PCM-Prozessoren und ein Analog-Bandgerät mit Dolby-B-NR" zu diesem Resultat. Wie ist das möglich? War der Tester voreingenommen? Stand das Ergebnis für ihn bereits vor dem Test fest? Hat PCM wirklich nur Schwächen und das Analoggerät nur Stärken?

Klingelnberg kommt zu diesem Schluß, den er mit passenden Meßdaten (oder besser gesagt deren Interpretation) untermauert. Da der ganze Test aufwendig aufgezogen erscheint und das Ergebnis sprachlich kompliziert präsentiert wird, klingt auf den ersten Blick alles plausibel.

Nun hackt eine Krähe der andern bekanntlich keine Augen aus. Ein Journalist dem andern auch nicht. Da ich aber nur etwa 10% meiner Schaffenskraft beim Schreiben vertue, muß ich mich nicht an obige Regel halten.

Zuerst aber das Positive

Die Messungen wurden sorgfältig durchgeführt. Für mich waren die Meßergebnisse interessant, denn sie haben immerhin eine 5%-Lücke in meinem Wissen über PCM gefüllt.

Leider sind bei Klingelnbergs Artikeln die übrigen 95% untergegangen. Das ist für mich weniger schlimm, für die meisten Leser von HiFi-Stereo-
phonie ist es jedoch ziemlich ärgerlich. Es ist mir nicht möglich, in diesem kurzen Artikel all das nachzuholen, das Arndt Klingelnberg in drei langen Artikeln hat versäumen wollen.

Ich kann nur einige seiner Interpretationen und Schlußfolgerungen als das entlarven, was sie in Wirklichkeit sind.
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Der dickste Hund: Analog schlägt PCM im Dynamikumfang

Um den nutzbaren Dynamikumfang festzustellen, fixiert Arndt Klingelnberg eine obere und eine untere Aussteuerungsgrenze. Beim Analogband nimmt er den Pegel mit einem Klirrfaktor von 3% als obere Grenze an. Das ist üblich, denn bei einem kleineren k-Wert (zum Beispiel 0,5%) würde die obere Grenze so tief liegen, daß man von nutzbarer Dynamik im Zusammenhang mit Musikaufnahmen gar nicht mehr sprechen könnte.

Auf der andern Seite ist es beim heutigen Stand der Technik wenig sinnvoll (und auch nicht mehr notwendig), diese 3% zu akzeptieren. Komisch ist, daß diese 3% in einem Heft hingenommen werden, in dem man bei Verstärker-Testberichten um hundertstel Prozente rechnet.

Wo setzt man den Referenz-Pegel an ?

Die obere Grenze bei PCM wird von Arndt Klingelnberg willkürlich bei einem Pegel von -6 dB unter dem Clipping-Level fixiert. Das gleiche Verfahren bei einem Leistungsverstärker angewendet, würde bedeuten, daß ein 100-Watt-Verstärker plötzlich nur noch ein 25-Watt-Verstärker wäre. Was bei der Verstärkerbeurteilung nicht recht ist, darf nun nicht plötzlich bei PCM billig sein, nur weil es ins Konzept paßt.

Als untere Analoggrenze nimmt Arndt Klingelnberg den Pegel an, bei dem ein 1kHz-Ton gerade noch aus dem Rauschen heraus hörbar wird. Er ermittelt diesen Wert bei erhöhter Wiedergabe-Lautstärke. Das ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht erlaubt, denn der Verdeckungseffekt durch das Rauschen ändert sich mit der Lautstärke. Die Fixierung dieser unteren Grenze ist also ebenfalls willkürlich.

Das gleiche Verfahren mit erhöhter Wiedergabelautstärke wendet Klingelnberg auch beim PCM-Band an, nur daß als untere Grenze der Pegel fixiert wird, bei dem ein 1kHz-Ton „nicht mehr verzerrt" klingt. Bei gleichem Pegel, aber nicht erhöhter Wiedergabelautstärke, würden Obertöne (in diesem Fall der Klirrfaktor) unter die Gehörschwelle und damit zu praktischer Bedeutungslosigkeit absinken. In der Praxis darf der Pegel eines 1-kHz-Tones also wesentlich tiefer liegen, ohne daß Verzerrungen hörbar werden.

Die ganze Pegelgeschichte ist geradezu ein Schulbeispiel dafür, wie man eine Manipulation verbal rechtfertigen und glaubwürdig verkaufen kann.

