Der Tangential-Tonarm RabcoSL-8
Im Testbericht über den Plattenspieler National Technics 100P (vgl. Seite 19) haben wir von einem amerikanischen Tangential-Tonarm gesprochen, dessen Vortrieb durch einen Servo-Mechanismus gesteuert wird. Wir kündigten an, daß wir uns um ein Testexemplar dieses Tonarms bemühen wollten. Inzwischen ist der Rabco SL-8, denn um den handelt es sich, eingetroffen und gründlichen Tests unterworfen worden.
Schon der Tonarm des Technics 100 P unterschied sich von allen anderen, mir bekannten Tangential-Tonarmen vorteilhaft dadurch, daß die für den Vortrieb erforderliche Kraft nicht durch den Abtastvorgang, also letzten Endes durch Schallrille und Diamant, aufzubringen ist, sondern einem Steuermechanismus entnommen wird, der den Vortrieb so regelt, daß, von kleinen Abweichungen abgesehen, die für die Steuerung als Regelgrößen notwendig sind, der Tonarm stets zur abgetasteten Rille parallel ausgerichtet ist und dies über dem gesamten Plattenradius.
Beim Technics 100 P geschieht diese Steuerung auf einfache mechanische Weise, beim Rabco SL-8 aufwendiger und weitaus eleganter durch einen elektrischen Servo-Mechanismus.
Die Beschreibung des Vortriebes
Betrachten wir das nebenstehende Prinzipschema (Bild 1). Der eigentliche Tonarm ist über ein vertikales und horizontales Lager, in beiden Richtungen frei beweglich, auf einem Schlitten montiert, der auf vier Kunststoffrädchen in den U-Profilen des oberen Teils der Tonarmbasis seitlich verschiebbar ist.
Solidarisch mit dem Tonarm ist ein Ausleger, an dessen einem Ende ein vergoldeter Kontaktstift befestigt ist. Fest mit dem Schlitten verbunden ist ein „Finger", der zwei dünne Kontaktfedern aus Platin trägt (Bilder 2 und 3).
Weicht nun der Tonarm infolge Mitführung des Diamanten durch die Schallrillen um mehr als 1/6° vom 90°-Winkel zwischen Basis und Armachse - also um mehr als 1/6° von der Tangente zur abgetasteten Schallrille - ab, so berührt der Kontaktstift des Auslegers die erste Feder und schließt den Stromkreis, der einen Galvanometer-Motor in Bewegung setzt.
Elektrische Korrektur auf 1/6° Genauigkeit
Als Spannungsquelle für den Motor dient eine 1,5-V-Lichtbatterie, deren Spannung durch einen Transistor-Verstärker heraufgesetzt wird.
Nach Untersetzung im Verhältnis von etwa 500 zu 1, treibt der Motor über ein Antriebsrad eine Kette an, die nun ihrerseits über ein Kunststoffpolster als Kupplung den Schlitten so lange zur Plattenmitte bewegt, bis der Kontakt unterbrochen wird, was dann der Fall ist, wenn die Abweichung vom 90°-Winkel unter 1/6° gefallen ist.
Wird die Abweichung wieder größer, setzt sich der Vortriebsmechanismus erneut in Betrieb, so daß der Tonarm in kleinen Schritten, durchaus nach den Erfordernissen der Füllschrift, von außen zur Plattenmitte läuft und dabei, von der winzigen Steuerabweichung abgesehen, tangential zur abgetasteten Schallrille ausgerichtet bleibt.
Die Abschaltung
Gerät der Tonarm in die Auslaufrillen, so kann der Servo-Mechanismus die Winkelabweichung nicht schnell genug korrigieren, der Kontakt am Ausleger berührt die zweite Kontaktfeder, wodurch ein zweiter Stromkreis geschlossen wird, der den Lift-Motor in Gang setzt: der Tonarm hebt selbsttätig ab, und zwar ohne daß auch nur die geringste Kraft am Tonabnehmer auftritt.
Der Lift
In Ruhestellung ist der Tonarm schräg nach oben gerichtet (Bild 4). Will man ihn auf die Platte aufsetzen, so drückt man den Absenkbügel so weit herab, bis dieser einrastet. Um den Abtastvorgang zu unterbrechen, genügt ein leichter Druck auf die Taste links neben dem Absenkbügel (Bild 5).
Geometrie und Auflagekraft
Die Achse für die vertikale Bewegung des Tonarms (horizontale Achse) geht durch den Schwerpunkt des Tonarms, während diejenige für die horizontale Drehbewegung (vertikale Achse) etwas nach vorne versetzt ist, um die Gefahr zu vermindern, daß horizontale Erschütterungen den Tonarm aus der Rille springen lassen.
Die Auflagekraft wird durch das Gegengewicht eingestellt, mit dem der Arm auch ausbalanciert werden muß. Eine ganze Umdrehung des Gegengewichts entspricht einer Erhöhung oder Herabsetzung der Auflagekraft um 1p. Eine Viertelumdrehung entspricht einer Korrektur der Auflagekraft um 1/4p.
