Editorial 1982-Heft 7 "Die PCM CC Kassette von JVC ?"
Wolfgang Tunze schreibt im Editorial in Heft 07 :
(Aufgrund einer Ankündigung vom JVC Marketing im Sommer 1983)
Liebe Leser,
zuerst gab es nur ein Gerücht, dann ein technisches Referat und schließlich eine offizielle Pressemitteilung -
War das jetzt ein Versuchsballon, ein Geplänkel oder eine Weichenstellung?
Die Rede ist vom longitudinal (Anmerkung: Längs-Spur-Technik) abtastenden PCM-Recorder für das (Philips) Compactcassetten-Format, über dessen technische Möglichkeit JVC-Ingenieure auf der letzten AES-Convention in Montreux berichtet hatten und dessen Erscheinen auf dem europäischen Markt nunmehr für den Herbst 1983 (wir haben jetzt Sommer 1982) angekündigt wird.
Was eine solche Entwicklung über den Rang einer lediglich neuen Geräteart erheben könnte, ist, folgt man den ehrgeizigen Vorstellungen von JVC, nichts Geringeres als die Möglichkeit, dereinst die (noch gar nicht verfügbare) Compact Disc „im Markt zurückzudrängen".
.
So gibt es denn auch von verschiedenen Seiten aufmerksame bis erregte Reaktionen auf diese Nachricht, so etwa bei Teilen der Schallplatten- industrie, die nicht einsehen können, weshalb ausgerechnet sie mit aberwitzigen Investitionen den Markt für die digitale Plattenspieler- generation, die ja letztlich von der Geräte- industrie gefordert wurde, bereiten sollen.
Bei der Teldec zum Beispiel betrachtet man digitale Compactcassetten ala JVC, über vergleichsweise preisgünstige Schnellkopier- anlagen bespielt, als reale Möglichkeit, und man sieht sich in der eigenen Philosophie bestätigt, die da lautet: Optimierung der Analogtechnologie (Beitrag Seite 850), bis sich ein finanzierbares und vom Käufer bezahlbares digitales Format unangefochten durchgesetzt hat.
Interessanter noch, daß man sich auch im Lager der Compact-Disc- Systempartner Gedanken darüber macht, welche Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn tatsächlich mit der digitalen Compactcassette ein preiswertes Konkurrenzformat im Bereich der digitalen Tonträger entstünde. So hörte ich dieser Tage eine ausgesprochen defaitistische Stimme aus eben diesem Lager.
"Betrachte" man die alljährlichen Geräteneuheiten, so die Argumentation, dann "werde" deutlich: Marktforderungen entsprechend müsse alles immer billiger, noch mehr abgemagert und dürftiger in der Qualität werden.
Da solle nun ausgerechnet ein breiter Markt für Plattenspieler um 1.500.- und Tonträger um 60.- DM bestehen? Müsse man nicht befürchten, uferlose Entwicklungskosten für eine schmale Schicht von Freaks investiert zu haben, die sich niemals amortisieren könnten?
Die Konsequenz dieser Stellungnahme: Kein Produktionsbeginn von CD-Plattenspielern beim betreffenden Hersteller, so lange jedenfalls nicht, bis entscheidende Impulse durch ein breites CD-Programmangebot zu erwarten seien. Auch bei anderen (großen !) Herstellern ist Abwarten die Devise.
Wo solche Zweifel bestehen, die ja nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, mag die JVC-Ankündigung tatsächlich zusätzliche Unsicherheit bewirken.
Nicht so bei den beiden „Senior-Partnern" der Compact-Disc-Gruppe, Philips und Sony. So hält man es bei Philips keineswegs für erwiesen, daß JVC tatsächlich über die propagierte Technologie verfüge. Und wenn: Woher sollen die Programme kommen, die ein privater Nutzer sinnvollerweise in PCM-Qualität aufnehmen könnte?
Zudem sei die von JVC gewählte Abtastfrequenz von 33,6 kHz (das entspricht einem Tonübertragungsbereich bis etwa 16 kHz) keineswegs ausreichend. Und was bespielte Cassetten betrifft, so sei der Beweis noch zu erbringen, daß Schnellkopieren überhaupt möglich sei.
Das bezweifelt man bei der Firma Sony, bei der man übrigens an einem ähnlichen System wie JVC arbeitet, zwar nicht prinzipiell. Bis jedoch der angekündigte JVC-PCM-Recorder für Compactcassetten zur Marktreife entwickelt werden könne, habe die Compact Disc den Markt bereits langsam, aber stetig so weit durchdrungen, daß ihre Position nicht mehr ernsthaft gefährdet werden könne.