So kann ich das nicht gelten lassen

Klingelnberg ist wohl der erste PCM-Gegner, der sich zu der abstrusen Behauptung versteigt, bei 19cm Bandgeschwindigkeit und Dolby-B sei die nutzbare Dynamik größer als bei 14-Bit-PCM.

Der Tonmeister muß sein Können können.

In einer Beziehung hat Arndt Klingelnberg allerdings recht: Auch bei PCM muß man sorgfältig aussteuern. Auch bei PCM darf man oben keine Dynamik verschenken. Etwas anderes hat aber auch noch niemand behauptet.

Austauschbarkeit der PCM-Bänder, Probleme mit dem Videorecorder

Kritisiert werden erhöhte Verzerrungen, wenn ein PCM-Band mit anderen Prozessoren wiedergegeben wird als es aufgenommen wurde. Das Problem existiert (ob es hörbar wird, ist eine andere Frage), allerdings nur bei gewissen Fabrikat-Kombinationen. Der Austausch zwischen verschiedenen Exemplaren eines Typs ist aber nach meiner Erfahrung problemlos. Fairerweise hätte nun auch die Austauschbarkeit von Analogbändern untersucht werden müssen (zum Beispiel Revox-Tandberg oder Revox-Teac). Und da hätte Arndt Klingelnberg möglicherweise sein blaues Wunder erlebt! Aber davon spricht er nicht. Also eine weitere Manipulation zuungunsten von PCM.

Dann das lange Kapitel über die Bildkorrektur im Videorecorder. Die Ausführungen sind zwar interessant, aber verwirrend und vor allem im Zusammenhang mit PCM ohne Bedeutung. Das PCM-Videosignal wird ja im Prozessor korrigiert. Jeder, der mit PCM arbeitet, weiß, daß die Drop-Out-Bildkorrektur bei PCM ausgeschaltet sein muß. Messungen mit einem ungeeigneten Videorecorder vorzunehmen und dessen Fehler nachher dem Prozessor in die Schuhe zu schieben, ist ebenso weltfremd, wie einem Auto vorhalten zu wollen, daß es auf einem holprigen Feldweg seine Höchstgeschwindigkeit nicht erreicht.

Interpretation der Meßdaten

Ich habe bereits erwähnt, daß an der Durchführung der Messungen nichts kritisiert werden kann. Wohl aber an der Interpretation der Ergebnisse. Den grafischen Darstellungen kann (und muß) man etwas anderes entnehmen.

Zum Beispiel bei den Bildern 1.5 a und 1.6 a (s. S. 436) einerseits und den Bildern 6.4 a und 6.5 b andererseits (und den entsprechenden Bildern im zweiten Artikel). Auffallend sind hier nicht die Verzerrungsanteile, sondern in erster Linie das starke Modulationsrauschen beim Analogband, das von den Meßtönen hügelförmig nach oben gezogen wird. Bei PCM fehlt diese Art von Rauschen völlig. Und gerade dieses Modulationsrauschen ist ein Grund dafür, daß zum Beispiel Klavieraufnahmen auf PCM so viel besser klingen als auf Analogband. Erwähnt wird dies aber nur nebenbei in einem kurzen Satz im dritten Artikel.

Ganz fair wurden diese Messungen übrigens nicht durchgeführt, denn die Revox A77 wurde ohne Dolby gemessen. Die Begründung: „Die Werte mit Dolby-B-System sind aufgrund einer Besonderheit bei Revox untypisch etwas schlechter." So geht es nun wirklich nicht! Entweder alle Messungen mit oder dann alle Messungen ohne Dolby.

Verbale Fragwürdigkeiten

Solange sich der Inhalt der drei Artikel auf Messungen und deren Interpretationen stützt, ist eine Diskussion und sachliche Kritik möglich.

Schwieriger wird es, wenn Arndt Klingelnberg sprachlich verniedlicht, Stimmung macht oder gar manipuliert. Hierzu:

In der Einleitung zum ersten Artikel steht „... soll nun anhand gemessener Daten die Klangqualität der verschiedenen Geräte verglichen werden, natürlich unter Berücksichtigung praktischer und gehorphysiologischer Einschränkungen."

Gerade das findet aber nirgends statt. Von Klangunterschieden ist praktisch nicht die Rede. Die ganze Dynamikgeschichte zeigt, daß weder praktische noch gehörphysiologische Faktoren richtig berücksichtigt worden sind. Hier wurden Messungen als Selbstzweck betrieben und ohne Rücksicht darauf, was für die Praxis eine Rolle spielt und was nicht.