Die Justierung des Systems
Der Tonarm ist zweiteilig. Das vordere Teil, in das das Tonabnehmersystem eingebaut wird, kann nach Lösen einer Klemmschraube abgenommen werden (Bild 6). Auch dieses Teil ist in sich wieder zweiteilig. Der lagernahe Teil hat ein besonders verwindungssteifes Profil, das vordere Ende, das nach Lösen zweier Schrauben zum Zwecke der genauen Justierung der effektiven Länge verschiebbar ist, hat U-Profil.
Diese Justierung ist einfach. Die Nadelspitze muß sich genau über der Plattentellerachse befinden, wenn man den Tonarm über den zur Basis senkrechten Plattenradius schiebt.
Kleine Feinheiten
Die Tonleitungen sind so befestigt, daß sie keinen Einfluß auf den Tonarm haben. Deswegen können sie ausreichend dick und gut abgeschirmt sein. Hinten an der Basis befinden sich zwei Cinch-Ausgänge und eine Erdklemme.
Das Aussehen des Tonarms ist bedingt durch seine kompromißlose technische Konzeption. Er kann auf jedes Laufwerk montiert werden, das ohne Tonarm geliefert wird. Die Arbeitshöhe und die streng horizontale Ausrichtung der Basis können über zwei Schrauben nach Lösen von vier Feststellschrauben genau eingestellt werden.
Test der Abtasteigenschaften
Die Abtasteigenschaften werden durch das Zusammenwirken von Tonabnehmer und Tonarm bestimmt. Da wir mit dem Tonabnehmer Philips GP 412 schon Abtasttests am Tonarm Sony PUA 286 und am Tangentialtonarm des Technics 100 P durchgeführt haben, lag es nahe, die Abtasteigenschaften des Rabco SL-8 im Zusammenspiel mit diesem System zu untersuchen, weil sich daraus Rückschlüsse auf die Qualität der drei genannten Tonarme ziehen lassen müssen.
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Tabelle 1 - Abtasttest:
Rabco-Tonarm SL-8 mit Tonabnehmer Philips GP412
dhfi-Schallplatte Nr. 2 | Shure-Platte TTR-101 | ||
Auflagekraft in Pond | horizontal | vertikal | Orchesterglocken |
0,3 | 20 µ sauber | 30 µ sauber | 2. Pegel fast sauber |
0,4 | 30 µ sauber | 50 µ fast sauber | 2. Pegel sauber |
0,5 | 40 µ sauber | 50 µ sauber | 2. Pegel sauber |
0,7 | 60 µ fast sauber | 50 µ sauber | 3. Pegel sauber |
0,8 | 60 µ sauber | 50 µ sauber | 3. Pegel sauber |
1.0 | 70 µ fast sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel fast sauber |
1,2 | 70 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
1,5 | 70 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
1,8 | 80 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
2,0 | 80 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
2,5 | 90 µ fast sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
3,0 | 90 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
Aus dem Vergleich von Tabelle 1 mit Tabelle 3 (vgl. Seite 48) und Tabelle 2 (vgl. Seite 19) ist leicht zu ersehen, daß der Rabco SL-8 dem Sony PUA 286 ganz klar und dem Tonarm des Technics 100 P immer noch merklich überlegen ist.
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Tabelle 2 - Abtasttest:
Rabco-Tonarm SL-8 mit Tonabnehmer Shure V15 II neu
dhfi-Schallplatte Nr. 2 | Shure-Platte TTR-101 | ||
Auflagekraft in Pond | horizontal | vertikal | Orchesterglocken |
0,3 | 30 µ fast sauber | 40 µ fast sauber | 2. Pegel sauber |
0,4 | 40 µ fast sauber | 40 µ sauber | 2. Pegel sauber |
0,5 | 40 µ sauber | 50 µ sauber | 3. Pegel fast sauber |
0,7 | 60 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel fast sauber |
0,8 | 60 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel fast sauber |
1,0 | 80 µ fast sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
1,2 | 90 µ fast sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
1,5 | 90 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
1,8 | 100 µ fast sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
2,0 | 100 µ sauber | 50 µ sauber | 4. Pegel sauber |
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Hervoragendes Abtastverhalten
Tabelle 2 zeigt das Abtastverhalten des Rabco SL-8 in Verbindung mit dem neuen Shure V 15 II. Auch in diesem Falle zeigt ein Vergleich mit der Tabelle 1 im Testbericht dieses Tonabnehmers (vergleiche Seite 56), daß das Shure V 15 II in der neuen Version am Rabco SL-8 seine an sich vorzüglichen Abtasteigenschaften sowohl bei 300 Hz als auch in den Höhen bei 10.000 Hz besser entwickeln kann als am Sony PUA 286, der ja zu den besten konventionellen Tonarmen zählt.
