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Ein Rundfunkbeitrag im Mai 1975

DUAL im August 1975
So schön kann die quadrophonische Welt sein

Dieser Beitrag ist der Quadrophonie gewidmet, über deren Tonqualität bereits viele Berichte in Umlauf gesetzt wurden, vor allem auch von den Verkäufern in Radiofachgeschäften. Über das Verfahren der Quadro­phonie sowie über die technischen Voraussetzungen, die zu ihrer perfekten Verwirklichung notwendig sind, berichten Dr. Uwe Schultz und Ulrich Schreibers.

Ein Werbespruch lautet:
"Jetzt können Sie Ihrer Zeit voraushören. Unser 4-R-Raumklang-System erschließt neue Hördimensionen. Selbst in kleinen Hörräumen entfalten unsere Geräte die Klangdimensionen und die Atmosphäre eines großen Konzertsaals. Das macht Ihren Hörgenuß zu Hause noch vollkommener (?). Unsere Quadro-Geräte sind zukunftssicher konzipiert. Sie sind heute schon in der Lage, alle möglicherweise noch kommenden Quadro-Verfahren optimal wiederzugeben."

Wer die Vollkommenheit noch "vollkommener" macht und Sicherheit für die Zukunft garantiert, ist entweder ein Phantast oder ein Prophet (oder ein Scharlatan) - vielleicht auch nur Public-Relations- Manager eines elektronischen Konzerns. In unserem Fall dürfte Letzteres zutreffen, denn was Sie Eingangs hörten, waren Zitate aus Anzeigen ver­schiedener Firmen der Unterhaltungs-Elektronik. Die Namen sind dabei austauschbar, da alle auf dasselbe Ziel programmiert sind: Verstärker zu verkaufen, mit denen man quadrophon, d.h. vierkanalig Musik hören kann.

Das Zauberwort vom tollen Klang

Quadrophonie ist ein neues Zauberwort der Unterhaltungs-Elektronik, es verkündet den totalen Klang. Früher standen nur monophone Schallplatten zur Verfü­gung, die die reproduzierte Klangquelle wie am Ende eines langen Tunnels hörbar machten.

Dann kam die Stereophonie und öffnete ein Fenster zum Konzertsaal. Jetzt, da die Quadrophonie ihren Siegeszug anzutreten beginnt, wird unser Wohnzimmer akustisch mit dem Kon­zertsaal identisch: wir hören nicht mehr nur links und rechts, sondern auch vorn und hinten. Ist das ein technisch folgerichtiger Portschritt oder nur Bluff?

Wer heute Gelegenheit hat, die Quadrophonie auf ihrem zur Zeit höchstentwickelten Standard kennenzulernen, wird die Frage entschieden beantworten: Quadrophonie ist ein Fortschritt, und zwar ein fast ebenso großer wie der Schritt von der Monophonie zur Stereophonie.

Der Weg hat ans Ende des erwähnten Tunnels geführt, an dem wir - selbst in einem kleinen Hörraum - die ganze Komplexität einer Musikaufführung in einem hervorragenden Konzertsaal erleben können. Aber dieser Weg, der für die meisten noch in der Zukunft liegt, ist mit Stolpersteinen übersät. Dabei ist die Grundidee der Quadrophonie ganz einfach und einleuchtend: Fügt man der Links-Rechts-Information der Stereophonie noch jenen Anteil von reflektierten Schallwellen hinzu, der das Spezifikum des Konzertsaals ist, dann ist der 360-Grad Klang erreicht, der den Zuhörer auf natürliche Weise im Wohnzimmer mit Musik umgibt.

Wie es funktioniert

Vereinfacht dar­gestellt: für eine Stereo- aufnahme sind zwei Mikrofone, ein zweikanaliger Tonträger und Verstärker sowie zwei Lautsprecher nötig. Plaziert man nun bei einer Musik­aufnahme vor die beiden Richtungsmikrofone zwei weitere, die den räumlichen Anteil des Klangereignisses mit sei­nen vielfältigen Reflexionen einfangen, dann ist - aufnahmetechnisch gesehen - der Grundgedanke der Quadrophonie verwirklicht.

Bei dem Stand der Entwicklung aber tauchen immense Probleme auf. Wie ist diese vierfache Klanginformation auf einen Tonträger - Schallplatte und Tonband - und wie in unsere Verstärker und Lautsprecher zu bringen?
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Die Glieder der Kette

Fangen wir beim letzten Glied der Kette an. Es ist klar, daß vier Lautsprecher notwendig sind. Zusätzlich zu den bei der Stereophonie nötigen Front­lautsprechern müssen zwei hinter dem Hörplatz plaziert werden. Der gleiche kostentreibende Aufwand ist für die Verstärkung des vierkanaligen Signals unumgänglich. Also braucht man zu dem vorhandenen Stereo-Verstärker einen weiteren oder einen der Vier-Kanal-Verstärker, wie sie seit einiger Zeit schon angeboten werden. Das bedeutet natürlich, daß man tief in die Tasche greifen muß, wenn man am Fortschritt der Quadrophonie teilnehmen will.