Mancher Vergleich ging daneben

Dann die ganze Granulatsache: „Analog = Feinkies" (doch irgendwie hochwertig), „PCM = Schotter" (auf alle Fälle minderwertig). Nicht gesagt wird, daß der „Analog-Feinsand" störend hörbar wird, nicht aber der „PCM-Schotter".

Geärgert hat mich der sprachliche Gag „Sanyo Plus 5 - Bewertung 5 Minus". Erstens komme ich selbst aufgrund langer praktischer Erfahrung zu einer ganz anderen Bewertung, und zweitens ist dieser Witz (da er sich bei der Voreingenommenheit von Arndt Klingelnberg von selbst ergibt) doch allzu billig.

Auch der Preisvergleich unter der Überschrift „Last but not Least" im zweiten Artikel soll vielleicht originell wirken, leider stimmt er aber überhaupt nicht. Natürlich ist die Revox ein „good buy". Wer aber bessere Analog-Qualität will, muß auf ein Studio-Bandgerät mit Dolby-A umsteigen. Der Preisunterschied kann dann nicht mehr in den Gegenwert von einigen Flaschen Wein umgerechnet werden, wie es Klingelnberg tut. Er macht dann schon einen ganzen Weinkeller aus.

Nahezu bösartig ist die Bewertung der nun wirklich überlegenen Kopierqualitäten von PCM. Dieser echte Vorteil wird einfach via Aufnahmepiraterie kriminalisiert.

Analog oder PCM, ist die Wahl eine Qual?

Es gibt genügend Gründe, die bei gewissen Anwendungen für die Analogtechnik sprechen. So zum Beispiel die analogspezifische Betriebssicherheit (es ist fast immer etwas auf dem Band, nur meist nicht optimal), die einfache Schneidemöglichkeit mit einer Schere, das einfache Auffinden einer Bandstelle etc. Es ist also gar nicht notwendig, die Analogtechnik über den grünen Klee zu loben und die PCM-Technik mit falscher Interpretation von Meßergebnissen, unfairen Vergleichen und negativer Wortwahl schlecht zu machen. Die Analogtechnik wird weiterhin für gewisse Anwendungen ihren Platz haben.

Wenn es aber in erster Linie um Qualität geht, schlägt die 14-Bit-PCM-Technik jedes Analogbandgerät, und zwar sowohl meßtechnisch (wenn Sinnvolles gemessen wird) wie auch gehörmäßig (wenn es um Musik geht).

Die SANYO Glosse mit 4 Bildern :

Fundsache aus einem Sanyo-Presseinfo. Originaltext hierzu: „... und übrigens ... für Belegexemplare sind wir dankbar! Herzlichst Ihre Sanyo". Ganz ehrlich: Das haben wir nicht gewollt. Red.

Keiner behauptet, PCM sei vollkommen

Vollkommen ist natürlich auch die PCM-Technik nicht. Auf den ersten Blick unschön ist bei PCM die Notwendigkeit eines steilen Tiefpaßfilters bei 26kHz. Viele Untersuchungen (unter anderem vom IRT in München durchgeführt) haben aber gezeigt, daß dieses Filter in der Praxis (bei Musik) keine hörbaren Auswirkungen hat. Ein Nadelimpuls zeigt wegen dieses Filters Nachschwingungen. „Musikalische" Nadelimpulse gibt es aber nicht. Zudem sind in dieser Beziehung die Einflüsse der Mikrofon- und Lautsprechereigenschaf-
ten wesentlich größer. Klingelnberg erwähnt den Einfluß dieses Filters als PCM-Unzulänglichkeit.

Auf der andern Seite erwähnt er aber die nachteiligen Auswirkungen von Geräuschverminderungsverfahren beim Analogband nicht, die besonders bei impulsförmigen Schallvorgängen ohne Eigenrauschen (Klavier, Schlagzeug) äußerst unangenehm zu Tage treten. Geräuschverminderungsverfahren zeigen immer einen mitziehenden Rauschteppich, und der sowieso nie linealglatte Frequenzgang eines Analoggerätes wird durch die Regelvorgänge weiter verschlechtert (Verstärkung der Abweichungen).

Ich habe mich für PCM entschieden

Wenn ich das alles betrachte, ist für mich die Wahl keine Qual. Ich habe zwei Jahre lang Analog und PCM verglichen, und zwar fast täglich bei meiner Aufnahmearbeit. Für mich ist der Fall klar.

Und für einen Leser der HiFi-Stereophonie?

Er ist darauf angewiesen, sich informieren zu lassen. Und da hat er jetzt die Wahl zwischen der Meinung von Arndt Klingelnberg und meiner.

Jürg Jecklin im Frühjahr 1983
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