Einen längeren Zeitraum hat übrigens, trotz offenbar forschen Timings, auch JVC im Auge. So wird die vergleichsweise niedrige Abtastfrequenz unter anderem damit begründet, daß sie ungefähr mit der Abtastfrequenz des künftigen Satellitenrundfunks übereinstimme.
Was bleibt von der gemeldeten Compact-Disc-Verdrängung? Die offensive Propagierung einer Idee und einer verfügbaren Technologie (Fußnote: Systempartner gesucht, spätere Marktchancen nicht ausgeschlossen).
Da ist das CD-Lager dann doch schon weiter; Krisensorgen hin, Programmprobleme her: Die ersten Compact-Disc-Plattenspieler gibt es Ende des Jahres zu kaufen, wenn nicht noch alle Stricke reißen. Daß der Compact Disc Konkurrenz erwachsen könnte, ist zwar durchaus denkbar; deren möglicher Erfolg steht jedoch einstweilen in den Sternen.
Anlaß zur Verunsicherung? Keineswegs, nicht einmal für all diejenigen unter uns, die noch immer sorglos mit der schwarzen Scheibe leben, und das, bei Lichte besehen, so schlecht nun auch wieder nicht.
Anmerkung :
Wie wir in 2014 wissen, ist nicht nur die digitale JVC CC Kassette sondern auch die Philips DCC (kläglich) gescheitert. Die CD hatte den Durchmarsch geschafft. Ein Hauptgrund war die Blockkade der Musik-Industrie wegen des unkontrollierten Kopierens von Musik. Erst die DAT Kassette mit 2 Stunden Laufzeit in Edel-Qualität sowie Kopiersperre hat 1989 einen nennenswerten Erfolg erzielt.
.
Und hier noch . . . .
Eine Presseinfo der JVC Deutschland in Fankfurt vom Sommer 1982 :
Konkurrenz für die "Compact Disc" ?
Für den Herbst 1983 kündigt JVC das erste kompakte Digitalcassettengerät mit bis zu einer Stunde PCM-(Puls Code Modulation-Aufzeichnung und -Wiedergabe) in Europa an.
Das Aufzeichnungsformat berücksichtigt, so JVC, vor allem die Forderungen der Massenproduktion von bespielten Cassetten. Die neue JVC-Digitalcassette soll HiFi-Aufnahmen in allerhöchster Qualität mit einem extrem niedrigen Klirrfaktor und einem weiten dynamischen Umfang auf Compakt-cassetten, vergleichbar mit Digital-Schallplatten, ermöglichen.
JVC erwartet, daß die PCM-Cassette die Digitalschallplatte im Markt zurückdrängen wird und sich ähnlich hohe Anteile wie die bisherige Analog-Cassette sichern kann. Darum bemüht sich JVC mit anderen HiFi-Herstellern, eine Standardisierung zu erreichen, um die Austauschbarkeit der Cassetten für den Verbraucher sicherzustellen.
Da sich die kompakte Digitalcassette besonders für die Massenproduktion eignet, rechnet JVC fest damit, das eigene System als Standard durchsetzen zu können. Die einfache Produktion der neuentwickelten Metallbänder mit einer sehr hohen Koerzitivkraft sichert nach Ansicht von JVC die rasche Durchsetzung im Markt.
JVC hat als Abtastfrequenz 33,6 kHz gewählt, die der Frequenz des geplanten europäischen Satellitenrundfunks (32 kHz) weitgehend entspricht. Alle anderen Wettbewerber haben sich für 44,1 kHz entschieden, was, so JVC, die Produktion von 60-Minuten-Compaktcasset-ten nicht erlaubt.
Die Größe des neuen Digitalcassettengerätes soll den bisherigen tragbaren Cassettengeräten entsprechen und den gleichen Bedienungskomfort wie konventionelle Geräte bieten, wie z.B. schnellen Zugriff auf den Beginn eines neuen Musikstückes, wiederholte Wiedergabe des gleichen Programms, Programmanzeigen etc. Eine der 4 Spuren für die digitalen Audiosignale ist als Steuerspur vorgesehen.
Vertrieb: JVC Deutschland GmbH, Frankfurter Allee 6-8, 6236 Eschborn, Tel.: 06196/496-0