Nun ist dieser Kostenfaktor nur ein persönliches Problem, da es technisch ohne weiteres zu lösen ist. Technisch schwer zu lösen ist dagegen die Aufgabe, ein vierkanaliges Signal über einen Tonträger zum Verstär­ker zu bringen. Das gilt für die Tonträger Rundfunk und Schallplatte, während ein vierkanaliges Magnettongerät die auf vier Spuren verteilten Quadrosignale aufnehmen und an den entsprechenden Vierkanal-Verstärker weiter­geben kann.

Wie aber soll der Rundfunk, da aus Gründen der Ton­qualität nur die Ultrakurzwelle in Frage kommt, wie soll also der Rundfunk, der aus Mangel an geeigneten Sendefrequenzen in der Bundesrepublik kaum noch atmen kann, ohne dabei einen auf benachbarter Frequenz aus­strahlenden Sender zu stören, die zwei zusätzlichen Signale dem häuslichen Empfänger zutragen und wie soll in der schmalen Rille einer Langspielplatte noch Platz für zwei weitere Signale sein?

Hat das wirklich Zukunft ?

Bei diesem Stand der Diskussion ergeben sich düstere Zukunftsaussichten. Denen ließe sich entgegenhalten, daß es bei der Einführung der Stereophonie die gleichen Schwierigkeiten gab - und die sind alle gelöst worden. Für den Rundfunk wird dieses Argument einer technischen Zukunftsgläubigkeit kaum wirksam: Denn in der Bundes­republik zumindest, anders als etwa in den Vereinigten Staaten, sind die öffentlich rechtlichen Rundfunk­anstalten keine auf Umsatz und Profit angelegten Unter­nehmen.

Und deshalb wird sich keine Funkanstalt in der Bundesrepublik um eine technische Lösung des Problems engagiert kümmern können. Ganz abgesehen davon, daß die Kostenentwicklung der letzten Jahre die für die Ein­führung der Quadrophonie ungeheuren Investitionen un­möglich machen dürfte. Vom Fernsehen mit seiner immer noch atavistischen Klangqualität ist in diesem Zusammenhang ganz zu schweigen.

Quadro auf der Schallplatte

Kommen wir zur Schallplatte. Bis heute sind zwei grund­sätzliche Verfahren entwickelt worden, die Rille für zwei weitere Signale aufnahmefähig zu machen.

Das kon­sequente Verfahren wird als Diskret-Quadrophonie bezeichnet. Mit Hilfe eines speziellen Abtast-Diamanten, der sogenannten "Shibata Nadel" ist es japanischen Technikern gelungen, aus einer Schallplatten-Rille vier Signale zu entnehmen.  Zusätzlich zu dem üblichen Stereo-Verfahren beim Schneiden einer Platte wird in der Diskret-Quadrophonie ein jenseits der menschlichen Wahrnehmungsgrenze liegendes Signal-Paar genutzt, das von dieser Nadel abgetastet wird.

Von einem dem vier-kanaligen Verstärker vorgeschalteten Decoder wird es in zwei nun hörbare Signale zurückgeformt. Daß die Diskret-Quadrophonie nur mit dieser speziellen Abtast-Nadel nutzbar ist, versteht sich dabei von selbst - wobei die damit verbundenen Abtast Probleme erst teilweise gelöst sind. Erfreulich ist, daß mit einer solchen Nadel auch herkömmliche Stereo-Platten ohne klangliche Einbußen abgespielt werden können.

Neben der Diskret-Quadrophonie gibt es die sogenannte Matrix-Quadrophonie, die mit leichten Abweichungen von verschiedenen Firmen propagiert wird. Bei diesem Matrix-Verfahren wird dem Stereo-Signal auf codierte Weise das zusätzliche Informations-Paar zugemischt. Solche Plat­ten werden mit einem herkömmlichen Diamanten abgespielt, der nun sein codiertes Stereo-Signal an einen Decoder weitergibt. Dieser entschlüsselt es und liefert dem Verstärker vier getrennte Informationen.

Wichtiger als die Frage, welches der verschiedenen Matrix-Verfahren sich durchsetzen wird, ist die andere: ob diese unter­einander austauschbar, d.h. kompatibel sind. Denn nur das garantiert, daß man eine nach dem Verfahren "X" geschnittene Matrix-Platte auch mit einem Decoder der Firma "Y" abspielen kann.

