Ein Leserbrief aus KlangBild 1977/10 - Antwort zu Klipsch
Hier ist eine Antwort auf das Klipsch Interview zu lesen, bei der ein Erfinder die Physik zu überlisten glaubt. Ich muß zugeben, daß ich bei der gelieferten Informationsmenge noch nicht verstanden habe, worauf sein Patent beruhen soll. In 2018, also 40 Jahre danach, kennt das Prinzip keiner mehr. Auch die Kugelwellenstrahler und die Längswellenstrahler, alle waren mal als Superideen patentiert, sind wieder vom Markt verschwunden. Dennoch ist es interessant zu lesen, wie ein Erfinder "sein" System beschreibt und "promoted".
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EIN ABSOLUTES PRINZIP...
Herr Dipl.-Ing. F. Siebe schreibt :
Insbesondere habe ich den Artikel Ihres Autors Herrn Schöler nach einem Interview mit dem „Pionier der Lautsprecherentwicklung" Paul Klipsch mit besonderem Interesse studiert, der in wesentlichen Punkten sehr aufschlußreich Stellung genommen hat zu Fragen der Elektroakustik bzw. der Klangreproduktion von Originalaufnahmen durch Lautsprecher.
Die vielvertretene Auffassung - wie auch hier von Paul Klipsch - daß es „ein absolutes Prinzip nicht gebe", was die Reproduktion des Original-Tonbandes betrifft, muß als „irrig" bezeichnet werden, was die neuere Grundlagenforschung auf diesem Gebiet gezeigt hat.
Die allgemeine Ansicht, daß es „den absoluten Lautsprecher nicht geben könne", die mit physikalischer Unmöglichkeit begründet wird, ist falsch und muß an dieser Stelle als eine „Fehlinterpretation" der wahren Sachverhalte oder Sachzusammenhänge gesehen werden.
Es kann als „erwiesen" angesehen werden, daß jedes dynamische System (Einzellautsprecher) herkömmlicher Art unter bestimmten Voraussetzungen ein absolut tongetreues Abbild der Aufnahme vermitteln kann, das heißt verzerrungs- und verfärbungsfrei. Mit anderen Worten: Die unmittelbare Darbietung kann tongetreu vom Aufnahmeraum in den Hörraum übertragen werden, wobei die Beschaffenheit des Abhörraums keine Rolle spielt.
(Anm.: Das gefundene System zur strengen Übertragung von Tonaufnahmen ist Gegenstand einer Patentsache.)
Über den Wirkungsgrad von 1 bis 40%
... Nach Paul Klipsch ist nur bei einem Horn-Prinzip ein effektiver Wirkungsgrad von 40% erreichbar (gegenüber einem effektiven Wirkungsgrad von 5% beim üblichen Direktstrahler - beim Einhalten eines maximalen Klirrgrades von 3% bei 1 kHz), und er bestreitet die Behauptung anderer Experten, daß beim Direktstrahler ein Wirkungsgrad von 20% erreichbar sei.
Es kann nun als „erwiesen" angesehen werden, daß der unzureichende Wirkungsgrad beim dynamischen Lautsprecher durch das neue System als überwunden gelten muß, ja daß sogar der von Paul Klipsch als obere Grenze für sein Hornprinzip genannte Wirkungsgrad überschritten wird, wenn anstelle des bisherigen Quasi-Originaltones der echte Originalton der Tonaufnahme übertragen wird. ... Es wurde bis heute ein Fehlsignal übertragen, das von dem Lautsprecher auch nur in Form eines „verfälschten" Signals wiedergegeben werden konnte. Was die bisher festgestellten „Verzerrungen" anbetrifft, beruhten diese allein auf dem Umstand, daß dem System im Tieftonbereich ein zu großes Signal zugeführt wurde, wobei das Signal von „nichtlinearer" Art war. (Folge: Verzerrungen infolge zu großer Signalamplitude im Baßbereich.)
Zum Schluß noch eine Antwort auf die Frage von Herrn Schöler, wie sich die spezifische Akustik des Abhörraums auf die Reproduktion der Aufnahme auswirke.
Soweit es sich um das absolute Tonsystem handelt, ist die jeweilige Akustik des Hörraums ... ohne Bedeutung, wenn eine Mindest-Lautstärke - Zimmerlautstärke - eingestellt wird ...
Anmerkung der KlangBild Redaktion :
Den vorstehenden Brief haben wir leider aus Platzgründen sehr kürzen müssen; wir bitten um Verständnis. Herr Dipl.-Ing. Siebel geht ausführlich auf jede der im Interview angesprochenen Detailfragen ein; wir wollten hier nur herausarbeiten, was es mit dem von Herrn Siebel öfters zitierten absoluten Tonsystem auf sich hat, das - so Herr Siebel - den Namen 3D-Raumtonsystem führt und zum Patent angemeldet ist.)
Sehr geehrter Herr Siebel,
.... vielen Dank für Ihren sehr ausführlichen Brief.
Wie Sie schreiben, haben Sie die Ausführungen von Dr. Heil, Friedrich Müller und Klaus-Dieter Heinz noch nicht lesen können - auch in den Ausführungen dieser Lautsprecherentwickler werden Sie interessante Sätze finden, vor allem aber eine Unterstützung der Aussage: „Ein absolutes Prinzip gibt es nicht. . ." (Unter diesem Motto läuft die ganze Diskussionsserie.)
Offengestanden ist mir das Prinzip des 3-D-Raumtonsystems, das Sie öfters in Ihrem Brief erwähnen und das Sie auch „absolutes Tonsystem" nennen, nicht klargeworden. Sie sagen, es sei nunmehr möglich, den Wirkungsgrad eines dynamischen Lautsprechers auf einen Wert zu erhöhen, der über dem des Horns liegt, und zwar dann, wenn (ich zitiere) „anstelle des bisherigen Quasi-Originaltones der echte Originalton der Tonaufnahme übertragen wird".
Wie auch immer Sie die Begriffe „Quasi-Originalton" und „echter Originalton" definieren mögen: Der Lautsprecher muß tonfrequente Wechselspannungen in Membranbewegung umwandeln, um einen Schalldruck zu erzeugen. Dies tut er vor allem, wenn er in eine stark bedämpfte Box eingebaut ist - nur zu einem ganz geringen Prozentsatz; der Rest der Energie wird in Wärme verwandelt.
Wie auch immer Sie das dem Lautsprechersystem zugeführte Signal modifizieren mögen - es muß naturgemäß ein analoges Signal sein -, das Prinzip bleibt dasselbe.
Was alle Lautsprecher-Entwickler versuchen, ist stark vereinfacht gesagt dies: den Antrieb der Membran zu beschleunigen, damit die Einschwingzeit kürzer wird, und das Membranmaterial oder auch die ganze Boxenkonstruktion so zu verbessern, daß Partialschwingungen nicht auftreten. Oder nur in ganz geringem Maße auftreten. Oder auch korrigiert werden können, wenn sie auftreten sollten.
Das unerreichte - und wahrscheinlich unerreichbare - Ideal des Lautsprechers wäre ein unendlich steifes Etwas mit der Masse Null, das verzögerungsfrei elektrische Energie in Schall verwandelt, der sich in nichts von den originalen Klangereignissen unterscheidet.
Bis jetzt hat noch kein Mensch die uns bekannte Physik verändern können, und so geben die Herren, die wir interviewten, auch unumwunden zu, daß sie sich mit ihrer Arbeit dem Ideal nur nähern, es aber nicht erreichen konnten. (Eben darum gibt es bis dato noch kein „absolutes Prinzip".)