Es gibt keine Skating-Kraft
Dies ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß am SL-8 der Diamant völlig gleichmäßig auf beiden Rillenflanken aufliegt, da eine Skating-Kraft nicht auftreten kann. Die Kraft, die erforderlich ist, um den Tonarm um 1/6° aus dem 90°-Winkel abzulenken, ist so gering, daß wir sie auch mit dem empfindlichen Skatometer nicht messen konnten.
Äußerst kleine effektive Masse
Sehr günstig wirkt sich außerdem die äußerst kleine effektive Masse des Rabco SL-8 aus. Beim Sony PUA 286 bewirkt schon ein geringfügiger Höhenschlag der Platte infolge der größeren Trägheitsmasse bei sonst gerade ausreichender Auflagekraft unsauberes Abtasten, weil die wirksame Auflagekraft durch den Höhenschlag periodisch verändert wird. Beim Rabco SL-8 bleibt dieser Effekt ganz aus.
Die Tonarmresonanz
Mit Hilfe der Brüel & Kjaer-Meßplatte Nr. 2008 kann man den Frequenzgang eines Tonabnehmers im Bereich von 10 bis 100Hz aufzeichnen.
In diesen Bereich fällt die sogenannte Tonarm- resonanz, die im wesentlichen durch das Zusammenwirken von Nadelnachgiebigkeit des Tonabnehmers und effektiver Masse des Tonarms bestimmt wird.
Bild 7a zeigt, daß beim "neuen" Shure V 15 II am Rabco SL-8 im linken Kanal oberhalb 10 Hz überhaupt keine Resonanz mehr auftritt. Im ersten Kanal zeigt sich bei 13 Hz eine schwache Resonanz (Bild 7b).
Beim "alten" Shure V 15 II ist eine Resonanz in beiden Kanälen bei 18 Hz schwach zu erkennen, jedoch ist sie stark bedämpft (Bilder 8a und 8b).
Das Supex SD 700-A zeigt in beiden Kanälen am Rabco SL-8 eine ausgeprägte Resonanz bei 21 Hz (Bilder 9a und 9b). Dies rührt daher, daß das Supex SD 700-A eine sehr viel kleinere Nadelnachgiebigkeit hat als die Shure V15 II Systeme.
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Der Betriebstest
Der Rabco SL-8 erweist sich im praktischen Gebrauch als ein äußerst bequem und sicher zu bedienender Tonarm. Bei der Montage und Feinjustierung ist darauf zu achten, daß der Tonarm zusammen mit dem Laufwerk gut horizontal ausgerichtet ist, damit keine Kräfte auftreten können, die ihn im ausbalancierten, freischwebenden Zustand auslenken würden. Die Abschaltautomatik arbeitet absolut zuverlässig und ohne daß auf Nadel und Schallrille irgendwelche zusätzlichen Kräfte einwirken. Beim Abheben des Tonarms verursacht der hochschnellende Bügel eine Erschütterung, die als impulsartiges Geräusch auch über die Lautsprecher hörbar ist. Vermeidbar wäre es nur, wenn dieser Abhebmechanismus weniger stoßartig arbeiten würde oder wenn durch den gleichen Vorgang die Tonleitungen kurzgeschlossen würden. Selbstverständlich kann man dieses Geräusch durch einfaches Zudrehen der Lautstärke am Verstärker unhörbar machen.
1970 - der derzeit beste Tonarm
Der Rabco SL-8 dürfte nicht nur der derzeit beste Tonarm sein, er ist gewiß auch der zukunftssicherste, denn er würde auch mit Tonabnehmern einwandfrei arbeiten, die noch größere Nadelnachgiebigkeiten und kleinere dynamische Massen haben, als sie heute schon möglich sind. Die erforderliche Auflagekraft wird beim Rabco nicht mehr durch den Tonarm bestimmt, sondern vorläufig allein durch die Eigenschaften des Tonabnehmers.
Potential für weitere Verbesserungen der Abtaster
Durch den Rabco SL-8 ist den Herstellern von Tonabnehmern wieder Spielraum für weitere Verbesserungen der Abtaster gegeben. Endlich wieder einmal ein HiFi-Baustein für Perfekfronisten und Professionelle, dessen Anschaffung sich lohnt, auch wenn er in den USA 149,50 Dollar kostet! Die Anschrift des Herstellers lautet: Rabco, 11 933 Tech Road, Silver Springs, Maryland 20 904.
Zusammenfassung
Mit dem Rabco SL-8 steht ein Tonarm zur Verfügung, der Schallplatten unter den gleichen geometrischen Bedingungen abzutasten erlaubt, unter denen die Folien geschnitten werden. Die einzigen geometrischen Fehler, die nach wie vor auftreten, rühren nur noch von der unterschiedlichen Form des Schneidstichels und des Abtastdiamanten her. Der SL-8 ist zwar nicht der erste Tangentialtonarm, der auf dem Markt erschienen ist, wohl aber der einzige, bei dem die diesem Prinzip innewohnenden Schwierigkeiten und Probleme restlos und so betriebssicher gelöst worden sind.
Karl Breh 1970.
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