Matrix-Verfahren oder Diskret-Verfah­ren in 1975

Bis heute (also Mai 1975) ist dieses Problem noch nicht optimal geklärt - ebenso wie die Frage, ob das Matrix-Verfahren mit dem Diskret-Verfah­ren voll kompatibel ist. Diese Frage ist jedoch ent­scheidend. Denn die großen amerikanischen und japani­schen Konzerne, die immense Summen in die Entwicklung der verschiedenen Quadrophonie-Verfahren gesteckt haben, werden sich kaum zu einer gemeinsamen Linie zusammenfinden, sondern ihre Systeme weiterentwickeln und verkaufen.

Ehe diese grundsätzlichen Fragen auf eine überzeugende Weise gelöst sind, versucht mancher Hersteller, auf der Quadro-Welle zu reiten, ohne sich diesen Problemen zu stellen. Das geschieht mit Hilfe einer Pseudo­Quadrophonie. Ein normaler Stereo-Verstärker löst mit einem Synthesizer aus einem Stereo-Signal eine Art Differenz-Programm zwischen linkem und rechtem Signal, das mit leichten Phasenverschiebungen den rückseits aufgestellten Lautsprechern zugeführt wird. Auf diese Weise wird zwar eine gewisse Vergrößerung der stereo­phonen Räumlichkeit erreicht, oft in der Form von übermäßigem Hall und leicht schmutzigem Klang - aber mit tatsächlicher Quadrophonie hat dieses Verfahren nur in den Köpfen von Werbefachleuten der Unterhaltungselektronik etwas gemeinsam.

Eine vorläufige Bilanz im Mai 1975

Ziehen wir eine vorläufige Bilanz. Technisch gesehen ist die Quadrophonie ein allerdings kostspieliger Fortschritt. Auf dem Tonbandsektor ist er vergleichs­weise einfach zu verwirklichen, auf dem des UKW-Rund­funks zur Zeit noch nicht.

Bei der Quadro-Schallplatte gibt es zwei verschiedene Verfahrens das Matrix- und das Diskret-System. Beide haben ihre ersten Proben bestanden. Noch nicht völlig überzeugend gelöst ist das Problem der Verträglichkeit zwischen beiden grund­sätzlich unterschiedlichen Verfahren.

Dagegen bestehen keine Zweifel über die Verträglichkeit
des Matrix-Systems mit einer bestehenden und auf Quadrophonie zu erweiternden Stereo-Anlage. Das Diskret-Verfahren bedarf einer speziellen Abtastnadel, die auch übliche Stereoplatten sauber abtastet.

Die nach dem Diskret-Verfahren hergestellten Quadro-Platten
allerdings leiden aufgrund von Abtastproblemen an einer vergleichs­weise kurzen Spieldauer von etwa 20 Minuten pro Seite. Technisch unproblematisch ist die pseudo-quadrophone Aufbereitung von Stereo-Signalen, sie wird übrigens von jedem Quadro-Verstärker geleistet. Allerdings ist sie bis heute nur als Kompromiß zu bezeichnen. Übergangsschwierigkeiten sind nicht zu leugnen. Sie be­treffen sowohl die Verträglichkeit der verschiedenen Quadro-Verfahren untereinander als auch - in einem klangästhetischen und weniger technischen Sinn - in Bezug auf bestehende Anlagen.

Stereophon klingt es nicht (immer).

So stellen zum Bei­spiel die großen Plattenfirmen heute ihre Platten quadrophon her, bieten aber zugleich eine Stereo-Version an.

Hört man diese Aufnahmen kritisch, so kann sich unter Umständen der Eindruck eines Rückschritts gegen­über den besten Stereo-Aufnahmen einstellen. Der Klang wirkt weniger differenziert und analytisch, als es stereophon der Fall ist.

Hören Sie bitte ein vergleichweise noch positives Beispiel; Georg Solti dirigiert das Chicago Symphony Orchestra im Schlußsatz der fantastischen Sinfonie von Hector Berlioz - Musikbeispiel: bei Decca SXL 6571
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So weit ein Bericht über die Perspektive vom Mai 1975

Kurz danach hat die ganze analoge Quadrophonie im Markt weltweit gefloppt, weil es auch nach 3 Jahren weder gescheite Konzepte noch genügend wirklich überzeugende Tonträger bei den Schallplatten gab. Alleine das Magnetband oder die CC auf einem 4-Kanal Kassetten- recorder, der aber qualitativ noch in den Kindeschuhen steckte, hätten das Programm-Problem lösen können.

 

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